Muss man denn heute immer noch den Blick auf die Gleichstellung von Jungen und Mädchen im Schulalltag richten? Ist die Debatte um die Koedukation und geschlechtergerechte Erziehung nicht längst veraltet, da die Ergebnisse der feministischen Schulforschung schon ausreichend genutzt und umgesetzt werden und die Chancengleichheit von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft bereits erreicht ist? Ist es denn nicht sogar so, dass die Mädchen die Gewinner der Koedukation sind?
Solche Fragen könnten von vielen Lehrerinnen und Lehrern, aber auch von Erzieherinnen und Erziehern gestellt werden. Bei einem Großteil der Lehrkräfte besteht kaum Interesse sich mit einer geschlechtergerechten Erziehung auseinanderzusetzen. Es wird kein oder nur wenig Handlungsbedarf gesehen, da sie z. B. der Meinung sind, dass sie jedes Kind gleich behandeln und andererseits sehen sie oftmals die Differenzen beider Geschlechter als biologisch begründete Tatsachen an. Die vielen Untersuchungsergebnisse der feministischen Schulforschung seit 1980er Jahren geben jedoch ein anderes Bild. Dabei wurde die Schule „[…] als Mikrokosmos des in unserer Gesellschaft bestehenden Geschlechterverhältnisses [entlarvt]“ , in welchem stereotype Rollenzuschreibungen und Erwartungshaltungen weiterhin an die Kinder transportiert werden.
Das männliche Geschlecht scheint jedoch bei näherer Betrachtung in einer Identitätskrise zu stecken, positive männliche Vorbilder und Lebensentwürfe fehlen und die jungen Männer haben im Durchschnitt geringere oder gar keine Bildungsabschlüsse. Die Bildungsbenachteiligung hat sich zu Ungunsten der Jungen stark verschoben. Die Mädchen haben bei den Schul- und Studienabschlüssen stark aufgeholt und die Jungen überholt. Betrachtet man jedoch die Zahlen bezüglich der arbeitenden Frauen und vergleicht die Machtpositionen und Gehälter beider Geschlechter, so wird schnell deutlich, dass es immer noch große Unterschiede in der gesellschaftlichen Gleichstellung beider Geschlechter gibt.
[...]
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick zu schaffen über die Thematik zu schaffen. Das beinhaltet die Klärung, was Geschlecht ist, welchen Einflüsse auf die Geschlechterentwicklung wirken, wie es zu Rollenzuschreibungen kommt und was speziell die Grundschule für Möglichkeiten hat, Kinder geschlechtergerecht zu erziehen.
Daher ergibt sich folgende Gliederung: [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ausgewählte Theorieansätze zur Erklärung von Geschlecht
- Essentialismus
- Psychoanalytische Ansätze
- sex-gender - doing gender – konstruktivistische und - sozialisationstheoretische Sicht auf Geschlecht
- Theorie des dritten Geschlechts
- Queer Theorie
- Zusammenfassung und Bewertung
- Sozialisationsprozesse von Jungen und Mädchen
- Geschlechtsidentität
- Geschlechterstereotype, Geschlechterrollen und geschlechtstypisches Verhalten
- Geschlechtstypische Schulleistung
- Die Rolle der LehrerInnen auf die Geschlechterentwicklung
- Zusammenfassung
- Geschlechtergerechte Erziehung
- Inhalte und Ziele
- Methodenkatalog
- Methoden zur Selbstbeobachtung
- Unterrichtsmedien und Unterrichtsinhalte
- Sprache
- Monoedukative Phasen
- Hinweise zu weiteren Umsetzungsmöglichkeiten
- Zusammenfassung
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Thematik der geschlechtergerechten Erziehung in der Grundschule. Ziel ist es, einen umfassenden Überblick über die Problematik zu schaffen und die Möglichkeiten der Schule zur Förderung einer gleichberechtigten Entwicklung von Jungen und Mädchen aufzuzeigen. Die Arbeit beleuchtet verschiedene Theorien zur Erklärung von Geschlecht, analysiert die Sozialisationsprozesse von Jungen und Mädchen im Kontext der Schule und präsentiert konkrete Modelle und Leitfäden für eine geschlechtergerechte Pädagogik.
- Theorien zur Kategorie Geschlecht und deren gesellschaftliche Bedeutung
- Entwicklung der Geschlechtsidentität und Herausbildung von Geschlechterstereotypen
- Die Rolle der Schule in der Sozialisation von Jungen und Mädchen
- Möglichkeiten und Strategien für eine geschlechtergerechte Erziehung in der Grundschule
- Einfluss von Lehrkräften auf die Geschlechterentwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Relevanz des Themas Geschlechtergerechtigkeit im schulischen Kontext und kritisiert die Annahme, dass die Gleichstellung von Jungen und Mädchen bereits erreicht sei. Sie stellt fest, dass trotz Fortschritten in der Bildung von Mädchen, weiterhin eine Ungleichheit in den Machtpositionen und Gehältern beider Geschlechter besteht. Die Arbeit setzt sich zum Ziel, die Möglichkeiten der Schule zur Förderung einer geschlechtergerechten Erziehung aufzuzeigen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit verschiedenen Theorien zur Erklärung von Geschlecht und deren Bedeutung für die gesellschaftliche Konstruktion von Mann und Frau. Es werden u.a. der Essentialismus, psychoanalytische Ansätze, Gendertheorien, die Theorie des dritten Geschlechts und die Queer Theorie beleuchtet.
Das dritte Kapitel widmet sich der Analyse der Sozialisationsprozesse von Jungen und Mädchen im schulischen Kontext. Die Entwicklung der Geschlechtsidentität, die Herausbildung von Geschlechterstereotypen und Geschlechterrollen sowie die Einflüsse der Lehrkräfte auf die Geschlechterentwicklung werden beleuchtet.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der geschlechtergerechten Erziehung in der Grundschule. Es werden Inhalte, Ziele und Methoden für eine geschlechtergerechte Pädagogik vorgestellt, wobei ein Fokus auf die Selbstbeobachtung, Unterrichtsmedien, Sprache, monoedukative Phasen und weitere Umsetzungsmöglichkeiten gelegt wird.
Schlüsselwörter
Geschlechtergerechtigkeit, Geschlechterrollen, Geschlechterstereotype, Sozialisation, Koedukation, Gendertheorie, geschlechtstypisches Verhalten, Geschlechtsidentität, Lehrerrolle, Unterrichtsmethoden, Gleichstellung, Schulentwicklung, Primarstufe, feministische Schulforschung.
- Citar trabajo
- Helen Sporbert (Autor), 2009, Geschlechtergerechte Erziehung in der Grundschule, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173044