Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Angst
3. Terrorismus
4. Sicherheit & Freiheit
5. Beispiel Luftverkehr
6. Risiko
7. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Afghanistan, Irak, das Horn von Afrika. Dies sind nur drei Schauplätze, an denen der Internationale Terrorismus derzeit besonders aktiv ist. In der Öffentlichkeit ist er ein Phänomen, das mit aller Deutlichkeit erst wieder mit den Anschlägen vom 11. September 2001 ins Bewusstsein gerutscht ist.
Dabei sind seine Wurzeln viel tiefer liegender. Die Bekämpfung des Terrorismus im Spannungsfeld zwischen Überwachung, Kontrolle und bewaffneten Einsätzen involviert alle Staaten der westlichen Welt und wirft bestehende Macht- und Institutionsgebilde durcheinander. Die vorliegende Arbeit will dabei das Zusammenspiel von Angst und Risiko in den Internationalen Beziehungen beleuchten, welches maßgeblich die Wahrnehmung und die Maßnahmen im Kampf den Terrorismus prägen und wiederum zahlreiche Felder vom alltäglichen Lebens bis hin zu den höchsten multinationalen Organisationen entscheidend beeinflusst.
Zunächst führt die Arbeit in die Emotion der Angst ein und beschreibt, wie sie sowohl in der Politikwissenschaft als auch anderen Wissenschaften bearbeitet wird. Ausgehend von diesen ersten Erkenntnissen wird anschließend auf das Thema Terrorismus näher eingegangen. Dabei wird versucht, eine Definition zu skizieren, es wird auf die Geschichte und die Entwicklungen des Internationalen Terrorismus eingegangen sowie konkrete nationalstaatliche und internationale Bekämpfungsmaßnahmen aufgezeigt. Als spezielles, weil viel reguliertes, Beispiel wählt die Arbeit danach den Luftverkehrssektor aus, um auf einige umstrittene Gesetze und Verordnungen einzugehen und am Ende dieses Kapitels die Paradoxie zwischen tatsächlichen Anschlagszielen und dem hohen postulieren Handlungsbedarf im Luftverkehr zu beleuchten. Im letzten Abschnitt geht die Arbeit dann auf die Rezeption von Ulrich Becks „Risikogesellschaft“ und dem sogenannten „Precautionary Principle“ in den Internationalen Beziehungen ein, um dessen Auswirkungen und Anwendung im Kampf gegen den Terrorismus darzulegen. Im Fazit wird danach abschließend eine Bilanz gezogen und ein kleiner Ausblick gegeben.
Dabei fokussiert sich die vorliegende Arbeit stets auf die Auswirkungen des Terrorismus in der westlichen Welt. Immer unter der Fragestellung, wie und in welchem Maße Angst und Risiko zusammen (oder teilweise getrennt voneinander) die Entscheidungen in Politik, Recht und Gesellschaft in der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus prägen.
2. Angst
Die Angst und deren Untersuchung spielt in den Internationalen Beziehungen allenfalls eine untergeordnete Rolle. Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, diese strake und bestimmende Emotion zu analysieren, obwohl sie empirisch nur schwer nachzuweisen ist.
In anderen Wissenschaftsbereichen, vor allem der Psychologie und der Neurowissenschaft, wurde die Angst – dies ist naheliegend – bereits näher untersucht. Sie gilt als eine schwer zu fassende Emotion, die jeden Menschen in unterschiedlichem Maße betrifft, gleichwohl aber bei ihrem Auftreten immer das Handeln des Einzelnen beeinflusst. In einer von Vernunft bestimmten Welt wird das Thema der Angst in den Internationalen Beziehungen eher als Störfaktor gesehen (vgl. Bormann et al. 2010: 20). Tatsächlich aber zeigen zahlreiche Erkenntnisse aus Medizin und Biologie, dass Emotionen ein wichtiger Bestandteil rationalen Handelns sind. Fühlen, Denken, Handeln hängen, wie Gerhard Roth (2002) in seinem gleichnamigen Buch zeigt, eng zusammen. Allerdings schließt dies keineswegs aus, dass Emotionen auch per se irrationales Handeln begünstigen können. Etwa dann, wenn sie den Weg für andere Alternativen versperren. Dies mag besonders für Handlungen zu treffen, die auch im Rahmen der Terrorismusbekämpfung getroffen wurden. Darauf wird später noch genauer eingegangen.
Vorab soll jedoch herausgestellt werden, welche Rolle Emotionen im menschlichen Handeln spielen. Sie haben, einfach gesagt, immer das erste und das letzte Wort, denn es ist davon auszugehen, dass Emotionen stets unsere Kognitionen beeinflussen. Anders herum ist dies nur sehr bedingt möglich. Dadurch prägen Emotionen wie die Angst unsere Ziele und Wünsche und sind die letzte Instanz, in der über die rational erwogenen Handlungsalternativen entschieden wird (vgl. Schützeichel 2006: 7-26).
Die Angst und ihre Auswirkungen spiegeln sich auch in hohem Maße in den Internationalen Beziehungen wieder. Sie spielt im Kampf gegen den Terrorismus eine Schlüsselrolle, wird Terror doch häufig mit der Verbreitung von Angst in direkte Verbindung gebracht (vgl. Bormann et al. 2010: 14). In den zwischenstaatlichen Beziehungen herrscht aufgrund der weitgehenden Autonomie der Verhältnisse ein Zustand vor, den bereits Thomas Hobbes im „Leviathan“ treffend beschrieben hat: Ohne Exekutivgewalt gibt es die „beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes“ (Fetscher 1998, zit. nach ebd.: 19). Es ist also erkennbar, dass die Analyse des Einflusses der Angst sinnvoll ist. Dabei gilt es zunächst zwischen den Begriffen Angst und Furch zu unterscheiden. In ihrem deutschen Sprachgebrauch wird zwischen der gestandsärmeren und eher diffusen Angst und der inhaltlich konkreteren Furcht differenziert. Im Englischen fällt dies schon deutlich schwerer, weil der Begriff „fear“ umgangssprachlich sowohl für die deutschen Bedeutungen von Angst und Furcht stehen kann, während „anxiety“ etwa auch verwendet wird, um Verlangen und Bestreben nach etwas auszudrücken. Dieser Umstand macht es vor allem Historikern schwer, eine exakte Quellenarbeit zu betreiben, muss in dieser Arbeit aber keine größere Rolle spielen. Schließlich soll hier herausgestellt werden, wie die Angst politische Entscheidungen beeinflusst. Dabei lässt sich nahezu nie zweifelsfrei klären, wie sie in den Entscheidungen konkret aufgetreten ist. In zahlreichen Studien konnte aber übereinstimmend nachgewiesen werden, dass Angst mit dem Empfinden einhergeht, dass das eigene Potential zur Bewältigung einer Bedrohung als sehr gering eingeschätzt wird (vgl. ebd.: 26). Das heißt, dass Angst aus einem Machtungleichgewicht heraus entsteht, bei dem eine Seite ein (mehr oder weniger) starkes Gefühl der Unterlegenheit empfindet. In der Terrorismusbekämpfung ist das Machtungleichgewicht ein besonderes, denn – wie später auch noch genauere gezeigt wird – an sich stehen sich zwei völlig ungleiche Kontrahenten gegenüber. Auf der einen Seite ein vergleichsweise mächtiger Staatsapparat, was im Hinblick auf westliche Länder sicher wohl deutlich eher zutrifft als in instabilen Staatsgebilden. Auf der anderen Seite eine teils zersplitterte Gruppe von gewaltbereiten Aktivisten, die im Vergleich zu hochgerüsteten Polizei, Militär und Geheimdiensten geradezu klein wirken, aufgrund ihrer enormen Schlagkraft aber dennoch eben jenen Staatsapparat in Angst und Schrecken versetzen können.
Natürlich kann Angst mitunter auch nur geschürt werden, ohne dass es dafür tatsächliche rationelle Gründe gäbe. Diesem Umstand gilt es bei einer Analyse besondere Beachtung zu schenken, weil vor allem politische Gruppen und Organisationen dazu neigen, gewisse angstbereitende Umstände für sich zu instrumentalisieren, um ganz eigene Ziele zu erreichen. So zeigte etwa Lothar Höbelt, wie die britische Royal Air Force schon vor dem zweiten Weltkrieg die bereits vorhandene Angst vor der deutschen Armee im Volk anfachte, um für mehr finanzielle Mittel im Wehrbudget zu sorgen (in ebd.: 167-185). Auch in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus werden Ängste bewusst genutzt. Häufig werden dabei Ausländer und Muslime diskriminiert. Das Unbehagen und die Fremdartigkeit, die in Teilen der Bevölkerung Skepsis auslösen, werden genutzt, um – unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung – Gesetze und Verordnungen zu verabschieden, die diese Bevölkerungsgruppe, ohne handfeste Beweise, zu Verbrechern zu stilisieren. Beispiele dafür gibt es von Deutschland bis Großbritannien zu Hauf. Problemen mit Ausländern sollte man lieber mit einer verbesserten Integrationspolitik begegnen, denn die Wurzeln und Hintergründe des Terrorismus liegen nicht in den Zuwanderervierteln, wie das folgende Kapitel zeigt.
3. Terrorismus
Will man Terrorismus definieren, so stellt sich schnell eine wegweisende Frage: Wer ist Terrorist und wer gehört zu den Freiheitskämpfern? Diese Unterscheidung war noch nie leicht, prägt aber die umstrittene Definition von Internationalen Terrorismus maßgeblich. Zwischen Freiheitskämpfern und Terroristen besteht im Kern nur ein winziger Grad, der sich über machtpolitische Festlegungen ergibt. In diesem Sinne stellt der Begriff Terrorismus in den Internationalen Beziehungen eine Art Ausschluss dar (Münkler 2002: 175). Man versteht darunter ein System, das auf Angst basiert und häufig in Verbindung mit politisch motivierten Gewalttaten steht. Der Begriff geht auf die Zeit der Französischen Revolution zurück, in der die Gewaltherrschaft Robbespierres damit bezeichnet wird. Terroristen planen in der Regel systematisch Anschläge, die gegen eine politische Ordnung gerichtet sind und in der Bevölkerung Angst und Schrecken auslösen sollen. Es ist dabei charakteristisch, dass das Ausmaß der Zerstörung sich häufig in Grenzen hält. Stattdessen ist das Hauptziel der Anschläge dem scheinbar übermächtigen Gegner seine sensible Verletzbarkeit zu zeigen, die weniger physische denn psychische Folgen nach sich zieht. Dies lässt sich beispielsweise an den Anschlägen von London am 7. Juli 2005 illustrieren. Dort wurden durch vier „Rucksackbomber“ insgesamt 56 Menschen getötet und mehrere hundert verletzt. Der direkt entstandene Sachschaden in den drei U-Bahnen und dem Doppeldecker-Bus war marginal, auch an den Börsen sorgte der Terrorakt für wenige Einbrüche. Dahingegen saß der Schock in der britischen Hauptstadt tief. Und so wird Terrorismus auch als Kommunikationsstrategie bezeichnet, bei der es auf ihre Außenwirkung ankommt und nicht – wie bei üblichen militärischen Aktionen – auf die Ausschaltung der relevanten Infrastruktur (vgl. Münkler 2002: 177).[1] Dies ist für die meisten terroristischen Gruppierung schon deshalb notwendig, weil sie einer direkten Auseinandersetzung mit konventionellen Sicherheitskräften, wie Polizei und Militär, nicht im geringsten gewachsen wären. Daneben wird aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft für die politischen Ziele der Terroristen versucht zu erzielen. So etwa geschehen in den Anfangszeiten der Roten Armee Fraktion (RAF). Durch ihre Gewaltakte versprechen sich die Terroristen die politischen Führung zu schwächen oder sie zu stürzen. Sie wollen ihren Gegner zu Zielen zwingen, die seinen Absichten entgegenstehen. Terroristische Gewaltakte versuchen daher dem Angegriffenen auch immer einen Schaden zuzufügen, der sich in Zukunft wiederholen könnte. Verändert er seine Ziele nicht, so könnten weitere Anschläge folgen. Außerdem sprechen Terroristen Dritte mit ihren Aktivitäten an, sich ihren Zielen ebenfalls zu verpflichten. Dies muss nicht, wie im Beispiel der RAF, die Zivilbevölkerung sein, sondern kann sich auch an andere Gruppen und sogar Staaten richten. Ohnehin können für terroristische Akte nicht nur Individuen oder kleine Gruppen, sondern auch Staaten oder zumindest substaatliche Akteure verantwortlich zeichnen (vgl. Hirschmann 2006: 31)[2]. Häufig wird auf staatlicher Ebene mit terroristischen Gruppen nicht verhandelt, ihre Ziele werden als illegitim anerkannt. Damit manövrieren sich derartige Akteure ins politische Abseits, was ihre Handlungen mitunter noch mehr radikalisiert. Wem es nicht kurzfristig gelingt, sich als Freiheitskämpfer, Partisan, Guerilla oder Ähnliches zu stilisieren, dem droht die Isolation. Terrorismus wirkt sich nämlich oft auch solidarisierend und einend auf die Gesellschaft aus, die unter den Gewaltakten leidet. Mitunter wird argumentiert, dass es terroristische Bewegungen vor allem in liberalen Demokratien schwer fällt, die Solidarität des Volkes zu erreichen, weil die Terroristen nicht die Maße repräsentieren können, während ihnen dies in Diktaturen und Gewaltregimen leichter zugeschrieben werden kann.
[...]
[1] Im Unterschied dazu, zeichnen sich Partisan-Bewegungen dadurch aus, dass sie gezielt paramilitärische Operationen ausführen, um entlegene Posten zu schädigen oder den Nachschub zu sabotieren. Sie richten sich in der Regel aber nicht gegen die Zivilbevölkerung (vgl. Münkler 2002: 178).
[2] Andreas Bocks Definition, in der Terrorismus zwingend anti-staatlich sein muss (vgl. Bock in Nitschke 2008: 64ff.), hinkt, wenn man die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrachtet. Dort haben wiederholt Staaten oder staatliche Organe terroristische Anschläge verübt, die nicht als Krieg zu bezeichnen sind, zuletzt z.B. Lockerbie. Ferner rechtfertigt ein moralisches Empfinden keineswegs eine derartige Definition.