In der vorliegenden Arbeit möchte ich den Blick auf die literarische Strömung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Polen richten, die allgemein unter der Bezeichnung Positivismus bekannt wurde. Die Frage „Was ist Positivismus?“ stellte schon 1892 Wojciech Deduszycki. Wie schwer es ist, eine präzise Antwort zu geben, weiß auch Jan Tomkowski, der sich in seinem Werk „Mój pozytywizm” ausgiebig damit beschäftigt hat. Auch unter Literaturwissenschaftlern herrscht keine Einigkeit, was den Begriff angeht. Er stellt insofern eine Schwierigkeit da,
als dass er die Einordnung der polnischen Periode in den Prozess der europäischen literarischen Entwicklung, wo man mit den Begriffen Realismus und Naturalismus operiert, erschwert. Die Vertreter des Positivismus selbst, wie Chmielowski und Prus, bedienten sich in ihrer späteren Schaffensphase des Begriffes „realistische Literatur” - als Gegenpart zur idealistischen Literatur. Nach dem 2. Weltkrieg hat sich der Begriff „kritischer Realismus” eingebürgert. Heute
wird erneut immer mehr der Begriff Positivismus gebraucht.
Diese Bezeichnung übernahmen die jungen Literaten von dem Terminus des
französischen Philosophen Auguste Comte, der seine Ansichten im „System der positiven Philosophie” (1824) darlegte. Die Ideen verdanken die polnischen Positivisten weniger Comte, sondern vielmehr den englischen Utilitaristen, vor allem Herbert Spencer und John Stuart Mill.
Ziel der Arbeit soll es sein, im Hinblick auf die vom Positivismus propagierte Emanzipation das in den Romanen und Erzählungen dargestellte Bild der Frau zu erörtern. Hierzu beabsichtige ich zunächst einige grundlegende Merkmale und Forderungen der positivistischen Bewegung abzubilden. Im Anschluss daran soll
am Beispiel von Eliza Orzeszkowas Nad Niemnem (1888) versucht werden,
herauszuarbeiten, inwieweit die Postulate praktisch in den Roman einfließen. Insbesondere der Aspekt der Emanzipation soll anhand von verschiedenen weiblichen Charakteren näher beleuchtet werden.[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grundzüge des polnischen Positivismus
- Exkurs: Der biografische Hintergrund von Eliza Orzeszkowa
- Die positivistischen Postulate und das Bild der Frau in Nad Niemnem
- Die Handlung in Nad Niemnem
- Der Arbeitskult in Nad Niemnem
- Der Utilitarismus und der Evolutionismus in Nad Niemnem
- Die Idee der Emanzipation in Nad Niemnem
- Im Vergleich zu Prus und Sienkiewicz
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung der Frau im polnischen Positivismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere im Hinblick auf die emanzipatorischen Ansätze dieser Bewegung. Sie analysiert, wie die positivistischen Postulate in der Literatur dieser Zeit zum Ausdruck kommen und inwieweit sie sich in der Praxis widerspiegeln.
- Der polnische Positivismus und seine philosophischen Grundlagen
- Das Frauenbild im polnischen Positivismus
- Emanzipatorische Aspekte in der Literatur des Positivismus
- Analyse von Eliza Orzeszkowas "Nad Niemnem"
- Vergleich mit anderen positivistischen Autorinnen und Autoren
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des polnischen Positivismus ein und erläutert die Schwierigkeiten bei der Definition des Begriffs. Sie skizziert die Forschungsfrage nach dem Bild der Frau im Positivismus und benennt Eliza Orzeszkowas "Nad Niemnem" als zentralen Untersuchungsgegenstand. Die Autorin begründet ihre Wahl mit dem späten Entstehungszeitpunkt des Romans und Orzeszkowas Rolle als Pionierin der Frauenemanzipation. Der Fokus liegt auf der Analyse der praktischen Umsetzung positivistischer Postulate im Roman und der Beleuchtung des Emanzipationsaspekts anhand verschiedener weiblicher Charaktere.
2. Grundzüge des polnischen Positivismus: Dieses Kapitel beschreibt die philosophischen Grundlagen des polnischen Positivismus, indem es die Einflüsse von Auguste Comte, Herbert Spencer und John Stuart Mill beleuchtet. Es werden die zentralen Ideen des Positivismus, wie die Betonung der empirischen Erfahrung und die Suche nach objektiven Gesetzmäßigkeiten, dargestellt. Der Kapitel kontextualisiert den Positivismus innerhalb des politischen und gesellschaftlichen Kontextes Polens im 19. Jahrhundert, der von Teilungen und Unterdrückung geprägt war. Es wird auf die unterschiedlichen Repressionsgrade in den verschiedenen Teilungsgebieten eingegangen, um den Hintergrund der literarischen Bewegung zu verdeutlichen.
Schlüsselwörter
Polnischer Positivismus, Eliza Orzeszkowa, Nad Niemnem, Frauenbild, Emanzipation, Utilitarismus, Evolutionismus, Realismus, kritischer Realismus, Auguste Comte, Herbert Spencer, John Stuart Mill, Januaraufstand, polnische Literatur des 19. Jahrhunderts.
Häufig gestellte Fragen zu "Nad Niemnem" und dem polnischen Positivismus
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung der Frau im polnischen Positivismus des 19. Jahrhunderts, insbesondere in Eliza Orzeszkowas Roman "Nad Niemnem". Der Fokus liegt auf der Untersuchung emanzipatorischer Ansätze innerhalb der positivistischen Bewegung und der Frage, wie sich die positivistischen Postulate in der Literatur und Praxis widerspiegeln.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt den polnischen Positivismus und seine philosophischen Grundlagen, das Frauenbild im Positivismus, emanzipatorische Aspekte in der positivistischen Literatur, eine detaillierte Analyse von "Nad Niemnem" und einen Vergleich mit anderen positivistischen Autorinnen und Autoren. Dabei werden die Einflüsse von Comte, Spencer und Mill berücksichtigt.
Welche Aspekte von "Nad Niemnem" werden untersucht?
Die Analyse von "Nad Niemnem" konzentriert sich auf die Handlung, den Arbeitskult, den Utilitarismus und Evolutionismus sowie die Darstellung der weiblichen Emanzipation. Ein Vergleich mit den Werken von Prus und Sienkiewicz wird ebenfalls durchgeführt.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Polnischer Positivismus, Eliza Orzeszkowa, Nad Niemnem, Frauenbild, Emanzipation, Utilitarismus, Evolutionismus, Realismus, kritischer Realismus, Auguste Comte, Herbert Spencer, John Stuart Mill, Januaraufstand und polnische Literatur des 19. Jahrhunderts.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über die Grundzüge des polnischen Positivismus (inklusive eines Exkurses zu Eliza Orzeszkowa), ein Kapitel zur Analyse von "Nad Niemnem" unter positivistischen Aspekten und einen Schluss. Die Kapitelzusammenfassungen geben einen detaillierten Überblick über den jeweiligen Inhalt.
Warum wurde "Nad Niemnem" als Untersuchungsgegenstand ausgewählt?
Die Wahl von "Nad Niemnem" begründet sich in dem späten Entstehungszeitpunkt des Romans und Orzeszkowas Rolle als Wegbereiterin der Frauenemanzipation. Der Roman bietet einen idealen Einblick in die praktische Umsetzung positivistischer Ideen und die Darstellung verschiedener weiblicher Charaktere.
Welche Rolle spielt der historische Kontext?
Der historische Kontext, insbesondere die politische und gesellschaftliche Situation Polens im 19. Jahrhundert mit seinen Teilungen und Unterdrückungen, wird berücksichtigt, um den Positivismus und die literarische Produktion dieser Zeit besser zu verstehen. Die unterschiedlichen Repressionsgrade in den Teilungsgebieten werden beleuchtet.
Welche philosophischen Grundlagen des Positivismus werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet die Einflüsse von Auguste Comte, Herbert Spencer und John Stuart Mill auf den polnischen Positivismus und beschreibt zentrale Ideen wie die Betonung der empirischen Erfahrung und die Suche nach objektiven Gesetzmäßigkeiten.
- Citation du texte
- Agnes Skorka (Auteur), 2007, Der polnische Positivismus und seine emanzipatorischen Ansätze am Beispiel von "Nad Niemnem", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172041