Am Ende des 20. Jahrhunderts hat die Welt einen bedeutenden Schritt hin zu ihrer eigenen, bewussten Selbstwahrnehmung getan, so dass die Globalisierung geradezu als charakteristisches Merkmal dieser geschichtlichen Epoche begriffen werden muss. Diese „Verdichtung“ der weltweiten Interaktion von Völkern und Menschen betrifft heute bereits alle Lebensbereiche1, unter denen Theologie und Kirche nur eine unter vielen darstellen. Zwar sind durch den Missionsauftrag der Kirche solche weltweiten Beziehungen für die Kirche wahrhaft nichts Neues, doch zeigt sich, dass auch in der Kirche eine neue Wahrnehmung des Weltkirche-Seins durchbricht, mit der ein verstärktes Zusammenrücken der verschiedenen Teilkirchen engstens verbunden ist.
Auf pastoraler Ebene ist daher seit einigen Jahren auch in der katholischen Kirche
Deutschlands die Tendenz zu beobachten, dass in zunehmendem Maße Erfahrungen
und Konzepte aus den afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatisch-ozeanischen Kirchen rezipiert und in der gemeindlichen Praxis ausprobiert werden: Bibelteilen, Basisgemeinden, Familienkatechese u.v.m. Der hiesige, kritische Praktiker, der immer wieder auch auf der Suche nach neuen und vielleicht erfolgreicheren Methoden und Ansätzen oder einfach nach neuen Anregungen für seine Praxis ist, fragt dabei zurecht, ob eine Übertragung solcher Modelle einerseits überhaupt möglich und legitim, und andererseits auch sinnvoll ist. Ausgehend davon, dass soziale Interaktionen immer mit Menschen, deren Mentalitäten und sozio-kulturellen Erfahrungen zu tun haben, ist dieser Einwand durchaus korrekt. Einfacher gesagt: wenn eine sozio-ökonomisch-kulturelle Situationsanalyse jeglicher Pastoralarbeitvorausgehen sollte, so ist zunächst unübersehbar, dass eine bloße Verwendung von in Afrika oder Lateinamerika oder andernorts entwickelten Pastoralkonzepten in Deutschland nicht möglich sein kann. Entsprechend dem zugrundeliegenden methodologischen Dreischritt sehen-urteilen-handeln muss die konkrete Handlungsebene jeweils eigenständig von einer eigenen Analyse her entwickelt werden.
Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, aufgrund solcher methodologischer Reflexionen jegliche Verwertung andernorts entwickelter Konzepte auszubremsen und zu blockieren. [...]
1 Vgl. Engler, S. 4.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vergleichende Erziehungswissenschaft als sozialwissenschaftliche Grundlage?
- Wissenschaftstheoretische Einordnung: Vergleich als Grundlage der Wissenschaft
- Grundzüge der Vergleichenden Erziehungswissenschaft
- Wozu „Vergleichende“ Erziehungswissenschaft betreiben?
- Methodologische Schritte „Gesamtanalyse“ und „Problemansatz“
- Expliziter oder impliziter Vergleich?
- Kritik der Vergleichenden Erziehungswissenschaft
- Vergleich - Dialog - Begegnung?
- „Kontextuelle Theologie“ als fundamentaltheologischer Ausgangspunkt
- Umrisse für eine Hermeneutik des Dialogs und der Begegnung
- Von der Theorie zur Praxis - zum Impulspotential der interkulturellen Begegnung für Katechese und Pastoral
- „Praktisches“ Impulspotential
- Methodologisches Impulspotential
- Beispiele für Impulse
- Schlussresumée: Auf dem Weg zu einer dialogisch-lernenden Begegnungskultur in Theologie und Kirche
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, wie Erfahrungen verschiedener Teilkirchen in der Praktischen Theologie und konkreten pastoralen Arbeit fruchtbar gemacht werden können, um eine "lernende Weltkirche" zu realisieren. Dabei wird der Fokus auf die Entwicklung einer Vergleichenden Praktischen Theologie gelegt, die den internationalen und interkulturellen Dialog innerhalb der Weltkirche untersucht. Die Arbeit analysiert die Vergleichende Erziehungswissenschaft als mögliche Bezugswissenschaft für die Vergleichende Praktische Theologie und betrachtet die Bedeutung der Theologie als Bezugswissenschaft für dieses Forschungsfeld.
- Die Bedeutung der Globalisierung für die Kirche und die Notwendigkeit einer neuen Wahrnehmung des Weltkirche-Seins.
- Die Herausforderung, Erfahrungen und Konzepte aus anderen Kirchen in Deutschland zu rezipieren und in die eigene Praxis zu integrieren.
- Die Entwicklung einer Vergleichenden Praktischen Theologie, die Möglichkeiten und Grenzen des internationalen und interkulturellen Dialogs innerhalb der Weltkirche aufzeigt.
- Die Analyse der Vergleichenden Erziehungswissenschaft als mögliche Bezugswissenschaft für die Vergleichende Praktische Theologie.
- Die Relevanz der Theologie als Bezugswissenschaft für die Vergleichende Praktische Theologie.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Arbeit beginnt mit einer Erörterung der Bedeutung der Globalisierung für die Kirche und stellt die Herausforderungen für die Rezeption von Erfahrungen und Konzepten aus anderen Kirchen in Deutschland dar.
Vergleichende Erziehungswissenschaft als sozialwissenschaftliche Grundlage?: Dieses Kapitel untersucht die Vergleichende Erziehungswissenschaft als mögliche Bezugswissenschaft für die Vergleichende Praktische Theologie. Es betrachtet die wissenschaftstheoretischen Grundlagen des Vergleichs, die Grundzüge der Vergleichenden Erziehungswissenschaft und die Kritik an dieser Disziplin.
Vergleich - Dialog - Begegnung?: Dieses Kapitel setzt sich mit der Frage auseinander, wie Dialog und Begegnung in der Praktischen Theologie gestaltet werden können, um einen fruchtbaren Austausch zwischen verschiedenen Kirchen zu ermöglichen. Es beleuchtet den Einfluss der „Kontextuellen Theologie“ und erörtert die Hermeneutik des Dialogs und der Begegnung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen interkultureller Dialog, Vergleichende Praktische Theologie, Weltkirche, Globalisierung, Kontextuelle Theologie, Hermeneutik des Dialogs, Begegnungskultur, Vergleichende Erziehungswissenschaft.
- Citar trabajo
- Markus Raschke (Autor), 1999, Vergleich Dialog - Begegnung? Zur Hermeneutik komparativer Praktischer Theologie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17019