Benötigt ein mehrdimensionales Zielsystem die Dimension Diakonie?

Jahresarbeit zum Diakonenexamen


Examensarbeit, 2002

58 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Was ist gut?
A. Qualitätsmanagement
1. Definition und Ursprung
2. Qualitätsmanagement als Prozessgestaltung
3. Methoden der Prozessgestaltung
B. Der Qualitäts-Begriff
1. Definition
a) Strukturqualität
b) Prozessqualität
c) Ergebnisqualität
2. Festlegung von Qualitäts-Standards
3. Problematik
C. Das Qualitäts-Konzept
1. EFQM-orientierter Zielfelderplan der Caritas Mainz
2. Balanced Scorecard – oder:
Was ist die Methode „Mehrdimensionales Zielsystem“?
a) Instrument der Erfolgsmessung
b) Perspektiven der Unternehmungsidee und -strategie
c) Perspektiven der “ausgewogenen Zielkarte”
d) Einführung der Zielvereinbarung in einem strukturierten Prozess
e) Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erkennen
f) Verknüpfung quantitativer und qualitativer Aspekte
3. Organisationales Lernen

II. Das Gegenteil von Theorie ist Unwissen und das Gegenteil von Praxis ist Untätigkeit!
A. Wenn zwei das gleiche tun, ist es immer noch nicht dasselbe?
1. Das mechanische Modell von sozialen Organisationen
2. Das erweiterte mechanische Modell von sozialen Organisationen
B. Diakonie im gesellschaftlichen Spannungsfeld
1. An diakonischen Prozessen beteiligte Wirkungsgrößen
2. Grundvorstellung eines zweckorientierten sozialen Systems
3. Relevante Umweltbezüge des diakonischen Unternehmens
C. Diakonie als Teil des religiösen Systems
1. Kommunikation und ihre Kodierung
2. System/Umwelt-Relationen
3. Teilsystem Religion

III. „Was willst Du, dass ich Dir tun soll?“
A. Was wissen wir?
1. Ein Text
2. Eine Annäherung an den Text
3. Ein erster Versuch der Deutung
a) Eine historisch-sachliche Perspektive
b) Eine prozessual-sozialräumliche Perspektive
c) Eine spirituell-transzendente Perspektive
B. Was tun wir?
1. Reflektionsorientierte Prozesse
2. Leistungsorientierte Prozesse
3. Funktionsorientierte Prozesse
C. Was glauben wir?
1. Mehrdimensionalität oder Güte?
2. Wertschöpfung oder Liebe?
3. Chance oder Verheißung?

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Jede menschliche Gemeinschaft
gewinnt Bedeutung durch das,
was einer im anderen sieht, benennt, erweckt.“

(Alexander Solschenizyn)

Was ermöglicht zukünftig Bedeutung im gegebenen gesellschaftlichen Raum? Die Klärung dieser Frage soll Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. In dem von mir bewusst überblickbaren Zeitraum erlebe ich gesellschaftliche Veränderungen als immer schneller fortschreitend. Ich erlebe ständig neue Rahmenbedingungen und Einengungen. Mein Wissen ist begrenzt. Die Komplexität gesellschaftlicher Realität wird größer. Ich empfinde ein Auseinanderdriften relevanter Teilsysteme, eine Zerrissenheit der Gesellschaft und Individualisierung (oder Partikularisierung).

Darin ist es immer schwieriger geeignetes Orientierungswissen zu gewinnen. Jede Theorie ist zunächst verlockend, sofern sie Klärung der Grundfrage verspricht. Ich will wissen, ob sich mein Handeln lohnt. Nicht des Lohns, sondern des Erfolges wegen. Lohn ist in Geld eine digitale Größe, das heißt eine messbare - Erfolg ist analog, das heißt erfahrbar. Was sind meine Ziele?

Im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit werfe ich die Frage auf, was gut ist? Güte oder Qualität sind ebenso analog wie das zu erreichende Ziel. Das Verhältnis von Zielen zu Messgrößen zu Erfolg entsprechen einem Analog–digital–analog-Wandler. Meine Ziele sind analog orientiert. Die Messgrößen sind ihre digitale Wandlung, damit ich im Erfolg analoge Erlebnisse haben kann. Erfolg macht zufrieden, kann handgreiflich gemacht (makro-Wahrnehmung) und sinnlich erfahrbar werden (mikro-Wahrnehmung). Keine Erfolgskontrolle macht unzufrieden (passive Haltung). Eine real istische, das heißt an der Wirklichkeit und dem Wahrnehmbaren, orientierte Einschätzung von persönlichen Fortschritten macht zufrieden (aktive Haltung der Selbstbefähigung).

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird ein Modell zur Zieldefinition vorgestellt und ein Modell der Erfolgsmessung anhand von Zielen. Beide sind orientiert an Organisationsformen wie Unternehmungen, können jedoch genauso gut personal gedacht werden.

Das zweite Kapitel soll dann das Verhältnis von Theorie und Praxis klären durch die Hinführung zum Modell der Gesellschaft in der Systemtheorie Niklas Luhmanns. Qualität (analog) und Quantität (digital) sind dort wiederkehrende Begriffe in der Konzipierung von gesellschaftlichen Dimensionen und deren Interdependenzen. Darin nehme ich in einer kurzen geschichtlichen Entwicklung am Beispiel sozialer Organisationen bezug auf die Veränderungen in der Finanzierung von sozialen Aufgaben. Erkennbar wird darin die starke Orientierung der Diakonie an Unternehmenskonzepten und der Einzug von wirtschaftlichem Denken als Reaktion auf gesellschaftliche Prämissen der sozialen Arbeit. Die Arbeit soll und kann hier nicht die konkreten Vorgänge und Erwägungen, die dazu führten, klären. Jedoch wird in der theoretischen Entwicklung der Systemtheorie an einigen Stellen darauf hingewiesen.

Der dritte Abschnitt widmet sich dann ganz der Bedeutung von Erkenntnisgewinn. Anhand der Geschichte von dem blinden Bettler Bartimäus will ich Elemente der dargestellten Theorie-Modell auf ihre praktische Relevanz überprüfen. Ein Muster habe ich durchgehend in der Darlegung des Themas erkannt: „erkennen-kommunizieren-zusprechen“. Man kann es auch sehen-benennen-erwecken oder Güte-Liebe-Hoffnung nennen: Gemeinschaft gewinnt Bedeutung durch das, was einer im anderen...

Hier sollen auch die Funktions-, Leistungs- und Reflektionsorientierten Prozesse des Religiösen Systems (als dessen zumindest Teil ich Diakonie verstehe) dargelegt werden, um zu einer Klärung von Dimension und Perspektive zu gelangen. Ich entdecke das Religiöse System als ein (im Sinne der systemtheoretischen Vorraussetzungen) relevantes und komplementäres Theorie-Gebilde, welches erst in seiner (teil-) einschließenden Beziehung zu den anderen Teilsystemen dem Gesamtsystem als dritte Vorraussetzung Vollständigkeit verleiht. Insofern will ich behaupten, dass Diakonie im systemischen Verständnis dann dimensional (in Raum, Zeit, Deutung) nicht perspektivisch (als Teilsysteme) zu entwickeln ist.

Die vorliegende Arbeit ist in der thematischen Annäherung im ersten Teil zu detailliert geraten. Wer dort schneller überfliegt, wird gegen Ende einen Wahrnehmungsgewinn durch Verlangsamung erzielen (so hoffe ich). Mir selbst hat die Arbeit am Beginn des dritten Kapitels angefangen richtig Freude zu bereiten und ich überlege, wie sie (vielleicht) durch ein viertes Kapitel (vor allem) mit pragmatischeren (pragma, griech.: Ding) Anteilen analoger enden könnte. So fasse ich als Kritik zusammen, dass ein sogenannter „Praxistransfer“ im Sinne einer Bewertung der Umsetzbarkeit der aufgeworfenen Ideen nur ungenügend gewährleistet wird.

Jedoch kann ich als Resümee zu der eingangs aufgeworfenen Frage nach der zukünftigen Ermöglichung von Bedeutung im gegebenen gesellschaftlichen Raum nun formulieren: Ich will in der Begegnung den Menschen in seiner Ganzheit annehmen, seine (und meine) Selbstzerrissenheit und Desintegration überwinden und an die Erfüllung von Verheißung glauben.

Selbstverantwortung stellt darin den Prozess der stetigen Integration von Tod, Taufe und Auferstehung dar.

„Oder wisst ihr nicht, dass wir, so viele auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln.“ (Römer 6,3-4)

Lassen sich daraus konkretere Handlungsschritte ableiten, außer: Gott will, dass wir wollen!?

I. Was ist gut?

„19 Den Geist dämpft nicht. * 20 Prophetische Rede verachtet nicht. * 21 Prüft alles, und das Gute behaltet.“ (1. Thess. 5,19-21)

Die Frage: Was ist gut?, setzt die Bereitschaft und Fähigkeit voraus zu erkennen,
was ist?

Der Begriff „Qualität“ kennt verschiedene Übersetzungen und meint „Beschaffenheit, Verhältnis, Eigenschaft“. Beschaffenheit drückt eine materielle Gegebenheit aus. Ist der betrachtete Gegenstand rau oder glatt, warm oder kalt, vielleicht noch: Wie setzt er sich zusammen. Es definiert naturwissenschaftlich nach seinen elementaren Bestandteilen. Das Verhältnis des Gegenstandes weist aus ihm heraus, stellt ihn in Beziehung, kategorisiert ihn, weist ihm einen Namen zu: Du bist ...

Eigenschaft fragt nach der Bestimmung: Wozu ist dieser Gegenstand da. Ist er nützlich? Für meinen Zweck? - Dann ist er gut!

Alle drei Begriffe können sehr gut verschiedene Betrachtungs- oder Näherungsweisen zum Thema Qualität darstellen: In diesem Kapitel der vorliegenden Jahresarbeit kläre ich in den drei Abschnitten die Begriffe Qualitätsmanagement, den Qualitätsbegriff als solchen und stelle zwei mögliche Konzepte zur zielorientierten Qualitätserreichung dar. Der Qualitätsbegriff soll die Beschaffenheit von Qualität klären: Was verstehe ich unter diesem Begriff, was sind seine elementaren Bestandteile, aus was setzt er sich zusammen. Das Qualitätsmanagement versucht den Gegenstand der Qualität in ein Verhältnis zu setzen: Wie grenzt sich darin Qualität ab, welche Beziehung hat der Begriff Qualität zu anderen.

Die Klärung des Konzeptes will nach den Eigenschaften, der Eignung oder Bestimmung fragen: Wozu ist es gut, was kann und will es, wofür ist es nützlich?

Am Ende dieses Abschnitts wird erkennbar, dass das vorgestellte Qualitätskonzept der Caritasverbandes der Diözese Mainz sehr gut geeignet ist, Standards der sozialen Arbeit zu definieren und Vergleichbarkeit mit anderen nach diesem Modell orientierten Einrichtungen zu gewährleisten, jedoch in seiner Anlage statisch aufgebaut ist und wenige Klärungen der in sich divergierenden Ziele gewährleistet. Das Modell der Mehrdimensionalen Zielvereinbarung ist ein Konzept, welches zur Kommunikation und Umsetzung von Strategien in der gesamten Organisation beiträgt und damit im Prozess implizites Wissen explizit macht. Es verknüpft Ursache/ Wirkungs-Zusammenhänge und quantitative wie qualitative Ziele. Es kann die (vorhandenen) Strategien evaluieren - aber nicht entwickeln, es nutzt Kennzahlensysteme – ist aber keines, es kann Controllinginstrumente nicht ersetzen und kann als organisationaler Lernprozess im Verlauf der Benutzung nicht unverändert bleiben.

A. Qualitätsmanagement

Der Begriff des Qualitätsmanagements stammt aus dem Bereich der industriellen Wirtschaft. Über den § 93 BSHG hat er auch in der sozialen Arbeit Einzug gehalten. Vorreiter waren dabei Krankenhäuser, Altenheime und Werkstätten für Behinderte (WfB). Diese haben sich weitgehend durch außenstehende Prüfinstitute nach der „DIN EN ISO 900X“-Normenreihe zertifizieren lassen. Dies wurde durch den verstärkten Wettbewerb im Krankenhauswesen (Stichwort: Bettenabbau), durch die Einführung eines offenen Marktes im Bereich der Altenpflege (SGB XI - PflegeVG) und in den WfB´s auf Druck von Auftraggebern zur Produktverbesserung ausgelöst.

1. Definition und Ursprung

Unter Qualitätsmanagement wird im allgemeinen das gekonnte Handhaben von Standards verstanden.

„Im Produktionsbereich bedeutet ein gekonntes Handhaben von Standards, dass der Kunde wiederkommt und nicht das ausgelieferte Produkt.“[1]

Joseph M. Juran (USA, ab 1954 in Japan) nahm diesen Ansatz des prozessorientierten Qualitätsmodells auf und entwarf das sogenannte „integrierte Qualitätssicherungs-System“. Die Einbeziehung aller an der Herstellung des Produktes oder der Dienstleistung beteiligten Ebenen durch Schulungen der Mitarbeiter, Steuerung durch das Management und konsequente Qualitätszielverfolgung durch alle Bereiche des Betriebes sollten eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung (Continuous Improvement) hervorrufen. Er nannte das Modell „Total-Quality-Management“ (TQM) und erhob das Prinzip „der Kunde ist König“ zum Leitgedanken.

Die Ideen Demings und Jurans wurden durch Philip B. Crosby (USA) fortentwickelt. Das von ihm eingebrachte „Null-Fehler-Prinzip“ zwang die Lieferanten, als verlängerter Arm der Unternehmen, zur genauso konsequenten Umsetzung des integrierten Qualitätsmanagements. In der Übertragung der Modelle auf bundesdeutsche Verhältnisse bekamen dies demnach auch die WfB´s zu spüren, da sie eine der Fehlerquellen im Fertigungsprozess der Unternehmen darstellten. Wollten sie die Werkverträge erhalten und Aufträge nicht an andere Unternehmen (z.T. auch im Ausland) verlieren, mussten sie sich den Zertifizierungsprozessen unterziehen.

Die Qualitätssicherung wird in der Literatur als „dritte Welle der industriellen Revolution“ (nach Maschinisierung und Taylorismus/Arbeitsteilung) beschrieben. Demings und Jurans Ideen wurden in der Nachkriegszeit in Japan begierig aufgenommen. Perfektionismus und nationales „Wir“-Prinzip (Unterordnung des Einzelnen unter das Ganze) machten Japan mit diesen Methoden in kurzer Zeit zum Weltmarktführer in verschiedenen Industrien (Elektronik, Optik, Motorrad, Auto).

Dies wurde weltweit bis in die 70er Jahre kaum zur Kenntnis genommen. Erst unter dem Einfluss der japanischen Industrien auf den Weltmarkt und durch die Schwächen der heimischen Märkte wurden die Ideen zunächst in Amerika übernommen und später erfolgreich durch eigene Methoden weiterentwickelt.

1987 hat die „International Organization for Standardisation“ (ISO) die Normenserie 9000 veröffentlicht. Für den europäischer Kontext heißt sie „DIN EN ISO 9000“ (Deutsches Institut für Normung; Europäische Norm). In der Normenserie werden weltweit verbindliche Regeln der Implementierung von Qualitätsmanagement-Systemen festgehalten. Diese dienen den entsprechend zugelassenen, national organisierten Prüfinstituten als Zertifizierungsgrundlage.

2. Qualitätsmanagement als Prozessgestaltung

Die vorrangigen Ziele der Qualitätssicherung im industriellen Bereich waren die Kostensenkung durch Ausschuss- und Nacharbeitsvermeidung und die Vermeidung von Leerläufen. Dies war nicht allein durch Endprüfungen zu gewährleisten. Zusätzlich wurden die Anforderungen an die Qualitätssicherungssysteme weiter ausgedehnt: Die Begriffe Kundenzufriedenheit oder Kooperationsverbesserung stellen dabei nur zwei Qualitätsdimensionen dar. Die Kundenerwartung orientiert sich zwar am Produkt (der Dienstleistung) als Ergebnis eines Fertigungs- oder Handlungsprozesses, greift aber in ihrer Konkretion in verschiedene Ebenen der Herstellung oder Dienst-Leistung ein. Kooperationsverbesserung erfordert das erkennen, beschreiben und beurteilen der Kooperationsstrukturen: Wer macht was, mit wem, wozu? Diese schlichte Frage kann komplexe Strukturen entschlüsseln. In der Verständigung über das WAS und WOZU entsteht die Beurteilung von Kooperation, Koordination, Subvention und Kommunikation.

Kooperation beschreibt das Verhältnis der verschiedenen an der Leistungserbringung beteiligten Ebenen zueinander. Eine Hierarchisierung dieser Ebenen ist für das gemeinsame Ziel oder Thema störend und spricht allein den Aspekt der Macht an. Dies fördert Haltungen der inneren Emigration (Rückzug) oder Verweigerung. Bezogen auf ein Ziel oder Thema haben die Ebenen unterschiedliche Aufgaben und Arbeitsteilungen, aber keine über- oder untergeordnete Position: Jeder ist Experte seiner Aufgabe und verfügt über das dort notwendige Wissen, um Bewertungen für seine Aufgabe treffen zu können.

Koordination ist die der Kooperation zugeordnete Aufgabe der Vermittlung und Aufbereitung von Wissen und Bewertungen für die Kooperationsebenen. Qualitätsmanagement und Betriebswirtschaft sind hier angesiedelt. Sie stellen Methoden und Darstellungen zur Verfügung, um auf allen Ebenen Bewertungen und Entscheidungen treffen zu können. Damit verhelfen sie der Organisation zur Sicherung und Gestaltung der Planungen. Die Vermeidung von Koordination entzieht den Ebenen die Möglichkeit zur Bewertung, verhindert Gestaltung und Planung. Die Koordination soll den Prozess der Zielvereinbarung unterstützen, nicht entscheiden.

Subvention stellt der Organisation die notwendigen Mittel zur Gestaltung des Prozesses zur Verfügung. Sie schafft damit die Vorraussetzungen zur Herstellung oder Leistungserbringung. Ihre Aufgabe ist die interne Dienstleistung, Qualifikation und Beratung.

Kommunikation schafft die Vernetzung der Ebenen miteinander. Verbindliche Gremien und Konferenzen schaffen den nötigen Austausch von Wissen, Informationen und Bewertungen innerhalb und zwischen den Ebenen und damit die Basis für Zielabsprachen.

Die gute Kenntnis und Nutzung dieses kommunikativen Netzwerkes verhindert systementscheidende Fehler allein aus den Einzelbereichen heraus und ermöglichen die Prozessgestaltung von der Funktion (Hierarchie- und Machtbezogen) zum Thema (Zielorientiert, Partner-schaftlich). In der Übertragung auf den Bereich sozialer Dienstleistungen kann man die Organisation als kooperative Einheit wie folgt darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. : Die Einrichtung als Kooperative Einheit[2]

Die Organisation als kooperative Einheit stellt aber nur den strukturierten Rahmen zur Zielerreichung dar. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob damit politische, gesellschaftliche, fachliche oder betriebliche Ziele erreicht werden sollen.

3. Methoden der Prozessgestaltung

Jede einzelne Systemeinheit sollte durch vier Regelkreise mit der jeweiligen Leitung, den Kooperationspartnern, auf kollegialer Ebene und mit der Bedarfsgruppe (oder –Person) in Verbindung stehen, um zur Entwicklung eines Bedarfsangebots Rahmenvorgaben zu erhalten (Lenkungsgruppe), zur Kooperation und Koordination mit zugeordneten Stellen und Koproduzenten einen tragfähigen Hilfeplan zu erstellen (Planungsgruppe), zur fachlichen Ausgestaltung des Plans mit Hilfe von Fallkonferenzen, kollegialer Beratung, Qualitätszirkeln oder Fachberatung eine Hilfegestaltung zu entwickeln und durch Kunden- oder Bedarfsgruppenbefragung zu einer Bewertung der Dienstleistung zu gelangen.

Dieses Modell kann sowohl für einzelne Mitarbeiter wie auch für komplexe Organisationen gelten. Für jede Systemeinheit lassen sich nach diesem Modell in den Regelkreisen Verfahrensanweisungen für die Vorlage von Ergebnissen in den Gremien und für die Rückmeldung aus den Gremien erstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2. : Jede Systemeinheit ist Moderator der Leistungserbringung [3]

Die Leitung der Organisation entwickelt Vorgaben in den strategischen Zielen und wirkt damit ihrer Führungsaufgabe entsprechend als Gesamtlenkungseinheit. Ziele können dabei die Erhaltung des Angebots, das erschließen neuer Märkte, eine Angebotsverlagerung, Kostensenkung, Erlösverbesserung, höhere Kundenzufriedenheit, ein höherer fachlicher Standard oder die Verringerung des Institutionalisierungsgrades sein. Ihre Regelkreise sind 1. die Politikentwicklung (Einflussnahme auf generelle Rahmenbedingungen), 2. die Leistungsplanung (Erstellung von Bedarfsanalyse und –Angebot gegenüber den Leistungsgebern), 3. die Hilfegestaltung (Organisation der Leistungserbringung) und 4. die Ergebniskontrolle (bedarfsgruppenorientierte Bewertung).

Aufgabe des Qualitätsbeauftragten ist die Koordination des Qualitätsmanagements. Die Regelkreise: 1. Er erarbeitet in Zusammenarbeit mit der Leitung Rahmenvorgaben für den Prozess der Leistungserbringung. 2. In Kooperation mit den Fachdiensten und Abteilungen werden Rahmenpläne und Auslegungen in Bereichs- und Gruppenkonzeptionen erarbeitet. 3. Für die Durchführenden der Hilfeerbringung schafft der Qualitätsbeauftragte Netzwerke, bietet Qualitätszirkel und deren Moderation an. 4. In Rücksprache mit den Kooperationsebenen wird der Qualitätsplan bewertet, entwickelt und gestaltet.

Alle Kooperationsebenen arbeiten nach dem hier angedeuteten Schema: 1. Beteiligung an den Vorgaben, 2. Abstimmung mit Koproduzenten, 3. Netzwerke nutzen, 4. Nutzerorientiert bewerten.

Das Qualitätsmanagement soll auf der Durchführungsebene Freiheiten und Netzwerke schaffen, um gegenseitiges Lernen und kollegiale Beratung zu ermöglichen. Die Vernetzung organisatorisch nicht miteinander verbundener Abteilungen, die aber gleiche oder ähnliche Aufträge bearbeiten schafft die Vorraussetzungen dafür „das Rad nicht immer oder überall neu erfinden zu müssen“. Innerbetriebliches Vorschlagwesen nutzt die Kompetenz der einzelnen Systemeinheiten und ihr Wissen, um sie in den Gesamtprozess einzubringen.

Die Übertragung von Verantwortung und die Delegation von überschaubaren Aufgaben, also eine Beteiligung an der und Information über die Prozessgestaltung schafft Akzeptanz, Motivation und Anerkennung. Damit spricht das Qualitätsmanagement die Ebene der Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern an (interne Kundenorientierung). Verbindliche Absprachen zur Zielerreichung schaffen Sicherheit, vergewissern dem Einzelnen, an den erarbeiteten Zielen orientiert zu sein.

Verfahrensanweisungen (also festgeschriebene Prozeduren) sollten auf die Bereiche und Tätigkeiten beschränkt werden, die wesentlich zur Sicherstellung des Qualitätsmanagements oder der gewünschten Qualität beitragen. Die Gefahr der Festschreibung besteht in der innovationshemmenden Wirkung und dem Bürokratismus, die gerade eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung behindern. Wo Verfahrensanweisungen vereinbart worden sind, müssen sie aber konsequent angewendet werden, um die Wertschätzung des Gegenübers durch Verbindlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Die wichtigsten Methoden des Qualitätsmanagements sind Informationsflussgestaltung, Qualitätszirkel, Moderation, Effektivitätsanalyse und Selbstevaluation.

Alle zur Prozessgestaltung als sinnvoll und notwendig erachteten und verabredeten Information sollen allen Beteiligten zur Verfügung stehen. Qualitätsmanagement muss dafür Sorge tragen, dass diese Informationen in den Gremien zur Verfügung stehen. Konzeptionelle Rahmenvorgaben, betriebwirtschaftliche Informationen, Fachinformationen und Leistungsdokumentationen beschreiben den Raum der Entscheidungsverantwortung.

Qualitätszirkel sind zielorientiert arbeitende Gruppen, die ihr spezifisches Wissen und ihre Erfahrung in einer interkollegialen Diskussion einbringen und bewerten. Durch diesen Prozess entwickeln sie eigene Lösungsideen, um die Leistungsgestaltung zu verbessern. In den Qualitätszirkeln sind Vertreter aus allen an der jeweiligen Leistungserbringung beteiligten Ebenen vertreten, damit Sichtweisen aus allen Funktionsbereichen zur Verfügung stehen. Die aus den Qualitätszirkeln entwickelten Lösungen werden der Leitung zur breiteren Anwendung vorgeschlagen („Top-down-Bottom-up“-Prinzip). Qualitätszirkel sollten berufsheterogen mit fünf bis zehn Teilnehmern besetzt sein, die ähnliche Problemkenntnisse besitzen, und sich bis zur Vereinbarung von Lösungsvorschlägen regelmäßig treffen; danach fallweise, bis der Erfolg der Vorschläge zufriedenstellend ist. Die Teilnahme ist freiwillig, aber nicht unverbindlich. Die Themenwahl soll nach individueller Problemsicht, Umfang und Dringlichkeit innerhalb des Qualitätszirkels ausgehandelt werden.

Die Moderatoren der Qualitätszirkel sollten mit ausreichenden Kenntnissen über Moderationstechniken vertraut sein, dass heißt vor allem in der Lage zu sein, inhaltliches Arbeiten und methodisches Vorgehen auseinander zu halten, Gruppenprozesse zu begleiten und zu steuern, eine kreative und sichere Arbeitsatmosphäre zu schaffen und von der Leitung und anderen Mitarbeitern akzeptiert zu sein. Ebenso sollten praktische Kenntnisse im Umgang mit Moderationsmaterialien (Stellwände, Flipcharts, Karten, Stifte etc.) und ein Raum mit störungsfreier Atmosphäre vorhanden sein.

Auch Team- und Fallgespräche stellen in ihrem Anlass und Ziel eine Art Qualitätsgespräch dar. Die Besonderheit der Qualitätsgespräche liegt jedoch in der freiwilligen und ebenenübergreifenden - aber nicht hierarchisierten - Teilnahme, der ausgeprägten Orientierung auf ein gemeinsames Ziel im Rahmen eines definierten Gesamtauftrages und der deutlicheren Kompetenzanforderung und Nutzung von Moderationsmethoden. Die Themenwahl sollte auf im Verantwortungsbereich der Teilnehmer liegende Bereiche beschränkt werden. Sie sollten kurz- bis mittelfristig durch den Teilnehmerkreis selbst bearbeitet und gelöst werden können. Nach Entscheidung der Leitung für die Lösung können die Qualitätszirkel auch mit der Einführung in anderen Bereichen betraut werden. Dies führt über die Anerkennung der Lösungsidee zu verstärkter Motivation der Teilnehmer.[4]

B. Der Qualitäts-Begriff

„Was ist das Gegenteil von ,gut´? – ,Gut gemeint´!“ (Rainer Nussbicker)

Der Begriff Qualität leitet sich vom lateinischen „Qualitas“ ab und bedeutet: „Beschaffenheit, Verhältnis, Eigenschaft“. „Qualis?“ (lat.) fragt danach, wie etwas beschaffen ist (z.B. Güte, Wert).[5] Das Marketing fragt aus einer anwendungs-/ produktbezogen Haltung heraus nach der Gebrauchstauglichkeit des Produktes (Produktorientierung). Das Ingenieurwesen versucht aus einem verfahrens-/ fertigungsbezogen Ansatz heraus Produktionsfehler zu vermeiden (Systemorientierung). Die Nachfrage nach der differenzierten Beschaffenheit eines Produktes offenbart noch den wertbezogenen (transzendenten) Qualitätsbegriff, da die Bewertung - abhängig von der Kundengruppe, dem fachlichen oder ethischen Standpunkt - der subjektiven Interpretation unterliegt (Wertorientierung).[6] Als Produkt wird im allgemeinen auch eine Dienstleistung als Herstellungsprozess von Handlungsabläufen verstanden. Der Kunde ist bei der Dienstleistung – im Gegensatz zum Produkt - an den Handlungsabläufen beteiligt.

1. Definition

Vor allem in der handwerklichen und industriellen Produktion (zunehmend auch im Dienstleistungssektor) orientiert sich der Qualitätsbegriff an dem Verständnis der Normenreihe DIN EN ISO 900X/8402. Dort wird Qualität definiert als die

„Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Dienstleistung, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung festgelegter oder vorausgesetzter Erfordernisse beziehen.“ (DIN EN ISO 8402 Punkt 2.1)

Die Zertifizierung der Qualität wird nach DIN EN ISO durch unabhängige Prüfinstitute erbracht. Sie sichert damit die Vergleichbarkeit, da Eckpunkte der Normen für alle Zertifizierungsprozesse gleich sind. Das WHO Lexikon benennt unter dem Stichwort Qualitätssicherung, dass

„Qualität (ist) das Maß von Übereinstimmung zwischen den gesetzten Zielen und der durchgeführten Pflege [ist, d. Verf.].“

Beide Definitionen von Qualität benennen also - über die reine Beschreibung der Beschaffenheit oder Eigenschaft hinaus - den Prozess der Zielsetzung, erwartete oder festgelegte Standards zu erfüllen. Das Maß der Übereinstimmung von Handlungen mit den Zielen und ihre Eignung zur Erfüllung der Erfordernisse umgrenzen demzufolge den Qualitätsbegriff. Dazu ist es nötig die Tätigkeiten, ihre Ergebnisse und deren Qualitätsmerkmale zu bewerten. Dies ist ein evaluierter Prozess, der den verantwortlichen Gebrauch von Mitteln und Leistungen bewertet.

Da die industrielle Fertigung anderen Handlungsabläufen unterliegt (Arbeitsvorbereitung, Fertigung, Montage, Verkauf, Service) als die Erstellung einer Dienstleistung, ist es nötig ein erweitertes Qualitätsverständnis zu entwickeln. Bei der sozialen Dienstleistung ist der Leistungsnehmer nicht Objekt einer „an-ihm“-Handlung, also bei der Produktion eines Ergebnisses nicht nur anwesend, sondern seine Mitarbeit und aktive Mitgestaltung ist von entscheidender Bedeutung. Darin kommt dem Behandlungsprozess in Bezug auf das zu erzielende Ergebnis ein besonderer Stellenwert zu.

Die Einrichtungsträger der Behindertenhilfe orientieren sich an dem von dem Amerikaner Avedis Donabedian in den 60er Jahren für den Dienstleistungssektor, und damit auch für die soziale Arbeit übertragbaren, Qualitätsbegriff. Er unterteilt die Qualitäten der Leistungserbringung in Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Die Landesrahmenverträge nach § 93 d BSHG folgen in NRW dieser Unterteilung (siehe Kapitel I. A. 3.)

[...]


[1] Claus Offermann: Qualitätsmanagement für die stationäre Altenarbeit, 1995, S. 8.

[2] Nach: Ines Bader, et. al.: Handbuch Wohnen: Konzeptionelle Grundlagen und Verfahren; 1997; S. 29.

[3] Nach: Andreas Strunk: Das Sozialamt als lernende Verwaltung im Neuen Steuerungsmodell; Abb. 2: Das Sozialamt in seinen Regelkreisen; In: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins; Nr. 9/99; S. 302.

[4] Nach: Monika Robitzsch: Qualitätszirkel – eine runde Sache; In: Forum Sozialstation; Nr. 98/Juni 1999; S. 16 ff.

[5] Nach: Claus Offemann: Qualitätsmanagement für die stationäre Altenarbeit, 1995, S. 6.

[6] Nach: Claudia Wohlleber: Grundlagen für Leistungsbeschreibungen...; Referat Betriebswirtschaft des DW der EKD; Stuttgart; 1994; S. 6.

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Benötigt ein mehrdimensionales Zielsystem die Dimension Diakonie?
Untertitel
Jahresarbeit zum Diakonenexamen
Hochschule
Fachhochschule der Diakonie GmbH  (Stiftungen Sarepta | Nazareth - Ev. Bildungsstätte für Diakonie und Gemeinde)
Veranstaltung
Diakonik
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
58
Katalognummer
V173412
ISBN (eBook)
9783640937530
ISBN (Buch)
9783640937691
Dateigröße
1117 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prozessgestaltung, Methoden, Strukturqualität, Prozessqualität, Ergebnisqualität, Qualitätsstandards, Problematik, Qualitäts-Konzepte, EFQM, Zielfelderplan, Balanced-Scorecard, soziale Organisationen, Diakonie, gesellschaftliches Spannungsfeld, Wirkungsgrößen, Umweltbezüge, Systemtheorie, Kommunikation, Kodierung, Relation, Teilsystem, Religion, Reflektionsorientierte Prozesse, Leistungsorientierte, Funktionsorientierte, Glauben, Güte, Wertschöpfung, Liebe, Chance, Verheißung
Arbeit zitieren
Martin Eickhoff-Drexel (Autor:in), 2002, Benötigt ein mehrdimensionales Zielsystem die Dimension Diakonie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173412

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