Zusammenfassung
Bereits 1964 prägte Georg Picht den Begriff der „Bildungskatastrophe“, heute liegt uns der „PISA – Schock“ in den Ohren. Aussagen wie diese treffen auf´s Empfindlichste den Nerv des deutschen Volkes.
Dennoch wird erst in der Auseinandersetzung mit der Bildungshistorie deutlich, woher wir kommen und wohin wir gehen. Nachfolgend werde ich, ab dem späten 19. Jahrhundert, die Veränderung von Bildungstheoretischen Leitkonzepten betrachten und sie der Gesellschaftspolitischen Situation der jeweiligen Epoche gegenüberstellen.
Abschließend werde ich zum aktuellen Bildungsdiskurs in unserem Land unter Anderem die Gedanken von Andreas Seiverth (2007) rezitieren. Andreas Seiverth ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft.
Er betrachtet die Geschichte des deutschen Bildungsdiskurses im Horizont des Sputnik-Schocks und beschreibt es als langes Erwachen aus einem Überlegenheitstraum der Deutschen in Bezug auf Bildung. Er spricht von der anschließenden Unfähigkeit eines eigenständigen Reformenkurses und mokiert die Adaption von Bildungsstandards, die die Erkenntnisse der Bildungssieger aus den skandinavischen und angelsächsischen Ländern spiegeln.
Seiverth gibt zu bedenken, dass in Deutschland das Recht auf Bildung noch nie im Sozialstaatsprinzip eingeschlossen war, was in Diskrepanz zu den Bildungssiegern steht. Seine düstere Prognose lautet: „Wenn sich an dieser Systembedingung des deutschen Bildungssystems nichts ändert, muss man fataler Weise auf einen neuen Schock hoffen, der Einsicht bringt“.
Nachdem die amtierende konservative Regierungspartei nur halbherzig im sozialen Bereich investiert, wird die Bildungsdebatte für die nächsten Jahre wohl wieder abgespalten von einer sozialen Gleichberechtigungsdebatte geführt werden und der Ruf „Bildung für alle“ wird wie ungehört verhallen.
Inhaltsangabe
Einleitung
1. Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte im 19. Jahrhundert
2. Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte im 20. Jahrhundert
2.1 Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte nach Ende des 1. Weltkrieges
2.2 Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte von der Weimarer Republik bis zum 2. Weltkrieg
2.3 Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte nach dem 2. Weltkrieg
2.3.1 Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte im westlichen Teil Deutschlands
2.3.2 Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte im östlichen Teil Deutschlands
2.4 Weltpolitik - Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte der 60ger Jahre
2.4.1 Westdeutschland in den 60ger Jahren
2.4.2 Ostdeutschland in den 60ger Jahren
2.4.3 Beginn der Wiedervereinigung Deutschlands, 80ger Jahre
3. Bildungstheoretische Perspektiven
Literaturverzeichnis
Einleitung
Bereits 1964 prägte Georg Picht den Begriff der „Bildungskatastrophe“, heute liegt uns der „PISA - Schock“ in den Ohren. Aussagen wie diese treffen auf´s Empfindlichste den Nerv des deutschen Volkes.
Dennoch wird erst in der Auseinandersetzung mit der Bildungshistorie deutlich, woher wir kommen und wohin wir gehen. Nachfolgend werde ich, ab dem späten 19. Jahrhundert, die Veränderung von Bildungstheoretischen Leitkonzepten betrachten und sie der Gesellschaftspolitischen Situation der jeweiligen Epoche gegenüberstellen.
1. Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte im 19. Jahrhundert
Nach der Reichsgründung (1871) entwickelte sich das Deutsche Kaiserreich unter Kaiser Wilhelm I. zu einer aufstrebenden Industriemacht. Der bürokratisierte Obrigkeitsstaat war bestrebt die ökonomische Wachstumsdynamik des Gründerbooms zu nutzen um sich auch außenpolitisch zu profilieren. Die Schule avancierte dabei zur wichtigsten sozialen „Dirigierungsstelle für Rang, Stellung und Lebenschancen“ (vgl. Veith, H./2007/51).
So blieb das neuhumanistische Gymnasium eine elitäre Paukschule, während die Volksschule als elementare Disziplinierungsanstalt zusehends aus den Nähten platzte (Veith, H./2003/386).
In der industriekapitalistischen Marktgesellschaft verbanden sich mit der institutionellen Organisation des Lernens aber nicht nur Bildungs- und Selektionsfunktionen, sondern auch in zunehmendem Maße Qualifikationsansprüche, die selber zum Motor der gesellschaftlichen Entwicklung wurden. (…) Die Produktivkraft des Lernens erhielt damit den Status einer ökonomischen Ressource im Wettbewerb um Kapital und Einfluss (vgl. Veith, H./2003/386). Die Vernachlässigung sozialer Strukturreformen führten zu verschärfte Klassenspannungen. (…) Ebenso schürten die unkontrollierten Folgen der arbeitsmarktbedingten Binnenwanderung die Gefühle der Heimatlosigkeit und des Gemeinschaftsverlustes (vgl. Veith, H./ 2003 /387).
Elisabeth Meinwolf-Staudinger 22.1.2010
2. Gesellschaftspolitische Situation und Bildungstheoretische Leitkonzepte im 20. Jahrhundert
Eine neue, durch das anhaltende Bevölkerungswachstum auch zahlenmäßig sichtbar in Erscheinung tretende Jugendgeneration meldete sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Wort und forderte als Gegenbild zur autoritären Belehrungsschule eine schülergerechte Pädagogik (Veith, H. / 2007 / 52).
Der Protest der Jugendgeneration war eingebettet in eine breite gesellschaftliche Reformbewegung, deren Forderungen von der Verbesserung der allgemeinen Arbeitsverhältnisse über die Abschaffung von Ausbeutung und Geschlechterdiskriminierung bis zur fundamentalen Erneuerung der alltäglichen Lebensführung reichten. (vgl. Veith, H. / 2007 / 53).
Dem kinderfeindlichen Lernzwang der traditionellen Schulanstalten und dem kruden Schematismus der Schulpädagogik hielten Schulreformer und Erziehungswissenschaftler neue, auf Differenzierung und Individualisierung setzende Lernformen entgegen (Veith, H. / 2003 / 388).
Jüngere Lehrer wie Hermann Lietz (1868 - 1919) und seine Mitstreiter Gustav Wyneken (1875 - 1964) und Paul Geheeb (1870 - 1961) suchten über die Gründung von Landerziehungsheimen und Schulgemeinden nach kindgerechten Formen der schulischen und außerschulischen Bildung. Sie argumentierten folgendermaßen: „Für die Erziehung maßgeblich seien nicht die Wissensstoffe, sondern die natürlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Heranwachsenden“ (vgl. Veith, H / 2007 / 53).
Die beiden Pädagogen, Georg Kerschensteiner und Johannes Tews machten sich seit der Jahrhundertwende für die Einführung der Einheitsschule stark. Wichtigste Anliegen waren dabei die Aufhebung der Standesschule und die Durchlässigkeit des Bildungswesens. Der Deutsche Pädagoge und spätere Universitätsprofessor in München (1920) Kerschensteiner, setzte sich für die Einrichtung von Arbeitsunterricht als methodisches Prinzip ein.
Der Pädagoge Paul Oestreich und andere „entschiedene
Schulreformer“ forderten weiter gehend die „elastische Einheitsschule“ mit gemeinsamem, durch wahlfreie Kurse ergänztem Mindestunterricht (Scheibe,W./ 2008/172 f).
Auf internationaler Ebene traten Reformpädagogen mit innovativen theoretischen und praktischen Vorstellungen in den Vordergrund. Von Maria Montessori (1870 - 1952) in Italien über Ovide Decroly (1871 - 1932) in Belgien bis hin zu John Dewey (1859 - 1952) in den USA. Immer ging es dabei um die Förderung von Selbstbildungsprozessen in vorbereiteten Umgebungen (vgl. Veith, H. / 2007 / 53).
Tatsächlich aber interessierte die Frage, wie der Schulunterricht besser und moderner werden könnte, die Schulpolitik nur am Rande. Die eigentliche Herausforderung sah man vielmehr darin, die steigende Nachfrage „nach weiterführender Schulbildung“ zu kanalisieren, dass das altsprachliche Gymnasium seinen elitären Charakter beibehalten und die Trennung zwischen niederen und höheren Schulen fortbestehen konnte (Veith, H. / 2007 / 54).
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1914) traten die pädagogischen Argumente für eine wissenschaftlich fundierte Schulforschung hinter volkswirt- schaftlichen Mobilisierungserwägungen zurück (vgl. Veith, H. / 2003 / 388).
Aufgrund der geologischen Rohstoffknappheit besaß das deutsche Volk nach Ansicht von Zeitgenossen vor allem geistige Potenzen. Diese jedoch mussten, bevor sie verwertbar waren, zuerst entwickelt und gefördert werden (Veith, H. / 2003 / 388).
Der amerikanische Begabungsforscher William Louis Stern (1871 -1938) brachte es so zum Ausdruck: „Ein rohstoffarmes Land wie Deutschland könne im internationalen Wettbewerb ökonomisch und politisch nur konkurrenzfähig - und das hieß 1916 auch militärisch erfolgreich - sein, wenn es die im Volk vorhandenen Begabungsreserven besser nutzen würde. (…) Unter Begabung verstand er die angeborenen Dispositionen, zu objektiv wertvollen Leistungen“ (…) [Veith, H. / 2007 /54 f]. Meines Erachtens ein einseitig gene- tisch ausgerichteter Fokus, der durch Tests und Analysen den Zwecke zum gemeinschaftlichen Nutzens des Einzelnen gewährleisten sollte.
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