Noch während der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien von 1976 bis 1983 erlangten die Madres de Plaza de Mayo Weltruf. Ihr weißes Kopftuch ist Symbol für friedlichen Widerstand gegen grausamste Verbrechen geworden; ihre wöchentlichen Demonstrationen auf der Plaza de Mayo in Buenos Aires Sinnbild des Einstehens für Menschenrechte. Die Madres sind zweifelsohne die bekannteste Menschenrechtsorganisation Argentiniens, fast schon ein Mythos für sich. Doch es gab und gibt nicht nur sie. Zehn Menschenrechtsgruppen organisierten Widerstand gegen die Verbrechen der Militärdiktatur. Sie existieren bis heute und viele neue Gruppierungen sind dazugekommen. Das Thema Menschenrechte sowohl zu Zeiten der Diktatur als auch im heutigen Argentinien erscheint in zeitlichen Abständen immer wieder im Vordergrund der argentinischen Politik.
Doch die Intensität der Debatte schwankt. Die Gründe für das Auf und Ab der Menschenrechtsfrage in der argentinischen Öffentlichkeit, in ihrer Politik und Gesellschaft sind der zentrale Gegenstand dieses Buches. Antonio Gramscis Konzept der Zivilgesellschaft ist dabei die Grundlage für die Untersuchung der Rolle der Menschenrechtsbewegung im Demokratisierungsprozess in Argentinien.
Die Entwicklung der Menschenrechtsbewegung, ihre Stellung in Politik und Gesellschaft sowie ihren Einfluss auf den argentinischen Demokratisierungsprozess zeigen zwei Epochen der nachdiktatorischen Geschichte Argentiniens im Vergleich: zum einen die Regierungszeit des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Raúl Alfonsín von 1983-1989 und zum anderen die Zeit von 1998 bis zur Gegenwart. Beide Epochen sind durch eine "Konjunktur" der Menschenrechtsfrage gekennzeichnet. Gleich nach dem Ende der Diktatur wurden die Verbrechen öffentlich und machten so die Menschenrechtsfrage zum zentralen Thema in Politik und Gesellschaft und zum festen Bestandteil des Demokratisierungsversuches. 1998 erlebte sie einen erneuten Aufschwung. Die Festnahme von Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet in London hatte Vorbildwirkung auch für Argentinien und aufsehenerregende interne Erfolge der argentinischen Menschenrechtsbewegung wie die erneuten Festnahmen bekannter Ex-Diktatoren fachten die Diskussion um die Vergangenheitsbewältigung wieder an. Welche Faktoren waren für diese "Konjunkturen" ausschlaggebend?
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DAS ZIVILGESELLSCHAFTSKONZEPT VON ANTONIO GRAMSCI
- Der integrale Staat
- Schaffung von Hegemonie
- Der Alltagsverstand
- Eine Arbeitsdefinition
- DIE ENTSTEHUNG DER MENSCHENRECHTS-BEWEGUNG IN ARGENTINIEN
- ZWEI EPOCHEN IM ARGENTINISCHEN DEMOKRATISIERUNGSPROZESS
- Die Zeit der Transition
- Das Ende der Diktatur
- Die Regierungszeit von Raúl Alfonsín
- Die „Renaissance“ der Menschenrechtsbewegung
- Aspekte der Menschenrechtspolitik unter Carlos Menem
- 1998 Umbruch in der Menschenrechtsdebatte
- Menschenrechte unter der Regierung Fernando De la Rua
- Die Zeit der Transition
- RESÜMEE
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle der Menschenrechtsbewegung im Demokratisierungsprozess Argentiniens anhand des Zivilgesellschaftkonzepts von Antonio Gramsci. Sie beleuchtet die Verflechtung von politischer Gesellschaft und Menschenrechtsbewegung als zivilgesellschaftlichem Akteur und die wechselseitige Beeinflussung ihrer Meinungsführerschaft im politischen Diskurs.
- Die Bedeutung der Menschenrechtsbewegung für die Transition von der Diktatur zu einer demokratischen Grundordnung in Argentinien.
- Der Einfluss der Menschenrechtsbewegung auf die politische Mentalität der Bevölkerung.
- Die Entwicklung der Menschenrechtsbewegung in zwei Epochen: der Regierungszeit von Raúl Alfonsín (1983-1989) und der Zeit von 1998 bis zur Gegenwart.
- Die Rolle der Menschenrechtsdebatte im politischen Diskurs und ihre Bedeutung für die Gestaltung der Demokratie in Argentinien.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Menschenrechte und der Zivilgesellschaft in Argentinien ein und stellt die Madres de Plaza de Mayo als bekanntes Beispiel für die Bedeutung der Menschenrechtsbewegung dar. Sie beleuchtet die Rolle der Bewegung im Demokratisierungsprozess und den Einfluss auf die politische Debatte.
Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Zivilgesellschaftkonzept von Antonio Gramsci und erklärt die relevanten Begriffe wie der integrale Staat, die Schaffung von Hegemonie und der Alltagsverstand.
Kapitel 3 geht auf die Entstehung der Menschenrechtsbewegung in Argentinien ein.
Kapitel 4 analysiert zwei Epochen des argentinischen Demokratisierungsprozesses: Die Zeit der Transition nach dem Ende der Diktatur und die Zeit von 1998 bis zur Gegenwart. Es werden die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der Einfluss der Menschenrechtsbewegung auf die jeweilige Epoche untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Menschenrechte, Zivilgesellschaft, Demokratisierung, Argentinien, Menschenrechtsbewegung, Antonio Gramsci, politische Mentalität, Alltagsverstand, Hegemonie, Transition, Diktatur, Madres de Plaza de Mayo.
- Arbeit zitieren
- Antje Krüger (Autor:in), 2000, Menschenrechte und Zivilgesellschaft in Argentinien - Eine Analyse der Rolle der Menschenrechtsbewegung bei der Demokratisierung Argentiniens anhand zweier ausgewählter Epochen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17195