Die traumatischen Erfahrungen mit der Nieder-schlagung des Aufstands 1968 sind ein Grund dafür, dass sich im Fall der CSSR das Bild des gescheiterten oder nicht ausreichend mit Nachdruck vorangetriebenen Widerstands hält. Nicht zuletzt weil „[…] die Bilder der von Menschenmenegen umringten sowjetischen Panzer auf dem Prager Wenzelsplatz […] zu den fotografischen Ikonen des zurückliegenden Jahrhunderts [gehören]“ , wird die ganze Geschichte des Widerstands von dieser medial wirkungsmächtigen Szene des Scheiterns in der Wahrnehmung der Geschichtsschreibung und der Öffentlichkeit lange Zeit verdeckt. Zu Recht verweist Klara Horalíková darauf, dass es nötig ist, die Ereignisse zwischen 1945 und 1990 weiter aufzuarbeiten. Die Autorin und ihre Mitautoren haben bereits Studien mit Perspektive auf das Regime und die Repressalien angestellt. Auch die Geschichte des Widerstands rückt in letzter Zeit in den Fokus, was den seit 1990 verfügbaren Quellen geschuldet sein dürfte. Trotz und wegen der Tatsache, dass große Teile der Widerständler noch leben und bis vor kurzem noch höchste Ämter begleiteten, kommt die Aufarbeitung des Wider-stands in Gang. Annabelle Lutz hat 1999 in ihrer Dissertation einen Vergleich zwischen dem Widerstand in der DDR und CSSR gezogen, Marketa Spiritova und Mary Heimann gehen in ihren Darstellungen verstärkt auf Repression durch das Regime einerseits und die Situation Intellektueller und Oppositioneller andererseits ein. Die vorliegende Arbeit möchte im Rückgriff auf die verborgenen Energien des Widerstands möglichst umfassend die Widerstands- und Dissidentenbewegungen zwischen 1945 und 1989 untersuchen. Interessant ist hierbei vor allem, warum der Widerstand sich zeitweise so zurückhaltend verhält, dann aber mit großem Erfolg und großer Anteilnahme der Bevölkerung sich erfolgreich behaupten kann. Nach einer kurzen Klärung der Begriffe soll daher der Widerstand zwischen 1945 und 1989 genauer betrachtet werden. Anschließend gilt das Hauptaugenmerk den drei „Widerstandsgenerationen“ nach Annabelle Lutz, die in ihrer Zusammensetzung, ihren Motiven und vor dem geschichtlichen Hintergrund betrachtet werden. Eine abschließender Vergleich wird nochmals die Frage aufgreifen, inwiefern der Widerstand in der Tschechoslowakei zeitweise „im Verborgenen“ agiert.
Inhaltsverzeichnis
- Gesellschaftlicher Stillstand oder „Energien im Verborgenen“?
- Zu den Begrifflichkeiten: Widerstand, Dissidenten, Generationen
- Widerstandsgenerationen
- Die erste Generation: Kinder der Besatzung
- Die zweite Generation
- Die Zeit bis zur Normalisierung
- Eine neue Form des Widerstands: Die Charta 77
- Die dritte Generation: Normalisierungskinder
- Verschiedene Generationen und verschiedene Arten des Widerstands
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich zum Ziel, die Widerstands- und Dissidentenbewegungen in der Tschechoslowakei zwischen 1945 und 1989 umfassend zu untersuchen. Sie analysiert die Gründe für die zeitweise Zurückhaltung des Widerstands und die Ursachen für seinen späteren Erfolg und seine große Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Arbeit konzentriert sich dabei auf die drei „Widerstandsgenerationen“ nach Annabelle Lutz und untersucht ihre Zusammensetzung, Motivationen und den historischen Hintergrund.
- Entwicklung des Widerstands in der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg
- Analyse der verschiedenen „Widerstandsgenerationen“
- Untersuchung der Motive und Handlungsweisen der Widerstandskämpfer
- Bedeutung des Prager Frühlings 1968 für den Widerstand
- Die Rolle der Charta 77 und die Entwicklung der Bürgerrechtsbewegung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die historische und politische Situation in der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg und die Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft im Kontext des kommunistischen Regimes gegenüber sah. Der Fokus liegt dabei auf der ambivalenten Position des Widerstands, der zwar stets präsent war, aber nicht immer gleichermaßen aktiv und öffentlich agierte.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Definition und Abgrenzung der Begriffe „Widerstand“ und „Dissidenten“. Es wird ein umfassender und flexibler Begriff von Widerstand aufgezeigt, der verschiedene Formen und Motivationen umfasst.
Das dritte Kapitel konzentriert sich auf die drei „Widerstandsgenerationen“ nach Annabelle Lutz. Es werden die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten jeder Generation im Kontext ihrer historischen Erfahrungen und ihrer Rolle im Widerstandsprozess beleuchtet.
Schlüsselwörter
Widerstand, Dissidenten, Tschechoslowakei, kommunistische Herrschaft, Prager Frühling, Charta 77, Normalisierung, Bürgerrechtsbewegung, Generationen, Repression, Intellektuelle, Opposition, politische Kultur.
- Citation du texte
- Maximilian Frisch (Auteur), 2011, Dissidenten- und Bürgerrechtsbewegungen in der Tschechoslowakei 1945-1989 , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172341