"Vorderösterreich", von Wien oder Innsbruck aus gesehen die Lande jenseits des Arlbergs,
war Bestandteil von Oberösterreich, das 1565-1665 von einer eigenen habsburgischen Linie
mit Sitz in Innsbruck regiert wurde. Im Unterschied zu Vorarlberg und "SchwäbischÖsterreich",
die direkt der Innsbrucker Regierung unterstellt waren, existierte für die weiter
entfernt liegenden Teile mit der vorderösterreichischen Regierung im elsässischen Ensisheim
eine eigene Mittelinstanz, die sich gegenüber Innsbruck zu verantworten hatte.
Dieser zuletzt genannte Teil, gelegentlich bezeichnet als "Vorderösterreich im engeren
Sinn" oder "Alt-Vorderösterreich", umfaßte die österreichischen Territorien im Breisgau
und Elsaß, außerdem die Reichslandvogteien Hagenau und Ortenau, die sich seit Mitte des
16. Jahrhunderts im Besitz des Erzhauses Habsburg befanden. Das Territorium war etwa so
groß wie Württemberg, erreichte aber nie dessen räumliche und verwaltungsmäßige Geschlossenheit.
Sei es, daß die Habsburger sich mehr für die finanzielle Nutzung der Lande als für deren
Verwaltung interessierten, sei es, daß das Oberrheingebiet aus ihrer Perspektive ohnehin zur
Peripherie zählte: viele Herrschaften, Ämter und Hoheitsrechte wurden immer wieder an
lokale Adelsgeschlechter oder benachbarte Fürstenhäuser verpfändet und verliehen. Was
Österreich in diesen "Dominien" blieb, war die mittelbare Herrschaft, insbesondere das
Recht auf Steuereinnahmen und Musterung. Die eigentliche Verwaltung einschließlich der
niederen und hohen Gerichtsbarkeit war Sache des Pfandinhabers. Gerade für die Frühneuzeit
blieben nur wenige Gebiete, die als Kameralherrschaften unmittelbar unter habsburgischer
Verwaltung standen. Damit lag die Hochgerichtsbarkeit in Vorderösterreich, die
hier naturgemäß besonders interessiert, nicht in einer Hand, sondern bei den verschiedensten
Obrigkeiten aus Ritterschaft, Prälatenstand und Städten. Je nach dem Wortlaut der Pfandverschreibungen
beanspruchte der Landesherr aber auch in den Gebieten mittelbarer Herrschaft
das Recht der Vermögenskonfiskation in Hexen- und allen anderen Malefizprozessen.
Diese Territorien können daher bei einer Behandlung der vorderösterreichischen
Hexenprozesse nicht außer Acht gelassen werden. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Hexenprozesse in Vorderösterreich: Elsaß, Breisgau, Hagenau, Ortenau
- Vorderösterreich und die Habsburger
- Die Oberösterreichische Regierung und die Hexenprozesse in Vorderösterreich
- Lokale Akteure und die Ausweitung der Prozesse
- Vermögenseinziehung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Studie analysiert die Hexenprozesse im Vorderösterreichischen Raum zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert. Dabei werden die Strukturen und die Prozesse der Strafverfolgung sowie der Einfluss der habsburgischen Regierung, der lokalen Behörden und der Bevölkerung auf die Verurteilung und Hinrichtung von mutmaßlichen Hexen untersucht.
- Die Rolle der habsburgischen Regierung in der Hexenverfolgung
- Die Strukturen der Strafverfolgung in Vorderösterreich
- Der Einfluss lokaler Akteure auf die Prozesse
- Die Rolle von Besagungen und Geständnissen in den Verfahren
- Die Vermögenskonfiskation als Motiv für Hexenprozesse
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel befasst sich mit der historischen Einordnung des Vorderösterreichischen Raumes im Rahmen der Habsburgerherrschaft. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Verflechtung der verschiedenen Territorien und den unterschiedlichen Formen der habsburgischen Einflussnahme.
- Im zweiten Kapitel wird die Rolle der oberösterreichischen Regierung bei der Verfolgung von Hexen im Vorderösterreichischen Raum beleuchtet. Dabei werden die unterschiedlichen Handlungsweisen und das Verhältnis der Regierung zu den lokalen Behörden analysiert.
- Das dritte Kapitel untersucht die Rolle der lokalen Akteure in den Hexenprozessen. Dabei werden die lokalen Behörden, die Bevölkerung und die Rolle der Besagungen und Geständnisse genauer betrachtet.
- Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage der Vermögenskonfiskation im Zusammenhang mit Hexenprozessen und der Rolle der Vermögenskonfiskation als Motiv für die Verfolgung von Hexen.
Schlüsselwörter
Hexenprozesse, Vorderösterreich, Habsburger, Strafverfolgung, lokale Behörden, Bevölkerung, Besagungen, Geständnisse, Vermögenskonfiskation, Gegenreformation, Carolina, Strafrecht, Gerichtsbarkeit.
- Arbeit zitieren
- Sabine Schleichert (Autor:in), 1996, Hexenprozesse in Vorderösterreich: Elsaß, Breisgau, Hagenau, Ortenau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17199