„Seitdem es Soziologie gibt, befasst sie sich mit Differenzierung“, schreibt Niklas Luhmann in seinem zweibändigen und sicher bedeutendsten Werk „Die Gesellschaft der Gesellschaft“. Und tatsächlich stellen Überlegungen zu den Themen Differenzierung und Arbeitsteilung seit jeher zweifellos einen der Schwerpunkte soziologischer Forschung dar. Das zeigt sich zum einen daran, dass sich bereits die soziologischen „Klassiker“ wie Emilie Durkheim, Georg Simmel oder Max Weber mit Differenzierungstheorien auseinandergesetzt haben, die differenzierungstheoretische Perspektive aber zum anderen auch in den aktuellen soziologischen Debatten wieder und immer noch von großer Bedeutung ist. Es handelt sich bei den verschiedenen soziologischen Differenzierungstheorien – obgleich sie teilweise aufeinander aufbauen – zwar nicht um ein einheitliches Theoriekonzept, sondern vielmehr um ein Bündel von durchaus unterschiedlich angelegten Theorien, trotz einiger Unterschiede ähneln sie sich jedoch in ihrer grundlegenden Ausrichtung.
Ziel dieser Arbeit ist es, mit den Theorieansätzen der Soziologen Georg Simmel (1858-1918) und Niklas Luhmann (1927-1998) zwei prominente und aus unterschiedlichen Epochen stammende Differenzierungstheorien näher vor- und gegenüberzustellen. Während Simmels differenzierungstheoretische Überlegungen auf die Ebene der Rollendifferenzierung bezogen sind, wendet sich Luhmann mit seiner autopoietischen Systemtheorie der Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilsysteme zu, wodurch freilich ganz andere Phänomene in den Blick geraten. Die Auswahl dieser beiden Theorien bietet sich an, um zu zeigen, dass auf jeder der beiden Ebenen wichtige Einsichten und Erkenntnisse gewonnen werden können und es daher unangebracht wäre, eine der beiden Betrachtungsebenen gegen die andere auszuspielen.
Zum Aufbau der Arbeit: Zunächst wird Simmels Konzept der Rollendifferenzierung vorgestellt (Kapitel 2), woran sich eine Darstellung der Theorie gesellschaftlicher Differenzierung im Umfeld von Luhmanns Systemtheorie anschließt (Kapitel 3). Im Schlusskapitel werden die beiden Theorieansätze kritisch gewürdigt und die Frage gestellt, ob eine Synthese beider Ansätze denkbar und unter Umständen gewinnbringend sein könnte.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einleitung
- 2. Die Kreuzung sozialer Kreise: Georg Simmels Theorie der Rollendifferenzierung
- 2.1 Die Entstehung des modernen Individuums
- 2.2 Rollenstress, Orientierungsprobleme, Entfremdung
- 2.3 Individualität als funktionale Notwendigkeit
- 3. Von segmentär zu funktional differenzierten Gesellschaften: Niklas Luhmanns Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung
- 3.1 Die Herausbildung der modernen Gesellschaft
- 3.2 Systemdifferenzierung als Wiederholung der Differenz System/Umwelt
- 3.3 Differenzierungsformen
- 3.4 Evolution
- 4. Fazit und Diskussion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Gegenüberstellung der Differenzierungstheorien von Georg Simmel und Niklas Luhmann. Sie untersucht, wie sich die beiden Soziologen die Entwicklung der modernen Gesellschaft und die damit einhergehende Differenzierung des Individuums vorstellen. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse der Rollendifferenzierung bei Simmel und der Systemdifferenzierung bei Luhmann. Ziel der Arbeit ist es, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Theorien herauszuarbeiten und ihre Relevanz für das Verständnis der modernen Gesellschaft zu beleuchten.
- Die Entstehung des modernen Individuums
- Rollendifferenzierung und Individualität
- Systemdifferenzierung und gesellschaftliche Komplexität
- Die Herausbildung der modernen Gesellschaft
- Die Relevanz von Differenzierungstheorien für die Soziologie
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Kapitel 2 analysiert Simmels Theorie der Rollendifferenzierung. Es wird gezeigt, wie sich das moderne Individuum durch die zunehmende Differenzierung der Gesellschaft entwickelt. Simmels Konzept der „Kreuzung sozialer Kreise“ wird vorgestellt, welches die Entstehung der Individualität aus der Kombination unterschiedlicher Rollen erklärt. Weiterhin werden die Folgen der Rollendifferenzierung für das Individuum, wie etwa Rollenstress und Entfremdung, beleuchtet.
Kapitel 3 widmet sich Luhmanns Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung. Es wird die Entwicklung der modernen Gesellschaft von segmentären zu funktional differenzierten Gesellschaften betrachtet. Im Fokus steht die Systemdifferenzierung, welche die Ausdifferenzierung von Teilsystemen innerhalb der Gesellschaft beschreibt. Es werden verschiedene Formen der Differenzierung und die Rolle der Evolution für die gesellschaftliche Entwicklung analysiert.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen der Differenzierungstheorie. Dazu gehören die Rollendifferenzierung, die Systemdifferenzierung, Individualität, Gesellschaftliche Komplexität, Moderne Gesellschaft und die Entwicklung der Sozialen Systeme. Im Fokus stehen die Erkenntnisse von Georg Simmel und Niklas Luhmann, welche zu den wichtigsten Vertretern der Differenzierungstheorie zählen.
- Citar trabajo
- Christian Rohm (Autor), 2010, Eine Gegenüberstellung der Differenzierungstheorien von Georg Simmel und Niklas Luhmann , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172854