Produktivitätscontrolling in Kreditinstituten


Mémoire (de fin d'études), 2003

126 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Notwendigkeit eines Produktivitätscontrolling
1.2 Problemstellung

2 Einordnung des Produktivitätscontrolling in das Gesamtkonzept ertragsorientierter Banksteuerung
2.1 Methodische Grundlagen der Produktivitätssteuerung in Banken

3 Das Instrumentarium des Produktivitätscontrolling
3.1 Kennzahlenspektrum des Produktivitätscontrolling
3.1.1 Kennzahlenorientierte Produktivitätsanalyse im ROI-Kennzahlensystem
3.1.2 Ursachenbezogene Produktivitätsteuerung
3.1.3 Balanced Scorecard
3.1.3.1 Grundkonzept der Balanced Scorecard
3.1.3.2 Konzeptionelle Bewertung
3.1.3.3 Zielhierarchie in der Unternehmenssteuerung
3.1.3.4 Fazit
3.2 Prozesskostenrechnung als Teil des Kostenmanagements in Kreditinstituten
3.2.1 Begriff des Kostenmanagements
3.2.2 Voraussetzungen des Kostenmanagements
3.2.3 Prozesskostenrechnung als entscheidungsorientiertes Kostenrechnungssystem
3.2.3.1 Die Entwicklungsgeschichte der Prozesskostenrechnung
3.2.3.2 Ursachen für die Entwicklung der Prozesskostenrechnung
3.2.3.3 Die moderne prozessorientierte Standardeinzelkostenrechnung
3.2.3.4 Grundprinzipien der POSEK
3.2.3.5 Charakterisierung der POSEK
3.2.3.6 Vorgehensweise der POSEK
3.2.3.7 Anwendungsgebiete der POSEK
3.2.3.7.1 Produktkalkulation
3.2.3.7.2 Konto- und Kundenkalkulation
3.2.3.7.3 Informationen über Preisuntergrenzen
3.2.3.7.4 Fazit
3.3 Benchmarking als Instrument des Produktivitätscontrolling
3.3.1 Idee und Philosophie des Benchmarking
3.3.2 Der Benchmarking – Prozess
3.3.3 Der Lernprozess – die entscheidende Erfolgsgröße
3.3.4 Fazit
3.4 Target Costing
3.4.1 Begriff und Geschichte
3.4.2 Bankprodukte und –dienstleistungen
3.4.3 Den Kunden kennen lernen
3.4.4 Den Kunden faszinieren
3.4.5 Den Kunden richtig verstehen
3.4.6 Vom Markt zur Bankdienstleistungen. Retrograde Kalkulation
3.4.7 Neue Lösungen für alte Probleme
3.4.8 Fazit
3.5 Outsourcing
3.5.1 Innovationsvorsprung durch Outsourcing
3.5.2 Outsourcing als ein permanenter Prozess
3.5.3 Differenzierte Servicelevel geben Sicherheit

4 Die Produktivitätsrechnung in Kreditinstituten
4.1 Mengengerüst
4.2 Sollzeitwerte
4.3 Istzeitwerte
4.4 Produktivitätsberechnung
4.5 Abweichungsanalyse

5 Einflussgrößen des Produktivitätscontrolling
5.1 Preisgünstige Berechnung des Personalbedarfs und Sachmittelressourcen
5.2 Ressourcenverbrauch
5.3 Prozesse
5.3.1 Besonderheiten in Banken
5.3.2 Geschäftsprozessoptimierung
5.3.3 Vorgehensweise der Prozessoptimierung in Banken
5.3.4 Phasen der Geschäftsprozessoptimierung
5.3.5 Standortoptimierung
5.3.5.1 Optimierte Geschäftsstellennetze für Banken
5.3.5.2 Kunden- und kostenbasierte Geschäftsstellenoptimierung
5.3.5.3 Von der Theorie zur Praxis
5.3.5.4 Suboptimale Netze sind die Regel
5.3.5.5 Die Implementierung der Lösung
5.3.5.6 Geschäftsprozessoptimierung auf Basis bankbetrieblicher Ressourcensteuerung
5.3.5.7 Ausblick

6 Zusammenfassung und Schlussbetrachtung

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Globalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte, eine sprunghaft gestiegene Innovationsquote im Derivatebereich, die wachsende internationale Vernetzung der Banken, neue Vertriebssysteme wie z.B. das Electronic Banking und schließlich auch die aggressive Marktbearbeitung durch Non- und Near-Banks (z.B. Versi-cherungen) haben dafür gesorgt, dass die Konkurrenzintensität im Bankenbereich in den letzten Jahren erheblich angestiegen ist. Die steigende Wettbewerbsintensität und die gleichzeitige „Anspruchsinflation“ auf der Kundenseite schlagen sich in rückläufigen Margen nieder. Hinzu kommt, dass sich gute Kreditnehmer mit exzellenter Bonität ihr Geld vielfach unmittelbar über die Kapitalmärkte, d.h. ohne den „Umweg“ über die Bank, beschaffen. Im Gegenzug verschlechtert sich die bankspezifische Risikostruktur.1

Diese Entwicklung im Bankenumfeld hat zu einem Umdenken im Banken-management geführt. Das tradierte Volumendenken mit der primären Zielgröße „Bilanzwachstum“ wird nicht zuletzt im Zuge der konsequenten Anwendung der Marktzinsmethode durch rentabilitätsorientierte Managementansätze abgelöst. Rentabilitätsorientierung bedeutet dabei ein konsequentes Erlösmanagement mit eindeutigem Kundenfokus und zum anderem ein straffes Kostenmanagement mit klarer Strukturierung und Zuordnung der Kostenblöcke.2

Dafür wurden in verstärktem Maße bankspezifische Controllinginstrumente und Controllingsysteme entwickelt, die zur Messung von Kosten und Erträgen im Bankbetrieb geeignet sind.

Da der Spielraum für die Steigerung von Erlösen im Markt begrenzt ist, bieten das Ausschöpfen von Kostensenkungspotentialen und die möglichtst effiziente Nutzung von Ressourcen die aussichtsreichsten Ansatzpunkte. Einen hohen strategischen Stellenwert erhalten damit Kapazitäts- und Kostensteuerung.3

Neben der Kapazitäts- und Kostensteuerung, die unter anderem auch durch eine Verschlankung von Arbeitsabläufen erreicht werden kann („Lean Banking“), spielt die Erhöhung des Kundennutzens eine wichtige Rolle. Dies ist möglich u.a. durch den Einsatz und die Fortentwicklung neuer Vertriebskanäle, wie zum Beispiel Kundenselbstbedienung, verstärkter Einsatz von Geldausgabeautomaten oder Home Banking. Das Mengengeschäft kann dadurch kostengünstiger, schneller und sicherer abgewickelt werden als bisher. Darüber hinaus lassen sich die Qualität im Kundengeschäft erhöhen und gleichzeitig Rationalisierungseffekte erzielen. Im Ergebnis heißt dies, dem Kundennutzen entsprechend das Angebot gestalten und differenzieren und gleichzeitig die Organisations- und Kostenstrukturen optimieren. Hierzu müssen entsprechende Strategien entwickelt werden.4

Controlling soll diese Strategien in konkrete und detaillierte Aktionen umsetzen und die angestrebten Ziele überwachen. Um zu einer effizienten Kapazitäts- und Kostensteuerung zu kommen, sind geeignete Instrumente zu entwickeln und einzusetzen.5 Daher sind folgende Maßnahmen zu ergreifen: Der Betrieb ist zu reorganisieren, einfache und transparente Strukturen sowie schnelle und leistungsfähige Geschäftsprozesse sind zu schaffen. Hauptgedanke ist dabei, die richtige Leistung am richtigen Ort im richtigen Umfang zu präsentieren.

Diese Entwicklung führt gleichzeitig dazu, dass den Kriterien der Produktivität und der Rentabilität größere Beachtung gewidmet wird.6 Rentabilität bezeichnet dabei grundsätzlich das Verhältnis einer Erfolgsgröße zum eingesetzten Kapital, während die Produktivität das Verhältnis von Input zu Output (Kosten und Erträgen) wieder-spiegelt.7

Entscheidend für den Erfolg eines Kreditinstituts ist also, dass das Verhältnis zwischen Input und Output stimmt. Die Produktivität drückt als Quotient das Verhältnis von geschaffenen Produkten (Output) zu den dafür eingesetzten Produktionsfaktoren (Input) aus. Die ursprünglich mengenbezogen definierte Pro-duktivität wird häufig in einem zweiten Schritt durch die Bewertung mit Preisen gleichnamig gemacht. Dann spricht man von Wirtschaftlichkeit. Produktivität und Wirtschaftlichkeit spiegeln damit das ökonomische Prinzip wider, das fordert, den Output bei gegebenem Input zu maximieren oder den Input bei gegebenem Output zu minimieren.8 Was vielen Kreditinstituten noch fehlt, ist ein Instrumentarium, um gehaltvolle Informationen über die Produktivität zu gewinnen, entsprechende Analysen durchzuführen und Maßnahmenempfehlungen zu generieren.

1.1 Notwendigkeit eines Produktivitätscontrolling

„Ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, die eigene Produktivität zu verbessern, ist heute in vielen Sparkassen und Banken vorhanden“.9 Projekte wie prozessorientierte Standard-Einzelkostenrechnung, Datawarehouse oder Prozess Reengineering machen dies deutlich. Für die Steuerung der Produktivität ist es erforderlich, ein Controlling- Instrumentarium aufzubauen, das

- für systematische und kontinuierliche Verbesserungen sorgt
- die Einheitlichkeit der Methoden im Hause sicherstellt
- über die notwendige Methodenkompetenz verfügt
- über die Rückendeckung der Führungsspitze verfügt und auf diese Weise dafür sorgt, dass
- wirklich alle Bereiche der Bank oder Sparkasse in die Bemühungen einbezogen werden10
- Schwachstellen erkennt und analysiert.

1.2 Problemstellung

Marktentwicklungen und technischer Fortschritt haben zu veränderten Kosten- und Leistungsstrukturen geführt: Im Durchschnitt aller deutschen Kreditinstitute sind mittlerweile fast 65 % aller Beschäftigten in den indirekten Leistungsbereichen tätig – die Gemeinkosten sind dementsprechend in Relation zu den Gesamtkosten stark angestiegen.11 Unter indirekten Leistungsbereichen sind Unternehmensbereiche zu verstehen, in denen überwiegend Gemeinkosten anfallen, z.B. Verwaltung, Vertrieb, Controlling etc.; sie werden als Gemeinkostenbereiche oder Overhead bezeichnet.

Aufgrund neuer technologischer Anwendungen (Homebanking, Geldausgabe-automaten, etc.) ist auch zukünftig in den indirekten Bereichen mit weitersteigendem Gemeinkostenanteil zu rechnen: Die „fixen“ Kostenbestandteile laufen davon und das vorhandene betriebswirtschaftliche Instrumentarium kann keinerlei Hilfestellung bei der Suche nach Rationalisierungspotentialen, Chancen und Risiken sowie Ineffizienzen in den Gemeinkostenbereichen leisten.12 So werden Effizienzverbesserungen, Kosteneinsparungen, eine realitätsnahe Gemeinkosten-verrechnung und die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen und Daten aus dem Bereich der Kostenrechnung für viele Banken zur Überlebensfrage.13

Den traditionellen Kostenrechnungssystemen wurden zwei grundsätzliche Vorwürfe gemacht: Erstens sind sie nicht fähig, die Kosten der Dienstleistungen mit Genauigkeit und Relevanz zu bewerten, was dazu führt, dass zweitens die Führung unfähig ist, nützliche Informationen zu operativen Entscheidungen zu liefern.

Die logische Konsequenz war, dass in dienstleistungsintensiven Kreditinstituten die Managemententscheidungen auf der Basis ungenauer Kosteninformationen bzgl. der Preispolitik und des Produktenmix getroffen wurden.

2 Einordnung des Produktivitätscontrolling in das Gesamtkonzept ertrags-orientierter Banksteuerung

Vor dem Hintergrund enger werdender Margen im Kredit- und Einlagebereich, eines durch den Einfluss der elektronischen Kommunikation immer komplexeren Bankgeschäftes und exponentiell steigender Kosten wächst in Banken der Bedarf nach entscheidungsorientierten Steuerungsinstrumenten.14 Ausgehend von der Diskussion um die Opportunitätszinsmethode zur Steuerung der Aktiv- und Passivgeschäfte hat sich in den letzten Jahren ein Steuerungssystem etabliert, das die Ertragsorientierung in den Vordergrund stellt. Dabei wird das Betriebsergebnis in fünf operationale, kalkulatorische Steuerungsbereiche zerlegt. In ihnen gelten jeweils andersartige Ergebnismechanismen und sie erfordern durchaus unterschied-liche Managementfähigkeiten. Folgerichtig bedürfen sie auch verschiedener Controllinginformationen. Im einzelnen handelt es sich bei diesen Ergebniskomponenten um:15

1. Marktergebnis

Bei diesem Steuerungselement werden die Zins- und Provisionsergebnisse sowie die mit Standardstückkosten bewerteten Leistungen erfasst. Das Marktergebnis weist also den zu Standardkosten bewerteten Ergebnisbeitrag des Kundengeschäftes aus.

2. Produktivitätsergebnis

Hierbei handelt es sich um den Vergleich bzw. die Abweichung des tatsächlichen Leistungsverzehrs (Ist- Kosten) mit der zu Standardpreisen bewerteten Leistungs-abgabe an den Kunden (Standardkosten). Das Produktivitätsergebnis gibt Aufsch-luss über die Effizienz der Leistungserstellung.16

3. Risikoergebnis

Diese Ergebniskomponente stellt einen Vergleich zwischen dem erwarteten Standardrisiko und dem tatsächlichen Ausfallrisiko dar.17

4. Handelsergebnis

„Diese Position gibt Aufschluss über den Erfolg der Geld-, Devisen- und Wertpapierhandelsaktivitäten im Eigengeschäft der Bank“.18

5. Transformationsergebnis

Der Ergebnisbeitrag aus der Ausnutzung der Zinsunterschiede bei unterschiedlich langen Laufzeiten für Geldaufnahme und –anlage bzw. für verschiedene Währungen wird an dieser Stelle ausgewiesen.19

Ausgangspunkt für die Bildung der Steuerungsbereiche ist die Vorstellung, dass auch in Banken Abwicklungsaktivitäten vorliegen, die wie industrielle Fertigungsprozesse ablaufen und eines professionellen Managements bedürfen.20 Zur Bewertung und Steuerung der Bereiche sind differenzierte Methoden, Instrumente und ein unterschiedliches Managementverhalten erforderlich.

Das führt zwangsläufig dazu, dass sich die operativ Verantwortlichen auf die Maximierung der Ergebniskomponente konzentrieren, an der ihr Erfolg gemessen wird. Damit lässt das Bewusstsein für die anderen Ergebnisbereiche nach. Die Fokussierung der Vertriebseinheiten der Bank auf die Generierung von Marktergebnissen führt zu einem nachlassenden Kostenbewusstsein, so dass ein professionelles Produktivitätsmanagement als Gegengewicht erforderlich wird.21

2.1 Methodische Grundlagen der Produktivitätssteuerung in Banken

„Das Ziel des Produktivitätscontrolling ist die Sicherstellung der Abwicklung aller Bankaktivitäten zu angemessenen Betriebskosten. Eine aktivitätsorientierte Betrachtung der Betriebskosten zeigt hierbei zwei Tätigkeitsgruppen bzw. Entscheidungsfelder, für die Ressourcen verbraucht werden“.22

Ein Teil der Kosten fließt in Aktivitäten, die strukturelle Veränderungen in der bestehenden Organisation vornehmen. Die Entscheidungen hierzu stehen außerhalb des operativen Tagesgeschäftes und sind an der Strategie der Bank orientiert. Im einzelnen können diesem Tätigkeitskomplex Investitionen in

- Planstellen, insbesondere Struktur- und Stabsstellen,
- Sachmittel im weitesten Sinn, wie z.B. die Gründung einer Filiale und,
- DV- Systeme, die in Form von Projekten erstellt werden, zugerechnet werden. Die Maßnahmen werden durch Merkmale wie
- einzeln entscheidbar,
- längere Vorbereitungs- und Durchführungszeit und
- Durchführung außerhalb des normalen Produktionsprozesses

charakterisiert und können durch eigenständige Steuerungsinstrumente wie Stellen-genehmigungsverfahren, Investitionsgenehmigungsverfahren und Projektmanage-mentmethoden unterstützt werden.23

Ein wesentlicher Teil des Ressourcenverzehrs entsteht durch Tätigkeiten, die in ihrer Struktur ständig wiederkehrend und mengenabhängig sind. Der Kapazitätsbedarf für diese Aktivitäten steigt in bestimmten Grenzen direkt proportional zur Menge der anfallenden Vorgänge. Für diesen Aktivitätenkomplex lassen sich sinnvollerweise Fertigungsprozesse nach industriellem Muster implementieren und eine Kapazitätssteuerung nach den Beschäftigungsgraden der abwickelnden Einheiten durchführen. Dieser Teil der Banktätigkeiten wird gesteuert durch ein Kapazitätsbemessungssystem auf der Basis von Standardabläufen. Das monetäre Äquivalent der Standardabläufe sind die Standard-Stückkosten, die zur Bewertung des Produktivitätsergebnisses herangezogen werden.24

3. Das Instrumentarium des Produktivitätscontrolling

Das Produktivitätscontrolling hat die Aufgabe Geschäftsprozesse im Sinne der Unternehmensziele einzusetzen. Prozesse im Sinne des Unternehmensziele optimal einzusetzen, Restrukturierung durch Reengineering von Geschäftsprozessen wird für Banken zu einer dauerhaften Aufgabe.25 Akzeptiert man das, dient die KAIZEN - Philosophie, die sich eine kontinuierliche Verbesserung von Potentialen, Prozessen und Produkten zum zentralen Ziel setzt, als gedankliche Basis des Produktivitätscontrolling.

Was ist eigentlich die KAIZEN -Philosophie ?

Seit den ersten Erfolgen der Japaner auf den westlichen Märkten wird nach dem Schlüssel für den Wettbewerbsvorteil der Japaner geforscht. Denn allein ursprünglich niedrigere Lohnkosten und eine mental bedingt bessere Arbeitsmoral rechtfertigen die Überlegenheit der japanischen Industrie nicht. Die Antwort liegt vielmehr im überlegenen japanischen Führungsstil des Managements; das Schlüsselwort zum Erfolg der Japaner im Wettbewerb heißt KAIZEN:26

- KAIZEN als wichtiges Managementkonzept und Ursprung aller japanischen Managementtechniken entspricht der Mentalität, dass alles einer kontinuierlichen Verbesserung bedarf. Übertragen auf die Unternehmenswelt

ist es somit als Ziel des KAIZEN anzusehen, eine kontinuierliche Verbesserung der Leistung hinsichtlich Qualität, Kosten und Termintreue im Unternehmen zu gewährleisten. Diese ständige Verbesserung wird durch eine Beseitigung von Verschwendungen sowie von Fehlerquellen erreicht.

- KAIZEN beginnt mit dem Erkennen eines Problems. Ein Unternehmen, das seine Probleme nicht kennt, findet auch keinen Ansatz für Verbesserungen. Dies setzt eine Grundeinstellung voraus, die die Entdeckung und das Eingestehen von Fehlern nicht als Schwäche, sondern als Möglichkeit wahrnimmt, Probleme zu erkennen und nachhaltig einzustellen.
- KAIZEN bedeutet nicht nur die Verbesserung eines Produktes, sondern auch aller Vorgänge, die zur Fertigstellung und Vermarktung der Produkte führen. Die eigentlichen Analyseschwerpunkte des KAIZEN stellen deshalb die im Unternehmen ablaufenden, alltäglich wiederkehrenden Prozesse dar.
- KAIZEN bedeutet vor allem aber auch die stete Verbesserung der in diesen Prozessen arbeitenden Menschen - unabhängig von Position und Quali-fikation – durch den Grundsatz des funktions- und hierarhieübergreifenden Zusammenwirkens. Dies ermöglicht es jedem Mitarbeiter, seine Probleme zu erkennen und frei von Furcht vor negativen Konsequenzen auf seine Karriere zu äußern und abzustellen.27

Für das Produktivitätscontrolling muss ein Instrumenten-Mix gefunden werden, der sich am besten für den Einsatz in der jeweiligen Bank oder Sparkasse eignet. Das setzt eine profunde Kenntnis der Instrumente aus dem Bereich des Kosten- und Prozessmanagements voraus.28

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Elemente des Produktivitätscontrolling nach Kaizen – Philosophie. Quelle: Trost/Hahn, 2000, S. 391

Ein geeigneter Instrumenten-Mix und Methodenkompetenz sind wesentliche Voraussetzungen des Produktivitätscontrolling, reichen aber allein nicht aus. Notwendig ist eine klare organisatorische Verankerung des Produktivitätscontrolling im Betrieb, die dafür sorgt, dass konsistent und kontinuierlich an der betrieblichen Effizienz gearbeitet wird.29

3.1 Kennzahlenspektrum des Produktivitätscontrolling

Als eines der wichtigsten Controllinginstrumente gelten Kennzahlen. Kennzahlen gibt es in der betrieblichen Praxis schon seit mehr als 50 Jahren. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten aber hat man auf breiter Basis ihre Nützlichkeit als Informationsträger und Führungsinstrument erkannt und sich auch in vielen Betrieben für ihre Anwendung interessiert. Kennzahlen sind Verhältniszahlen mit betriebswirtschaftlich relevanter Aussage über betriebliche Fakten, Vorgänge, Entwicklungstendenzen, Zielen, Ergebnisse. Gebildet werden sie rein rechnerisch als Quotient zweier absoluter Zahlen.30

Sie stellen komprimierte Informationen über quantitativ abbildbare Sachverhalte dar. Die Hauptvorteile des Kennzahleneinsatzes kann in der Komprimierung gesehen werden: Kennzahlen ermöglichen dem Adressaten einen schnellen und unkomplizierten Einblick. Kennzahlen bieten aber auch vielfältige Vergleichs-möglichkeiten.31

Eine zentrale Aufgabe des Produktivitätsmanagements ist es daher, ein aussagefähiges Kennzahlensystem zu schaffen, das erlaubt, Produktivitätslücken nicht nur zu konstatieren, sondern sie auch ursachenbezogen zu analysieren und zu steuern.32

Durch Betriebsvergleiche auf der Basis gesamtbankbezogener Produktivitätskenn-zahlen können Mängel und Produktivitätslücken in einem Kreditinstitut ermittelt werden, aber Antworten auf Ursachen und Zusammenhänge hinter den Fehl-entwicklungen liefern solche Vergleiche kaum. Es werden zwar Symptome, nicht aber die Ursachen von Fehlentwicklungen wiedergespiegelt.33

Für die Ermittlung von Ursachen bedarf es tiefergehender Analysen (s. Abb. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Ursachenbindung durch kennzahlenorientierte Produktivitätsanalysen.

Quelle: Kauermann 2001, S. 613

Man geht von der Aufwandsproduktivität (linke Spalte der Abbildung) als Zielgröße des Produktivitätsmanagement aus, deren Entwicklung in Zeitvergleichen und in Betriebsvergleichen mitverfolgt wird. Ausschlaggebend für die Angemessenheit der eigenen Produktivität ist allerdings stets der eigene Anspruch, der aus einem geordneten Planungs- und Steuerungsprozess heraus erhoben werden sollte.34 Dabei ist das Produktivitätsziel zu definieren und auf diese Weise einer Umsetzung zuzuführen. Vor der Umsetzung sind die Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge hinter der Produktivität zu analysieren.

Den Produktivitätsanalysen kommt die Aufgabe zu, von den Symptomen einer Produktivitätslücke zu den dahinterstehenden Ursachen vorzudringen. Zuerst wird die Aufwandsproduktivität in ihre Bestandteile aufgespaltet (mittlere Spalte) und durch Hinzunehmen weiterer Größen erweitert. Im zweiten Schritt muss man vorgelagerte Kennzahlen identifizieren, die als ursachenbezogene Indikatoren über zu erwartende Produktivitätsentwicklungen Auskunft geben können (rechte Spalte).35

3.1.1 Kennzahlenorientierte Produktivitätsanalyse im ROI-Kennzahlen-system

Die ROI- Analyse ist eine (innerbetriebliche) Kennzahlenanalyse. ROI bedeutet „Rückfluss auf das im Unternehmen eingesetzte Kapital“ oder anders formuliert die Rendite auf das eingesetzte EK und FK.36 Für die Ermittlung des ROI werden zwei Zahlenwerte benötigt:

1. der Jahresüberschuss (Gewinn) des Unternehmens und
2. das Gesamtkapital (EK und FK)

Als Formel ausgedrückt: ROI = Jahresüberschuss/Gesamtkapital x 100

Durch eine weitere Aufsplittung des ROI lassen sich zusätzliche Aussagen im Rahmen des innerbetrieblichen Vergleichs treffen.37

Die erste Stufe der Produktivitätsanalyse ist die direkte definitionslogische Verknüpfung der herangezogenen Kennzahlen über Rechenvorschriften. Durch diese Verknüpfung wirken sich Zahlenänderungen im gesamten Kennzahlensystem einschließlich der Spitzenkennzahl (Aufwandsproduktivität) aus. Es werden Zielrechnungen möglich, die ausgehend von einer Zielproduktivität nach Wegen zur Erreichung dieser Ziele suchen, und Wirkungsanalysen, die prüfen, wie sich vorgegebene Entwicklungen untergeordneter Kennzahlen auf die Aufwandsproduktivität auswirken.38

Es können vielfältige Analysen mit unterschiedlicher Fokussierung vorgenommen werden. Man spricht von einer horizontalen Fokussierung, wenn man sich bei den Analysen primär auf die Kosten- oder die Ertragsseite konzentriert. Man gewinnt wichtige Kostenstrukturinformationen, z.B. Anteile von Sach- und Personalkosten an den Gesamtkosten oder die Kosten pro Mitarbeiter. Neben diesen horizontalen Fokussierungen auf Kosten und Erträge sind auch vertikale Fokussierungen sinnvoll, bei denen Auswertungen im Hinblick auf ausgewählte Bezugsgrößen durchgeführt werden. Typische Bezugsgrößen für derartige Produktivitätsanalysen sind das Geschäftsvolumen und die Mitarbeiter, aber auch Kunden oder Konten. Bei den Auswertungen mit Bezug auf das Geschäftsvolumen geht es einerseits um die Berechnung von Ertrags- und Kostenspannen, andererseits kann auch das Geschäftsvolumen je Mitarbeiter ausgewertet werden.39

Die Auswertung des Geschäftsvolumens pro Mitarbeiter stellt gleichzeitig die Verbindung zwischen volumen- und mitarbeiterorientierten Analysen dar. Angesichts der hohen Bedeutung des Personals für die Kosten, aber auch für Qualität und Umfang des bankbetrieblichen Outputs, kommt den mitarbeiterbezogenen Kennzahlen eine besondere Bedeutung zu. So sind die Kostensätze je Mitarbeiter wichtige Maßgrößen zur Bestimmung des Preises der Ressource Personal, der davon abhängt, welche Aufgaben von Mitarbeitern zu erfüllen sind. Es wird zwischen Mitarbeitern mit Overheadaufgaben, Mitarbeitern im Markt mit direktem Kundenkontakt sowie Mitarbeitern im Marktfolgebereich unterschieden.40 In die Analysen können auch kunden- und kontenbezogene Fokussierungen mit aufgenommen werden. Die Kontenzahl je Kunde lässt Tendenzaussagen darüber zu, inwieweit es dem Kreditinstitut gelungen ist, eine Hauptbankverbindung zu ihren Kunden zu knüpfen. Auskunft darüber, wie groß die Betreuungskapazität der Mitarbeiter ist, wird durch die Kennzahlen „Kunden pro Mitarbeiter“ und „Konten pro Mitarbeiter“ gegeben. Je größer diese Kennzahl, desto eher lässt sich auf eine hohe Mitarbeiterproduktivität schließen. Ferner stehen die Kennzahlen in engem Zusammenhang zwischen der Produktivität und anderen betrieblichen Zielgrößen, etwa der Qualität oder dem Service.41

Eine Aufgabe des Produktivitätscontrolling besteht darin, Produktivitätsverbes-serungen immer im Zusammenhang mit anderen Prozessen der Bank zu beurteilen. Dabei ist darauf zu achten, dass angestrebte Maßnahmen nicht im Konflikt zu den übrigen Unternehmenszielen stehen (s. Abb. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Zielkonflikte im Kostenmanagement (nach Trost/Hahn, 2000, S. 393).

Produktivitätssteigerung darf nicht allein mit Kostensenkung gleichgesetzt werden. Die vom Kunden wahrgenommene Servicebereitschaft und Produktqualität stellen wesentliche Elemente des Kundennutzens dar. Produktivitätsverbesserung muss vielmehr als Steigerung oder mindestens Erhalt des Kundennutzens unter Optimierung des Ressourceneinsatzes der Bank verstanden werden.42

Die Verkürzung von Durchlaufzeiten eines Produktes darf nicht zu Lasten der von Kunden wahrnehmbaren Qualität gehen. Bei neuen qualitätssteigernden Maßnahmen ist ihr Kosten-/Nutzen-Verhältnis zu prüfen. Auch hier muss der optimale Pfad zwischen Aufwand und Produktqualität gefunden werden. In größeren Kreditinstituten können sich dabei besondere Probleme aus der Ansiedlung produktiv zusammengehörender Teilbereiche in verschiedenen Servicecentern ergeben.43

Produktivitätscontrolling muss garantieren, dass nicht die Produktivitäts-bemühungen eines Teilbereichs zu Lasten der Qualität eines anderen Teilbereichs der Bank gehen. Dazu sollen in das Kennzahlenspektrum des Produktivitäts-controlling auch Kennziffern zur Überwachung der Produktqualität und Service-bereitschaft aufgenommen werden (Stornoquoten etc.). Auf diese Weise können dezentrale Optimierungsbemühungen auch mit den Gesamtbankzielen in Übereinstimmung gebracht werden.44

3.1.2 Ursachenbezogene Produktivitätsteuerung

Das Ziel einer umfassenden Produktivitätsoptimierung wird man nur dann erreichen, wenn man es versteht, die Produktivität wirklich ursachenbezogen zu steuern. Die bislang beschriebenen Produktivitätskennzahlen im ROI – Schema geben noch zu wenige Hinweise darauf, wo die Ursachen für festgestellte Probleme liegen. Zusätzlich ergibt sich die Gefahr, dass es für antizipative Steuerungsmaßnahmen meist schon zu spät ist, wenn sich in diesem Kennzahlensystem erst einmal Abweichungen zeigen.45

Um zum Beispiel Kreditrisiken zu identifizieren, werden aufwendige Untersuchungen gemacht, um zu Kennzahlen mit Indikatoreigenschaft zu gelangen, die mit zeitlichem Vorlauf Auskunft über latent vorhandene Bedrohungen geben. Noch zu wenig erkannt wurde bislang, dass solche Indikatoren auch der internen Produktivitätsteuerung eine neue Qualität verleihen können.46

Will man Produktivitätsteuerung über Kennzahlen umsetzen, bedarf es einer Erweiterung des obigen Kennzahlensystems. Auch Kennzahlen, die sich unmittelbar auf die Leistungserstellungsprozesse, die Produktqualität oder die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit beziehen, sind zu integrieren. Dabei geht es darum, Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge und zeitliche Zusammenhänge zu beschreiben und abzubilden.47

Die Vorgehensweise wird deutlich, wenn man zum Beispiel die Fehlerquote bei Arbeitsabläufen untersucht.

Erstens: Fehler führen zu höheren Kosten – Kosten für die Bereinigung der Fehler und erhöhten Prüfkosten zur Sicherstellung der Prozessqualität. Wie beachtlich diese Kosten sein können, zeigen Schätzungen, nach denen selbst in gut organisierten Banken circa 15 % der personellen Kapazität für die Beseitigung von Fehlern aufgewendet werden müssen.48

Zweitens: Fehler führen auch unmittelbar zu abnehmenden Erträgen, wenn erst einmal unzufriedene Kunden abwandern. Die Fehlerquote ist also aus kosten- und ertragsseitiger Sicht als relevante Kennzahl bei den Produktivitätsanalysen zu berücksichtigen.49

Die Integration der Fehlerquote und anderer vorgelagerter Kennzahlen in das produktivitätsorientierte Kennzahlensystem gestaltet sich schwierig. Eine Lösung wäre, Beobachtungsbereiche zu definieren, für die dann geeignete Kennzahlen zusammengestellt werden, die aber nicht unbedingt rechentechnisch mit den anderen Kennzahlen verknüpft sind.

Ein solches System produktivitätsorientiert zusammengestellter Beobachtungs-bereiche weist eine gedankliche Nähe zum Balanced Scorecard Ansatz (vgl. zum Beispiel Kaplan/Norton, 1997 oder Horstmann, 1999) auf, allerdings mit einem eindeutigen operativen Schwerpunkt auf der Produktivitätssteuerung. Ein solches System mit verschiedenen Beobachtungsbereichen, für die jeweils eine Beispielkennzahl angeführt wird, zeigt die Abbildung 4.50

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Produktivitätsorientiertes Kennzahlensystem mit Beobachtungsbereichen. Quelle: Kauermann, 2001, S. 616

Strebt man eine stärkere rechnerische Verknüpfung auch für die ergänzenden Produktivitätskennzahlen an, lässt sich dies über Ursachen-Wirkungs-Hypothesen bewerkstelligen, wie anhand des Beispiels einer Fehlerquote bei Ordererfassungen gezeigt werden soll.51 Den Zusammenhang zwischen der Fehlerquote und der Produktivität könnte man wie folgt im Kennzahlensystem abzubilden versuchen: Als Ausgangssituation sei eine Quote von 10 % fehlerhaft erfasster Orders und eine durchschnittliche Abwicklungsleistung von 50 Orders pro Mitarbeiter am Tag unterstellt. Es wird zugleich angenommen, dass eine fehlerhafte Order einen Bearbeitungsaufwand verursacht, der den einer einwandfreien Order um das fünffache übersteigt. Damit wäre es über eine Reduktion der Fehlerquote auf 5 % möglich, pro Mitarbeiter fast 64 Orders pro Tag abzuwickeln. Umgekehrt würde eine weitere Zunahme der Fehlerquote um fünf Prozentpunkte auf 15 % einen Rückgang der abwickelbaren Orders je Mitarbeiter auf knapp 44 Stück bewirken. Die Kapazitätseffekte einer veränderten Fehlerquote können nun ihrerseits der Ausgangspunkt weiterführender Analysen im ROI - Schema sein, um die Folgewirkungen einer veränderten Prozessqualität auf andere Zielgrößen zu prüfen.52

Insgesamt hängt die Qualität solcher rechnerischen Verknüpfungen und Analysen von der Validität der zugrunde liegenden Ursache-Wirkungs-Hypothesen ab. Größere Ansprüche an die Genauigkeit der Ergebnisse können demzufolge frühestens nach einiger Zeit im Einsatz gestellt werden. Dies sollte den Nutzer nicht davon abhalten, solche Hypothesen aufzustellen, zu prüfen und letztendlich auch einzusetzen. Ein geschlossenes System von Kennzahlen, das es dem Kreditinstitut erlaubt, die Produktivität ursachenbezogen und zeitnah zu steuern, sollte den Aufwand alle Mal lohnen.53

3.1.3 Balanced Scorecard

Die Balanced Scorecard wurde Anfang der neunziger Jahren von Kaplan und Norton entwickelt. Sie war ursprünglich als Messinstrument für Kennzahlen gedacht. Die Idee hinter der Balanced Scorecard ist die ganzheitliche Messung von Kennzahlen in mehreren Perspektiven - nicht nur der finanziellen. Dazu werden Ziele und Kennzahlen in den Perspektiven Finanzen, Kunden, Prozesse und Lernen definiert.54 Die Kennzahlen leiten sich aus der Bankvision und -strategie ab und werden auf die einzelnen Prozesse - teils bis zu der Ebene einzelner Mitarbeiter – heruntergebrochen. Die Balanced Scorecard ist somit mehr als ein Kennzahlen-system, sie ist ein Managementsystem, welches das Unternehmen konsequent auf die Strategie ausrichtet und die Umsetzung der Strategie unterstützt.55

3.1.3.1 Grundkonzept der Balanced Scorecard

Die von Kaplan und Norton entwickelte Balanced Scorecard „präsentierte sich als entlang der betrieblichen Produktionsfunktion strukturierte Sammlung von Kennzahlen“. Unternehmensinterne und – externe Perspektiven werden in ausgewogener Weise (Balanced) und in übersichtlicher Form auf einem Berichtsbogen (Scorecard) dargestellt. Neben der im Mittelpunkt stehenden finanziellen Perspektive soll die Einbeziehung der internen Prozessperspektive, der Lern- und Wachstumsperspektive und der Kundenperspektive ein ganzheitliches Abbild der Betrieblichen Realität gewährleisten.56 Für jede Perspektive sind

- aus einer übergeordneten Strategie abgeleitete Ziele,
- vier bis sechs Kennzahlen zur Operationalisierung dieser Ziele,
- konkrete Vorgaben und
- eine verbale Beschreibung der zur Zielerreichung notwendigen Initiativen

auf der Balanced Scorecard auszuweisen. Die Umsetzung einer Strategie in tatsächliche Handlungen wird somit unterstützt. Die einzelnen Perspektiven sind dabei über folgende Wirkungskette verknüpft: Qualifizierte und zufriedene Mitarbeiter schaffen die Grundlage für effiziente Geschäftsprozesse, auf deren Basis sich ein bedürfnisgerechtes Leistungsprogramm aufbauen lässt. Dieses führt zu zufriedenen Kunden und rentablen Kundenbeziehungen, die ihrerseits als Voraussetzung für die Erreichung rentabilitäts- oder wertorientierter Zielgrößen gelten.57

Typische Kennzahlen für die finanzielle Perspektive stellen beispielweise Risk Adjusted Profitability Measurements (RAPM) dar. Sie sollen die Vergleichbarkeit und die Transparenz darüber verbessern, welche Geschäftseinheit das ihr zur Verfügung gestellte Eigenkapital am rentabelsten einsetzt. Im Rahmen einer wertorientierten Gesamtbanksteuerung kommt auch der von Stern und Stewart propagierte Economic Value Added (EVA) als Kennzahl für die finanzielle Perspektive in Betracht. Er ist definiert als Geschäftsergebnis abzüglich der Kapitalkosten für das eingesetzte Geschäftsvermögen.58

Zur Gewinnung von Kennzahlen für die anderen Perspektiven der Balanced Scorecard greift man idealerweise auf die in diesen Feldern entwickelten Kennzahlen zurück, beispielweise Fluktuationsrate und Mitarbeiterzufriedenheit für die Lern- und Wachstumsperspektive, zeit-, kosten- und qualitätsbezogene Prozesskenngrößen für die interne Prozessperspektive oder Kundenzufriedenheit und Kundenprofitabilität für die Kundenperspektive. All diese Kennzahlen sollen als Teile der genannten Wirkungskette eingebunden werden und damit ihren Beitrag zur Verbesserung produktivitäts- oder wertorientierter Zielgrößen verdeutlichen.59

3.1.3.2 Konzeptionelle Bewertung

Kennzahlensysteme beziehen ihren besonderen Informationsgehalt aus der bewussten Verdichtung der abgebildeten Unternehmensrealität. Die konsequente Ausrichtung des Handelns auf die vier Perspektiven der Balanced Scorecard vernachlässigt jedoch die Konkurrenzperspektive. Für eine verbesserte Erreichung rentabilitäts- oder wertorientierter Ziele sollte auf eine Konkurrenzbetrachtung jenseits der Balanced Scorecard nicht verzichtet werden. Die Berücksichtigung von Vorhersagen des Verhaltens von Wettbewerbern zeichnet gerade strategisches Handeln und die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen aus.60

Auf Grund der Motivation, auch nicht monetäre Erfolgsfaktoren miteinzubeziehen, besteht grundsätzlich die Gefahr, dass eher zu viele Kennzahlen generiert werden. Die auf dem Berichtsbogen ausgewiesenen rund 20 Kennzahlen stellen in dieser Hinsicht keine Beschränkung auf wenige aussagekräftige Kennzahlen dar – dies kann die Informationsvorbereitung seitens der Berichtsempfänger behindern. Ferner ist eine im Zeitablauf mögliche Verringerung der kritischen Distanz beim Umgang mit einzelnen Kennzahlen auch bei der Balanced Scorecard gegeben.61

Die finanzielle Perspektive zeichnet sich durch eine hohe inhaltliche Geschlossenheit aus. Durch die zusätzliche Einbeziehung der Kunden-, Prozess- und Lernperspektive entstehen jedoch Beziehungen zwischen den einzelnen Perspektiven, die mit einer auf Grund von Plausibilitätsüberlegungen unterstellten Wirkungskette nicht quantifiziert werden können. Ist man an Aussagen interessiert, die den Gehalt von Tendenzaussagen hinsichtlich Existenz und Richtung einer Beziehung übersteigen sollen, so kommt man an harten statistischen Methoden nicht vorbei.62

Das Erfolgspotenzial der Balanced Scorecard resultiert im Ergebnis zu einem großen Teil aus ihrer Eignung als Kommunikationsmittel. Die anschauliche Verknüpfung der Unternehmensstrategie mit Kennzahlen ist ohne Frage innovativ. Zentrale Schwächen der Konzeption liegen in zwei Feldern. Zum einen verlangt strategisches Handeln Vorhersagen des Verhaltens von Wettbewerbern und eine hohe Aufmerksamkeit gegenüber Veränderungen von Rahmenbedingungen. Zum anderen ist die Quantifizierung der Wirkungskette alles andere als einfach.63

3.1.3.3 Zielhierarchie in der Unternehmenssteuerung

Schon Abraham Lincoln stellte im vorausgegangenen Jahrhundert fest: „Wer kein Ziel hat, verläuft sich“. Das Controlling- System eines Unternehmens kann nur dann effektiv funktionieren, wenn die zugrunde liegenden Unternehmensziele auf allen Ebenen bekannt sind und ein Anreizsystem das Handeln aller Mitarbeiter koordiniert und an diesen Zielen ausrichtet. Dabei muss es klären, welche Ziele es im Hinblick auf Kunden, Produkte und Marktpositionen erreichen will und mit welcher Unternehmensphilosophie dies geschehen soll. Dann muss eine Vision, also ein Erscheinungsbild gegenüber dem Kunden entwickelt werden. Erst danach ist es möglich, Strategien zu definieren sowie strategische Ziele und Messgrößen zu fixieren, die später in operationale Ziele und Maßnahmen transferiert werden müssen.64

Die Umsetzungsorientierung der Balanced Scorecard ergibt sich zum einem aus der Ursache-/Wirkungskette Finanzen, Kunde, Mitarbeiter, Prozesse, zum anderen aus der Verknüpfung der Balanced Scorecard mit einem Projektmanagement. Die meisten der heute verwendeten Steuerungssysteme stellen zu stark auf rein monetäre Kennzahlen ab. Die Balanced Scorecard dagegen „misst“ auch wichtige qualitative Größen, die auch als Frühwarnindikatoren für unternehmerische Entwicklungen fungieren können.

Der Erstellungsprozess der Balanced Scorecard erstreckt sich in der Regel über mehrere Wochen. Dabei werden über eine Potenzialanalyse und einen Strategieworkshop eine gemeinsame Vision und Mission sowie die strategischen Ziele erarbeitet. Danach werden die Messgrößen, Vorgaben und Maßnahmen unter Beachtung der Ursachen-/Wirkungszusammenhänge gesucht sowie die Verantwortlichkeiten festgelegt. Schließlich können die Ergebnisse priorisiert und in einer Übersicht (Scorecard) fixiert werden. Die Ausgewogenheit ist durch Interviews abzusichern. Ist dies geschehen, dann ist die „Top - Balanced Scorecard“ erstellt.65

Diese Balanced Scorecard ist dann nicht nur ein wirkungsvolles Mittel zur Identifizierung mit den strategischen Zielen, sie dient auch dazu, die strategischen und operativen Ziele über alle Hierarchiestufen hinweg zu kommunizieren, um sie schließlich auf alle Organisationseinheiten herunterzubrechen.66

Kaplan meint: “Wenn die Scorecard nur auf die Führungsebene beschränkt bleibt und nicht den Weg zu den untergeordneten Ebenen findet, wird das volle Potenzial dieses wertschöpfenden Instrumentes nicht ausgeschöpft.“ Diese Auffassung kann nur bestätigt werden.67

Mit der konzeptionellen Bewertung sind jedoch zwei wesentliche Defizite zu konstatieren. Zum einem vernachlässigt die Balanced Scorecard die Konkurrenz-perspektive – in Zeiten eines stärker werdenden Wettbewerbsdrucks in der Finanzbranche ist die richtige Antizipation der Aktivitäten von Wettbewerbern ein entscheidender Erfolgsfaktor. Zum anderen macht die Balanced Scorecard keinerlei quantitative Aussagen darüber, wie die einzelnen Perspektiven und Kennzahlen zusammenhängen. Für das Abwägen verschiedener Faktoren bei komplexen Entscheidungen bietet die Balanced Scorecard damit praktisch kaum eine Hilfestellung.68

Die geäußerte Kritik bedeutet nicht, dass die in der Balanced Scorecard dargestellten Aspekte für unbedeutend gehalten werden. Ein modernes Kreditinstitut wird ohne dezidierte Kundenorientierung, ohne Lernfähigkeit und Innovationskraft die Herausforderungen der Zukunft nicht bewältigen können. Die Entwicklung dieser eher weichen Faktoren ist daher unbedingt im Auge zu behalten und darf nicht vernachlässigt werden. Eine Etablierung der Balanced Scorecard unter dieser Zwecksetzung ist ausdrücklich zu begrüßen. Eine Verwendung als Instrument der Gesamtbanksteuerung ist jedoch nicht sinnvoll, da wesentliche Elemente eines Steuerungssystems nicht abgedeckt werden.69

3.1.3.4 Fazit

Mit der von Robert S. Kaplan und David P. Norton entwickelten Balanced Scorecard (BSC) steht eine übersichtliche und wirkungsvolle Methodik für den Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozess der Organisation zur Verfügung. Die Balanced Scorecard ist ein erweitertes Kennzahlensystem und vor allem ein Managementsystem, welches unter Einbeziehung finanzieller und nicht finanzieller Faktoren eine Transformation von Visionen in qualitative und quantitative Ziele sowie Kennzahlen ermöglicht.70 Balanced Scorecard besitzt weiterhin auch die Fähigkeit, die jeweiligen Ziele, die entsprechenden Maßgrößen und den Grad der Zielerreichung auf einen Blick darzustellen und so den einzelnen Betrachtern anhand weniger Kennzahlen einen schnellen Überblick über Entwicklungen des Unternehmens zu ermöglichen. Im Grundmodell wird hierfür die kurzfristig ausgerichtete finanzielle Perspektive mit einer Kundenperspektive, Lernperspektive und Ursache-/Wirkungsketten verknüpft.71

[...]


1 Vgl. Richter, 1999, S. 115

2 Vgl. Schierenbeck, 1995, S. 545

3 Vgl. Everding, 2001, S. 558

4 Vgl. Brunner, 2001, S. 579

5 Vgl. Schierenbeck, 1995, S. 1

6 Vgl. Schierenbeck, 1995, S. 545

7 Definition nach Gablers Wirtschaftslexikon, 1988

8 Vgl. Kauermann, 2001, S. 608

9 Trost/Hahn, 2000, S. 390

10 Vgl. Trost/Hahn, 2000, S. 390

11 Vgl. Striening, 1998, S. 326

12 Vgl. Schüller, 1990, S. 264

13 Vgl. Horvath/Mayer, 1995, S. 15

14 Vgl. Richter, 1999, S. 118-119

15 Vgl. Schüller, 1990, S. 268

16 Vgl. Kaplan, 1995, S. 63-64

17 Vgl. Schierenbeck, 1995, S. 546

18 Schierenbeck, 1995, S. 546

19 Vgl. Hoyer/Schuster, 1991, S. 238

20 Vgl. Richter, 1999, S. 119

21 Vgl. Hoyer/Schuster, 1991, S. 235

22 Schuster/Hoyer, 1998, S. 233

23 Vgl. Schuster/Hoyer, 1998, S. 234

24 Vgl. Schuster/Hoyer, 1991, S. 239

25 Vgl. Schuster/Hoyer, 1991, S. 240

26 Vgl. Seebauer, 1998, S. 106

27 Vgl. Seebauer, 1998, S. 106-107

28 Vgl. Trost/Hahn, 2000, S. 390

29 Vgl. Trost/Hahn, 2000, S. 392

30 Vgl. Schott, 1994, S. 18

31 Vgl. Hummel, 1995, S. 38

32 Vgl. Kauermann, 2001, S. 608

33 Vgl. Kauermann, 2001, S. 612

34 Vgl. Rolfes, 1992, S. 217

35 Vgl Kauermann, 2001, S. 613

36 Vgl. Remer, 1997, S. 23-24

37 Vgl. Remer, 1997, S. 25

38 Vgl. Kauermann, 2001, S. 613

39 Vgl. Everding, 1995, S. 58

40 Vgl. Kauermann, 2001, S. 201

41 Vgl. Trost/Hahn, 2000, S. 393

42 Vgl. Trost/Hahn, 2000, S. 393

43 Vgl. Trost/Hahn, 2000, S. 393

44 Vgl. Trost/Hahn, 2000, S. 393

45 Vgl. Kauermann, 2001, S. 625

46 Vgl. Dülfer, 1992, S. 204

47 Vgl. Kauermann, 2001, S. 614

48 Vgl. Dülfer, 1992, S. 206

49 Vgl. Kauermann, 2001, S. 616

50 Vgl. Kauermann, 2001, S. 616

51 Vgl. Kauermann, 2001, S. 617

52 Vgl. Peters/Schmidt, 1999, S. 489

53 Vgl. Kauermann, 2001, S. 617

54 Vgl. Sauer, 2001, S. 326

55 Vgl. Vgl. Kaplan/Norton, 1997, S. 9

56 Vgl. Vgl. Kaplan/Norton, 1997, S. 10

57 Vgl. Brunold, 1999, S. 530

58 Vgl. Kaplan/Norton, 1997, S. 9

59 Vgl. Lichka/Kühn/Karagiannis,2002, S.915

60 Vgl. Petry/Riepenhausen/Klenk, 2001, S. 651

61 Vgl. Lichka/Kühn/Karagiannis,2002, S.915

62 Vgl. Petry/ Riepenhausen/Klenk, 2001, S. 653

63 Vgl. Lütterken, 2001, S. 89

64 Vgl. Sauer, 2001, S. 326

65 Vgl. Petry/Riepenhausen /Klenk, 2001, S. 651

66 Vgl. Brinkmann, 1999, S. 320

67 Vgl. Jöhnk/Grundmann/Wortmann, 2000, S. 470-471

68 Vgl. Lütterken, 2001, S. 89

69 Vgl. Petry/Riepenhausen /Klenk, 2001, S. 655

70 Vgl. Lütterken, 2001, S. 90

71 Vgl. Sauer, 2001, S. 328

Fin de l'extrait de 126 pages

Résumé des informations

Titre
Produktivitätscontrolling in Kreditinstituten
Université
University of Kassel  (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften)
Note
1,3
Auteur
Année
2003
Pages
126
N° de catalogue
V17060
ISBN (ebook)
9783638217385
Taille d'un fichier
690 KB
Langue
allemand
Mots clés
Produktivitätscontrolling, Kreditinstituten
Citation du texte
Oleg Gelt (Auteur), 2003, Produktivitätscontrolling in Kreditinstituten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17060

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