Aus der Einleitung: Sieben Jahre nach Erfurt richtet ein weiterer Jugendlicher ein Blutbad in seiner ehemaligen Schule an. Nur Monate später soll es im Bayrischen Ansbach zu einem ähnlichen Vorfall kommen. Ereignisse dieser Art evozieren ob ihrer erschreckenden Gewaltsamkeit und scheinbaren Irrationalität ein enormes öffentliches Interesse. Im Zentrum der vor allem in der medialen Berichterstattung stattfindenden Diskussion steht in erster Linie die Frage nach dem Warum einer solchen als extrem und unwirklich wahrgenommenen Tat. Der damit einsetzende Prozess gesellschaftlicher Kommunikation, so die grundlegende Annahme, dient vor allem einem – der Erklärung für jene „Heillose Tat“ [40], die allem Anschein nach einen radikalen Bruch mit jenen Grundfesten sozialer Ordnung darstellt, die unsere Gesellschaft unter dem Stichwort Normalität subsumiert.
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In Anlehnung an eine Untersuchung Christoph BEYERs zum Amoklauf in Erfurt von 2004 und ihr zugrunde liegenden Überlegungen Michel FOUCAULTs und Jürgen LINKs besteht die zentrale These dieser Arbeit darin, dass Ereignisse wie der Amoklauf eines Schülers in der Öffentlichkeit stets auf Grundlage eines gesellschaftlichen Bewusstseins von Normalität und Abweichung verhandelt werden.
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Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die mediale Berichterstattung zum Amoklauf in Winnenden unter der von BEYER vorgegebenen Perspektive näher zu beleuchten und somit die Beschreibung von Form und Funktion jenes Diskursmusters fortzuführen. Anderseits soll hinsichtlich der vornehmlich textuellen Präsenz des Gegenstandes in der medialen Öffentlichkeit ein spezifisch sprachwissenschaftliches Interesse im Zentrum der Untersuchung stehen. Unter der Annahme, dass sich der Gegenstand der Arbeit, also das Wissen und Denken um den Amoklauf im Kontext gesellschaftlicher Normalität, vor allem über Sprache realisiert, lautet die zentrale Frage: Wie und mit welchen sprachlichen Mitteln werden der Amoklauf und seine Umstände in der Öffentlichkeit wahrgenommen und dargestellt.
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In Hinsicht auf die theoretischen und methodischen Vorgaben einer solchen Analyse sollen dabei auch die Möglichkeiten und Grenzen diskurslinguistischer Verfahrensweisen im Allgemeinen sowie hier im Einzelfall diskutiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erklärte Sicherheiten?! Eine Prototypentheorie sozialer Ordnung (und ihre Grenzen)
- Amoklauf-wissenschaftlicher Diskurs und öffentliche Debatte
- Psychologie
- Soziologie
- Pädagogik
- Medien- und Kommunikationswissenschaft
- Exkurs: soziale Ordnung/Kontrolle
- C. Beyer: Der Erfurter Amoklauf in der Presse
- Ein normaler Mittwoch in Winnenden – die Korpusanalyse
- Wahl und Beschaffenheit des Korpus
- Erfurt und Winnenden - Einführung
- Fokus der Analyse
- Diskursanalytische Ergebnisse
- Fassungslosigkeit und gekehrte Straßen - Konsens der Betroffenheit
- Aus der Gesellschaft gefallen - Der Täter
- Balanceakt - Die Verantwortung
- offener Diskurs
- Zusammenfassung - Vom erklärenden zum erklärten Diskurs
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die mediale Berichterstattung zum Amoklauf von Winnenden 2009. Das zentrale Ziel ist es, die sprachlichen Mittel zu analysieren, mit denen der Amoklauf und seine Umstände in der Öffentlichkeit wahrgenommen und dargestellt werden. Die Arbeit greift dabei auf die Diskursanalyse zurück und baut auf den Ansätzen von Beyer (Erfurter Amoklauf) und Foucault auf.
- Die Konstruktion von Normalität und Abweichung im Diskurs um den Amoklauf
- Die Rolle der Medien in der Herstellung und Verbreitung von Deutungsmustern
- Sprachliche Strategien der Darstellung von Gewalt und Verantwortlichkeit
- Die Funktion des Diskurses zur Aufrechterhaltung und Definition sozialer Ordnung
- Analyse der öffentlichen Debatte und der verschiedenen beteiligten Disziplinen (Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Medienwissenschaft)
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt den Amoklauf von Winnenden als Ausgangspunkt der Arbeit vor und beschreibt den Forschungsansatz. Sie skizziert die zentrale These, dass Ereignisse wie Amokläufe im öffentlichen Diskurs stets auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Verständnisses von Normalität und Abweichung verhandelt werden. Die Arbeit untersucht, wie die mediale Berichterstattung dazu beiträgt, diese Kategorien zu tradieren, zu bestätigen oder zu definieren. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie und mit welchen sprachlichen Mitteln werden der Amoklauf und seine Umstände in der Öffentlichkeit wahrgenommen und dargestellt? Die Methodik der Diskursanalyse wird kurz umrissen, und der Korpus von Pressetexten wird als Grundlage der Untersuchung eingeführt.
Erklärte Sicherheiten?! Eine Prototypentheorie sozialer Ordnung (und ihre Grenzen): Dieses Kapitel beleuchtet den wissenschaftlichen Diskurs und die öffentliche Debatte um Amokläufe. Es untersucht die Perspektiven verschiedener Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Pädagogik und Medienwissenschaft. Ein Exkurs widmet sich dem Konzept der sozialen Ordnung und Kontrolle, und die Arbeit von C. Beyer zum Erfurter Amoklauf wird eingehender betrachtet. Das Kapitel analysiert, wie verschiedene Akteure den Amoklauf deuten und welche Konzepte von Normalität und Abweichung dabei zum Tragen kommen. Der Fokus liegt auf der Frage, wie diese Deutungen zur Stabilisierung gesellschaftlicher Ordnung beitragen.
Ein normaler Mittwoch in Winnenden – die Korpusanalyse: Dieses Kapitel präsentiert die Ergebnisse der diskursanalytischen Untersuchung des zusammengestellten Pressekorpus. Es beschreibt die Auswahl und Zusammensetzung des Korpus und führt in die Vergleichsperspektive Erfurt/Winnenden ein. Die Analyse konzentriert sich auf verschiedene Aspekte der Berichterstattung, unter anderem auf die Darstellung von Fassungslosigkeit und Betroffenheit, die Konstruktion des Täters als abweichende Figur, die Diskussion um Verantwortung und schließlich den offenen Diskurs, der sich in der Berichterstattung manifestiert. Die einzelnen Unterkapitel beleuchten diese Themen mit Hilfe der diskursanalytischen Methoden und zeigen auf, wie sprachliche Mittel zur Konstruktion von Bedeutung eingesetzt werden.
Schlüsselwörter
Amoklauf, Winnenden, Diskursanalyse, Medienberichterstattung, Normalität, Abweichung, soziale Ordnung, Verantwortung, Sprache, öffentliche Debatte, Kritische Diskursanalyse (CDA), Prototypentheorie, Gewalt, Medienwirkung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Magisterarbeit: "Erklärte Sicherheiten?! Eine Prototypentheorie sozialer Ordnung (und ihre Grenzen)"
Was ist das Thema der Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit analysiert die mediale Berichterstattung zum Amoklauf von Winnenden im Jahr 2009. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung der sprachlichen Mittel, mit denen der Amoklauf und seine Umstände in der Öffentlichkeit wahrgenommen und dargestellt wurden. Die Arbeit nutzt die Diskursanalyse als Methode und bezieht sich auf Ansätze von Beyer (Erfurter Amoklauf) und Foucault.
Welche Forschungsfragen werden behandelt?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie und mit welchen sprachlichen Mitteln werden der Amoklauf und seine Umstände in der Öffentlichkeit wahrgenommen und dargestellt? Zusätzlich werden Fragen zur Konstruktion von Normalität und Abweichung im Diskurs, zur Rolle der Medien in der Deutungsbildung, zu sprachlichen Strategien der Darstellung von Gewalt und Verantwortung sowie zur Funktion des Diskurses für die soziale Ordnung untersucht.
Welche Methoden werden verwendet?
Die Arbeit verwendet die Diskursanalyse als Hauptmethode. Ein Korpus von Pressetexten bildet die Grundlage der Untersuchung. Die Analyse konzentriert sich auf die sprachlichen Mittel und Strategien, die in der Berichterstattung zum Einsatz kommen.
Welche Disziplinen werden in der Arbeit berücksichtigt?
Die Arbeit bezieht Perspektiven aus verschiedenen Disziplinen ein, darunter Psychologie, Soziologie, Pädagogik und Medienwissenschaft. Der wissenschaftliche Diskurs und die öffentliche Debatte zu Amokläufen werden aus diesen verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Prototypentheorie sozialer Ordnung und deren Grenzen im Kontext des wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurses zu Amokläufen, ein Kapitel zur Korpusanalyse der Berichterstattung zum Amoklauf von Winnenden und ein Schlusswort. Die Einleitung stellt den Forschungsansatz und die zentrale These vor. Das zweite Kapitel beleuchtet verschiedene Disziplinen und das Konzept der sozialen Ordnung. Das dritte Kapitel präsentiert die Ergebnisse der Diskursanalyse des Pressekorpus.
Welche Aspekte der Berichterstattung werden analysiert?
Die Analyse konzentriert sich auf die Darstellung von Fassungslosigkeit und Betroffenheit, die Konstruktion des Täters, die Diskussion um Verantwortung und den offenen Diskurs in der Berichterstattung. Die Analyse untersucht, wie sprachliche Mittel zur Konstruktion von Bedeutung eingesetzt werden und wie Normalität und Abweichung dargestellt werden.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Schlüsselbegriffe sind Amoklauf, Winnenden, Diskursanalyse, Medienberichterstattung, Normalität, Abweichung, soziale Ordnung, Verantwortung, Sprache, öffentliche Debatte, Kritische Diskursanalyse (CDA), Prototypentheorie, Gewalt und Medienwirkung.
Welche Vergleichsperspektive wird verwendet?
Die Arbeit verwendet einen Vergleich zwischen den Amokläufen von Erfurt und Winnenden, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Berichterstattung zu beleuchten.
Was ist die zentrale These der Arbeit?
Die zentrale These besagt, dass Ereignisse wie Amokläufe im öffentlichen Diskurs stets auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Verständnisses von Normalität und Abweichung verhandelt werden. Die mediale Berichterstattung trägt dazu bei, diese Kategorien zu tradieren, zu bestätigen oder zu definieren.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Wissenschaftler, Studierende und alle Interessierten, die sich mit den Themen Medienberichterstattung, Gewalt, soziale Ordnung, Diskursanalyse und der öffentlichen Wahrnehmung von Amokläufen auseinandersetzen.
- Quote paper
- Robert Bachmann (Author), 2011, Erklärte Normalität - Diskursivierung abweichenden Verhaltens am Beispiel der Presseberichterstattung zum Amoklauf in Winnenden , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172708