Bohrens Predigtlehre

Bohrens Homiletik im Gespräch mit der Geschichte der Praktischen Theologie


Studienarbeit, 2011

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Portrait Rudolf Bohren

1. Charakteristiken der Predigtlehre Bohrens
1.1. Predigen aus Leidenschaft
1.2. Pneumatologische Theologie
1.3. Gott als erster Hörer

2. Diskussion mit der Geschichte der Praktischen Theologie
2.1. Hörerhörigkeit
2.1. Pneumatologische Vermengung

3. Würdigung

Portrait Rudolf Bohren 2004

Bibliographie

Portrait Rudolf Bohren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild: Rudolf Bohren, von © Robert Bühler http://www.robertbuehler.com/portrait/

1. Charakteristiken der Predigtlehre Bohrens

Bohrens Predigtlehre wird viel zitiert aufgrund seiner Konzentration auf den Hörer und der Einwirkung des Geistes, auf die im Folgenden auch hauptsächlich eingegangen wird. Weitere Punkte, auf die aus Platzgründen nicht weiter eingegangen wird, sind Bohrens praktische Hilfestel- lungen zum Predigen sowie sein Lasterkatalog für Prediger. Zu den schon genannten zwei Themen wird in dieser Arbeit auch das Thema der Leidenschaft mit aufgenommen, die für Bohrens Homile- tik als Schlüsselbegriff gesehen werden kann. Ein weiteres Kapitel wird die betrachtete Predigtleh- re mit theologischen Standpunkten aus der Geschichte konfrontieren und endet mit Kapitel drei, der Würdigung und eigenen Stellungnahme.1

1.1. Predigen aus Leidenschaft

„ Nicht Feuerwehrleute, sondern Brandstifter sollen wir sein. “ [Rud80]

Mit diesem Zitat soll die Besprechung der Predigtlehre Bohrens starten. Bohrens Aussage ist nicht direkt zuzustimmen. Möchte man z.B. mit einer seelsorgerlichen Predigt nicht eher ein Feuer löschen, als das bereits Brennende und Quälende anzufachen? Der Ausspruch ist vielleicht anders zu verstehen. Bohren möchte in der Predigt etwas bewegen. Er möchte, dass die Predigt etwas be- wirkt und noch mehr, dass der Prediger etwas wagt, das er selbst nicht imstande ist zu händeln. Das Bild des Brandstiftens führt er zurück auf Gott selbst, der ein „verzehrendes Feuer“ ist. Er schluss- folgert daraus, wenn der Prediger das Kommen und die Gegenwart Gottes ansagt, dass es dann „nicht ohne Brand“ ausgehen wird [Rud80] . Abgrenzend dazu gebraucht er das Bild des Feuer- wehrmanns und Feuerwerkers, welche konträr zum Prediger als Brandstifter und Feuerwerfer ge- stellt werden2.

Bohren beweist nach diesem einleitenden Aufruf, dass er in seiner Homiletik sich auch der ge- genwärtigen Realität stellt und über die Nöte des Praktikers, der er selber ist, Bescheid weiß. So stellt er im Anschluss die entscheidende Frage nach den Möglichkeiten, die dem Prediger zur Ver- fügung stehen, um etwas in Brand zu setzen, und geht damit das Thema an, welches seine gesamte Homiletik durchzieht: die Frage nach der Machbarkeit von Predigt als Wunder. Mit anderen Worten fragt er, wie Gott in der Predigt real werden kann. Bohren beschreibt das Problem, das damit verbunden ist wie folgt: „Auch beim Predigen muss ich um meine Grenze wissen, nur nützt mir dies wenig, denn hier überschreite ich von Anfang an meine Grenze. Innerhalb meiner Grenzen kann ich hier nur von Götzen und von Gottesgedanken sprechen, die den wirklichen Gott verfehlen.

Wer predigt, überschreitet in einem fort seine Grenzen; er tut, was er nicht kann, wagt, was er nicht wagen darf: Feuer zu werfen, zu sagen - >>Gott<<.“ [Rud80]

Wenn ich als Prediger aber doch direkt an meine Grenzen stoße, so Bohrens Gedankengang, wie kann ich es dann überhaupt wagen zu predigen? Bin ich dann nicht dafür ungeeignet? Seine Antwort ist kurz: „Unser Predigen ist ein von ihm selbst erwartetes Reden“ [Rud80] . Der Prediger redet, weil Gott zuhört; weil Gott selbst gekommen ist, um die Predigt zu hören. Sein Konzentrie- ren auf das erwartende Hören Gottes auf die Predigt zeichnet diese Predigtlehre aus als etwas Be- sonderes, das weiter unten im Kapitel des Hörers ausführlicher dargestellt wird. Bohren zeigt dem Leser auf, dass er fest mit der Gegenwart Gottes in der Predigt rechnet, sowie er predigend auf das Handeln Gottes wartet und hofft.

„ Ich warte auf Predigt, die ein Wunder ist, weil der, von dem die Rede ist, sich in das Redenüber ihn einmischt, selbst das Wort ergreift, so da ß nicht nurüber Gott und seinen Frei- spruch geredet wird, sonder sein Wort geschieht, sein Freispruch freimacht. “ [Rud80]

Wenn Bohren an dieser Stelle das Wunder als ein Einmischen Gottes formuliert, dann geht er umgekehrt davon aus, dass der Prediger ein Mitwirken Gottes nicht planen konnte, da die Formulierung des Einmischens eher als Übergriff zu werten ist im Gegensatz zum Erwarteten oder Geplanten. Dieses Einmischen Gottes zählt er dem Grundproblem der Homiletik zu. So verdeutlicht er seinen Lesern, dass jede Predigtlehre erklären muss, „wie die Predigt Wort Gottes sein oder werden kann“[Rud80] ; wie ein Einmischen Gottes realisiert werden kann!

Ohne auf bestimmte Namen zu verweisen, weist Bohren eine historisch betriebene Predigtfor- schung zurück.[Rud80] Von dort ist seiner Meinung keine Lösung über ein Einmischen Gottes zu erwarten. Als zweite Möglichkeit nennt er die Predigt, die sich nicht auf die Historie, sondern auf den gegenwärtigen Hörer konzentriert. Er schreibt: „Der Prediger, der nicht >>mit mir<< zu reden weiß, kann mir auch nichts von Gott sagen.“[Rud80] und stellt damit eine Anforderung an den Prediger und sein Können. Auf der nächsten Seite stellt er dem entgegen, „dass predigen mehr ist, als wir machen können.“[Rud80] Die Frage ist zu stellen, was der Leser denn nun machen kann?

Aus der Geschichte der Praktischen Theologie sind die zwei eher gegensätzlichen Standpunkte der der dialektischen und der empirischen Theologie bekannt. Bohrens Standpunkt ist nicht im Schnellschritt durch ein schwarz-weiß Denken in eine dieser Theologien einzugliedern. Einen ers- ten Hinweis auf seinen Weg führt er in dem folgenden Zitat aus: „Techniken und Rezepte sind nie irrelevant, aber sie sind auch nie Göttinnen, deren Kult den dürren Feldern der Homiletik neue Fruchtbarkeit verheißt: Fruchtbarkeitszauber ist auch im Gewande der Rationalität ein fauler Zau- ber! - Die Spannung zwischen dem Machbaren der Predigt und dem nicht herzustellenden Wunder ist nicht aufzulösen.“[Rud80] Der erste Eindruck über Bohrens Predigtlehre ist leicht misszuverstehen. Es scheint, als würde Bohren den Leser mit einem unlösbaren Problem stehenlas- sen. Wenn er im ersten Teil darauf hinweist, dass wir das Wunder nicht tun können, es aber erwar- ten sollen, und im Warten es tun sollen, dann ist es genau dieses Diskrepanz, die er mit leiden- schaftlichem Predigen umschreibt. Leidenschaft ist bei ihm der Weg, den jemand einschlägt, ob- wohl er Leiden schafft. „Wer leidenschaftlich gern predigt, nimmt das Leiden in Kauf, es sei denn, die Leidenschaft wäre bloße Temperamentssache“ [Rud80] . Auch wenn sich dieses erste Warten, Leiden und Wagen wie eine Anleitung anhört, schließt Bohren sein erstes Kapitel mit dem Fokus auf das Wunder. Er stellt heraus, dass das eigentliche am Wunder der Predigt nur Gott selber ma- chen kann und rückt somit merkbar auf die Seite der Dialektischen Theologie. „Darum mag alles, was wir über Leidenschaft, Freude, Wagnis, Spiel, Leiden sagten, zum Wunder gehören, kann es aber nicht hervorbringen.“[Rud80]

Im zweiten Teil seines Buches stellt er nun die Frage nach dem „Verhältnis von Göttlichem und Menschlichem im Sprachgeschehen“ [Rud80] und geht damit die schon erwartete Frage an, was das Menschliche sein darf in der Predigt und wie das Göttliche hinzukommen kann.

1.2. Pneumatologische Theologie

Bohren beklagte, dass das Wunder in der Predigt fehlt und fügt an, dass es ein Missstand ist, dass das „fehlende Wort“ durch Engagement ersetzt wird.[Rud80] Die Geschäftigkeit des Pfarrers kön- ne seiner Meinung nach nicht die Lösung sein. Als Schlüssel zum Wunder bietet er keine reine dialektische Theologie an, obwohl er sich dieser sehr verbunden weiß: „Mein Dilemma besteht also darin, dass ich an der Theologie des Wortes grundsätzlich nach wie vor festhalten möchte, dass sie aber in der bisherigen Form nicht mehr genügt.“[Rud80] Er möchte das „Lautwerden des Wortes“ fördern indem er „nicht nur in christologischen, sondern auch in pneumatologischen Strukturen zu denken“ beginnt. Als Erklärung dafür sieht er, dass wenn die Predigt auf den pneumatologischen Ansatz verzichtet, „das Predigen wiederum zur Abstraktion >>Predigt<< gerinnen“ würde. [Rud80] Es geht ihm darum, dass das Eingreifen oder Wirken des Geistes in der Predigt nicht als verborgen und versteckt gesehen wird, sondern dass man auf ein Sichtbarwerden des Geistes hofft. Bei dieser Hoffnung setzt Bohren an und formuliert, dass eine Predigtlehre eine „Sprachlehre der Hoffnung“ sein muss, wenn sie pneumatologisch gesehen wird. [Rud80]

Als weiteres Dilemma weist er den Leser auf das fehlende Reden Gottes hin und bezeichnet es als Sprachlosigkeit. Eine Sprachlosigkeit, die auf das soeben beschriebene fehlende Hoffen aber auch auf das Zurückziehen Gottes zurückzuführen ist. Überbrückt werden kann für ihn keines die- ser beiden Problematiken. Die Sprachlosigkeit muss stattdessen ü berwunden werden „durch das Kommen des Heiligen Geistes(…), das zu erwarten, sein Wirken, das zu entdecken und benennen ist…“ [Rud80] . Untermauernd widmet er ein Kapitel dem Namen, in dem die Predigt geschehen soll. Er weist darauf hin, dass die Predigt dadurch erst legitimiert wird, dass sie im Namen Gottes gesprochen wird. Es soll ein Reden im ganzen Namen Gottes sein, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Zusammenfassend stellt er hier nocheinmal gegen eine einseitiges Missverstehen seines pneumatologischen Ansatzes heraus, dass in keinem anderen Namen gepredigt werden soll und nur im ganzen Namen. Er möchte damit verdeutlichen, dass gerade weil seine Predigtlehre einen pneumatologischen Ansatz hat, dies so sein muss. Wenn er das Wirken des Geistes jedoch hervorhebt, dann heißt für ihn das nicht gleichzeitig, dass auf Exegese und Hörerzentriertheit ver- zichtet werden kann. Darum erweitert er seine Definition, indem er schreibt, dass in der pneumato- logischen Perspektive auch der Prediger und der Hörer zu Ehren kommen. „Exegese und Kommu- nikationsforschung kennzeichnen diesen Sachverhalt. Auf keine der beiden Wissenschaften kann eine Predigtlehre verzichten.“[Rud80] Das Machbare und Menschliche bekommt in Bohrens Sinn eine neue Bedeutung3.

„ Die ständigen Anrufe und Appelle zeigen, dass die Prediger in einem falschen Erwartungshorizont leben. Sie erwarten alles vom H ö rer, statt dass sie alles von Gott erwarten. So k ö nnte die Zungenrede auch Zielangabe sein für den Prediger “ [Rud80]

Unerwartete vergleicht Bohren die Predigt mit dem biblischen Zungenreden. Als Vergleichs- punkte stellt er fest, dass beim Zungenreden nicht dem Hörer, sondern Gott etwas gesagt wird. Weiterhin, dass man Dinge sagt, die man selber nicht versteht. Gott selbst muss es dem Hörer auf- schließen. Dabei versuchen nicht wir, ihn (den Hörer) zu bewegen, etwas zu tun, zu lassen oder zu verändern, sondern Gott wird es bewirken in ihm, durch sein Wort, das in der Predigt geschieht. Bohren zieht diesen Vergleich, um den Prediger davon wegzuleiten, dass er menschlich versucht, etwas mit seinen Worten, selbst wenn sie Gottes Wort durch und durch zitieren würden, bewegen will.

Als Fachbegriff greift Bohren auf den Begriff der theonomen Reziprozität zurück. Möller er- klärt Bohrens Ausführungen darüber in zusammengefasster Form: „Die theonome Reziprozität meint als gottgesetzte Wechselseitigkeit und Gegenseitigkeit eine Art Austausch, eine eigentümli- che Partnerschaft, die das Intolerante, das der Christologie eigen ist, aufhebt. Nun sind Wunder und Technik keine Gegensätze mehr, sondern signalisieren lediglich verschiedene Aspekte der theono- men Reziprozität.“[Möl04] Demnach muss eine Predigtlehre von der Ausgewogenheit zwischen eigenem Handeln und Machbarkeit sowie auch dem Warten auf Gottes Reden in der Predigt als Wunder handeln. Im Besonderen geht Bohren davon aus, dass Gott möchte (theonom), dass der Prediger mit in die Predigt hineinwirkt. Er erwartet das Reden des Predigers und seinen Einsatz. Als Hineinwirken des Predigers gilt bei Bohren auch das Eingehen auf den Hörer. Allerdings grenzt er sich hier in seiner Homiletik von der Hörerzentriertheit Ernst Langes ab und findet einen eigenen Weg.

[...]


1 [Rud80] 4. veränderte und erweiterte Auflage

2 Bohren erklärt den Feuerwerker nicht weiter, der ja auch Dinge in Brand setzt, auch wenn es schnell wieder „verpufft“. Gemeint ist wahrscheinlich der auf S.66 kurz beschriebene aktionsorientierte Pre- diger von dem er sagt: „ Das Engagement vertritt das fehlende Wort “

3 Wie dies in der Diskussion zwischen Karl Barth, Eduard Thurneysen auf der einen Seite und Friede- rich Niebergall, Ernst Lange verstanden werden kann ist hier genauer zu hinterfragen. Um möglichst viele Aspekte Bohrens mit berücksichtigen zu können wird sich dieser Diskussion erst im nächsten Kapitel gestellt.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Bohrens Predigtlehre
Untertitel
Bohrens Homiletik im Gespräch mit der Geschichte der Praktischen Theologie
Hochschule
University of South Africa
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
19
Katalognummer
V169796
ISBN (eBook)
9783640882403
Dateigröße
730 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich um eine dreiteilige Ausarbeitung. 1. inhaltliche Zusammenfassung der makanten Stellen innerhalb Bohrens PT 2. Diskussion der Predigtlehre mit Zeitgenossen Bohrens (Lange) und heutigen Theologen (Grötzinger, Möller, Grethlein, Josuttis,...) Drittens folgt eine eigene kritische Würdigung der Predigtlehre.
Schlagworte
Predigtlehre, Ernst Lange, Rudolf Bohren, Der erste Hörer, Predigt, pneumatologischer Ansatz, pneumatologische Theologie, Praktische Theologie
Arbeit zitieren
Andreas Schmale (Autor:in), 2011, Bohrens Predigtlehre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169796

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Titel: Bohrens Predigtlehre



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