Der Wille der Südsudanesen ist klar: Mit fast 99 Prozent der Stimmen forderten sie im Januar 2011 ihre Unabhängigkeit vom sudanesischen Zentralstaat. Bereits im Juli, so die aktuellen Pläne, möchten sie ihren neuen Staat im nordöstlichen Afrika gründen. Trotz anders lautender Befürchtungen signalisierte zuletzt sogar die Zentralregierung in Khartum, dass sie das Votum der Menschen akzeptieren wolle.1 Die Unabhängigkeit Südsudans könnte damit ein entscheidender Schritt sein, um die Region nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs dauerhaft zu stabilisieren und zu befrieden.
Gleichwohl gilt es, diese Entwicklung nicht zu überschätzen. Schließlich kann kaum ein Staat der Welt auf eine derart lange und komplexe Konfliktgeschichte zurückblicken wie der heutige Sudan. Seit seiner Unabhängigkeit von der britischen Krone, im Jahre 1956, war das Land Schauplatz dreier großer Regionalkonflikte mit Millionen von Toten. Stabilität und Frieden sind hier bis heute weitgehend unbekannt. Nicht umsonst gilt der größte Staat Afrikas in der wissenschaftlichen Diskussion deshalb als Paradebeispiel, wenn es um Theorie und Empirie gescheiterter Staaten geht. So belegt Sudan bereits seit 2007 dauerhaft einen der drei Spitzenplätze im bekannten Failed States Index, einer weltweiten Rangliste gescheiterter Staaten, die von der amerikanischen Fachzeitschrift Foreign Policy veröffentlicht wird.
Um sich dem Problem des Staatszerfalls empirisch anzunähern, wie es Ziel dieser Arbeit sein soll, gibt es daher kaum ein besseres Fallbeispiel als Sudan. Zuvor müssen jedoch die völkerrechtlichen und politikwissenschaftlichen Grundlagen der Staatstheorie geklärt und davon abgeleitete Idealtypen des Staatszerfalls vorgestellt werden. Außerdem sind analytische Kriterien zu definieren, mit deren Hilfe Sudan untersucht und theoretisch eingeordnet werden kann. Erst daran anschließend macht es Sinn, sich Sudan in Form einer Fallstudie zu nähern. Dabei gilt es, die landesspezifischen Strukturen, Probleme und Konflikte anhand der theoretischen Grundlage vergleichend zu betrachten. Enden soll die Analyse dann mit einer abschließenden Bewertung der Ergebnisse und einer Einschätzung der aktuellen Gesamtsituation.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theorien der Staatslehre und des Staatszerfalls
- Der völkerrechtliche Staatsbegriff
- Das Staatsgebiet
- Das Staatsvolk
- Die Staatsgewalt
- Der politikwissenschaftliche Staatsbegriff
- Die Sicherheitsfunktion
- Die Wohlfahrtsfunktion
- Die Legitimitäts- und Rechtsstaatsfunktion
- Formen und Folgen des Staatszerfalls
- Schwache Staaten
- Versagende Staaten
- Gescheiterte Staaten
- Der völkerrechtliche Staatsbegriff
- Sudan als Fallbeispiel gescheiterter Staatlichkeit
- Geographie, Bodenschätze und Bevölkerung
- Historische Entwicklung
- Politisches System und Rechtsstaatlichkeit
- Wohlstand und Wohlfahrt
- Sicherheit und bewaffnete Regionalkonflikte
- Der Konflikt in Südsudan
- Der Darfur-Konflikt
- Der Konflikt in Ostsudan
- Fazit: Sudan ist und bleibt ein gescheiterter Staat
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Problem des Staatszerfalls am Beispiel des Sudan. Sie verfolgt das Ziel, die völkerrechtlichen und politikwissenschaftlichen Grundlagen der Staatstheorie zu klären, Idealtypen des Staatszerfalls zu entwickeln und analytische Kriterien zu definieren, um Sudan theoretisch einzuordnen. Anhand dieser Kriterien soll Sudan in einer Fallstudie untersucht werden, um die landesspezifischen Strukturen, Probleme und Konflikte vergleichend zu betrachten. Die Analyse soll mit einer Bewertung der Ergebnisse und einer Einschätzung der aktuellen Gesamtsituation enden.
- Staatsbegriff und Staatszerfall
- Sudan als Fallbeispiel gescheiterter Staatlichkeit
- Politisches System und Rechtsstaatlichkeit
- Konflikte und Instabilität
- Entwicklungschancen und Herausforderungen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in das Thema ein und beleuchtet den aktuellen Konflikt im Sudan, insbesondere die Unabhängigkeitsbestrebungen des Südsudan. Es wird deutlich, dass der Sudan eine lange und komplexe Konfliktgeschichte aufweist und als Paradebeispiel für gescheiterte Staaten gilt. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Theorie des Staatszerfalls, indem es den völkerrechtlichen und politikwissenschaftlichen Staatsbegriff beleuchtet und verschiedene Formen und Folgen des Staatszerfalls beschreibt. Das dritte Kapitel untersucht den Sudan als Fallbeispiel gescheiterter Staatlichkeit. Es beleuchtet die Geographie, Bodenschätze und Bevölkerung des Landes, seine historische Entwicklung, das politische System und die Rechtsstaatlichkeit, den Wohlstand und die Wohlfahrt sowie die Sicherheit und bewaffneten Regionalkonflikte.
Schlüsselwörter
Staatszerfall, Sudan, gescheiterte Staaten, völkerrechtlicher Staatsbegriff, politikwissenschaftlicher Staatsbegriff, Konflikt, Instabilität, Entwicklung, Rechtsstaatlichkeit, Wohlfahrt, Sicherheit.
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- Florian Philipp Ott (Author), 2011, Land ohne Staatlichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171026