Das Wort des Jahres 2010 in Deutschland ist der „Wutbürger“. Wutbürger sind Personen einer Nation, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit und nur schon bei einem Ansatz an Ungerechtigkeiten oder Unstimmigkeiten zwischen Politik und Meinung der Bevölkerung entstehen, auf die Straße gehen zu müssen und zu protestieren. Sie sind wütend auf das politische System in Deutschland (vgl. Gesellschaft für deutsche Sprache 2010). Aber nicht nur in Deutschland kam es 2010 und Anfang 2011 zu zahlreichen Protesten. Auch im restlichen Europa und in den arabischen Ländern Nordafrikas kam es zu vielen Protesten. Die sogenannte Jasmin-Revolution schwappte von einem arabischen Land zum nächsten über, sogar bis hin nach China. In Deutschland sind es Anti-Castor Demonstrationen und Anti-Bahnhof-Umbau Proteste (Stuttgart 21) und in den arabischen Ländern demonstriert die breite Bevölkerung gegen die despotischen Umstände in ihren Ländern.
Was haben diese Proteste gemeinsam? Sind die einen Proteste reiner Luxus? Denn Demonstrationen gegen den Atommüll oder gegen einen Bahnhofsumbau kann man in Anbetracht der Umstände in den arabischen Ländern nicht miteinander vergleichen. Oder sind Proteste jeglicher Art immer gleichen Ursprungs und stets gleich organisiert, aufgebaut und durchgeführt? Wie entstehen Proteste, wie sind diese strukturiert und wie werden sie medial präsentiert?
In der folgenden Arbeit versuche ich anhand der klassischen Erklärungsansätze von sozialen Protestbewegungen die theoretische Entstehung und Entwicklung von Protesten aufzuzeigen. Zu Beginn erörtere ich kurz die Entstehungsgeschichte der Bewegungsforschung um daraufhin den amerikanischen und den europäischen Strang der Protestforschung mit ihren einzelnen Ansätzen zu diskutieren. Ich behandle die Ansätze rein theoretisch und wende keine praktischen Vergleiche an, da es sonst den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Lediglich zum Schluss der Arbeit versuche ich die klassischen Erklärungsansätze kurz mit den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen der Welt zu erfassen, was jedoch aufgrund der Aktualität nur hypothetisch und nicht wissenschaftlich fundiert dargestellt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Entstehungsgeschichte der Bewegungsforschung
- Klassische Erklärungsansätze sozialer Protestbewegungen
- Der amerikanische Strang der Bewegungsforschung
- Der europäische Strang der Bewegungsforschung
- Structural Strains
- Collective Identity
- Framing
- Der Resource Mobilization Ansatz
- Political Opportunity Structures
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die theoretischen Grundlagen der Entstehung und Entwicklung von Protestbewegungen, indem sie klassische Erklärungsansätze aus der Bewegungsforschung beleuchtet. Der Fokus liegt dabei auf der Erörterung der unterschiedlichen Ansätze und deren Beiträge zum Verständnis von Protesten. Dabei werden sowohl der amerikanische als auch der europäische Strang der Bewegungsforschung berücksichtigt.
- Die Entstehungsgeschichte der Bewegungsforschung
- Der amerikanische Strang der Bewegungsforschung (Collective Behavior Ansatz, Relative-Deprivation Ansatz)
- Der europäische Strang der Bewegungsforschung (Structural Strains, Collective Identity, Framing, Resource Mobilization Ansatz, Political Opportunity Structures)
- Die Relevanz der Ansätze für das Verständnis aktueller Protestbewegungen
- Die Grenzen und Herausforderungen der klassischen Erklärungsansätze
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Aktualität des Themas „soziale Protestbewegungen“ anhand von aktuellen Ereignissen wie der „Wutbürger“-Bewegung in Deutschland und den arabischen Revolutionen dar. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit, die Entstehung und Entwicklung von Protesten zu verstehen und stellt den Fokus der Arbeit auf die klassischen Erklärungsansätze der Bewegungsforschung dar.
Die Entstehungsgeschichte der Bewegungsforschung
Dieses Kapitel beleuchtet die historischen Wurzeln der Bewegungsforschung, die in der Aufklärung und den Ideen von Denkern wie Auguste Comte, Charles Fourier und Henri de Saint-Simon liegen. Es zeigt die Entwicklung des Begriffs „soziale Bewegung“ und die Beiträge von Karl Marx und Emile Durkheim zum Verständnis von Massenbewegungen auf.
Klassische Erklärungsansätze sozialer Protestbewegungen
Dieses Kapitel behandelt die beiden Hauptstränge der Bewegungsforschung: den amerikanischen Strang mit dem Collective Behavior Ansatz und dem Relative-Deprivation Ansatz sowie den europäischen Strang, der als New Social Movement Ansatz bezeichnet wird. Es erläutert die verschiedenen Ansätze und deren Fokus auf strukturelle Spannungen, kollektive Identität, Ressourcenmobilisierung und politische Gelegenheiten.
Der amerikanische Strang der Bewegungsforschung
Der amerikanische Strang der Bewegungsforschung konzentriert sich auf die Analyse von Protesten als irrationales Handeln, das aus strukturellen Spannungen und Deprivation resultiert. Der Collective Behavior Ansatz betont die Bedeutung von kollektivem Verhalten, während der Relative-Deprivation Ansatz die Rolle von relativer Deprivation und latenter Verdrossenheit in der Entstehung von Protesten hervorhebt.
Der europäische Strang der Bewegungsforschung
Der europäische Strang der Bewegungsforschung, auch als New Social Movement Ansatz bekannt, legt den Schwerpunkt auf die sozialstrukturellen Voraussetzungen von Protestbewegungen. Er geht von einer strukturellen Basis für die Mobilisierung von Bewegungen aus und betrachtet die Rolle von Modernisierungsbrüchen, gesellschaftlichen Strukturproblemen und anderen Spannungsverhältnissen in der Entstehung von Protesten.
Structural Strains
Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Structural Strains Ansatz, der die Frage untersucht, inwiefern die Gesellschaftsstruktur selbst Anlass für Protest und soziale Bewegungen bietet. Es geht um die Entwicklung sozialer Bewegungen durch sozialen Wandel, Modernisierungsschübe und andere gesellschaftliche Spannungsverhältnisse.
Collective Identity
Der Collective Identity Ansatz untersucht die Rolle der kollektiven Identität in der Entstehung und Entwicklung von Protestbewegungen. Er analysiert, wie sich Gruppen durch gemeinsame Interessen, Werte und Ziele zusammenschließen und eine gemeinsame Identität entwickeln, die zur Mobilisierung und zum Handeln führt.
Framing
Der Framing Ansatz betrachtet die Bedeutung von Interpretationen und Deutungsrahmen für die Entstehung und Entwicklung von Protestbewegungen. Es geht darum, wie soziale Bewegungen ihre Anliegen und Forderungen in einem bestimmten Kontext darstellen, um Unterstützung und Resonanz in der Gesellschaft zu finden.
Der Resource Mobilization Ansatz
Der Resource Mobilization Ansatz untersucht die Rolle von Ressourcen für die Entstehung und Entwicklung von Protestbewegungen. Es geht darum, wie soziale Bewegungen Ressourcen wie Geld, Zeit, Personal und Kontakte mobilisieren, um ihre Ziele zu erreichen.
Political Opportunity Structures
Der Political Opportunity Structures Ansatz analysiert die Bedeutung von politischen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten für die Entstehung und Entwicklung von Protestbewegungen. Es geht darum, wie politische Strukturen und Prozesse die Mobilisierung und den Erfolg von Protesten beeinflussen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den klassischen Erklärungsansätzen sozialer Protestbewegungen, wobei die Schwerpunkte auf den amerikanischen und europäischen Strang der Bewegungsforschung liegen. Dabei werden wichtige Themen wie Collective Behavior Ansatz, Relative-Deprivation Ansatz, Structural Strains, Collective Identity, Framing, Resource Mobilization Ansatz und Political Opportunity Structures analysiert. Die Arbeit untersucht die Entstehung und Entwicklung von Protestbewegungen im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen und struktureller Spannungen.
- Citar trabajo
- Olga Gillich (Autor), 2011, Klassische Erklärungsansätze sozialer Protestbewegungen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170762