Sicherheitstechnische Anforderungen an die Arbeitsplätze in Tageseinrichtungen für Drogenabhängige mit Konsumraum


Bachelorarbeit, 2011

63 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


I. Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ermittlung der sicherheitstechnischen Anforderungen in Drogenkonsumräumen
2.1. Die gesetzlichen Grundlagen einer Gefährdungsbeurteilung gemäß §5 des Arbeitsschutzgesetzes
2.2. Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen in Drogenkonsumräumen einer etablierten Einrichtung
2.3. Analyse der entscheidenden Gefährdungen in Drogenkonsumräumen
2.3.1 Tätigkeitsprofile der Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle des SKM Köln
2.3.2 Gefährdungen aus den Arbeitstätigkeiten

3. Material und Methoden
3.1. Aufbau des Fragebogens
3.2. Organisation der Befragung

4. Ergebnisse

5. Diskussion

6. Fazit

7. Literaturübersicht

8. Anhang

Ergebnisse der anonymisierten 10 Onlinebefragungen

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ablaufschema einer Gefährdungsbeurteilung (angelehnt an3)

Abbildung 2: Raucherkabine mit Absaugvorrichtung

Abbildung 3: Tisch zum Spritzentausch mit Schaufel, Kanülenabwurfbehälter und

Austauschspritzen und Zubehör

Abbildung 4: Drogenkonsumraum mit Mitarbeiterarbeitsplatz

Abbildung 5: Reinigungs- und Desinfektionsmittel

Abbildung 6: Nottasche mit medizinischem Sauerstoff (roter Pfeil)

Abbildung 7: Standorte der Entsorgungsbehälter

Abbildung 8: Übertragenes Blutvolumen in Abhängigkeit von Nadelgröße, stichtiefe und Stichgeschwindigkeit N=173

Abbildung 9: Übertragenes Blutvolumen beim Stich durch den Handschuh und durch die ungeschützte Haut nach15

Abbildung 10: Auszug des Merkblatts zu Stichverletzungen16

Abbildung 11: Influenza Virus im Elektronenmikroskop

Abbildung 12: Nahaufnahme einer Mykobakterium-tuberculosis-Kultur

Abbildung 13: Hygienemaßnahmen gegen Erkrankungen

Abbildung 14: Strukturformel des Heroins

Abbildung 15: Fragebogen zur Befragung von Mitarbeitern in Drogenkonsumräumen

Abbildung 16: Einzelübersicht der Nutzungsfrequenzen in den 14 befragten Einrichtungen ..

Abbildung 17: Verteilung der unterschiedlich ausgerüsteten Raucherkonsumplätze

Abbildung 18: Übersicht der genutzten Kanülen nach Gauge (G)

Abbildung 19: Positionierung der Kanülenabwurfbehälter im Drogenkonsumraum

Abbildung 20: Verteilung der Konsumplätze

Abbildung 21: Häufigkeit von Konflikten in den unterschiedlichen räumlichen Bereichen

Abbildung 22: Verteilung der unterschiedlichen Konfliktarten

Abbildung 23: Umgangsregelungen mit Klientenhunden

Abbildung 24: Position des medizinischen Personals

Abbildung 25: Gewaltanwendungen der Klienten gegen die Mitarbeiter der Einrichtungen 2010

Abbildung 26: Modelle von Kanülenabwurfbehältern unterschiedlichster Größe

Abbildung 27: Selbstlöschender Abfalleimer mit seiner Wirkungsweise

III. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übertragungswahrscheinlichkeit bei einer Nadelstichverletzung (vgl.:13)

IV. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die Ergänzung des §10a aufgrund des Dritten Gesetzes zur Änderung des Betäubungs- mittelgesetzes (3. BtMG-ÄndG) vom 28. März 20001 setzte die rechtlichen Rahmenbe- dingungen für den Betrieb von Drogenkonsumräumen in Deutschland. Dieser §10a defi- niert den Drogenkonsumraum als eine Einrichtung, „in deren Räumlichkeiten Betäu- bungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird.“ Einerseits bekamen Drogenabhängige mit dieser Gesetzesänderung die Möglichkeit, in einer hygienisch sau- beren Umgebung die eigenen Drogen zu konsumieren. Andererseits müssen Betreiber solcher Einrichtungen ihren Mitarbeiter sichere Arbeitsbedingungen bieten.

Keiner unterstellt Drogenabhängigen bewusste Gewalttätigkeiten. Trotzdem entspricht der Umgang mit Drogenabhängigen in Konsumsituationen nicht der Normalität und birgt ne- ben Infektionsgefahren auch Momente einer möglichen Gewalteskalation. Obwohl seit der Verabschiedung des 3. BtMG-ÄndG bereits 11 Jahre vergingen, finden sich in der Fachli- teratur kaum Publikationen zu den notwendigen Sicherheitsanforderungen der Mitarbeiter in Drogenkonsumräumen. Vor diesem Hintergrund bildete eine Gefährdungsanalyse in einer etablierten Kölner Einrichtung mit Drogenkonsumraum die Basis der Untersuchung zu diesem Thema. Ungeachtet dessen, dass es im Ergebnis dieser Analyse keine Bean- standungen gab, kam es hier im letzten Jahr zu Verletzungen von Beschäftigten mit Injek- tionskanülen.

Auf der Grundlage der gesetzlichen Anforderungen an die Arbeitssicherheit, sowie der Untersuchung der Arbeitstätigkeiten der Mitarbeiter in Aufenthalts- und Drogenkonsumräumen, entstand ein zweiseitiger Fragebogen, der an die Mitarbeiter verschiedener Einrichtungen mit Drogenkonsumräumen gesandt wurde. Der Rücklauf von mehr als 50% der Fragebögen bot ausreichend Material, die Situation im Hinblick auf den Arbeitsschutz in den befragten Einrichtungen auszuwerten, Konsequenzen daraus zu ziehen und Maßnahmen des Arbeitsschutzes abzuleiten.

2. Ermittlung der sicherheitstechnischen Anforderungen in Drogenkonsumräumen

Den Rahmen für die sicherheitstechnischen Anforderungen in Betrieben - zu denen auch soziale und medizinische Einrichtungen gehören - bildet das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). „Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern“2. Eine zentrale Rolle des ArbSchG spielt der §5 „Beurteilung der Arbeitsbedingungen“. So bildet dieser Paragraph auch die Grundlage, mittels einer Gefährdungsbeurteilung die sicherheitstechnischen Anforderungen in einer Beratungsstelle für Drogenabhängige mit Konsumraum zu erfassen. Das Ziel einer solchen Gefährdungsbeurteilung und der daraus abgeleiteten Maßnahmen besteht darin, mögliche Gesundheitsrisiken und Unfallgefahren für die Mitarbeiter zu erkennen und zu vermeiden.

Die Gefährdungsbeurteilung einer Drogenberatung mit Drogenkonsumraum bildet somit die Basis, die sicherheitstechnischen Anforderungen für die Mitarbeiter in Drogenkonsumräumen zu ermitteln. Darüber hinaus fordern auch die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die Biostoffverordnung (BioStoffV) eine Gefährdungsbeurteilung, weil aufgrund des Umgangs mit Drogen und Spritzen entsprechende „gefährliche“ Stoffe bei der Arbeit in einem Drogenkonsumraum auftreten.

Es stellt sich zunächst die Frage, ob letztlich diese Beurteilung wirklich ausreicht, Unfälle oder andere Gesundheitsbedrohungen zu minimieren. Speziell in Drogenkonsumräumen bietet der Umgang mit gebrauchten Spritzen und Kanülen eine nicht zu unterschätzende Gefahr durch Nadelstichverletzungen bzw. die Entsorgung der Kippen in Abfallgefäßen das Risiko von Bränden. Darum soll auch untersucht werden, welche Maßnahmen sich in der Praxis bewähren bzw. unzureichend sind.

2.1. Die gesetzlichen Grundlagen einer Gefährdungsbeurteilung gemäß §5 des Arbeitsschutzgesetzes

Wie bereits erwähnt, bildet dieser Paragraph die entscheidende Grundlage, Arbeitsbedingungen zu beurteilen. Der §5 zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen lautet:

„(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforder- lich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.“2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Ablaufschema einer Gefährdungsbeurteilung (angelehnt an3 ) 6

Somit wird der Arbeitgeber generell in die Pflicht genommen, berufsbedingte Gefährdungen und Belastungen für die Beschäftigten zu ermitteln und daraus die notwendigen Maßnahmen abzuleiten, um auf diesem Weg mögliche Gefährdungen und Belastungen zu vermeiden bzw. zu minimieren. Eine solche Gefährdungsbeurteilung nach §5 läuft im Prinzip nach einem vorgegebenen Schema ab. Abbildung 1 zeigt das grundlegende Schema einer solchen Gefährdungsbeurteilung nach3.

Um mögliche Gefährdungen und Belastungen aufzuspüren, erfolgen Beobachtungen der jeweiligen Tätigkeiten, Begehung der Räumlichkeiten bzw. Arbeitsplätze und Gesprächen mit den Beteiligten entsprechend arbeitsbereichsspezifischer Checklisten. Wie bereits erwähnt, wird die Gefährdungsbeurteilung in verschiedenen Verordnungen zum Arbeitsschutz aufgegriffen. Insbesondere geht es bei der Beachtung der vorgenannten Gefahrstoffverordnung und Biostoffverordnung um die folgenden Inhalte:

Gefahrstoffverordnung (GefStoffV):

„“Gefahrstoffe“ im Sinne dieser Verordnung sind

1. gefährliche Stoffe und Zubereitungen nach §3,
2. Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse, die explosionsfähig sind,
3. Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Stoffe nach Nummer 1 oder Nummer 2 entstehen oder freigesetzt werden,
4. Stoffe und Zubereitungen, die die Kriterien nach den Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen, aber auf Grund ihrer physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können,
5. alle Stoffe, denen ein Arbeitsplatzgrenzwert zugewiesen worden ist.“4

Die Gefährdungsbeurteilung der vorhandenen Gefahrstoffe erfolgt nach §6 der aktuellen GefStoffV, gültig seit dem 01.12.2010. In Drogenkonsumräumen gehören vor allem die starken Reinigungs- und Desinfektionsmittel zu den Gefahrstoffen. Die GefStoffV verlangt in §14, die Mitarbeiter regelmäßig - vor Aufnahme der Tätigkeit und dann mindestens einmal jährlich - zu unterweisen und die Unterweisungen zu dokumentieren. Der Umgang mit Gefahrstoffen erfordert den Aushang entsprechender Betriebsanweisungen mit Infor- mationen wie Name des Gefahrstoffes, Art der Gefährdungen der Gesundheit und Regeln des sicheren Umgangs mit diesen Stoffen. Zusätzlich bedarf es der Beschreibung der notwendigen Hygienevorschriften, der Maßnahmen zur Verhinderung einer Exposition und ausreichender Informationen über das Tragen von Schutzkleidung. Ferner gehören Infor- mationen über Maßnahmen bei Unfällen, Notfällen oder ähnlichem Ereignissen dazu.

Darüber hinaus erfordert der Umgang mit solchen Gefahrstoffen, die technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) zu beachten:

1. TRGS 400 - Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
2. TRGS 401 - Gefährdung durch Hautkontakt - Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen
3. TRGS 525 - Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen zur human medizinischen Versorgung
4. TRGS 551 - Teer und andere Pyrolyseprodukte aus organischem Material
5. TRGS 903 - Biologische Grenzwerte1

Biostoffverordnung (BioStoffV)

Die Biostoffverordnung regelt den Umgang speziell mit „Biologischen Arbeitsstoffen“. „Der Begriff „Biologische Arbeitsstoffe“ umfasst neben natürlichen und gentechnisch veränderten Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilzen, auch Zellkulturen und Parasiten, die beim Menschen eine Infektionskrankheit oder eine Allergie hervorrufen können bzw. eine toxische Wirkung haben.“5

Die Biologischen Arbeitsstoffe werden in verschiedene Risikogruppen unterteilt:

Gruppe 1: Stoffe, die sehr unwahrscheinlich bei Menschen eine Krankheit auslösen.

Gruppe 2: Stoffe, die eine Krankheit auslösen können, die jedoch für eine Verbreitung in der Bevölkerung als ungefährlich gelten.

Gruppe 3: Stoffe, die eine ernste Gefahr für die Beschäftigten darstellen, weil sie eine gefährliche Erkrankung beim Menschen auslösen können, die sich ebenso in der Bevölkerung verbreiten kann. Allerdings ist eine Behandlung oder Vor- beugung möglich. In diese Risikogruppe fällt zum Beispiel der Hepatitis-B- Virus.

Gruppe 4: Stoffe, die schwere Krankheitsverläufe auslösen, für die in der Regel keine wirksame Behandlung oder Vorbeugung existieren. In diese Risikogruppe fällt z.B. die HIV-Infektion.

Die Biostoffverordnung unterscheidet außerdem zwischen gezielten Tätigkeiten wie die Arbeit im Labor und nicht gezielten Tätigkeiten. Die Arbeit in Drogenkonsumräumen gehört zu den nicht gezielten Tätigkeiten, weswegen die Gefährdungsbeurteilung hier nach §7 BioStoffV vorzunehmen ist. Nach BioStoffV wird die Tätigkeit anschließend in eine Schutzstufe eingeteilt. Die in einem Drogenkonsumraum durchgeführten Tätigkeiten fallen unter die Schutzstufe 2. Schutzstufe 2 beinhaltet die Empfehlung einer Impfung, die Infor- mation der Beschäftigten über mögliche Gefahren sowie die Schutzmaßnahmen mittels einer Betriebsanweisung, eine mündliche Unterweisung jedes Mitarbeiters vor der Auf- nahme der Tätigkeit sowie danach im jährlichen Rhythmus einschließlich ihrer Dokumen- tation und Bestätigung per Unterschrift.

Analog zu den technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) wird die Biostoffverordnung durch die sogenannten Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) konkretisiert. „Die technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, einschließlich deren Einstufung wieder.“6 Der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) erstellt die TRBA’s und passt sie permanent entsprechend dem Wissensfortschritt an.

Für die Arbeit im Drogenkonsumraum gelten folgende TRBA:

1. TRBA 250 - Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und der Wohlfahrtspflege,
2. TRBA 400 - Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung und für die Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen,
3. TRBA 450 - Einstufungskriterien für Biologische Arbeitsstoffe,
4. TRBA 462 - Einstufung von Viren in Risikogruppen,
5. TRBA 500 - Allgemeine Hygienemaßnahmen: Mindestanforderungen,
6. TRBA 609 - Arbeitsschutz beim Auftreten von nicht impfpräventabler Influenza unt- er besonderer Berücksichtigung des Atemschutzes.2

Unter Berücksichtigung der für die Arbeit in einem Drogenkonsumraum spezifischen Bedingungen entsprechend der GefStoffV und der BioStoffV erfolgte eine Gefährdungsbeurteilung einer bewährten Drogenberatungsstelle mit Konsumraum. Diese bildet letztlich die Grundlage für die Erarbeitung eines Fragebogens, um die Arbeitssicherheit in vorhandenen Drogenkonsumräumen/Kontaktläden zu analysieren.

2.2. Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen in Drogenkonsumräumen einer etablierten Einrichtung

Aufgrund der lokalen Gegebenheiten erfolgte eine solche Gefährdungsbeurteilung in der Beratungsstelle für Drogenabhängige mit Konsumraum beim Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) e.V. in Köln. Bereits im Jahr 2009 wurde durch die Fa. Schröer Arbeitssi- cherheit, dem Praktikumsunternehmen der Autorin, eine Gefährdungsbeurteilung durchge- führt. Diese bildete die Grundlage, die aktuellen Gefahren für die dortigen Mitarbeiter ins- besondere im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum zu beurteilen. Diese dokumentier- te Gefährdungsbeurteilung3 aus dem Jahre 2009 beinhaltet alle Aspekte der Arbeitsplätze in dieser Anlaufstätte für Drogenabhängige bis einschließlich der Gestaltung der Bild- schirmarbeitsplätze, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem praktischen Drogenkonsum stehen.

Die aktuelle Kontrolle der Gefährdungsbeurteilung richtete sich somit vor allem auf die mit dem Drogenkonsum verbundenen Gefahren. Im Wesentlichen decken sich die Ergebnisse mit denen aus dem Jahr 2009. Insgesamt erfüllt die Gestaltung der gesamten Arbeitsstätte die Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes. Das gilt sowohl für den Konsum von Dro- gen mittels Rauchen als auch mittels Spritzen, d.h. für den Umgang und die Entsorgung der Spritzen.

Sicher lassen sich die Zustände für die Mitarbeiter noch verbessern. Bezüglich der Rauchbelästigung erfolgte mit der Einrichtung einer speziellen Raucherkabine (Abbildung 2) bzw. Raucherinsel im letzten Jahr eine Verbesserung für die Mitarbeiter, die dadurch keinem Tabakrauch mehr ausgesetzt sind. (Die Forderung, die Mitarbeiter keinem Tabakrauch auszusetzen, müssen inzwischen selbst Gaststätten erfüllen.) Darüber hinaus ergab die aktuelle Begehung, dass sich immer wieder mal Mülleimer entzünden. Hier empfehlen sich in Ergänzung zu den Rauchmeldern selbstlöschende Papierkörbe.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Raucherkabine mit Absaugvorrichtung

Obwohl auch die aktuelle Kontrolle der Gefährdungsbeurteilungen keine Beanstandungen ergab, kam es im letzten Jahr in der Drogenberatungsstelle des SKM zu zwei Nadelstichverletzungen. Folglich liegen im Umgang mit den Spritzen und ihrer Entsorgung bisher nicht erkannte Gefahrenpotenziale, zumal solche Nadelstichverletzungen die Gefahr der Übertragung lebensgefährlicher Infektionserreger in sich bergen. Hier bedarf es zusätzlicher Analysen, um diese Gefahren abzubauen.

2.3. Analyse der entscheidenden Gefährdungen in Drogenkonsumräumen

Vor dem Hintergrund, dass offensichtlich die bisherige Praxis der Gefährdungsbeurteilung zumindest in der untersuchten Einrichtung nicht ausreicht, um z.B. Nadelstichverletzungen zu verhindern, bedarf es folglich einer detaillierteren Betrachtung der Arbeitsabläufe der Mitarbeiter sowohl in dieser als auch in anderen, vergleichbaren Einrichtungen. Zur Aus- dehnung der Betrachtung gehört einerseits die allgemeinen, generellen Abläufe, sowie andererseits die aufgrund der Besonderheiten der jeweiligen Einrichtung basierenden spezifischen Tätigkeiten zu untersuchen. Jedoch bildet die Grundlage einer solchen tiefe- ren Untersuchung die aktualisierte Gefährdungsbeurteilung der Drogenberatungsstelle des SKM in Köln.

2.3.1 Tätigkeitsprofile der Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle des SKM Köln

Die Erfassung der Tätigkeiten beginnt mit einem Blick auf den Aufbau einer solchen Einrichtung. So besteht die Beratungsstelle des SKM in Köln aus:

einem Kontaktladen, dem Konsumraum, einem Verwaltungsbereich mit 3 Büros sowie einem zusätzlichen Arztzimmer.

Der Kontaktladen besteht aus einem Bereich mit Tischen und Stühlen. Hier können die Kunden verweilen und in der zugehörigen und räumlich angegliederten Küche bereiteten warmen und kalten Speisen zu sich nehmen. Um den Bereich Küche kümmern sich dort in der Regel Zivildienstleistende oder Jugendliche im freiwilligen sozialen Jahr. Für die Betreuung der Klienten im Kontaktladen stehen jederzeit drei Sozialdienstmitarbeiter zur Verfügung. Deren Tätigkeitsfelder sind grundsätzlich arbeitsteilig festgelegt. Jedoch ist jeder Mitarbeiter befähigt, alle Tätigkeiten auszuüben.

Zur Haupttätigkeit der Mitarbeiter im Kontaktladen gehört generell, die Klienten während ihres Aufenthaltes zu empfangen und zu betreuen. Einer der drei Mitarbeiter übernimmt die Zuständigkeit für die Spritzenausgabe bzw. den Spritzentausch (siehe Abbildung 3). Dieser Spritzentausch gestaltet sich derart, dass der Klient seine alten genutzten Spritzen auf eine Schaufel legt. Dort erfolgt eine Durchzählung der Spritzen per Sicht. Anschließend händigt der Mitarbeiter dem Klienten dieselbe Anzahl an frischen Kanülen aus. Danach nimmt der Klient die Schaufel und schüttet die Spritzen in den extra bereit stehenden Kanülenabwurfbehälter. Außerdem begleitet dieser Mitarbeiter die Klienten in den Drogenkonsumraum und holt sie dort auch wieder ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Tisch zum Spritzentausch mit Schaufel, Kanülenabwurfbehälter und Austauschspritzen und Zubehör

Treten Spannungen unter den Klienten auf, gilt es diese zu deeskalieren. Um Schwierigkeiten vorzubeugen, eignet sich z.B. die Trennung der Beteiligten. Dazu begleitet ein Mitarbeiter den/die Beteiligten nach draußen.

Alle Mitarbeiter besitzen gemeinsam die Verantwortung für die Grundreinigung. Gegebenenfalls müssen auch Pflegeartikel wie Kämme oder ähnliches desinfiziert und auch die Tische im Aufenthaltsraum gesäubert werden.

Im Drogenkonsumraum (Abbildung 4) ist im Regelfall ein Mitarbeiter mit einer medizini- schen Ausbildung anwesend. Dieser Mitarbeiter betreut die Klienten während ihres Kon- sumvorganges und dokumentiert diesen. Die Konsumenten reinigen ihre Konsumplätze selbst. Dazu gehört auch, die genutzten Venenstaubänder sowie die Löffel zur Heroinver- flüssigung zu desinfizieren und zu sterilisieren. Zusätzlich reinigen und desinfizieren am Ende der Öffnungszeiten die Mitarbeiter noch einmal gründlich alle Konsumplätze. An- schließend erfolgt die Entsorgung des vom Kanülenabwurfbehälter getrennt aufbewahrten Mülls.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Drogenkonsumraum mit Mitarbeiterarbeitsplatz

Die Büros im Verwaltungsbereich sind mit Bildschirmarbeitsplätzen ausgestattet. Die Verwaltungstätigkeiten an diesen Bildschirmarbeitsplätzen beschränken sich jedoch auf ein Minimum. Im zusätzlichen Arztzimmer bietet ein externer Arzt Beratungen und Be- handlungen an.

2.3.2 Gefährdungen aus den Arbeitstätigkeiten

Auf der Basis der generellen Zielsetzung einer solchen Drogenkonsumeinrichtung und den Tätigkeitsprofilen der Mitarbeiter lassen sich die folgenden Gefährdungen ermitteln auf- grund:

- des verwendeter Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie gelagerten Sauerstoff- flaschen,
- von Nadelstichverletzungen,
- des Kontakts und des Umgangs mit den Klienten,
- der Rauchinhalation der Klienten,
- körperlicher Gewalt der Klienten und
- psychischer Belastungen.

Trotz entsprechender Vorschriften, Verhaltensweisen oder prophylaktischen Möglichkeiten, lassen sich nicht alle Gefährdungen vollständig vermeiden. Darum ist es wichtig, sich diesen Gefährdungen immer wieder bewusst zu stellen.

Gefährdungen aufgrund verwendeter Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie gelagerten Sauerstoffflaschen

Wegen der Notwendigkeit einer zuverlässigen Desinfizierung der Konsumplätze und damit verbundener Gegenstände ergibt sich eine Gefährdung durch die Reinigungs- und Desinfektionsmittel (Abbildung 5), die die Mitarbeiter zum Reinigen des Drogenkonsumraumes sowie des Aufenthaltsraumes nutzen. Die Betriebsanweisungen für die Handhabung dieser Reinigungs- und Desinfektionsmittel hängen sichtbar aus und geeignete Einweghandschuhe liegen griffbereit, so dass sich jeder Hautkontakt verhindern lässt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Reinigungs- und Desinfektionsmittel

Zur Erstversorgung bei Drogennotfällen gehört die Ausstattung des Konsumraums mit medizinischem Sauerstoff (Abbildung 6). Bereits aus diesem Grund gilt es sicher zu stel- len, dass nur geschulte Personen mit dem Sauerstoff bezüglich seiner Lagerung sowie Anwendung umgehen. Die Lagerung solcher Druckgasbehälter regeln unterschiedliche Vorlagen. Dabei ist die die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)7 an erster Stelle zu nennen. Außerdem gelten die Technischen Regeln Druckgase (TRG 280)8. Prinzipi- ell flossen jedoch deren Inhalte in die neuen technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 510)9. Weil die TRG 280 noch weitergehende Regelungen enthält, wurde die TRG 280 auch mit Verkündung der neuen TRGS 510 nicht aufgehoben oder zurück gezo- gen. Dadurch entstanden einige Irritationen bezüglich der geltenden Vorschriften. Die gel- tenden Regelungen beginnen mit dem Ausschließen eines Missbrauchs des medizini- schen Sauerstoffs, betreffen ebenso den sicheren Verschluss und die sichere Lagerung sowie auch den sicheren Transport gefüllter und leerer Sauerstoffflaschen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Nottasche mit medizinischem Sauerstoff (roter Pfeil)

Gefährdungen aufgrund von Nadelstichverletzungen

Die größte Gefährdung bergen Nadelstichverletzungen. Zu diesen kam es im letzten Jahr beim SKM Köln bereits 2-mal. Vor allem die Entsorgung des Mülls führte zu diesen Nadelstichverletzungen. Offenbar warfen Klienten ihre benutzten Kanülen in den normalen Müll, anstatt den dafür vorgesehenen Kanülenabwurfbehälter (siehe Abbildung 7) zu nutzen. Die Beseitigung dieses Mülls erfolgt, in dem er inklusive Beutel aus dem Mülleimer gehoben und anschließend in einen zweiten Beutel gefüllt wird. Beim Schütteln des Müllsackes fiel dann jeweils eine Kanüle durch die Beutel auf eine Mitarbeiterin.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Standorte der Entsorgungsbehälter

Nadelstichverletzungen an sich stellen nicht die eigentliche Gefahr dar, doch sie bergen in den Drogenkonsumräumen bzw. im Gesundheitswesen allgemein die Gefahr einer Vielzahl von Infektionen. Zu den wichtigsten Erregern gehören:

- die Hepatitis-B-Viren (HBV),
- die Hepatitis-C-Viren (HCV) und
- die Humanen Immundefizienz-Viren (HIV).

Die Hepatitis B10 stellt mit rund 350 Millionen chronisch HBV-Infizierten Menschen auf der Welt die häufigste Viruserkrankung dar. Die Infektion läuft meist akut ab und führt zu einer Leberentzündung. Bei etwa 10% kommt es zu einem chronischen Verlauf. Beim chronischen Verlauf besteht die Gefahr einer Leberzirrhose oder eines Leberzellkarzi- noms, so dass jährlich etwa 2 Millionen Menschen an einer HBV-Infektion sterben. Jedoch bietet die moderne Medizin die Möglichkeit, sich mit einer Impfung gegen die Hepatitis B zu immunisieren.

Im Gegensatz zur HBV-Infektion verläuft die HCV-Infektion10 bei mehr als 70% der Infektionen chronisch. Die Inkubationszeit beträgt drei bis zwölf Wochen. Die Infizierten nehmen diese Infektion entweder gar nicht oder nur als grippalen Infekt wahr. Dadurch erfolgt die notwendige Behandlung meist zu spät. Wie das HBV liegt auch die Tücke einer HCV-Infektion in einer anschließenden Leberzirrhose4 oder einem Leberzellkarzinom5. Laut Aussage des ROBERT-KOCH-INSTITUT waren im Jahr 2005 circa 400000-500000 Menschen in Deutschland mit HCV infiziert. Weltweit gibt es etwa 170 Millionen HCV-Infizierte. Eine Immunisierung leider noch nicht möglich.

HIV11, auch als Humanes Immundefiziens-Virus6 bezeichnet, führt in der Regel nach mehreren Jahren Inkubationszeit zum Ausbruch der Krankheit „acquired immunodeficiency syndrome“ (AIDS) oder in Deutsch „erworbenes Immundefizienz- syndrom“. AIDS ist derzeit eine noch nicht heilbare Infektionskrankheit. Allerding stehen inzwischen Medikamente zur Verfügung, die den Ausbruch von AIDS lange hinauszögern. Als Immunschwächekrankheit kann es nach Ausbruch von AIDS zu lebensgefährlichen Infektionen und Tumoren kommen.

[...]


1 Siehe http://www.baua.de/cln_137/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/TRGS.html (27.04.2011)

2 Siehe http://www.baua.de/cln_137/de/Themen-von-A-Z/Biologische- Arbeitsstoffe/TRBA/TRBA.html (27.04.2011)

3 Schröer, C.: Gefährdungsbeurteilung gemäß §5 ArbSchG für den SKM Kontakt- und Notschlafstelle. Köln, 2009. Unternehmensinterne Publikation der Firma Schröer Arbeitssicherheit Postfach 25 01 01, 51323 Leverkusen

4 Leberzirrhose: Endstadium chronischer Leberkrankheiten

5 Leberzellkarzinom: bösartige Krebserkrankung der Leberzellen

6 Deutsch: Menschliches Immunschwäche-Virus

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Sicherheitstechnische Anforderungen an die Arbeitsplätze in Tageseinrichtungen für Drogenabhängige mit Konsumraum
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
63
Katalognummer
V171074
ISBN (eBook)
9783640901579
ISBN (Buch)
9783640901067
Dateigröße
1486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Drogenkonsumraum, Drogen, Konsum, Drogenkonsum, Konsumraum, Arbeitssicherheit, Drogenabhängige, Abhängige
Arbeit zitieren
Anneke Heinich (Autor:in), 2011, Sicherheitstechnische Anforderungen an die Arbeitsplätze in Tageseinrichtungen für Drogenabhängige mit Konsumraum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171074

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