Je mehr Steuerungsprozesse losgelöst von den nationalen Parlamenten, besonders auf der Ebene der Europäischen Union stattfinden, desto mehr stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimität des Regierungshandelns.
Besonders in demokratischen Staaten bildet sich seit einigen Jahren eine Opposition heraus, die mehr Partizipation bei der politischen Gestaltung auf supranationaler Ebene fordert. Supranationale Systeme wie die Europäische Union (EU) dürfen nicht zu reinen Instrumenten der effektiveren Problemlösung herabgestuft werden. Die wenigsten Entscheidungen in Brüssel oder Straßburg werden noch von den nationalen Parlamenten umgesetzt, sondern entfalten ihre Wirkung direkt auf den Bürger. Es handelt sich hier um ein überstaatliches Herrschaftssystem.
Alexis de Tocqueville schrieb 1835: „die auswärtige Politik erfordert nahezu keine der Eigenschaften, die der Demokratie eigen sind, dagegen verlangt sie die Entfaltung von fast lauter solchen, die ihr abgehen“. Mit diesem Satz bringt Tocqueville das Problem auf den Punkt. Auch eine starke Demokratie kann auf internationaler Bühne nur bedingt demokratisch handeln. Der Regierung wird aus gutem Grund ein weiter Spielraum für außenpolitische Entscheidungen belassen. Je stärker allerdings außenpolitische Entscheidungen auf den einzelnen Bürger zurückwirken, desto wichtiger ist die Bindung der Entscheidung an den Träger demokratischer Legitimationsgewalt. Mit der Kompetenzübertragung auf das Gebilde der Europäischen Union nimmt die deutsche Regierung dem Bundestag gesetzgeberische Verantwortung und übergibt diese den Organen der Europäischen Union. Diese Kompetenzübertragungen wirken sich in Form von Rechtsakten, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1963 mit den Urteilen Van Gend & Loos sowie Costa/ENEL, unmittelbar auf die Bürger in den Mitgliedstaaten aus.
Aus der unmittelbaren Geltung europäischer Herrschaftsgewalt auf den Einzelnen leitet sich meine Forschungsfrage ab: “Ist die Europäische Union ausreichend legitimiert?“
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- A. Hinführung zum Thema und Aufbau der Arbeit....
- Politische Herrschaft bedarf der Rechtfertigung ....
- B. Legitimation, Legitimität und Herrschaft
- 1. Legitimation, Legitimität und Herrschaft
- 2. Legitimationsstrategien für Nationalstaaten
- a. Legitimation durch Identität/Homogenität
- b. Legitimation durch Verfahren
- c. Subjektive Legitimation ..
- d. Diskurstheorie .
- e. Legitimation durch Grundwerte.
- f. In- und Output-Legitimation..
- 3. Zwischenergebnis - Zwei Ebenen der Legitimation .
- C. Jenseits der Nationalstaatlichkeit - Das politische System der EU………………………………………………………….
- 1. Gestalt der Europäischen Union .....
- 2. Die Frage nach der Finalität....
- 3. Folgen von Finalität und Gestalt auf den Legitimationsprozess …..\n
- D. Kriterien für eine Legitimation der Europäischen Union...........
- 1. Inhaltliche Legitimation .....
- a. Grundrechte und Rechtsschutz.
- b. Effektivität bei den Entscheidungen.
- 2. Prozedurale Legitimation .....
- a. Volkssouveränität ..
- b. Staatsform der Repräsentativen Demokratie..
- c. Die Legitimationskette.
- d. Messbarkeitskriterien prozeduraler Legitimation
- e. Messbarkeitskriterien inhaltlicher Legitimation
- E. Chancen und Grenzen der Legitimation der Europäischen Union
- 1. Inhaltliche Legitimation.
- a. Inhaltliche Legitimation durch Grundrechte und Rechtsschutz...........
- b. Inhaltliche Legitimation durch eine effektive Umsetzung von\nZielbestimmungen
- 2. Prozedurale Legitimation der Europäischen Union .....
- a. Legitimationsobjekt............
- b. Legitimitätssubjekt ..........\n
- C. Das Demokratieprinzip der Europäischen Union gemäß dem\nVertrag von Lissabon
- d. Das Bestellungs- und Rückführbarkeitsprinzip
- α. _\nDie Bestellung der Herrschenden durch die nationalen\nParlamente..
- ẞ. Die Bestellung der Herrschenden im Europäischen\nParlament
- γ. Rückkopplung europäischer Herrschaftsmacht durch die\nnationalen Parlamente.
- F. Fazit...
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen den Gesetzgebungsorganen der Europäischen Union und den Bürgern der Mitgliedstaaten. Im Kern geht es um die Frage, wie die demokratische Legitimation der Europäischen Union sichergestellt werden kann, angesichts der Tatsache, dass die Union ein supranationales System ist, das sich von den nationalen Parlamenten abhebt.
- Legitimation und Legitimität im Kontext politischer Herrschaft
- Legitimationsstrategien für Nationalstaaten
- Die Europäische Union als Mehrebenensystem und ihre Herausforderungen für die Legitimation
- Kriterien für eine Legitimation der Europäischen Union
- Chancen und Grenzen der Legitimation der Europäischen Union
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- A. Hinführung zum Thema und Aufbau der Arbeit: Dieses Kapitel stellt das Thema der Arbeit vor, die Frage der demokratischen Legitimation der Europäischen Union. Es erklärt die Relevanz des Themas in der heutigen Zeit und skizziert den Aufbau der Arbeit.
- B. Legitimation, Legitimität und Herrschaft: Dieses Kapitel beleuchtet die verschiedenen Aspekte von Legitimation und Legitimität im Kontext politischer Herrschaft. Es untersucht verschiedene Legitimationsstrategien, die von Nationalstaaten angewendet werden, und führt den Leser in die Konzepte der subjektiven Legitimation, der Diskurstheorie und der Legitimation durch Grundwerte ein.
- C. Jenseits der Nationalstaatlichkeit - Das politische System der EU: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Besonderheit der Europäischen Union als supranationales System. Es untersucht die Gestalt der EU, die Frage der Finalität und die Folgen dieser beiden Aspekte für den Legitimationsprozess.
- D. Kriterien für eine Legitimation der Europäischen Union: Dieses Kapitel stellt Kriterien für eine Legitimation der EU vor. Es unterscheidet zwischen inhaltlicher Legitimation, die sich auf die Grundrechte und die Effektivität der Entscheidungen bezieht, und prozeduraler Legitimation, die die Volkssouveränität, die Staatsform der Repräsentativen Demokratie und die Legitimationskette umfasst.
- E. Chancen und Grenzen der Legitimation der Europäischen Union: Dieses Kapitel analysiert Chancen und Grenzen der Legitimation der EU. Es untersucht die inhaltliche Legitimation durch Grundrechte und Rechtsschutz sowie die prozedurale Legitimation und geht auf das Demokratieprinzip der EU gemäß dem Vertrag von Lissabon sowie das Bestellungs- und Rückführbarkeitsprinzip ein.
Schlüsselwörter (Keywords)
Diese Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Legitimation, Legitimität, politischer Herrschaft, Demokratie, Europäische Union, supranationale Institutionen, Grundrechte, Rechtsschutz, Volkssouveränität, Repräsentative Demokratie, Legitimationskette, Bestellungs- und Rückführbarkeitsprinzip.
- Arbeit zitieren
- Matthias Voß (Autor:in), 2009, Der Verantwortungszusammenhang zwischen den Gesetzgebungsorganen der Europäischen Union und den Bürgern der Mitgliedstaaten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170108