Ein Blick in die derzeitige Politikberichterstattung der Medien bringt einige Skurrilitäten zu Tage: Da wetteifern Kanzlerkandidaten in Fernsehduellen um das besser Image bei den Bürgern. Da entblößen gewählte Repräsentanten - oder solche die es werden wollen - die privatesten Dinge oder treten in Seifenopern auf, um den Wähler mit unterhaltenden Merkmalen auf sich aufmerksam zu machen.
Ebenso bizarr mag es erscheinen, wenn heute-Journal und Tagesthemen auf einmal nicht nur harte Fakten bringen, sondern auch boulevardeske Stücke einfließen lassen. Statt „Fakten, Fakten, Fakten“ zählt im Journalismus vermehrt Unterhaltung.
So bemerken langjährige Zeitungsleser, wie sich selbst recht konservativ gestaltete Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder die Neue Zürcher Zeitung immer mehr mit Bildern schmücken.
Investigative Recherche, wie sie Günther Wallraff einst personifizierte, ist heute weniger zu entdecken denn je. Stattdessen bauen etliche Journalisten vermehrt auf Agentur- und Pressemitteilungen oder auf die Arbeit anderer Medien; sprich sie „drehen“ Stories ständig weiter statt ein neues Thema zu recherchieren. Statt kritischen Journalismus zu betreiben und als „Hüter des Gemeinwohls“ und „Wachhunde“, die den Politikern auf die Finger schauen, aufzutreten, scheinen Journalisten immer mehr zum „Schoßhund“ der poltischen Öffentlichkeitsarbeit zu werden.
Dem normativen Bild von Journalismus und Politik als Akteure im Sinne des Gemeinwohls wird dies kaum noch gerecht. „Was ist da faul im Staate Deutschland?“, mag sich daher so manch einer fragen. Warum agieren Journalisten und Politiker häufig entgegen den Ansprüchen, welche die Gesellschaft an sie stellt? Die Antwort könnte der Rational Choice Ansatz liefern und die vorliegende Arbeit will versuchen, eine solche Antwort darzustellen.
Ein Vorteil des Rational-Choice-Ansatzes ist hierbei, dass er sich interdisziplinär verwenden lässt, so dass die vorliegende Arbeit sowohl Ansätze aus der Politikwissenschaft, als auch aus der Journalismus- und Kommunikationsforschung – speziell aus der Public-Relations-Forschung - sowie aus den Wirtschaftswissenschaften und der Psychologie berücksichtigt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung - Was ist da faul im Staate Deutschland?
- 2. Der Rational-Choice-Ansatz in den Medienwissenschaften
- 2.1. Rational-Choice - Warum man kein homo oeconomicus sein muss und dennoch rational handeln kann
- 2.2. Was leitet Journalisten und Politiker in ihrem Handeln
- 3. Die Beziehung von Journalisten und Politikern – Eine antagonistische Kooperation
- 3.1. Der Informations-Aufmerksamkeits-Markt
- 3.2. Die Interaktion als Gefangenendilemma
- 3.3. Die Machtfrage
- 3.4. Entwicklung: Entpolitisierung und Medialisierung
- 3.4.1. Veränderung der Restriktionen und Anreize
- 3.4.2. Rationale Reaktionen
- 3.5. Das Intereffikationsmodell
- 4. Wenn die Lapdogs doch mal bellen: Zu Hoch- und Niedrigkostensituationen, Skandalen und ungleichen Machtverteilungen
- 4.1. Die unsichtbare Hand: Warum Kooperation nicht zwingend zu verzerrter Berichterstattung führt
- 4.2. Hoch- und Niedrigkostensituation: Wenn sich Recherche doch lohnt
- 4.3. Angebot und Nachfrage: Zwischen vierter Gewalt und verlängertem Arm
- 4.4. Von Parteispenden, Bonusmeilen und Liebesbeziehungen: Aufgedeckte Skandale als Paradebeispiel für kritischen Journalismus?
- 5. Medienwirkung – der vergessene Akteur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Beziehung zwischen Journalisten und Politikern unter dem Blickwinkel des Rational-Choice-Ansatzes. Sie analysiert, wie die Interaktion dieser Akteure in der politischen Öffentlichkeit durch rationale Handlungsstrategien geprägt ist.
- Rationale Handlungsstrategien von Journalisten und Politikern
- Die Rolle des Informations-Aufmerksamkeits-Marktes
- Das Gefangenendilemma zwischen Journalisten und Politikern
- Die Machtverhältnisse und Einflussmöglichkeiten der Akteure
- Die Entwicklung der Beziehung zwischen Journalisten und Politikern im Kontext von Entpolitisierung und Medialisierung
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 liefert eine einleitende Problembeschreibung, indem es die vermeintliche Entkritisierung des Journalismus im Kontext der politischen Berichterstattung beleuchtet. Kapitel 2 stellt den Rational-Choice-Ansatz als analytisches Werkzeug vor und erläutert dessen Anwendungsmöglichkeiten auf das Verhalten von Journalisten und Politikern. Kapitel 3 befasst sich mit der Beziehung zwischen Journalisten und Politikern als antagonistische Kooperation, analysiert die Dynamik des Informations-Aufmerksamkeits-Marktes und beleuchtet das Gefangenendilemma der Interaktion. Es werden außerdem die Machtverhältnisse der Akteure und deren Veränderungen durch Entpolitisierung und Medialisierung untersucht.
Schlüsselwörter
Rational-Choice-Ansatz, Medienwissenschaft, Journalismus, Politik, Macht, Interaktion, Entpolitisierung, Medialisierung, Informations-Aufmerksamkeits-Markt, Gefangenendilemma, Intereffikationsmodell, Skandale, Medienwirkung.
- Citation du texte
- Vanessa Köneke (Auteur), 2010, Vom Wachhund zum Schoßhund? Eine Analyse der Beziehung von Journalisten und Politikern anhand des Rational-Choice-Ansatzes , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173599