Diese Arbeit geht daher der Frage nach, ob man die aktuelle Form der kollektiven europäischen Identität als Nation bezeichnen kann und welche Perspektiven sich für das Nation-Sein von Europa zeichnen lassen. Die Europäer, so postuliere ich, sind zur Zeit noch nicht als Nation zu verstehen –diese Nation ist allerdings im Werden begriffen. Dieser These gilt es im Laufe der Arbeit nachzugehen.
Um über ein politisch so wirkmächtiges Phänomen wie Nation diskutieren zu können, ist es unerlässlich, Begrifflichkeiten zu klären. Nation soll hier in Anlehnung an Anderson verstanden werden als „(…) vorgestellte politische Gemeinschaft –vorgestellt als begrenzt und souverän.“
Die konstruktivistische Nationalismusforschung hat zwei Bedingungen formuliert, die obligatorisch sind, damit eine Gruppe eine Nation sein kann: erstens die Angehörigkeit zu einer gemeinsamen Kultur, von Gellner definiert als „ (...) a system of ideas and signs and associations and ways of behaving and communicating.“ Zweitens ist unerlässlich, dass sich die Mitglieder einer Gruppe gegenseitig als Angehörige der gleichen Nation sehen oder begreifen. „(...) nations are the artefacts of men‘s convictions and loyalities and solidarities.“
In einer Betrachtung der etwaigen Nation Europa gilt es zu untersuchen, ob die Angehörigen der EU-Staaten einer gemeinsamen Kultur angehören und ob sie sich gegenseitig als Nation verstehen. Die theoretische, aber auch die empirische Beschäftigung mit dem Phänomen Identität hat indes gezeigt, dass es zur Bildung einer Identität immer ein „konstitutiv[es] Außerhalb“ braucht, dass Identität also nur durch Alterität entstehen kann. Es ist daher auch zu untersuchen, was ein solches konstitutives Außerhalb für die europäische Identität ist oder perspektivisch sein könnte –denn ohne ein solches wird es eine europäische Nation nicht geben.
Nach einem Kapitel mit Definitionen und Annäherungen an zentrale Begrifflichkeiten will ich untersuchen, welche kulturellen Gemeinsamkeiten zur Imagination einer europäischen Identität taugen und welche Relevanz sie besitzen. Anschließend werde ich mich v.a. anhand von Daten von Eurostat mit der Frage der gegenseitigen Anerkennung als Nation beschäftigen. Daran knüpft an die Diskussion des konstitutiven Außerhalb „der Europäer“. Hier sollen auch mögliche Differenzbildungsprozesse benannt werden, abschließend Schlüsse aus der Untersuchung zu ziehen und einen Ausblick zu wagen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Annäherungen und Definitionen: Kollektive Identität, Kollektive Erinnerung und Nationalisierung
- Eine Europäische Kultur?
- "Die Sprache lädt zur Vereinigung ein" - Nation Europa und die Sprache
- Historischer Diskurs und Imagination von Europa
- Europäische Kultur, Europäische Werte
- Wir sind wir - die gegenseitige Anerkennung als Nation
- Das Konstitutive Außerhalb
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Frage, ob die aktuelle Form der kollektiven europäischen Identität als Nation bezeichnet werden kann und welche Perspektiven sich für das Nation-Sein von Europa zeichnen lassen. Die Arbeit argumentiert, dass die Europäer zwar zurzeit noch nicht als Nation zu verstehen sind, diese Nation jedoch im Werden begriffen ist.
- Definition und Abgrenzung des Begriffs Nation
- Kulturelle Gemeinsamkeiten und die Imagination einer europäischen Identität
- Die gegenseitige Anerkennung als Nation und die Bedeutung von Alterität
- Das konstitutive Außerhalb und mögliche Differenzbildungsprozesse
- Schlussfolgerungen und Ausblick auf die Zukunft der europäischen Identität
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel befasst sich mit der Definition der Begriffe Kollektive Identität, Kollektive Erinnerung und Nationalisierung. Es werden verschiedene Ansätze und Definitionen vorgestellt, um das Phänomen Nation und die Entstehung von nationalen Identitäten zu verstehen.
- Das zweite Kapitel untersucht die Frage nach einer europäischen Kultur. Es analysiert die Rolle der Sprache, des historischen Diskurses und der Vorstellungskraft in der Konstruktion einer europäischen Identität. Es wird auch auf die Bedeutung gemeinsamer Werte und kultureller Elemente für die Bildung einer europäischen Nation eingegangen.
- Das dritte Kapitel widmet sich der Frage der gegenseitigen Anerkennung als Nation. Anhand von Daten des Eurostat wird untersucht, inwieweit sich die Bürger der EU-Staaten als Teil einer gemeinsamen Nation verstehen.
- Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem konstitutiven Außerhalb der europäischen Identität. Es wird analysiert, welche Faktoren und Prozesse zur Bildung von Differenz und Abgrenzung in Europa beitragen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Nation, Nationalisierung, Identität, Kultur, Erinnerung, Europa, Europäische Integration, Europäische Identität, Kollektive Identität, Differenz, Alterität, Gegenseitige Anerkennung, Konstitutives Außerhalb.
- Quote paper
- Philipp Ebert (Author), 2011, Die Nationalisierung Europas - Zu Stand und Zukunft der europäischen Identität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173459