Warum dürfen Menschen, die man nicht fragen kann, getötet werden, und warum darf denen, die darum bitten, sterben zu dürfen, nicht geholfen werden?


Bachelorarbeit, 2011

81 Seiten, Note: 2,15


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort 5

1. Einleitung

2. Definitionen von selbst- und fremdbestimmtem Tot
2.1 Tod
2.2 Abortion
2.3 Suizid / Freitod
2.4 Sterbehilfe

3. Geschichtliche Situation
3.1 Zum Thema Abortion
3.2 Zum Thema Suizid / Freitod
3.3 Zum Thema Sterbehilfe
3.3 Zusammenhänge

4. Rechtliche Situation
4.1 Zum Thema Abortion
4.2 Zum Thema Suizid / Freitod
4.3 Zum Thema Sterbehilfe
4.4 Zusammenhänge

5. Psychologische Situation
5.1 Zum Thema Abortion
5.2 Zum Thema Suizid / Freitod
5.3 Zum Thema Sterbehilfe
5.4 Zusammenhänge

6. Ethische Situation
6.1 Zum Thema Abortion
6.2 Zum Thema Suizid / Freitod und zum Thema Sterbehilfe
6.3 Zusammenhänge

7. Konsequenzen aller Zusammenhänge für Fachkräfte der Sozialen Arbeit

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis
9.1 Buchquellen
9.2 Internetquellen
9.3 Sonstige Quellen

10. Anhang
10.1 Gesetze
10.2 Abwehrmechanismen nach Freud
10.3 Adressen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Puderbach, M. 2011, Gesichter des Lebens

Abbildung 2: Hospiz Gruppe Albatros 2011, Fakten zum Töten und Begleiten

Abbildung 3: CDL 2009, Regelungen zur Sterbehilfe in Europa

Abbildung 4: Toter Fetus nach Abortion in der 8. Schwangerschaftswoche

Abbildung 5: Lebender Fetus in der 14. Schwangerschaftswoche

Abbildung 6: BPB 2008, Todesursachen in Prozent

Abbildung 7: BPB 2004, Sterbefälle nach Todesursachen

Abbildung 8: Scienceblogs 2009, Vorsätzliche Selbstbeschädigung

Abbildung 9: Dorrmann 2009, Prozessmodell für die Arbeit mit suizidalen Patienten/Klienten

Abbildung 10: Kübler-Ross 1982, Sterbephasen

Abbildung 11: Kulbe 2008, Aufgaben Pflegender als Sterbebegleiter

Abbildung 12: Knast 1992, Phasen der Trauer

Abbildung 13: Kulbe 2008, Unterschiede zwischen professionellen Sterbebegleitern und Angehörigen

Abbildung 14: teachsam 2011, Aktives Zuhören

Vorwort

Wie kommt man dazu drei so heikle Themen, wie ich sie wählte. um die gestellte Aufgabe zu bearbeiten, nebeneinander zu stellen und sie dann noch unter einen Hut bringen zu wollen, könnte man sich fragen. Und ich frage mich das heute noch. Reine Neugierde, Interesse, Wissensdurst und der Ansporn, den vernetzenden Aufgaben eines Sozialarbeiters gerecht werden zu wollen, haben mich dazu geführt, ein Themengebiet, das mich ohnehin unheimlich interessiert, aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.

Man sagt uns Sozialarbeitern nach, wir seien diejenigen, die mit Klienten, Kunden, Bedürftigen etc. vernetzend arbeiten. Von nichts könnten wir alles, aber von allem ein wenig. Gemeint sind hiermit Gebiete wie die der Rechtswissenschaften, der Psychologie, der Sozialwissenschaften und der Soziologie. Wir haben eine leise Ahnung von Erziehungswissenschaften, von Betriebswirtschaftslehre und Kommunalpolitik. Uns wurde gelehrt, ethisch und philosophisch zu denken und zu handeln und wir bekamen Grundwissen unserer Sozialstaatlichkeit mit an die Hand, damit wir eine Basis haben auf und mit der wir bauen und arbeiten können.

Jedes einzelne dieser Wissensgebiete ist für sich studierbar und wie wir, die wir sie in einem einzigen Studium alle angekratzt haben, sie vernetzten, bleibt der Praxis vorbehalten, in der wir uns behaupten müssen. Und wie vieles beginnt dieser Prozess im Geiste.

So beginne ich also im Geiste mit der Vernetzung der von mir gewählten Themengebiete, unter Beleuchtung verschiedener Wissensgebiete, um im Abschluss eine leise Idee davon zu Papier bringen zu können, wie diese geistige Leistung die Arbeit eines Sozialarbeiters beeinflussen und vielleicht sogar bereichern könnten.

Ihnen, liebe Leser, danke ich, dass Sie sich mit mir auf diese Reise begeben und mich begleiten, während ich herausfinde, wie es ist, einmal auf eine etwas andere Art und Weise zu vernetzen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass im folgenden Text bei Verallgemeinerungen der Einfachheit halber immer nur die männliche Form verwendet wird. Die weibliche Form ist hier immer mit eingeschlossen.

Erkelenz, im Mai 2011

1. Einleitung

Dramatisch formuliert, soll es in dieser Thesis um den Anfang und das Ende des Lebens gehen. Ein Anfang und ein Ende über das der Mensch heute in der Lage ist selbst zu entscheiden.

Aber ist er das wirklich?

Immerhin werden wir geboren - oder eben nicht, weil jemand anderes sich überlegte uns zu zeugen und / oder bei geschehener Zeugung in die Welt zu setzen. Und wir sterben zum Beispiel, weil wir alt oder krank sind, uns ein tödlicher Unfall geschieht, jemand unser Ableben beabsichtigt und dementsprechende Handlungen vollzog oder jemand Maschinen abstellt, deren Betrieb unser Ableben verhindert hätten.

Passend und entsprechend dazu sagt George Santayana:

„Es gibt kein Mittel gegen Geburt oder Tod, außer die Zwischenzeit zu genießen.“

(vgl. Santayana 2000, 308)

Denn wenn zwar Menschen, die aber nicht wir selbst sind, über unser Leben und unser Ableben entscheiden dürfen: Was sollten wir ansonsten anderes tun?

Eine zentrale Frage zu zu diesem Thema angestrebten Überlegungen ist somit sicherlich auch:

„Warum dürfen Menschen, die man nicht fragen kann, getötet werden, und warum darf denen, die darum bitten, sterben zu dürfen, nicht geholfen werden?“

Und genau aus diesem Grund widme ich mich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung in den folgenden Kapiteln. Geschichtlich, rechtlich, psychologisch und ethisch werde ich mich mit den einzelnen Komponenten zu dieser Frage beschäftigen und jeweils kurz zusammenfassend feststellen, ob die betreffende Wissenschaft uns Antwort auf die Fragestellung dieser Thesis geben kann, um abschließend zu selbiger ein Fazit ziehen zu können.

Ein Geheimrezept, eine immer richtige Handlungsweise, das Non plus ultra oder einen Generalschlüssel für Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen wird es zu dieser Frage dennoch nicht geben.

Selbst die Antwort auf diese Fragestellung generell werde ich schuldig bleiben, denn auch wenn ich sie aus den Blickwinkeln der oben benannten Wissenschaften beleuchte und ein Fazit aus diesen Blickwinkeln zusammen trage, ist es unmöglich eine Frage zu beantworten, an der sich zuvor schon zahlreiche Wissenschaftler jeweils auf ihrem Fachgebiet erfolglos versucht haben und sich sprichwörtlich die Zähne ausgebissen haben.

So bleibt dies auch mir unmöglich - selbst dann, wenn ich mich nicht nur auf eine Wissenschaft beschränkt habe.

Abschließend möchte ich mich schon jetzt dafür entschuldigen, dass ich eine Sicht vollkommen außer Acht lassen werde: Ich werde mich nicht damit auseinandersetzen, wie sich die Menschen fühl, die von einem Angehörigen, einem Patienten oder Klienten gebeten werden, ihn zu töten und wie dies ethisch zu bewerten wäre, bin aber davon überzeugt, dass diese Last nicht gering und eine Betrachtung dieser Belastung sicher interessant ist. Ich habe diese Betrachtung jedoch bewusst auslassen müssen, um den Umfang dieser Thesis nicht zusätzlich auszuweiten. Als Anregung und bevor ich nun in die Bearbeitung meiner Aufgabenstellung einsteige, möchte ich an dieser Stelle jedoch benennen, dass auch die Arbeit mit Menschen, die unter einer solchen Belastung leiden, sicher eine ähnliche Arbeit, wie die in Kapitel 7 aufgeführte, sein kann.

2. Definitionen von selbst- und fremdbestimmtem Tot

Damit im Verlaufe dieser Arbeit eine selbstverständliche Nutzung der Wörter „Tod“, „Sterbehilfe“, „Freitod“, „Suizid“ und „Abortion“ erzielt werden kann, folgt in den nächsten Zeilen eine kurze Definition dieser Begriffe.

2.1 Tod

Früher war davon auszugehen, dass ein Mensch dann tot ist, wenn sein Herzschlag und seine Atmung nicht mehr gegeben waren. Heute gibt es Handlungen zur Reanimation, die es möglich machen einen Menschen auch nach dem Aussetzen des Herzschlages und / oder der Atmung wieder ins Leben zurück zu holen, so dass man nicht schon bei Versagen dieser beiden Komponenten vom Tod spricht (vgl. Baum 2005, 1). So wurde der Tod mit dem Transplantationsgesetz 1997 neu definiert und nun als den Zeitpunkt festgelegt, der eintritt, wenn Groß- und Kleinhirn und Hirnstamm versagen - selbst wenn eine Beatmung und die Funktion von Herz und Kreislauf noch gegeben sind (vgl. Hochgrebe 2004, 59).

2.2 Abortion

Als Abortion oder auch Abtreibung werden die Abtötung eines Embryos oder Fetus‘ im Mutterleib nach der erfolgreichen Einnistung in der Gebärmutter (vgl. Krez 2008, 17) und heutzutage - sollte der Eingriff durch einen Facharzt durchgeführt worden sein - auch die anschließende Entfernung der toten Überreste aus der Gebärmutter (Kürettage) bezeichnet. Dieser Eingriff wird in der westlichen Welt meist begleitet durch einen Facharzt und erst nach einer Beratung vorgenommen. Generell werden Abtreibungen heutzutage auf der ganzen Welt jedoch auch noch durch die eigene Hand der Schwangeren oder durch Fremdeinwirkung verursacht (vgl. ScienceBlogs 2011, Anleitung zum Abtreiben).

2.3 Suizid / Freitod

Es könnte der Eindruck entstehen, dass Suizid und Freitod nicht unweigerlich zwei dieselben Handlungen sind, die ein Lebender vollzieht, um erfolgreich zu sterben. Man könnte meinen, dass der Freitod eher durch andere begleitende aber nicht helfende Personen vollzogen wird, der Suizid aber eher unbegleitet geschieht. Dieser Eindruck entsteht eventuell jedoch nur dadurch, dass man häufig im Zusammenhang mit Schweizer Institutionen, die Sterbewilligen durch Beihilfe zum Suizid zum Tode verhelfen, den Begriff Freitod nutzt, wohingegen ein Mensch, der an einer Überdosis Medikamente starb, Suizid begangen hat. Die Nutzung beider Begriffe in unterschiedlichen Situationen bedeutet jedoch im wissenschaftlichen Sinne keine Unterscheidung im Sinn (vgl. Wikipedia 2011, Suizid). Darum wird im fortlaufenden Text weiterhin synonym nur noch von Suizid oder Selbsttötung die Rede sein.

Als Suizid bezeichnet man eine eigenständige, selbst vollzogene Tat, die beim Handelnden - gewollt oder ungewollt - zum eigenen Tode führt (vgl. Bronisch 2007, 12).

Verzele unterscheidet hier in physikalische und chemische Methoden und benennt zudem den unfreiwilligen Suizid durch die erhöhte Zufuhr pflanzlicher oder chemischer Mittel. So seien ein Autounfall, das Überstülpen und Ersticken von und in einem Plastiksack, der Missbrauch von Elektrizität, Feuer und Kälte und das Sich- zu Tode-Stürzen für physikalische und Alkohol, Amphetamine, Arsen, Aspirin und Insulin für chemische Methoden, die Verzele in seinem Buch aufführt, beispielhaft benannt (vgl. Verzele 2006, 58ff).

2.4 Sterbehilfe

Sterbehilfe wird auch mit dem Begriff „Euthanasie“ (griechisch „Euthanatos“ - der gute Tod) benannt. Beide Begriffe sind jedoch höchst ambivalent, denn sowohl das Eintreten, als auch die Herbeiführung des Todes oder die Hilfe beim oder zum Sterben kann gemeint sein (vgl. Benzenhöfer 2009, 9). Somit kann die Handlung der Sterbehilfe/Euthanasie sowohl für und mit dem Betroffenen als auch gegen den Betroffenen vollzogen werden und der Sachverhalt könnte dennoch mit demselben Begriff beschrieben werden.

Der Begriff „Euthanasie“ wird aufgrund der starken Nutzung im zweiten Weltkrieg heute in Deutschland weitestgehend nicht mehr genutzt (vgl. Hochgrebe 2004, 57). Die Tötung unzähliger Juden wurde damals als Euthanasie betitelt, was uns heute vor diesem Begriff zurückschrecken lässt (Brenzhöfer 2009, 97). Im Folgenden werde auch ich in dieser Arbeit darum ausschließlich mit dem Begriff der Sterbehilfe arbeiten.

Sterbehilfe beschreibt den Prozess, den eine einen Sterbenden begleitende Person vollzieht und der dazu führt, dass der Sterbende letztlich den Tod erleidet. Dies kann durch aktive oder passive Beeinflussung geschehen. Sterbehilfe kann bei jedem Lebenden, also bei bereits Sterbenden und aber auch gesunden Menschen, angewandt werden. Sie kann durch eine oder mehrere beteiligte Personen begangen werden und hat das einzige Ziel den Betroffenen (oft beschwerdefreier) zum Tode zu bringen (vgl. Wikipedia 2011, Sterbehilfe).

Als aktive Sterbehilfe bezeichnet man jede Handlung, die - oft durch den Wunsch des zu Tötenden - direkt von der tötenden Person vollzogen wird. Ein Beispiel hierfür ist das Injizieren von in hohen Dosen tödlichen Medikamenten (vgl. Wikipedia 2011, Sterbehilfe).

Als passive Sterbehilfe bezeichnet man das Unterlassen der Zurverfügungstellung von lebenserhaltenden Maßnahmen, so dass einen Sterbender auf kurz oder lang von alleine der natürlichen Tod ereilt. Das herausragendste Beispiel ist hier die fehlende Nutzung von lebenserhaltenden medizinischen Apparaturen oder das Abschalten dieser, insofern sie eingesetzt wurden (vgl. Wikipedia 2011, Sterbehilfe).

Als Beihilfe zum Suizid bezeichnet man jede Hilfestellung, die eine Person einer sterbenden oder sterbewilligen Person zur Verfügung stellt um schneller oder überhaupt den Tod zu erleiden. Hierzu zählen unter anderem die Zurverfügungstellung von in hohen Dosen tödlichen Medikamenten oder Giften, das Erzeugen der Möglichkeit der Abstellung von lebenserhaltenden medizinischen Apparaturen durch den Sterbewilligen selbst oder das Inszenieren einer Situation, in der ein Dritter sich selbst zu Tode bringen kann (vgl. Wikipedia 2011, Sterbehilfe).

Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten, zur passiven gibt es keine gesetzliche Regelung und die Beihilfe zum Suizid ist darum erlaubt, weil ein Suizid kein juristischer Tatbestand ist und darum nicht belangt werden kann (vgl. Wernstedt 2002, 46).

3. Geschichtliche Situation

Zu allen drei Themen beginnen die für meine Thesis relevanten Hintergründe zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Darum ist im Folgenden nicht davon auszugehen, dass die Geschichte der drei Themen alle ab demselben Zeitpunkt dargestellt bzw. angesprochen werden wird oder müsste. Außerdem ist nicht davon auszugehen, dass bestimmte Zeitpunkte gleich oder ähnlich intensiv zu den drei unten aufgeführten Handlungen behandelt werden.

3.1 Zum Thema Abortion

Robert Jütte verweist auf die Gesetze des Hammurabi - 6. König der ersten Dynastie von Babylonien (heute: Irak), 1792 bis 1750 vor Christus -(Wikipedia 2011, Hammurapi I. (Babylon)), die meine Recherchen bereits in das 17. Jahrhundert vor Christus brachten. In diesem Gesetz wurde festgelegt, dass für Abtreibung eine Geldstrafe zu erbringen war (vgl. Jütte 1993, 27). Daraus lässt sich schließen, dass die Menschheit sich schon ziemlich lange mit der Möglichkeit der Abtreibung beschäftigt.

Um 211 nach Christus wurde Abtreibung jedoch nicht verboten, um das Recht des Ungeborenen auf Leben zu schützen, sondern die Tatsache, dass eine Frau ihrem Mann das Recht auf den Besitz von Kindern vorenthielt (vgl. Jütte 1993, 42).

Teilweise schien Abtreibung in der Zeit Platos (429 vor Christus) allerdings auch erwünscht. Unter Androhung, dem Neugeborenen Nahrungsmittel zu verweigern, wurde der Frau teilweise eine Abtreibung nahe gelegt, wenn eine gleichbleibende Bevölkerungszahl erzielt werden sollte (vgl. Jütte 1993, 29f.).

In der römischen Zeit (etwa 8. Jahrhundert vor bis 7. Jahrhundert nach Christus) waren damaligen römischen Ärzten bereits über 200 Abtreibungsmittel bekannt, die zu 90 Prozent wirksam waren (vgl. Jütte 1993, 41).

Im Mittelalter (etwa 6. bis 15. Jahrhundert nach Christus) wurde Abtreibung angewandt, die Rezepte jedoch der Magie zugeschrieben (vgl. Jerouschek 1993, 58ff.) und die Durchführung weiterhin bestraft und in der frühen Neuzeit (im Jahre 1532 nach Christus) gab es Gesetze des Kaisers Karl V., die sowohl die abtreibende Schwangere als auch denjenigen straften, der durch äußeren Einfluss, mit dem Sachverhalt der Abtreibung, die Schwangerschaft beendete (vgl. Leihbrock-Plehn 1993, 69f.).

In der Zeit der Aufklärung (ab ca. 1532 bis ins 19. Jahrhundert) wurde Abtreibung dem Kindesmord zwar nicht gleichgesetzt aber ähnlich angesehen und geahndet (vgl. Stukenbrock 1993, 91) und im Jahr 1871 wurde durch die Führung Preußens mit dem Reichsstrafgesetzbuch im damaligen §218 unter dem Titel „Verbrechen und Vergehen wider das Leben“ der Grundstein für unseren heutigen §218 StGB gelegt (vgl. Seidler 1993, 132). Erst durch eine Gesetzesänderung wurde 1992 die Fristenregelung durch den deutschen Bundestag hinzugefügt, die besagt, dass eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen rechtswidrig aber straffrei ist. 1996 wurde die Beratungspflicht, die bereits seit 1993 besprochen wurde, ergänzt. Schwangere müssen sich seither vor einem Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt beraten lassen. Diese Regelungen aus den Jahren ’92 und ’96 sind im Paragraphen 218a unseres Strafgesetzbuches zu finden (vgl. BRD 2009, 113f.).

3.2 Zum Thema Suizid / Freitod

Meine Recherchen zur Geschichte des Suizides reichen bis in die Zeitrechnung vor Christus zurück. So tötete sich zum Beispiel Hannibal Barkas (ein Feldherr des Altertums) im Jahr 182 vor Christus mit Gift, um nicht an die römische Gesandschaft ausgeliefert zu werden (vgl. Gieseler 2007, 6). Selbstverständlich reicht meine persönliche Meinung über diese Zeit hinaus, so dass ich behaupten würde, mir die Menschheit ohne Suizid nicht vorstellen zu können. Vor Christi Geburt zu beginnen, scheint mir allerdings ausreichend, um einen Abriss davon zu zeigen, wie sehr Suizid in unsere Gesellschaft integriert ist.

Während es im Altertum und der Antike viele berühmte Selbstmörder gegeben hat, ist dies im Mittelalter auf diese Art und Weise so nicht zu finden. Geht man davon aus, dass Selbsttötungen vor allem auch darum begangen wurden, weil Aggressionen aus pazifistischen Beweggründen nicht gegen andere gerichtet und so an die eigene Person abgegeben wurden, wäre dies eine Erklärung dafür, dass die Selbsttötungen berühmter Personen im Mittelalter zurück gingen. Notwehr und der Erhalt des eigenen Lebens wurden nun zur Berechtigung von Morden angegeben und autoaggressives Verhalten bis hin zum Suizid war nicht mehr notwendig (vgl. Minois 1996, 23f.). Nichtsdestotrotz gab es Suizidopfer aus Gründen wie Elend, Krankheit, Leiden, Angst, Ehre, Liebe etc. (vgl. Minois 1996, 22.). Insbesondere Juden und Ketzer waren hiervon auch durch die Verfolgung der Christen betroffen (vgl. Minois 1996, 34). Letztlich wurden Selbsttötungen stets verübt, obwohl es im Reich des Augustinus ein Verbot des Suizides gab (vgl. Minois 1996, 48).

Die Renaissance betreffend gibt es unterschiedlichste Meinungen. Die einen sagen, die Suizidrate habe zugenommen, andere behaupten, für eine solche Behauptung gäbe es nicht genügend objektive statistische Erhebungen. Letztlich scheinen einzig der Grund und die Art Komponenten zu sein, die gleich blieben. So war auch in der Renaissance die Verzweiflung der häufigste Grund für suizidales Verhalten (vgl. Minois 1996, 93ff.)

Im 17. Jahrhundert - und somit in der Zeit der Aufklärung - wird schließlich in England der Begriff „Suicide“ aus den lateinischen Worten sui (selbst) und caedes (Mord) entwickelt, um die Tötung einer anderen Person von der Tötung der eigenen Person auch begrifflich unterscheiden zu können (vgl. Minois 1996, 266). Außerdem entstehen durch die Entwicklung der Gesellschaft neue, die alten und bekannten ergänzende Gründe für Suizid. So wirken nun auch Finanz- und Rechtskrisen auf die Menschen ein, führen zu ansteigenden und in London sogar zu einer Verdopplung der Suizidanzahlen (vgl. Minois 1996, 271ff.).

In der Zeit der französischen Revolution (Ende 18. Jahrhundert) ergänzen politische die Reihe aller anders begründeten Selbsttötungen (vgl. Minois 1996, 441) und im 19. Jahrhundert beginnen die Menschen den in den letzten Jahrhunderten einfach hingenommenen und in die Gesellschaft als fast „normal“ integrierten Suizid wieder als widernatürlich einzustufen (vgl. Minois 1996, 454).

Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen Soziologen und Psychoanalytiker sich mit den Gründen für und den Arten des Suizides auseinander zu setzen und Theorien hierzu zu verfassen (vgl. Minois 1996, 463 ff.) und im 20.

Jahrhundert angekommen, scheint der Suizid für Minois nicht weniger verurteilt bzw. falsch beurteilt zu werden als jeher (vgl. Minois 1996, 466 ff.). Aus diesem Grund scheut er nicht davor zurück auch für unsere heutige Zeit die Notwendigkeit der Debatte um den Suizid aufzuzeigen und diese anzugehen.

3.3 Zum Thema Sterbehilfe

Sterbehilfe bereits in der Antike zu vermuten ist leicht, denn es gab den hypokritischen Eid schon, mit dem sich ein Mediziner dazu verpflichtete niemanden - auch nicht jene, die es verlangten - zu töten oder jede Art vom Lebenserhaltungsmaßnahmen zu vollziehen. Die Vermutung, dass es Anfragen an Ärzte gab oder Ärzte gegen den Eid handelten, liegt also nahe (vgl. Benzenhöfer 2009, 11); genaue Überlieferungen hierzu gäbe es aber laut Benzenhöfer nicht.

Der Begriff der Euthanasie wird bereits in der Antike von Dichtern seiner Zeit genutzt um ein Ableben zu beschreiben, dass nicht nach langer Krankheit oder viel Leid eintrat, sondern vielmehr als ein „guter Tod“ beschrieben wird (vgl. Benezenhöfer 2009, 13). Rechtlich gesehen tritt Euthanasie in der Antike jedoch noch nicht in Erscheinung, wurde also weder bestraft noch begrüßt (vgl. Benzenhöfer 2009, 19).

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war Sterbehilfe nach christlicher Lehre nicht gestattet und nur die Ars moriendi (die Sterbekunst) war legitimiert, den „guten Tod“ einzuleiten bzw. den Sterbenden auf den Tod vorzubereiten (vgl. Benzenhöfer 2009, 54).

Im 18. und 19. Jahrhundert setzten sich Mediziner wenig zahlreich und keinesfalls vollständig dafür ein, einem Sterbenden den Sterbeprozess nicht zu erschweren, sondern ihn vielmehr, durch pharmakologische Mittel zu beruhigen (bis hin zu einem „sanften Tod“) und somit die Handlung der Sterbehilfe an ihm zu vollziehen (vgl. Benzenhöfer 2009, 63). In der Regel jedoch wurde eine Verkürzung des Lebens bei Schwerkranken in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch abgelehnt (vgl. Benzenhöfer 2009, 69).

Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich diese Grundhaltung in den Kreisen der Mediziner nicht. Nebenher entstand jedoch im Rahmen der Rassenhygiene (bzw. Eugenik) und des Sozialdarwinismus‘ eine weitere Ausrichtung, die sich mit der Vernichtung des lebensunwerten Lebens auseinander setzte (vgl. Benzenhöfer 2009, 69 / Holthaus, Jahnke 2008, 31) und die Ausschaltung der Schwachen zum Ziel hatte.

Ab 1871 verbietet das Reichsstrafgesetzbuch mit §216 Tötung auf Verlangen und somit auch die Euthanasie als solche. Der Tatbestand wird von nun an und bis heute mit Freiheitsstrafe geahndet (vgl. Benzenhöfer 2009, 69).

1920 gaben Karl Binding und Alfred Hoche ihr Werk „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ heraus. Dieses Werk blieb über die Dauer der Weimarer Republik bis zum NS Regime nur Theorie, wurde aber zwischen 1939 und 1945 durch die Nationalsozialisten zur Praxis (vgl. Benzenhöfer 2009, 97).

Entweder 1938 oder 1939 wurde wahrscheinlich nach einem Antrag eines Familienangehörigen gerichtet an Hitler - autorisiert durch Hitler und seinen Begleitarzt Karl Brandt - in Leipzig das erste behinderte Kind im Rahmen der Kinder- und Jugendlicheneuthanasie dem Gnadentod zugeführt. Wie aus diesem Einzelfall die Kinder- und Jugendlicheneuthanasie-Aktion geplant und eingeleitet wurde, bleibt unklar (vgl. Benzenhöfer 2009, 103). Klar ist, dass seit dem 18. August 1939 eine Meldepflicht für Kinder mit bestimmten Krankheitsgruppen bestand (vgl. Benzenhöfer 2009, 104f.). 1940 würde in Görden bei Brandenburg die erste Kinderfachabteilung gegründet, die zur Aufgabe hatte, „Reichsausschusskinder“ zu beobachten und zu töten. Zum Kriegsende gab es reichsweit mindestens 31 dieser Abteilungen, die bis zum Kriegsende ohne großen Widerspruch durch die Öffentlichkeit Kinder töteten oder an Unterversorgung sterben ließen. Schätzungen auf die Anzahl der in diesem Zeitraum getöteten Kinder belaufen sich zwischen 3.000 und 5.200 (vgl. Benzenhöfer 2009, 105f.).

Die Erwachseneneuthanasie der Nationalsozialisten begann 1939 in Polen. In Pommern wurden Mitte November 1939 zahlreiche deutsche Geisteskranke abgeholt und in Neustadt bei Danzig erschossen. Im Fort VII in Posen wurde im Anschluss die erste Gaskammer installiert und ab der zweiten Novemberhälfte des Jahres 1939 aktiv genutzt (vgl. Benzenhöfer 2009, 106). Am 21. September 1939 erging im „Altreich“ der Beschluss der Meldeplicht für geisteskranke Deutsche. Um den Verwaltungsaufwand zu bewältigen und Büroräume hierfür zu schaffen wurde letztlich auf der Tiergartenstraße 4 in Berlin eine Villa angemietet. Aus diesem Grund erhielt die „Operation Erwachseneneuthanasie“ den Namen T4 (vgl. Benzenhöfer 2009, 110). Von dort aus wurde der Umbau des Samariterstifts in Grafeneck beauftragt und nach einer Probetötung in Brandenburg über die Tötungsart entschieden. Zur Auswahl standen die Tötung durch Injektion und die Tötung durch Vergasung (also der Einzelmord und der Gruppenmord). Nach der Auswahl in Brandenburg wurde die Aktion der Erwachseneneuthanasie im Altreich offiziell und im Beisein von Karl Brandt gestartet (vgl. Benzenhöfer 2009, 110). Die Tötung geistig behinderter Menschen und Geisteskranker wurde am 24. August 1941 aus nicht klar bekannten Gründen - wahrscheinlich durch Hitler selbst - gestoppt (vgl. Benzenhöfer 2006, 113) und die Tötung allen unwerten Lebens kurz darauf und mit der Bildung eines Euthanasie-Komplexes fortgesetzt. Mitglied dieses Komplexes war unter anderem Hitlers Begleitarzt Karl Brandt als Bevollmächtigter für das Sanitäts- und Gesundheitswesen (vgl. Benzenhöfer 2006, 114). Insgesamt sind durch die Aktion T4 ca. 70.000 und durch die Tötungen danach 90.000 geistig und körperlich beeinträchtigte Menschen aus staatlichen Anstalten Deutschlands getötet worden (vgl. Benzenhöfer 2009, 117).

Nach 1945 wird die NS-Euthanasie nach wie vor immer noch und immer wieder diskutiert. Bis zu Beginn der 70er Jahre wurde kaum für aktive Sterbehilfe argumentiert. Zu Beginn der 70er Jahre tauchten jedoch in den Niederlanden immer wieder Fälle auf, in denen von aktiver Sterbehilfe berichtet wurde. In Deutschland bleibt dies weiterhin undenkbar (vgl. Benzenhöfer 2009, 126f.) obwohl sich im Mai 1973 laut EMNID 52% aller befragten Erwachsenen für einen Gnadentod auf Wunsch aussprachen (vgl. Benzenhöfer 2009, 128).

Mit dem Gesetz für Patientenverfügung hat Deutschland einen ersten Schritt in Richtung selbstbestimmten Tod und somit für die Sterbehilfe getan. Hier wird der Patientenwille maßgeblich gefragt und gefordert und bestimmte Arten von Sterbehilfe möglich gemacht (vgl. Benzenhöfer 2009, 195ff.).

3.3 Zusammenhänge

Die Zusammenhänge aller drei Bereiche scheinen deutlich und doch nicht eindeutig zu sein, denn auch wenn es immer um Tod geht, verändert sich die Bedeutsamkeit der Todesarten im Laufe der Zeit mal in die Richtung der bedenklicheren und mal in die der unbedenklicheren Haltung in der Denkweise der Menschen. (Bei den Worten „bedenklich“ und „unbedenklich“ sei hier von der heutigen Einstellung zum Thema Selbst- und Fremdtötung auszugehen, die nicht hinterfragte Tötungen eher als bedenklich und die gegenteilige Handlung eher als „normal“ empfindet.) So kann man sagen, dass sowohl Sterbehilfe, als auch Suizid und Abtreibung zur Geschichte der Menschheit gehören. Aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses jedoch scheint es bis heute andere Bewertungen und Empfindungen zu den einzelnen Handlungen zu geben. Deutlich wird dies vor allem bei der rechtlichen Betrachtung aller drei Themengebiete im Laufe der Zeit. Auch wenn sie alle scheinbar immer wieder mehr oder weniger strafrechtlich verfolgt wurden, waren die Gründe hierfür jedoch stets unterschiedlicher Natur. Auch bei der Vorstellung, welche Handlung was für den Vollziehenden unter anderem bei einer ethischen Betrachtung zu bedeuten habe, war im Laufe der Zeit von unterschiedlichen Standpunkten auszugehen. Selbst heute macht es nachvollziehbarer Weise noch einen Unterschied, wie ein Mensch zu Tode kommt. Vor allem aber hat es bis heute immer schon einen Unterschied gemacht, ob jemand vor oder nach seiner Geburt getötet wurde. Die Menschen scheinen heute wie damals die Tötung eines anderen nach der Geburt als verwerflicher zu betrachten als vor der Geburt. Vielmehr stellt sich schon seit Jahrhunderten die Frage, wann ein Mensch im Mutterleib, eigentlich ein Mensch und somit von der Tötung eines Menschen vor der Geburt auszugehen sei (vgl. Jütte 1993, 30f.). Eine Antwort auf die Fragestellung dieser Thesis ist also in der geschichtlichen Betrachtung der Themen nicht zu finden. Gibt uns die Geschichte der Sterbehilfe, des Suizides und der Abtreibung doch keine Antwort darauf, warum es scheint, als empfinden Menschen Abtreibung weniger verwerflich als Sterbehilfe oder Suizid. Interessant ist an dieser Stelle nur, dass sich die eigentliche Haltung der Menschen zwar oftmals geringfügig verändert, jedoch bis heute niemals ganz gewandelt hat: Tötungen sind am geborenen Menschen verboten, am ungeborenen jedoch unter gewissen Voraussetzungen gebilligt.

4. Rechtliche Situation

Gesetze sind in Deutschland oft umfangreich und einander ergänzend verfasst. Darum sind im unten folgenden Kapitel die Gesetze nur teilweise benannt und alle relevanten dazugehörigen Gesetze im Anhang vervollständigend aufgeführt. Ein entsprechender Hinweis ist im Fall dieses Falles vermerkt.

4.1 Zum Thema Abortion

Im Folgenden und im Anhang seien die Gesetze §§ 218 StGB und 218a StGB vollständig aufgeführt. §§ 218b, 218c und 219, 219a, 219b StGB sind vollständig im Anhang zu finden.

§ 218 StGB Schwangerschaftsabbruch

(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder
2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht.

(3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft.

Festzuhalten sei an dieser Stelle, dass Abtreibung in Deutschland grundsätzlich eigentlich nicht gestattet ist.

§ 218a StGB Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs

(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn

1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
2. der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
3. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.
(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.
(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.

Festzuhalten sei an dieser Stelle, dass Abtreibung durch eine Ergänzung im Gesetz in bestimmten Fällen legitimiert wird.

Bevor Ost- und Westdeutschland durch die Wiedervereinigung zusammengeführt wurden, sah das Gesetz der DDR eine andere Regelung vor. In der DDR gab es das „Gesetz zur Unterbrechung der Schwangerschaft“, welches vor allem den Sinn hatte, Frauen in Ausbildung, Beruf und Ehe gleichstellen zu können (vgl. DDR 1972, 1):

§ 1

(1) Zur Bestimmung der Anzahl, des Zeitpunktes und der zeitlichen Aufeinanderfolge von Geburten wird der Frau zusätzlich zu den bestehenden Möglichkeiten der Empfängnisverhütung das Recht übertragen, über die Unterbrechung einer Schwangerschaft in eigener Verantwortung zu entscheiden.
(2) Die Schwangere ist berechtigt, die Schwangerschaft innerhalb von 12 Wochen nach deren Beginn durch einen ärztlichen Eingriff in einer geburtshilflich-gynäkologischen Einrichtung unterbrechen zu lassen.
(3) Der Arzt, der die Unterbrechung der Schwangerschaft vornimmt, ist verpflichtet, die Frau über die medizinische Bedeutung des Eingriffs aufzuklären und über die künftige Anwendung schwangerschaftsverhütender Methoden und Mittel zu beraten.
(4) Die Unterbrechung einer Schwangerschaft ist auf Ersuchen der Schwangeren und nur nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und der zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften zulässig. Im Übrigen gelten die §§153 bis 155 des Strafgesetzbuches vom 12. Januar 1968 (GBl. I

S. 1).

(vollständiges Gesetz: siehe Anhang) Nach der Wende wurde den ostdeutschen Bürgerinnen das Gesetz der Bundesrepublik Deutschland „übergestülpt“, welches fortan und bis heute sowohl in West-, als auch in Ostdeutschland Gültigkeit besaß und besitzt.

4.2 Zum Thema Suizid / Freitod

Irrtümlicher Weise wird Suizid oft auch als Selbstmord bezeichnet. Durch einen Geistlichen namens Augustinus (354-430 nach Christus) wurde die Handlung der Selbsttötung moralisch verurteilt und mit dem Tatbestand des Mordes belegt. Die Suizidologie bedient sich jedoch des Begriffes der Selbsttötung, um eine fehlerhafte Deutung im rechtlichen Sinne auszuschließen. Suizid an sich ist nach deutschem Strafgesetz straffrei. Somit trifft diese Straffreiheit auch auf jede Handlung, die einen Suizid unterstützt, zu. Lediglich Handlungen wie die der unterlassenen Hilfeleistung (nach §323c StGB) werden nach deutschem Recht strafrechtlich verfolgt (vgl. Müller 2007, 1). Das wiederum bedeutet, dass man verpflichtet ist, einem sterbenden Menschen, dem man eventuell zum Sterben verholfen hat, das Leben zu retten, sobald dieser nicht mehr im Besitz seiner Sinne bzw. bewusstlos ist, was die Beihilfe zum Suizid, bei direkter Anwesenheit des Helfenden ad absurdum führt, sollte dem Eintritt des Todes noch eine Bewusstlosigkeit des Sterbenden oder ein Zustand vorausgehen, der Hilfe zum Überleben möglich macht (vgl. Böse 2011, 5).

Zudem ist jede Handlung strafbar, durch die, fahrlässig oder beabsichtigt, andere Menschen zu Schaden kommen. Überlebt der Suizidale seine Selbsttötung also und hat zudem andere Menschen in Mitleidenschaft gezogen, so wird er sich hierfür gegebenenfalls vor Gericht zum Beispiel nach §223 StGB - Körperverletzung (siehe Anhang) verantworten müssen.

4.3 Zum Thema Sterbehilfe

Aktive Sterbehilfe würde bedeuten, dass ein Mensch einen anderen auf dessen Verlangen hin dem Tode zubringt.

§ 216 StGB Tötung auf Verlangen

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Aktive Sterbehilfe ist somit in Deutschland verboten.

Artikel 1 GG

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Das Leben eines Menschen ist in Deutschland also ebenso durch das Grundgesetz geschützt; aktive Sterbehilfe ist somit ausgeschlossen.

Gesetzliche Regelungen zur passiven Sterbehilfe gibt es in Deutschland nicht. Sie wird durch kein deutsches Gesetz ausgeschlossen, verboten oder mit Strafe belegt und ist somit gebilligt.

Auch der Wille des Patienten wird insbesondere seit 2009, jedoch auch schon zuvor nicht außer Acht gelassen. So wurden in zahlreichen Gerichtsverfahren dem Sterbenden Helfende durch den Willen des Patienten geschützt und letztlich nicht verurteilt (vgl. Holthaus, Jahnke 2008, 41 ff.). All diese Urteile führten aber nicht zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe, sondern vielmehr zum am 01. September 2009 in Deutschland in Kraft getretenen Patientenverfügungsgesetz.

§ 1901a BGB Patientenverfügung

(1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Warum dürfen Menschen, die man nicht fragen kann, getötet werden, und warum darf denen, die darum bitten, sterben zu dürfen, nicht geholfen werden?
Hochschule
Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach
Note
2,15
Autor
Jahr
2011
Seiten
81
Katalognummer
V172953
ISBN (eBook)
9783640931118
ISBN (Buch)
9783640930999
Dateigröße
10984 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
warum, menschen, tod, euthanasie, freitod, selbstmord, abtreibung, ethik, recht
Arbeit zitieren
BA Simone Richardt (Autor:in), 2011, Warum dürfen Menschen, die man nicht fragen kann, getötet werden, und warum darf denen, die darum bitten, sterben zu dürfen, nicht geholfen werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172953

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