"Primarschulbildung für alle" als Entwicklungsziel für die Welt bis 2015 - Eine Bildungsvision des Westens?

Zur Realisierung dieses Ziels in Morogoro aus sozialarbeiterischer Sicht


Bachelorarbeit, 2010

92 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Millennium-Entwicklungsziele
2.1 Die Inhalte der Millennium-Entwicklungsziele
2.2 Zur Entwicklung der Entwicklungsziele
2.3 Zur Bedeutung der Millennium-Entwicklungsziele
2.4 Allgemeine Auswertung des Gesamtkatalogs der MDG
2.4.1 Zum inhaltlichen Gehalt der MDG
2.4.2 Zur Bedeutung des Neokolonialismus

3 Das zweite Millennium-Entwicklungsziel: Primarschulbildung für alle
3.1 Das MDG 2 - Ein alter Hut?
3.2 Zur Umsetzung des MDG 2
3.3 Exkurs: Was ist unter Entwicklung zu verstehen?
3.4 Kritik am MDG 2

4 Westliche Bildungsvorstellungen
4.1 Die Bedeutung der Grundschulbildung in Deutschland am Beispiel des Bundeslandes Bayern
4.2 Die westliche Realität von Grundschulbildung

5 Zur Bedeutung von Bildung in Ländern südlich der Sahara
5.1 Bildung im präkolonialen Afrika
5.2 Das Bildungswesen zur Zeit des Kolonialismus
5.3 Die Bildungssysteme der postkolonialen Ära

6 Der Versuch eines Vergleichs: Kommt es zu einer Begegnung von konträren Bildungsvor­stellungen?

7 Tansania
7.1 Zur historischen Entwicklung des Landes
7.2 Die politische Situation
7.3 Das Bildungssystem Tansanias

8 Morogoro
8.1 GrundschuleninMorogoro
8.2 Fakten zur Realisation des MDG 2 in Morogoro

9 Bildungsvorstellungen und -visionen aus Tansania
9.1 Die Vorgehensweise
9.2 Die Zielgruppe
9.3 Auswertung der Ergebnisse
9.3.1 Fragen zu den Bildungsvorstellungen
9.3.2 Fragen zur Grundschulbildung
9.3.3 Fragen zum zweiten Millennium-Entwicklungsziel

10 Bestehende Hindernisse auf dem Weg zu „Education for All“

11 Perspektiven für die Soziale Arbeit
11.1 Perspektiven für die Sozialarbeiterinnen in Morogoro
11.1.1 Grundsätzliche Aufgabenfelder der Sozialarbeit in Afrika
11.1.2 Zur Gestaltung der Realität der Sozialarbeit an der Basis
11.2 Mögliche Arbeitsgebiete zur Umsetzung des MDG 2 für die Sozialarbeiterinnen in Morogoro
11.2.1 Die Basisannahmen: Die Theorie des gelingenden Lebens und die Theorie der menschlichen Entwicklung
11.2.2 Entwicklungspolitische und aufklärerische Bildungsarbeit
11.3 Perspektiven für die Soziale Arbeit im Rahmen ihrer Betätigung in internationalen Zusammenhängen

12 Zusammenfassung und Ausblick

13 Literaturverzeichnis

14 Anhang
Anhang A: Übersicht über die acht Millennium-Entwicklungsziele
Anhang B: Morogoro Urban - Übersicht
Anhang C: Fotografien, die den Zustand der Grundschulen dokumentieren
Anhang D: Projektbeschreibung derNGO MEHAYO
Anhang E: Fragebogen
Anhang F: Kurzfragebogen für die Eltern der Klasse 6b (Grundschule Mji Mkuu)
Anhang G: Interviewleitfaden

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Bildungsabschlüsse derBefragten

Abbildung 2: Wissen, welches einer Wohlstandssteigerung dienlich ist

Abbildung 3: Das Ergebnis der Grundschulbildung: Idealerweise erworbene Fähigkeiten und Eigenschaften - Die Grundschulbildungsziele aus Sicht der Grundschulleiterinnen an staatlichen Schulen

Abbildung 4: Gründe für die nicht erbrachte Unterstützungsleistung durch die Eltern

Abbildung 5: Gründe für mangelnde Unterstützung durch die Eltern

Abbildung 6: Gründe für Absenz in der Grundschule

Abbildung 7: Nötige Veränderungen und Verbesserungen zur MDG 2-Erreichung

Abbildung 8: Innenansicht eines Klassenzimmers der Grundschule Mazimbu A

Abbildung 9: Außenansicht der Grundschule Mazimbu A

Abbildung 10: Die Schülerinnen der Klasse 6b der staatlichen Grundschule Mji Mkuu

Abbildung 11: Außenansicht der privaten Grundschule St. Anns

Abbildung 12: NGO MEHAYO - Eingangsbereich

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Basic learning needs

Tabelle 2: Assoziationen mit dem BegriffBildung

Tabelle 3: Veränderungsvorschläge für das Curriculum der Grundschulen

Tabelle 4: Hindernisse zur vollständigen Umsetzung des MDG 2 in Morogoro

Tabelle 5: Themen der Bildungsarbeit durch die Sozialarbeit

Tabelle 6: Überblick über die acht Millennium-Entwicklungsziele

1 Einleitung

„Die MDG sind in aller (entwicklungspolitischer) Munde und das Nonplusultra jeglichen nicht-staatlichen wie staatlichen entwicklungspolitischen Engagements.“ (Bendix 2010: 26) Die Millennium-Entwicklungsziele haben daher insofern eine große gesellschaftliche Relevanz, als sie absolut präsent in der entwicklungspolitischen Szene des 21. Jahrhunderts sind und das Leben von über einer Milliarde Menschen betrifft, die in den sogenannten Entwicklungsländern leben. Demgegenüber nehmen entwicklungspolitische Themen, bzw. Aufgaben der Sozialen Arbeit im internationalen Kontext im Studium der Sozialen Arbeit bisher wenig Raum ein. Der Pflichtanteil, bei welchem die Studentinnen mit diesen Thematiken konfrontiert werden, beläuft sich an der KSFH München derzeit auf ein Seminar im Modul 1.4 B (Soziale Arbeit im internationalem Kontext). Da ich mich während des Studiums sowohl theoretisch, als auch in der praktischen Ausbildung häufig auf interna­tionaler Ebene bewegt habe, ist es mir ein Anliegen, mit dieser Bachelorarbeit auf die meines Erachtens berechtigte Einmischung der Profession in globale Themen hinzuweisen. Ferner begründet sich die Themenauswahl durch mein Verständnis der Sozialen Arbeit als äußert politische Profession. ihr professionelles Handeln hängt stets von einem politischen Rahmen ab, innerhalb dessen die Soziale Arbeit agiert. Häufig bietet dieser Rahmen erst die finanzielle Möglichkeit sozialarbeiterisch tätig werden zu können.

In dieser Bachelorarbeit wird der Fokus auf das Zweite der acht Millennium-Entwick­lungsziele gelegt und trägt daher auch den folgenden Titel: „Primarschulbildung für alle“ als Entwicklungsziel für die Welt bis 2015 - Eine Bildungsvision des Westens? Zur Realisierung dieses Ziels in Morogoro aus sozialarbeiterischer Sicht. Das Thema ist also insofern eingegrenzt, als es sich auf die Untersuchung der Umsetzung des zweiten Millennium­Entwicklungsziels auf eine Stadt in Tansania bezieht und somit ein festgelegter Rahmen gegeben ist, in dem die Realisation dieses Entwicklungsziels überprüft werden kann. Die Fragestellung ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil es aufgrund dieses ehrgeizigen Ziels zu prüfen gilt, inwieweit eine solche Vision innerhalb eines Zeitrahmens von 15 Jahren (2000 bis 2015) überhaupt zu verwirklichen ist. Ferner ist zu fragen, ob der Inhalt des zweiten Millenniumziels adäquat ist, um auf die Bedürfnisse der Menschen in armen Ländern zu reagieren, respektive es von den Menschen vor Ort überhaupt gewünscht ist. Das erkenntnis­leitende Interesse führte daher zur Formulierung von zwei Forschungsfragen, die in der vorliegenden Arbeit behandelt werden:

Wie sehen die vorherrschenden Bildungsvorstellungen der Industrieländer verglichen mit jenen in Tansania aus?

Wie, wenn überhaupt, kann die Soziale Arbeit zur Erreichung des zweiten Millennium­Entwicklungsziels beitragen?

Um diesen beiden Fragen auf den Grund zu gehen, wurde zunächst eine Analyse der gegenwärtigen, für das Thema relevanten, Literatur vorgenommen. Der Erkenntnisgewinn wurde durch die Anwendung von Methoden empirischer Sozialforschung erweitert. Insgesamt gelangte ich durch die Auswertung eines Fragebogens, der von 22 in Morogoro im Bildungswesen tätigen Personen ausgefüllt wurde, an Einschätzungen zu den Themen Bildung, Grundschulunterricht und Millennium-Entwicklungsziel Nr. 2 aus tansanischer Perspektive. Ferner interviewte ich einen in Morogoro tätigen diplomierten Sozialarbeiter zum Thema. Recherchen im Bildungsdepartement der Regionalverwaltung in Morogoro, Einschätzungen von Eltern, die ebenfalls mithilfe eines Fragebogens um ihre Sichtweise gebeten wurden, und eigene Beobachtungen des Schulalltags tragen überdies zur Ergebnisdar­stellung bei.

Das Thema wird zunächst von seinem globalen Ausgangspunkt behandelt und endet mit einer Darstellung eines konkreten Handlungsansatzes für die Soziale Arbeit vor Ort. Aus diesem Grund werden zunächst die acht Millennium-Entwicklungsziele, sowie das Zweite im Speziellen beschrieben. Die darzustellenden Hintergrundinformationen ermöglichen sodann einen Vergleich mit westlicher Grundschulbildung. Nachdem eine Beschreibung der bildungspolitischen Situation in Tansania und Morogoro vorgenommen wurde, werden die Ergebnisse der Fragebogenrecherche ausführlich dargestellt. Abschließend wird anhand der gewonnenen Erkenntnisse eine Möglichkeit des sozialarbeiterischen Beitrags zum Ziel „Primarschulbildung für alle“ aufgezeigt.

In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „Westen“ verwendet, um alle Industrieländer zusammenzufassen. Daher sind hierunter auch die Industrieländer zu verstehen, die sich geographisch nicht im Westen befinden. Die Bezeichnung „Süden“ beschreibt demgegenüber die sogenannten Entwicklungsländer.

Das in der Bachelorarbeit verwendete Binnen-I soll bei der Bezeichnung von Personen­gruppen explizit sowohl weibliche als auch männliche Gruppenangehörige erkennbar machen.

2 Die Millennium-Entwicklungsziele

Die Millennium-Entwicklungsziele, englisch Millennium Development Goals (daher im Folgenden MDG abgekürzt), stellen die Grundlage, bzw. den Ankerpunkt dieser Arbeit dar. Die Existenz der MDG, respektive des zweiten Entwicklungsziels, sind der Grund, der zum Verfassen der vorliegenden Bachelorarbeit geführt hat.

Bei den MDG handelt es sich um acht Entwicklungsziele, die bis zum Jahr 2015 erreicht werden sollen und die sich aus der Millenniums-Erklärung abgeleitet haben. Diese Erklärung wurde im September 2000 auf dem Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in New York, an dem 189 Staats- und Regierungsoberhäupter teilnahmen, beschlossen. Die Entwicklungsziele wurden von einer Arbeitsgruppe, die aus Mitgliedern der Vereinten Nationen (UN), der Weltbank, der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und dem IWF (Internationaler Währungsfonds) bestand, auf der Grundlage des Kapitels „Entwicklung und Armutsbeseitigung“ der Millenniums-Erklärung beschlossen (vgl. Küblböck 2006: 139, UNRIC 2000: 10 ff.).

2.1 Die Inhalte der Millennium-Entwicklungsziele

Anhand der acht MDG sollen Fortschritte, vor allem für die sogenannten Entwicklungsländer, in den unterschiedlichsten Bereichen bis 2015 erreicht werden. Hierbei handelt es sich um Ziele, die im Folgenden benannt werden und in Anhang 1 ausführlich, das heißt inklusive der genaueren Zielvorgaben nachgelesen werden können.

1. Beseitigung der extremen Armut und des Hungers
2. Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung
3. Gleichstellung der Geschlechter und Empowerment der Frauen
4. Senkung der Kindersterblichkeit
5. Verbesserung der Gesundheit von Müttern
6. Bekämpfung von HIV / Aids, Malaria und anderen Krankheiten
7. Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit
8. Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft (Nuscheler/Roth 2006: 242 ff.)

2.2 Zur Entwicklung der Entwicklungsziele

„Dass die Vereinbarung der MDG höchst undemokratisch vonstatten ging - OECD, IWF, Weltbank und Kofi Annan in Person haben sie erarbeitet, und keineswegs die UNO unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Kräfte - scheint heute niemanden mehr zu stören, auch wenn dadurch kontroverse Themen wie die makroökonomische Orthodoxie von Weltbank und IWF und die weltweite Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung ausgeklammert bleiben.“ (Bendix 2010: 26)

Eingangs wurden bereits die Mitglieder der Arbeitsgruppe die die MDG ausarbeiteten erwähnt. Nun soll auf die einzelnen Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft genauer eingegangen werden, um der Aussage von Bendix auf den Grund zu gehen.

Die Vereinten Nationen (UN)

Die Vereinten Nationen haben derzeit 192 Mitgliedsstaaten, die durch ihre jeweiligen Regierungen in der United Nations Organisation (UNO) vertreten sind[1]. Alle Mitgliedsstaaten haben einen Sitz und eine Stimme in der Generalversammlung. Neben der Generalver­sammlung, die als zentrales Beratungsorgan lediglich völkerrechtlich nicht verbindliche Resolutionen erlassen kann,[2] gibt es den Sicherheitsrat, der als einziges Gremium fur alle UN­Mitglieder bindende Beschlüsse fassen kann. Dieser hat 15 Mitglieder, wovon die fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA sind. Zudem wählt die Generalversammlung die anderen zehn Mitglieder für jeweils zwei Jahre, wobei jedes Jahr fünf nichtständige Mitglieder wechseln (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2009a: 2f.). Das höchste Amt innerhalb der UNO, das des UN-Generalsekretärs, hatte im Jahr 2000 der aus Ghana stammende Kofi Annan inne. Das Hauptaugenmerk des Wirken der UNO liegt laut der Charta aus dem Jahr 1945 auf der Sicherung und Erhaltung des Weltfriedens und, im Rahmen internationaler Zusammenarbeit, auf der Lösung internationaler Probleme, die wirtschaftlicher, sozialer, kultureller oder humanitärer Art sein können. Die UNO setzt sich ferner für die Achtung der Menschenrechte ein, sowie für die Förderung und Festigung von „Grundfreiheiten für jedermann ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion“ (Charta derVereinten Nationen 1945: Kapitel 1, Art. 1).

Die UNO bietet die Möglichkeit für die internationale Staatengemeinschaft, „durch die Herausbildung einer geeigneten globalen Struktur die drohende Auseinandersetzung zwischen den Staaten der nördlichen und südlichen Hemisphäre zu steuern, bzw. diesen Konflikt weitgehend zu vermeiden.“ (Freier 1993) Die Organisation der Vereinten Nationen könnte daher „durchaus eine geeignete Ausgangsplattform“ für eine solche globale Struktur darstellen, wenn sie innerhalb ihrer Organisation „die hegemoniale Dominanz eines Staates oder einer Staatengruppe ausschließen würde, und einen ökonomischen und sozialen Ausgleich zwischen den reichen Staaten des Norden und den armen Ländern des Süden erreichen könnte.“ (Freier 1993)

Die Weltbank (Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung)

Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) ist eine Institution der Weltbank-Gruppe, die neben der IBRD aus vier weiteren Organisationen besteht. Sie wurde auf der Währungs- und Finanzkonferenz der Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen in Bretton-Woods in den USA im Jahr 1944 zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gegründet. Wie der IWF ist die Weltbank eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Im Gegensatz zur Generalversammlung der UNO ist die Stimmverteilung bei der Weltbank vom Anteilseigentum abhängig. Welche Geld- und Beratungsleistungen an die sog. Schwellen- und Entwicklungsländer vergeben werden, entscheiden somit die Anteilseigner. Deutschland ist seit 1952 Mitglied der Weltbank und drittgrößter Anteilseigner nach den USA und Japan. Um Eigner der Weltbank zu werden, muss ein Land Mitglied im internationalen Währungsfonds sein (vgl. Wolff 2005: 176). Das Ziel der Weltbank war ursprünglich nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau zu fördern und in Zusammenarbeit mit dem IWF stabile Währungen zu schaffen. Seit den 1960er Jahren, so die Beschreibung des Bundesmi­nisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), ist es ihre Hauptaufgabe, „die Armut in der Welt zu bekämpfen und die Lebensbedingungen der Menschen in den Entwicklungsländern zu verbessern“ (BMZ 2010a). Um dies zu erreichen, werden von der Weltbank zinsgünstige Darlehen, zinsfreie Kredite und Mikrokredite vergeben. Überdies leistet sie technische Hilfe und koordiniert Entwicklungsprojekte, das heißt sie unterstützt „ökonomisch sich entwickelnde Staaten in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Kommunikation sowie bei nationalstaatlichen Antikorruptionsbemühungen“ (Bundeszentrale für politische Bildung 2010: 2). Das Ergebnis all dieser Maßnahmen soll die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums in den Empfängerländern sein, was sich, aufgrund der positiven Konsequenzen des ökonomischen Wachstums, schließlich auf die vermehrte Eigenständigkeit der Entwicklungsländer auswirken soll. Eine Aussage des im Jahr 1988 amtierenden Präsidenten der Weltbank, Barber Conable, veranschaulicht die möglicherweise schwierige Vereinbarkeit der Ziele Armutsbekämpfung und Industrialisierung: „Eine Entwicklung ohne Wachstum gibt es nicht. Nur darauf zu warten, daß [sic!] das Wachstum sich am Ende auch positiv fur die Armen auswirkt, ist aber zuwenig. Wir wollen schon sicher­stellen, daß [sic!] Wirtschaftswachstum nicht an den Armen vorbeigeht.“ (Meyer-Larsen/ Baron 1988: 108)

Der Internationale Währungsfonds (IWF)

Der IWF wurde 1944 als eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen in Bretton-Woods in den USA gegründet. Die Ziele des IWF können beschrieben werden als die „Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik, Unterstützung eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums sowie eines hohen Beschäftigungs­grades, Förderung der Stabilität der Währungen durch Sicherung geordneter Währungsbezieh­ungen, Errichtung eines multilateralen Zahlungssystems und Beseitigung von Beschränkungen im Devisenverkehr, Kreditgewährung an Mitgliedsländer zur Erleichterung von Zahlungsbilanzan­passungen“ (Bundeszentrale für politische Bildung 2009b).

Kurzfristige Kredite werden zumeist an Auflagen zur Sanierung der Wirtschaft des Empfän­gerlandes geknüpft. Finanziert werden diese Kredite aus den Kapitaleinlagen der Mitglieds­länder (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2009b). Der IWF hat derzeit 187 Mitgliedsländer, deren Stimmanteil sich an der sogenannten Quote, der eingezahlten Geldsumme beim Eintritt in den IWF, misst (vgl. Dricscoll 1998: 7 f.) Der IWF setzt die Quote für das betreffende Land anhand einer „Analyse des Wohlstands und der wirtschaft­lichen Leistungsfähigkeit eines jeden Landes“ fest (ebd.: 8). Je reicher das Land, desto höher ist die Quote. Die festgelegten Quoten werden alle fünf Jahre überprüft und können „entsprechend dem Bedarf des Fonds und dem wirtschaftlichen Wohlstand des Mitglieds erhöht oder gesenkt werden.“ (ebd.: 8) Demzufolge haben die Industrieländer aufgrund ihrer größeren Finanzkraft in den IWF-Gremien mehr Stimmrechte als Mitgliedsländer mit einer kleineren Volkswirtschaft.[3] Die neueren Diskussionen, respektive die mittlerweile erfolgte Einigung auf eine veränderte Rolle Indiens und Chinas im IWF, verdeutlichen die nötigen Reformen hin zu mehr Verantwortung und Mitspracherechte der sog. Schwellen- und Entwicklungsländer. Die Stimmrechte dieser beiden Länder sollen demnach unter Machtabgabe der Industrieländer erhöht werden, um die heutige weltwirtschaftliche Bedeutung der aufstrebenden asiatischen Länder auch in den Entscheidungsstrukturen des

IWF widerzuspiegeln.

Die Organisation für -wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Die OECD wurde 1961 gegründet und hat derzeit 33 Mitgliedsländer. Sie ist ein Forum, in welchem „Marktdemokratien gemeinsam daran arbeiten, in der zunehmend globalisierten Welt Herausforderungen in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Governance zu begegnen“ (Keeley 2010: 21). Die OECD setzt sich für die Förderung eines „soliden Wirtschaftswachstums“ in ihren Mitgliedsstaaten und in den Entwicklungsländern, sowie für die „Entwicklung eines diskriminierungsfreien Welthandels“ ein (ebd.: 21). Der Rat ist das oberste Entscheidungsgremium der OECD, welcher sich aus je einem Vertreter, bzw. einer Vertreterin der Mitgliedsländer und der Europäischen Kommission zusammensetzt. Die Entscheidungen die von der OECD getroffen werden sind demnach fast ausschließlich von Vertreterinnen der Industrieländer, auf die 75 Prozent des Welthandels entfallen, bestimmt[4] (vgl. OECD Berlin Center 2010).

Es kann demnach zusammenfassend festgehalten werden, dass die MDG zwar hauptsächlich von Politikerinnen der Industrieländer erarbeitet wurden, die Inhalte derer jedoch bereits vorher von den Staatsvertreterinnen der Entwicklungsländer anerkannt und befürwortet wurden, da sie die Millenniums-Erklärung auf der Generalversammlung des UN-Gipfels in New York unterzeichnet haben. Zu hinterfragen sind allerdings die Gründe, die die Regierungen der südlichen Länder zur Zustimmung zu den MDG bewegt haben. Wie undurchsichtig dieses Thema ist, wird im Zwischenfazit auf Seite 28 deutlich.

2.3 Zur Bedeutung der Millennium-Entwicklungsziele

Eine solche Formulierung von Entwicklungszielen, wie sie im Jahr 2000 von oben genannten Institutionen und Politikerinnen erfolgt ist, beruht meines Erachtens auf der Vorstellung, dass es einerseits Industrieländer gibt, die aufgrund ihrer historischen Entwicklung und mithilfe eines kapitalistischen, auf Außenhandel ausgerichteten Wirtschaftssystems, Volkswirtschaften werden konnten, die ihrer Bevölkerung ein Leben ohne gravierendste Armutsprobleme ermöglicht.

Auf der anderen Seite stehen, in dieser Art von Weitsicht, die sogenannten Entwicklungs­länder, mitunter auch als Dritte Welt Länder[5] bezeichnet, die, so geht bereits aus der Namens­gebung hervor, sich entwickeln und in einem Teil der Welt liegen, der als „Dritte Welt“ bezeichnet wird. Was aber hat das zu bedeuten?

All dies verweist auf das von Nuscheler beschriebene „trilaterale Weltbild“, welches davon ausgeht, dass die „«OECD-Welt» der westlichen Industriestaaten, die durch einen hohen Grad der ökonomischen Interdependenz und politischen Koordination zusammengehalten wird“, das „weltwirtschaftliche Gravitationszentrum“ und den „weltpolitischen Nabel der Welt bildet.“ (Nuscheler 2005: 35) Diese Annahme basiert auf der Vorstellung, dass die Länder, deren Entwicklung nicht so verläuft wie die der heutigen Industrieländer, es jenen gleichtun sollen und bei diesem Vorhaben auch durch Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit gefördert und gefordert werden. Dem beschriebenen Weltbild entsprechend haben sich, so Bendix, „die so genannten Entwicklungsländer in Bezug auf Wissen über Gesundheit, Ökonomie und Kultur am Entwicklungsmodell des Nordens zu orientieren und zu messen.“ (Bendix 2010: 27) Die heutige Entwicklungspolitik basiert auf der Logik, dass die „Herrschaftsverhältnisse [...] nicht nur durch direktes Eingreifen mittels konditionierter «Entwicklungshilfe» hergestellt [werden], sondern auch auf subtileren Wegen durch die Verbreitung einer spezifischen westlichen Lebens- und Wirtschaftsweise“ (a.a.O.: 27). Ein mögliches und meines Erachtens anzutreffendes Resultat dessen ist, dass die Menschen in den Entwicklungsländern „die vorgebliche Alternativlosigkeit des westlichen Entwick­lungsweges“ internalisieren, wenn in Bildungseinrichtungen, sowie in den Medien und in der Politik „«westliches» Wissen als überlegen präsentiert wird“ (ebd.: 27 f.). Es wird deutlich, dass den MDG insofern ein lineares Verständnis von Entwicklung zugrunde liegt, als „sich «Fortschritte» in den Ländern des Südens nur am Norden orientieren und sich diesem annähern“ können (ebd.: 26). Aus diesem Verständnis heraus und mit dem Beginn der Entwicklungshilfezahlungen Mitte des 20. Jahrhunderts, wurden die als „unzivilisiert betrachteten Weltregionen“ zu unterentwickelten (Bendix 2010: 26). Es ist dem Beschriebenen immanent, dass Maßnahmen, um Unterentwicklung, bzw. Entwicklungs­probleme zu beseitigen, zum Beispiel die Umsetzung der MDG, im geographischen Süden durchgeführt werden müssen, da Entwicklungsprobleme „vornehmlich im Süden verortet“ werden (Bendix 2010: 26).

Aufgrund der bisherigen Darstellungen wird die Bezeichnung Entwicklungsland im Folgenden nicht mehr verwendet[6], da sich meines Erachtensjedes Land dieser (Einen) Welt in einer Form der Entwicklung befindet und es demnach keine Typisierung der üblicherweise damit gemeinten Länder oder Regionen darstellt. Zweitens ist die Manifestation des Abhängigkeitsverhältnisses von den Industrieländern, die im Sinne von länger andauernder Hilfe dem Begriff innewohnt, meines Erachtens bedenklich. Überdies ist dazu zu bemerken, dass der ständige Versuch der Kategorisierung zum Zwecke der Entwicklung von Lösungs­möglichkeiten, die sodann auf die entsprechende Kategorie (hier: die “Entwicklungsländer“) angewendet werden, äußerst fragwürdig ist. Was spricht dagegen, für die Zukunft einesjeden Landes höchst individuelle Lösungen hervorzubringen?

2.4 Allgemeine Auswertung des Gesamtkatalogs der MDG

Unabhängig davon, inwieweit die Existenz der MDG in ihrer Form zu begrüßen sind, werden im Folgenden die Fragen Welchen inhaltlichen Gehalt haben die acht Millenniumsziele? und Welche Ziele verbergen sich dahinter? beleuchtet.

2.4.1 Zum inhaltlichen Gehalt der MDG

Es gibt wenige Autorinnen die den MDG mit einer ablehnenden Haltung gegenüberstehen, da jene so grundsätzliche, kaum angreifbare Bereiche betreffen. So beschreiben die MDG „Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben“, da sie die „Freiheit von Armut und ihre Auswirkungen in den Bereichen Bildung, Gleichberechtigung der Geschlechter, Gesundheit und Schutz natürlicher Ressourcen“ im Blick haben (Kranz-Plote 2006: 82 f.). Gleichwohl stellen die Millennium-Entwicklungsziele aber keine „umfassende Entwicklungs­agenda“ dar, da sie nicht den „Schutz der Bürger- und Menschenrechte sowie Frieden und Sicherheit als Grundbedingungen menschlicher Entwicklung“ enthalten (ebd.: 82 f.). Neben der nur bedingt stattfindenden Einbindung der Ziele der internationalen Menschenrechtskon­vention, finden sich in der Literatur vor allem Stimmen, die eine falsche Prioritätensetzung beklagen. Herbert Ross, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Johannesburger South African Institute of International Affairs, meint dazu: „Wenn alle neuen Gelder auf die MDGs umgelenkt würden, könnte der Kontinent [Afrika] die schlimmsten Aspekte seiner Armut mildern - schlechte Gesundheitsversorgung, unzureichende Bildung und weit verbreiteten Hunger.“ (Ross 2006: 221 f.) Jedoch, so kritisiert er, kann ein solcher Ansatz nicht dazu beitragen, etwas an den tiefer liegenden Ursachen der Armut in Afrika zu ändern:

„Der Kontinent ist arm, weil seine Industrien nicht wettbewerbsfähig und die Kosten zu hoch sind. Steigende Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit stellen eine seltene Gelegenheit für Afrika dar, in Dinge zu investieren, die seine produktive Kapazität und Wettbewerbsfähigkeit verbessern.“ Ross 2006: 222)

Sein Vorschlag ist daher, dass die afrikanische Politik, statt sich auf Gesundheitsversorgung, Bildung und Hunger zu konzentrieren, alternative Strategien verfolgen soll, die auf die Förderung von Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit abzielen. Dieses Alternativ­konzept soll sich auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen konzentrieren, die den Zugang für Investoren erleichtern und die Kosten senken, ferner grundlegende, von der Wirtschaft benötigte öffentliche Dienstleistungen verbessern, die Korruption bekämpfen und die Rechtsstaatlichkeit stärken können. Gleichwohl sollte Afrika seine Sozialprogramme nicht kürzen, sie aber auch nicht für Maßnahmen zurückstellen, die es zu einem besseren Wirtschaftsstandort mit mehr Arbeitsplätzen machen würde (vgl. Ross 2006: 222).

2.4.2 Zur Bedeutung des Neokolonialismus

Aus der Darstellung der Mitglieder von Weltbank, IWF, OECD und UNO ging bereits der verschwindend geringe Einfluss u.a. der afrikanischen Länder hervor. Dies ist umso bedeutsamer, als Afrika ein Kontinent mit 58 Staaten ist, deren Einwohnerinnen 14,7 % der Weltbevölkerung darstellen, die Bevölkerung Nordamerikas und Europas zusammen fast ebensoviel, nämlich 15,9 %[7] (Deutsche Stiftung Weltbevölkerung 2009). Trotz dieser Bevölkerungsverteilung werden die Tagesordnungen der genannten globalen Organisationen „von denen bestimmt, die nahezu ausschließlich die Interessen des Nordens oder der westlichen Welt vertreten.“ (Biel 2007: 72) Die Offenlegung dieser Tatsache wird jedoch insofern untergraben, als die Entwicklungspolitik im Zeichen der MDG eine Vorstellung von einer „weltweiten Interessengemeinschaft“ vermittelt (Bendix 2010: 27). Dies führt, „im Kontext einer rassistisch strukturierten Welt, die Weiße privilegiert und Schwarze benach­teiligt“, dazu, dass „Macht- und Herrschaftsverhältnisse unthematisiert bleiben und dass sie nicht hinterfragt werden können.“ (ebd.: 27) Ferner stellt sich in einer solchen Entwicklungs­politik „«Weißsein» in Abgrenzung zu «Schwarzsein» als gesund, fortschrittlich, wissend und «entwickelt»“ dar (Bendix 2010: 27).

Mit Ausnahme des siebten und achten MDG, richten sich alle Entwicklungsziele ausschließlich an die Nicht-Industrieländer. Es handelt sich um Ziele, die vornehmlich Vertre­terinnen der westlichen Länder für die Nicht-Industrieländer aus verschiedenen Gründen und Motivationen erarbeitet haben, umjenen zu ermöglichen, einen Standard erreichen zu können, den die Industrieländer bereits erreicht haben. Ferner impliziert sowohl der Umfang, als auch der Inhalt der MDG die unausgesprochene Tatsache, dass die Industrieländer mehr oder weniger weiter verfahren, bzw. wirtschaften können wie bisher, da sie sich, ihrem Verständnis nach, nicht mehr zu entwickeln brauchen.

3 Das zweite Millennium-Entwicklungsziel: Primarschulbildung für alle

Die Zielvorgabe des zweiten MDG ist, bis zum Jahr 2015 sicherzustellen, „dass Kinder in der ganzen Welt, Jungen, wie Mädchen, eine Grundschulbildung vollständig abschließen können“ (Nuscheler/Roth 2006: 242). Dabei wird nach internationalem Verständnis unter formaler Grundbildung „die Schulbildung für Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren verstanden.“ (BMZ 2010b) Wie bedeutsam das Ziel der Grundschulbildung vor allem für den afrikanischen Kontinent scheint, zeigen Ergebnisse, die auf der Regional Conference on Education for All for Sub-Saharan Africa bereits 1999 in Johannesburg erarbeitet wurden:

„We are more convinced than ever that education is the sine qua non for empowering the people of Africa to participate in and benefit more effectively from the opportunities available in the globalized economy ofthe twenty-first century.“ (UNESCO 1999)

Das MDG 2 trägt zum Erreichen aller anderen Millenniumsziele bei, da Bildung Menschen befähigen kann, Hunger und Armut zu entkommen und so erstens das MDG 1 fördert (vgl. Anhang A). Darüber hinaus wirkt sich Bildung auf die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen sowie marginalisierter Gruppen aus und wirkt somit positiv auf die Erreichung des MDG 3. „Ein höheres individuelles Bildungsniveau trägt wesentlich zu einem veränderten Gesundheitsverhalten bei“ und steuert damit zum Erreichen der Gesundheitsziele 4, 5 und 6 bei (BMZ 2010c: 10). Ebenso erhöht der Zugang zu Grundschulbildung das Verständnis für den Schutz der Umwelt und für ökologische Nachhaltigkeit (MDG 7) (vgl. BMZ 2010c: 10).

3.1 Das MDG 2 - Ein alter Hut?

Der Ökonom Michael Clemens hat in seinem Arbeitspapier „The long way to school: Interna­tional education goals in historical perspective“ das zweite MDG als „The latest avatar“ bezeichnet und führt weiter aus:

„International meetings have declared a series of pharaonic development goals for education since World War II, about once every 20 years, each time pledging universal primary schooling in poor countries by 10to 20 years thence“ (Clemens 2004: 8).

Was demnach die unterzeichnenden Staatsoberhäupter der Millenniums-Erklärung unterschrieben haben, war bereits vorher in zahlreichen anderen Berichten und Dokumenten der Vereinten Nationen festgehalten. So zum Beispiel im Addis Abeba Plan von 1961, der aus der UNESO Konferenz afrikanischer Staaten über die Entwicklung von Bildung in Afrika (UNESCO Conference of African States on the Development of Education in Africa) hervorging, oder die Jomtien Deklaration, die auf der Weltbildungskonferenz 1990 unter dem Thema „Education for All“ beschlossen wurde (vgl. Clemens 2004: 38). Zehn Jahre später, im April 2000, also vor der UN-Millenniumskonferenz in New York, fand in Dakar im Senegal das internationale Weltbildungsforum statt. Die Vertreterinnen der 164 Teilnehmerländer[8] verabschiedeten dort gemeinsam den Aktionsplan Dakar Framework for Action. Die Ergebnisse dieses Weltbildungsforums stellen den politischen Rahmen des MDG 2 dar. Das heißt also, dass sich der Inhalt des MDG 2 aus dem „Education for All - Framework for Action“, der in Dakar konzipiert wurde, ergibt (vgl. UNESCO 2000a: 15). Daneben gibt es verschiedene sogenannte Regional Frameworks for Action, darunter auch einen für Sub­Sahara Afrika. Diese wurden jeweils vor dem Stattfinden des Weltbildungsforums in Dakar erarbeitet, das Konzept für Sub-Sahara Afrika im Dezember 1999 in Johannesburg. An dieser Conference on Education for All nahmen Vertreterinnen der Bildungsministerien aus 46 afrikanischen Staaten, daneben Vertreterinnen aus Nichtregierungsorganisationen, Universi­tätsprofessorinnen afrikanischer Universitäten, sowie Vertreterinnen von diversen UN­Organisationen (UNDP, UNESCO, UNiCEF) teil. Ferner waren drei „Education specialists“ der Weltbank, sowie Vertreterinnen von bilateralen Vertretungen, darunter eine Mitarbeiterin der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), anwesend (vgl. UNESCO 2000b: 93 ff.).[9]

Der Dakar Framework for Action enthält nicht nur die Verpflichtung, Grundschulbildung für alle zu ermöglichen, sondern im Rahmen des Konzeptes Education for All (EFA) auch weitere fünf Ziele im Bereich Bildung[10]. Der seit 2002 jährlich erscheinende UNESCO- Weltbildungsbericht evaluiert die Realisation dieser sechs Ziele.

Bisher wurde aufgezeigt, dass es sich beim MDG 2 um ein Ziel handelt, dass schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts immer wieder angeregt und aufgrund der nicht fristgerechten Erreichung stets neu auf den Tagesordnungen internationaler Konferenzen zu finden war. Im Jahr 2000 folgte nun die Neuauflage jenes Ziels, eingebettet im Konzept Education for All, dass in Dakar von Fachleuten aus dem Bildungsbereich entwickelt wurde. Überdies wurde deutlich, dass es regionale Arbeitsgruppen gab, die für die jeweiligen Weltregionen Strategien zur Umsetzung vorgelegt haben (siehe UNESCO 2000c für die Strategie Sub-Sahara Afrikas).

3.2 Zur Umsetzung des MDG 2

In Afrika südlich der Sahara sind die Einschulungsquoten von 58 % im Jahr 1999 auf 76 % im Jahr 2008 angestiegen. Die Anzahl der Kinder weltweit die keine Schule besuchen ist von 106 Millionen im Jahr 1999 auf 69 Mio. in 2008 deutlich gesunken (vgl. BMZ 2010c: 9). Obgleich der bereits erzielten Erfolge stellt die Umsetzung des MDG 2 „ein ehrgeiziges Unterfangen“ dar, da sich aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise die jeweiligen Staats­haushalte verringern, wodurch in der Konsequenz häufig auch der Spielraum für die Bildungsbudgets eingeengt wird (BMZ 2010c: 11). Jedoch haben sich die Geberzusagen für Erziehung und Bildung seit 2000 deutlich erhöht. 2004 wurden 9,5 Mrd. USD für Bildung über ausländische Hilfe zur Verfügung gestellt. Es fließen derzeit 50 % der Bildungstransfers an arme Länder in den Primarschulbereich, demgegenüber waren es rund 33 % am Ende des vergangenen Jahrzehnts (vgl. Fues 2006: 54). Insgesamt, so die Prognose des BMZ, werden voraussichtlich „die meisten Schwellenländer und fast die Hälfte der Entwicklungsländer“ das Ziel der Grundschulbildung für alle Kinder erreichen, wohingegen es den Ländern Afrikas südlich der Sahara sowie einigen asiatischen und arabischen Ländern schwerfallen könnte, „ihren Rückstand vollständig aufzuholen“ (BMZ 2010c: 11). Hinzu kommt, dass weltweit 18 Millionen Grundschullehrerlnnen fehlen, davon fast 4 Millionen in Sub-Sahara Afrika. Ferner sind Lehrerinnen häufig „nicht ausreichend qualifiziert, das Schüler-Lehrer-Verhältnis zu hoch und die Schulen mangelhaft ausgestattet“ (BMZ 2010c: llf.).

Um Bildung für alle zu erreichen, hat die Weltbank die Education for All - Fast Track initiative (EFA-FTI) im Jahr 2002 ins Leben gerufen, an der unter anderem die UNESCO, UNICEF, alle G8-Mitglieder und die Europäische Kommission beteiligt sind. Es werden im Rahmen des Programms institutionelle, personelle und finanzielle Ressourcen zur Förderung der Bildung bereitgestellt. Um daran teilnehmen zu können, müssen die entsprechenden Länder eine umfassende Armutsbekämpfungsstrategie (PRSP) entwickelt haben. Darauf basierend muss ein auch Plan für den Bildungssektor vorliegen, worin beschrieben wird, wie bis 2015 der kostenlose Zugang zu Grundbildung ermöglicht, die Schulpflicht eingeführt, die Qualität des Unterrichts verbessert und Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im Grund- und Sekundarschulbereich beseitigt werden können (vgl. BMZ 2010c: 11). Der tansanische Aktionsplan für die Realisierung des Ziel Education for All ist der „Primary Education Development Plan“ (PEPD) für die Jahre zwischen 2002 und 2006. Der Nachfol­geplan PEPD II ab 2007 bis 2011 ist derzeit in seiner Umsetzungsphase. Die Initiative EFA- FTI soll verhindern, dass „Entwicklungsländer mit tragfähiger und realistischer Grundbil­dungspolitik in der Umsetzung an Ressourcenmangel scheitern.“(BMZ 2010c: 11)

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob Grundschulbildung zu Entwicklung führt, was aufgrund der Einordnung unter Entwicklungsziele augenscheinlich intendiert ist. Um dies klären zu können, ist es nötig, sich über eine Definition von Entwicklung zu verständigen.

3.3 Exkurs: Was ist unter Entwicklung zu verstehen?

Entwicklung wird bei Holtz beschrieben als

„ein mehrdimensionaler, komplizierter, langwieriger, sozioökonomischer Prozess [...], der auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen abzielt, die Freiheit von Mangel und Furcht anstrebt, Frieden und Sicherheit garantiert und spätestens seit Rio 1992[11] einer nachhaltigen und menschenwürdigen Entwicklung verpflichtet ist.“ (Holtz 2006: 122)

Eine solche Entwicklung kann nur auf der Basis von Demokratie, Einhaltung der Menschen­rechte, Gleichstellung der Geschlechter und Good governance, im Sinne von adäquaten Regierungs- und Verwaltungshandeln, verwirklicht werden (Holtz 2006: 122).

Wolff verbindet mit wirtschaftlicher Entwicklung eine dadurch einhergehende Wohlstands­steigerung, deren Ziel „die Herstellung und Sicherung menschenwürdiger Lebensbedingungen für alle Mitglieder einer Gesellschaft“ ist (Wolff 2005: 113). Der Autor führt weiter aus, dass „Idealisten“ zu leicht vergessen, „dass Entwicklung immer ein ungleicher Prozess ist, der einzelnen Gruppen nutzt, anderen schadet“ (Wolff 2005: 173). Ebenso wie Holtz verweist Wolff auf die Bedeutsamkeit des guten Regierungshandelns im Entwicklungsprozess, indem er die Gesamtsituation in Afrika als „Afrikas Misere“ beschreibt, die eine „unmittelbare Folge seines Politikversagens“ ist, da es einen Faktor „Afrikanität“, also „die Behauptung bei sonst gleichen Bedingungen wachse ein Land langsamer, nur weil es in Afrika liegt“, nicht gibt (Wolff 2005: 164). Um demnach Entwicklung zu ermöglichen, muss das Ziel von Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik im Falle von armen Ländern, „die Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens für alle Menschen“ sein, da es, wenn dieses Ziel erreicht ist, „grundsätzlich irrelevant“ ist, „ob es andere Nationen gibt, denen es noch besser geht“ (Wolff 2005: 78). Weil jedoch die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) häufig fungibel ist, „finanziert es die Prioritäten der Regierung, und diese sind [...] nicht notwendig diejenigen der Förderung der Entwicklung, sondern z. B. Machterhalt“ (Wolff 2005: 241f.). Aus dieser Aussage geht hervor, wie wesentlich Entwicklung, mit welchen Indikatoren auch immer sie gemessen werden will, auf das adäquate staatliche Handeln zurückzuführen sind, weniger jedoch auf den Einfluss von Bildung in diesem Prozess verweist.

Eine weitere Betrachtung ermöglicht das Konzept der sozialen Entwicklung, welches nach dem Zweiten Weltkrieg Verbreitung fand. Soziale Entwicklung kann dann stattfinden, wenn Bestrebungen unternommen werden, den „sozialen Bedürfnissen von Menschen in Verbindung mit Prozessen wirtschaftlicher Entwicklung zu entsprechen“ (Midgley 2009: 155). Seit den 1950ern interessierten sich die Vereinten Nationen für die Idee der sozialen Entwicklung und unterstützen diese durch die Übernahme gemeindebasierter Programme (vgl.: a.a.O.: 157). In den 1960ern und 1970ern beteiligten sich weitere Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation (IAO), die Weltbank und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) an der Förderung des Konzepts Soziale Entwicklung. Soziale Entwicklung wurde auch verstärkt von Nichtregierungsorganisationen gefördert, wodurch gleichzeitig die „zentrale Rolle von Regierungen an Sozialer Entwicklung in Frage gestellt“ wurde (a.a.O.: 158). Die Beteiligung der jeweiligen Regierungen an sozialer Entwicklung wurde in den 1980ern auch durch „den Aufstieg neoliberaler Ideologien untergraben“ (Midgley2009: 159).

Trotz ehemaliger Unterstützung dieses Konzepts setzte die Weltbank auf die „Übernahme neoliberaler Wirtschaftspolitik und nutzte ihre Kreditvergabepolitik zunehmend zur Einführung von Marktansätzen in den Entwicklungsländern“ (ebd.: 159). Die Länder des globalen Südens waren aufgrund ihrer Überschuldung auf die finanziellen Zuwendungen des IWF und der Weltbank angewiesen. Die strukturellen Anpassungsprogramme, die in den Ländern Afrikas durchgeführt wurden, hatten häufig eine Zunahme von Unterernährung und Krankheiten zur Folge (vgl. Midgley 2009: 159). Biel nimmt an, dass viele Regierungschefs der neuen unabhängigen Staaten Afrikas diese Konzepte nicht hinterfragten, “da sie davon ausgingen, dass die Konzepte, die in den entwickelten Ländern funktionieren, auch in Afrika passen.“ (Biel 2005: 313) Aufgrund des 1990 veröffentlichten ersten Weltentwicklungsbe­richts der Vereinten Nationen gewann die Perspektive sozialer Entwicklung wieder mehr an Bedeutung. Im Jahr 1995 fand in Kopenhagen der Weltgipfel für soziale Entwicklung statt, im Rahmen dessen 117 Staatsoberhäupter die Kopenhagener Deklaration verabschiedeten, worin die Mitgliedsstaaten aufgefordert wurden, konkrete Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu unternehmen und „größere soziale Integration und sozialen Fortschritt zu fördern“ (Midgley 159: 160). Es war der Gipfel in Kopenhagen, der zur Annahme geführt hatte, dass es umfassender globaler Interventionen bedarf, um „die unmittelbaren Bedürfnisse der am tiefsten ins Elend verstrickten Menschen“ befriedigen zu können (Kopenhagener Erklärung über soziale Entwicklung 1995).

Die beschriebenen Betrachtungsweisen des Begriffs Entwicklung lassen einen Rückschluss darauf zu, dass eine gebildete Bevölkerung allein nicht die gewünschten notwendigen Veränderungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich hervorbringen kann, sondern dies vor allem durch die Art des staatlichen Handelns beeinflusst ist.

3.4 Kritik am MDG 2

Auf der Grundlage der Annäherung an den Begriff Entwicklung wird im Folgenden aufgezeigt, inwiefern sich das MDG 2 einer Kritik zu unterziehen hat.

Ross, der ähnlich wie Wolff davon ausgeht, dass wirtschaftliches Wachstum Entwicklung hervorbringt, stellt die Frage: „Könnte Afrika nicht mehr Wachstum erreichen, wenn einige der Finanzmittel für die Grundschulbildung in technische Schulen umgeleitet würden, um jene Maurer, Zimmerleute und Elektriker hervorzubringen, die auf dem Kontinent chronisch knapp sind?“ (Ross 2006: 210) Er antwortet sodann: „In einer Welt unbegrenzter Ressourcen ist mehr Bildung besser als weniger. Sind die Ressourcen aber begrenzt, ist es nötig, die Primärbildung gegen die sekundäre, berufliche und tertiäre Bildung auszubalancieren.“ (Ross 2006: 210) Weiterhin beklagt Ross, dass Afrika seinen Fokus zu sehr auf die Bruttoschülerln- nenzahl legt und dadurch ein „noch wichtigeres Problem“ vernachlässigt, weil Afrikas Schulen bei der Wissensvermittlung an die Schülerinnen eine „ärmliche Bilanz“ aufWeisen (ebd.: 210). Viele Faktoren tragen hierzu bei, darunter unqualifizierte Lehrer, schlechte Lehreraus- und -fortbildung, niedrige Gehälter, unfähige Verwaltungen, schlechte Bücher und Lehrmittel, Unterricht in nicht vertrauten Kolonialsprachen sowie Lehrmethoden, die auf Auswendiglernen beruhen (vgl. a.a.O.: 210). Insgesamt, so ist sich der Kritiker sicher, wird die „MDG-Konzentration auf Grundschulbildung“ wenig dabei helfen, Afrika wettbe­werbsfähig zu machen, sodass es „zum Rest der Welt aufschließen und die Konkurrenzfä­higkeit seiner Produkte erhöhen“ kann, da nicht ausreichend in technische Fähigkeiten investiert wird (Ross 2006: 216).

Clemens, der den Zeitpunkt der Zielerreichung (das Jahr 2015) kritisiert, verweist auf die Bedingungen, die zur Zeit der Entwicklung der Bildungssysteme in den heutigen Industrie­ländern gegeben waren, sowie auf die Dauer dieses Prozesses.

“When today's rich countries made universal primary enrollment a national development goal, 1) they were richer than today's lowest-income countries and 2) they either set the goal when they had nearly achieved universal enrollment, or took several decades to approach it.“ (Clemens 2004: 23)

Um aber das MDG 2 zu erreichen, ist eine Geschwindigkeit bezüglich der Einschulungsquote vonnöten, die, wenn sie aufgrund von finanziellen Kapazitäten (also ausreichend ODA und die entsprechende Verwendung dieser, sowie eigens erwirtschaftete Geldmittel) überhaupt erreichbar ist, aufgrund der hohen Qualitätseinbußen der Bildung kein „readily-exportable «best practice»“- Beispiel liefern wird (Clemens 2004: 30). Ferner hängt die Umsetzung des MDG 2 nicht nur von derjeweils länderspezifischen politischen Implementierung ab, sondern in großem Maße auch von dem Bildungsgrad der Eltern und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Clemens geht davon aus, dass letztere Faktoren sogar größeren Einfluss auf die Erreichung des EFA-Ziels haben als politische Richtlinien indem er sagt, dass „economic conditions and slowly-changing parental education levels determine children's school enrollment to a greater degree than education policy interventions.“ (Clemens 2004: 1)

4 Westliche Bildungsvorstellungen

Im Titel dieser Arbeit wird die Frage „Primarschulbildung für alle“ (...) - Eine Bildungsvision des Westens? gestellt. Mit Westen sind hier die Industrieländer gemeint, welche - durch die europäische Brille betrachtet - geographisch mehrheitlich im westlichen Teil der Welt verortet sind. Anhand des im Folgenden darzustellenden Grundschulsystems in Bayern soll exemplarisch veranschaulicht werden, wie sich der Westen seine Grundschulbildung eingerichtet hat. Es wird dadurch aufgezeigt, welche Sichtweise Deutschland, bzw. Bayern als der hier ausgewählte Repräsentant des Westens auf seine Grundbildung hat, welchen Stellenwert sie besitzt und was die wesentlichen Inhalte dieser sind. Um zu veranschaulichen, dass sich die Grundschulbildung der westlichen Länder sehr ähnelt, werden im Kapitel 4.2 die Gemeinsamkeiten mit dem britischen Grundschulwesen ausgewiesen.

4.1 Die Bedeutung der Grundschulbildung in Deutschland am Beispiel des Bundeslandes Bayern

In Deutschland ist die Schul- und Bildungspolitik bekanntermaßen Ländersache, weswegen die Darstellung der Situation im Bundesland Bayern exemplarisch herausgegriffen wird. Das Wort Schule wurzelt in einem griechischen Wort, das originär Freizeit oder Erholung bedeutete (vgl. Giddens 1999: 435). Der heutige Grundschulunterricht stellt tendenziell etwas anderes dar, wie den Zielen des Gesamtlehrplans für die bayerischen Grundschulen, der seit dem 09.08.2000 Gültigkeit besitzt, zu entnehmen ist:

„Die Grundschule hat den Auftrag, alle Schüler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Es geht dabei vor allem darum, Wissenserwerb zu ermöglichen, Verstehen anzubahnen, Interessen zu entwickeln, soziale Verhaltensweisen sowie musische und praktische Fähigkeiten zu fördern und Werthaltungen aufzubauen.“ (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2000: 6)

Die Persönlichkeitsentwicklung wird unter anderem dadurch ermöglicht, indem „dem Recht auf Kind-sein-Dürfen angemessener Raum gewährt“ wird (a.a.O.: 6). Bestimmte Inhalte, die sich an „aktuellen und künftigen Bedürfnissen sowie an Traditionen orientieren“, haben das Ziel, den Kindern einen „Zugang zu Natur, Kultur, Zivilisation, Technik und gesellschaft­licher Wirklichkeit“ zu vermitteln (ebd.: 6). Die elementaren Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens, sind „zentrale Bildungsaufgaben der Grundschule und ermöglichen den Kindern, sich zunehmend selbstständig wichtige Lebensbereiche zu erschließen.“ (a.a.O.: 7) In den bayerischen Grundschulen werden in vier Schuljahren die Fächer Deutsch, Mathematik, katholische oder evangelische Religionslehre, bzw. Ethik, Heimat- und Sachunterricht, Sporterziehung, Kunsterziehung, Musikerziehung, Werken und textiles Gestalten gelehrt (vgl. ebd.: 3). Dass die aus diesen Fächern erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten das Fundament für die nachfolgenden Schulformen bilden soll, wird deutlich wenn das Ministerium das „Lernen des Lernens“ und die „Förderung des Denkens in Zusammen­hängen“ als „bedeutsam“ beschreibt (ebd.: 7). Grundschulbildung ist in Bayern als Vorbereitung auf die weiterführenden Klassen und nicht als Bildungsabschluss gedacht. Ein weiterer Bereich der Eingang in den Lehrplan gefunden hat, ist der Umgang mit dem Computer zum Zwecke der „informationstechnischen Grundbildung und zukunftsweisenden Medienerziehung“ (a.a.O.: 7). Überdies ist angesichts der „Risiken und Belastungen der modernen Lebensführung“, die Gesundheits-, Verkehrs- und Sicherheitserziehung von besonderer Bedeutung (ebd.: 7). Die Natur und Umwelt als Grundlagen und Bereicherung unseres Lebens zu erkennen, zu schätzen und zu erhalten, wird in er Umwelterziehung angestrebt. Auch ist die Begegnung mit einer Fremdsprache im Grundschullehrplan enthalten, wenngleich nur Pflichtunterricht, wenn die personellen Voraussetzungen gegeben sind. Der Fremdsprachenunterricht soll „über die Kommunikationsfähigkeit hinaus“ auch die „geistige Entwicklung“ fördern, sowie das „Selbst- und Weltverständnis“ erweitern (ebd.: 7). Lehren soll, um Lernen als für persönlich wertvoll und bedeutend empfinden zu können, nicht vorrangig der „Transport von Kenntnissen, Fertigkeiten, Problemlösungen und Werthal­tungen“ sein, sondern soll „Lernen anstoßen und begleiten“ (ebd.: 8). Der Lernprozess, der im schulischen Lernen seinen Ausdruck findet, „knüpft in der Regel an die Erfahrungs- und Erlebniswelt der Schüler an.“ (ebd.: 8) Daher gilt, dass Lerninhalte besser verstanden und behalten werden, „wenn sie emotional ansprechend sind, in lebensnahe Zusammenhänge eingebettet sind und für das gegenwärtige und zukünftige Leben bedeutsam erscheinen.“ (ebd.: 8) Jedoch ist Bildung stets ein Prozess der „Selbstkonstruktion des Menschen“ und „Lernen ist der zentrale Mechanismus“ dafür (Tenorth 2006: 55). Jedoch ist der Mensch, so Tenorth, „resistent gegen Erziehung“, da die Heranwachsenden ihren eigenen Willen und „ihre eigene Form der Aneignung von Welt“ haben (Tenorth 2006: 55). Öffentliche Erziehung soll den Menschen „kompetent für die Teilnahme an gesellschaftlicher Kommunikation und je individueller Selbstkonstruktion“ machen (ebd.: 59). Schmidt formuliert die Aufgabe der Grundbildung zusammenfassend so:

„Für das Leben im 21. Jahrhundert heißt lernen für Kinder, nicht nur die Grundfertigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens zu erlernen, sondern darüber hinaus, auch umfassende Lebens­bewältigungsstrategien entwickeln, die sie später in die Lage versetzen, sich an den raschen Wandel der Lebensumstände anzupassen und ihn mitzuvollziehen.“ (Schmidt 2005: 10)

[...]


[1] Ergo sind nahezu alle Staaten der Welt Mitglieder der UNO. Daneben gibt es Volksgruppen, die sich in der nichtstaatlichen Organisation der nicht-repräsentierten Nationen und Völker (UNPO) zusammengeschlossen haben. Die UNPO hat derzeit 53 Mitglieder, die alle nicht Mitglied der UN sind und auf deren offizieller Homepage beschrieben werden als „indigenous peoples, minorities, and unrecognised or occupied territories who have joined together to protect and promote their human and cultural rights, to preserve their environments, and to find nonviolent solutions to conflicts which affect them.“ (http://www.unpo.org/section/

[2] [28.11.2010]).

[3] So betrugen zum Beispiel im Juli 2009 die Stimmrechtsanteile der USA 16,77 %, die Japans 6,02 %, Deutschlands 5,99 %, sowie die von Frankreich und Großbritannien je 4,85 % (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2009b).

[4] Ausnahme sind die OECD-Mitgliedsländer Chile, Korea, Mexiko und die Türkei, die laut der DAC-Liste (Development Assistance Committee, der Entwicklungshilfeausschuss der OECD) über die Klassifizierung in Entwicklungsländer eben solche sind (vgl.: http://www.daad.de/imperia/md/content/entwicklung/dac- liste.pdf [28.11.2010]).

[5] Entstanden im Kalten Krieg bezeichnete der Begriff alle blockfreien Staaten, die sich demnach weder der „westlich kapitalistischen Ersten Welt“ noch der „östlich-sozialistischen“ Zweiten Welt zuordnen ließen (Nuscheler 2005: 98).

[6] Notwendigerweise wird dies in Zitaten dennoch der Fall sein.

[7] Ein ungeheures Ausmaß des Machtungleichgewichts ist jedoch erst im Vergleich der Regionen Asien und den übrigen Kontinenten erreicht: Asien stellte Mitte 2009 60,5% der Weltbevölkerung.

[8] insgesamt gab es 1100 Teilnehmerinnen auf dem Wetbildungsforum. Darunter waren die Staatsoberhäupter von Nigeria und dem Senegal, 100 Bildungsminsterinnen, Ministerinnen der jeweiligen Abteilungen für internationale Zusammenarbeit, der UN-Generalsekretär Kofi Annan, Vertreterinnen der Weltbank, über 100 Vertreterinnen von Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaftsexpertinnen und Pädagoginnen, davon insgesamt 13 Vertreterinnen aus Deutschland und vier aus Tansania. (vgl.: http://www.unesco.org/education/efa/wef_2000/listpartwef.pdf [29.11.2010])

[9] Auf der Konferenz, bei der die Strategie für die Region südlich der Sahara im Bereich „Bildung für alle“ entwickelt wurde, nahmen auch acht Vertreterinnen aus Tansania teil. Eine Recherche des Bildungshinter­grundes der teilnehmenden Personen zeigt, wie sie bildungstechnisch sozialisiert wurden: Fünf dieser Personen waren zu der Zeit im tansanischen Ministry of Education and Culture tätig. insgesamt handelte es sich m. E. ausnahmslos (soweit informationen zu den Teilnehmerinnen auffindbar waren) um Leute, die in einer Form institutionell mit Bildungsthemen verbunden waren.

[10] Dabei handelt es sich um die Ziele verbesserte Vorschulerziehung und -betreuung, Zugang zu Lernpro­grammen für Jugendliche und Erwachsene, Senkung der weltweiten Analphabetenrate um 50 Prozent, Geschlechterparität im Bildungsbereich und Verbesserung der Qualität von Bildung besonders in den Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen sowie bei den wesentlichen Lebensfertigkeiten (vgl. BMZ 2010b: 10).

[11] Gemeint ist hier die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand.

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
"Primarschulbildung für alle" als Entwicklungsziel für die Welt bis 2015 - Eine Bildungsvision des Westens?
Untertitel
Zur Realisierung dieses Ziels in Morogoro aus sozialarbeiterischer Sicht
Hochschule
Katholische Stiftungsfachhochschule München
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
92
Katalognummer
V170278
ISBN (eBook)
9783640890330
ISBN (Buch)
9783656057468
Dateigröße
2887 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Millennium-Entwicklungsziele, Entwicklungszusammenarbeit, Soziale Arbeit in Sub-Sahara-Afrika
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Sandra Weiß (Autor:in), 2010, "Primarschulbildung für alle" als Entwicklungsziel für die Welt bis 2015 - Eine Bildungsvision des Westens?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170278

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: "Primarschulbildung für alle" als Entwicklungsziel für die Welt bis 2015 - Eine Bildungsvision des Westens?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden