Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Entwicklung der ASEAN
2.1 Etablierungs- und Konsolidierungsphase
2.2 Verdichtung, Ausweitung und überregionale Kooperation
2.3 „Neue / Alte ASEAN“
3. Sicherheitskonzeption der ASEAN
3.1 ASEAN-Konzept national und regional resilience
3.2 ASEAN Vision 2020
4. Analyse der ASEAN-Region
4.1 Sicherheitsgemeinschaft nach Karl Deutsch
4.2 Gemeinschaftsbildung nach Emanuel Adler und Michael Barnett
4.3 Sicherheitskooperation
4.4 Wirtschaftskooperation
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ASEAN´s fundamental norms are directed toward protecting and enhancing the sovereignty of its member states. Sovereignty is the foundation on which ASEAN is built […] In Practice, that means that the ASEAN regional identity does not prevent the ASEAN states from putting narrow national interests above regional interests. […] In addition, ASEAN´s members often do not share economic and political philosophies, systems, or levels of development. […] The common interests and objectives that are crucial to the formation of a strong regional institution are often missing in the ASEAN.”1
In Bezug auf die Ansicht Shaun Narines können innerhalb der Wissenschaft äquivalente Meinungen bezüglich der ASEAN konstatiert werden.2 Gemäß den Aussagen James Clauds ist die ASEAN eine „[…] bisslose Schwatzbude, die bestenfalls regungslos überlebe, oder längst politisch irrelevant geworden sei.“3 Kritisiert werden strukturelle Schwächen, geringe Institutionalisierung, Nichteinmischungsprinzip, verfrühte Erweiterung und Versagen bei der Bewältigung regionaler Probleme im Zuge der Asienkrise. Wiederum ist es der ASEAN jedoch für mehr als dreißig Jahre gelungen, im internationalen System zu überleben und sich zu etablieren. Einschätzungen darüber, welchen Stellenwert die Organisation südostasiatischer Staaten heute einnimmt, divergieren in hohem Maße. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob die ASEAN einer Sicherheitsgemeinschaft mit identitätsbildenden Elementen, einem politischen Debattierclub oder lediglich einem „sicherheitspolitischen Papiertiger“ entspricht.
Das genaue Thema der Hausarbeit untersucht Faktoren der Identitäts- und Gemeinschaftsbildung innerhalb der ASEAN. Methodisch wird dabei im historischen Kontext begonnen, um auf diesem Wege zum einen die Mitglieder einende Elemente erkennen zu können, zum anderen das zunächst monumental wirkende Thema einzugrenzen.
Darauf basierend werden im nächsten Schritt Grundaussagen zur Sicherheitskonzeption der ASEAN getroffen, um das Konzept von „national und regional resilience“ herausfiltern zu können. Gerechtfertigt ist dies durch die Tatsache, dass unmerklich erst durch ein vorhandenes sicherheitspolitisches Grundverständnis verschiedene Konzeptionslinien verfolgt und verstanden werden können. Im Folgenden werden die theoretischen Konstrukte auf die ASEAN übertragen, um die Untersuchungsstränge zusammenzuführen und abstrakt zu einem abschließenden Urteil fortführen zu können.
Abgeschlossen wird die Arbeit durch eine gewissenhafte Bewertung, ob und inwieweit Auffassungen, welche ein negatives Bild der ASEAN skizzieren, mit einer möglicherweise vorhandenen Gegenwartsbedeutung vereinbar sind.
2. Entwicklung der ASEAN
2.1 Etablierungs-- und Konsolidierungsphase
Die Entfaltung der „Association of Southeast Asian Nations“4 im Sinne einer „[...] relatively stable collection of practices and rules defining appropriate behavior for specific groups of actors in specific situations“5 lässt sich im Spiegel deren Aktivitäten grundsätzlich in zwei Entwicklungsstadien aufgliedern . Zum einen in die Phase der Etablierung bzw. Konsolidierung, zum anderen in die der institutionellen Verdichtung, regionalen Ausweitung und überregionalen Kooperation. Daran schließt sich der Zeitraum von 1992 bis heute an, welcher mit dem Begriff „Neue / Alte ASEAN“ zunächst rudimentär umschrieben werden kann.6
Mittels der Erklärung von Bangkok vom 8. August 1967 wurde die ASEAN seitens der fünf ursprünglichen Mitglieder - namentlich Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand - gegründet.7 Die Mitgliedstaaten vereinbarten im oben genannten Gründungsstatut eine „Art Geschlossenheit nach außen“, die Existenz politischer Dialoge und den Schutz der „domaine réservé“8 der jeweiligen Regierungen anhand des Prinzips der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten unter Wahrung eigenständiger Souveränität. „Nation-building-Prozesse“ sind in der Deklaration zunächst nur vage formuliert und hierarchisch an unterer prioritärer Stufe angesiedelt.9 Diese präferentielle Abstufung lässt sich mit Hilfe der Analyse politischer Systeme, ökonomischer Entwicklung und religiöser Ausrichtung erklären. Bei ersteren lässt sich eine Vielfalt an Regierungs- bzw. Staatsformen feststellen.10 In Bezug auf die wirtschaftliche Prosperität sind erhebliche Divergenzen konstatierbar, welche bis in die Gegenwart vorherrschend sind.11 Parallel dazu ist die Glaubensausrichtung der Bevölkerung ein wildes Potpourri von Islam, Buddhismus und Christentum.12 All diese Faktoren bestimmen etwaige Regionalisierungsbestrebungen in Südostasien. Aus diesem Grund war die Kooperation innerhalb der Region von Beginn an vorsichtig und zurückhaltend. Auf der einen Seite dominierte das Hegemonial- und Expansionsstreben der Großmächte USA und Großbritannien, auf der anderen Seite bestimmte die „konfrontasi-Krise“ zwischen Indonesien und Malaysia das politische Gleichgewicht. Ausgehend von diesen Unterschiedlichkeiten bzw. schwelenden Konflikten entwickelten die potentiellen Mitglieder per se ein Bewusstsein, Konflikte nicht eskalieren lassen zu wollen.13 Dieses Paradigma bildete die zentrale Motivation zur Gründung der ASEAN. Bemühungen der Kodifizierung der wechselseitigen Bestrebungen zwischen Kolonialmächten und ASEAN-Staaten begannen 1954 mit dem Versuch der USA, in der „Southeast Asian Treaty Organization“ (SEATO) eine Organisation zur Bekämpfung des Kommunismus zu schaffen. Im gleichen Jahr unterzeichneten Großbritannien, Frankreich, Australien, Neuseeland, Pakistan, Thailand, Philippinen und die USA das „Manila-Abkommen“.14 Jedoch wurde dieses Bündnis aufgrund der westlichen Federführung von vielen Staaten (außer Philippinen und Thailand) kritisiert und als nicht gemeinschaftsfördernd eingestuft. In der Folge sind weitere Pionierorganisationen vor Gründung der ASEAN ins Leben gerufen wurden, die „Association of Southeast Asia“ (ASA) von 1961, sowie die Maphilindo zwischen Malaysia, Philippinen und Indonesien. Das Dreierbündnis hatte aufgrund interner Auseinandersetzungen, fehlenden politischen Willens Indonesiens und ungelöster Territorialkonflikte keine dauerhafte Existenz. Ablehnende Haltungen der indonesischen Regierung fußten dabei auf Forderungen, selbst eine herausgehobene Rolle einnehmen zu wollen. Dagegen sah Malaysia in diesen Regionalisierungstendenzen Möglichkeiten, dass wirtschaftlich im Vergleich zu anderen Staaten am meisten florierende Indonesien zu integrieren, um dessen Konflikt- und Aggressionspotential einzudämmen.15
Ausgehend von der SEATO lässt sich das gemeinschaftsbildende Element „Antikommunismus“ konstatieren, welches gewissermaßen eine stabile Grundlage für die Zusammenarbeit beider Staaten erzeugte.16 Entwicklungen im Vietnamkrieg und der Aufstieg Chinas zur Weltmacht mit dem Bau der Atombombe 1964 verstärkten unmittelbare Gefühle der Unsicherheit. Innerhalb der neu geschaffenen Organisation südostasiatischer Staaten wurden Regelungen getroffen, welche einen Prozess der Gemeinschaftbildung auf politischer, ökonomischer und sozio-kultureller Ebene in Gang setzen sollten. Auf sicherheitspolitischer Ebene verständigten sich die Mitglieder darauf, die ASEAN lediglich als Plattform persönlicher Treffen funktional in Erscheinung treten zu lassen. Bilaterale Konflikte, insbesondere zwischen Malaysia und den Philippinen17, wurden zu lösen versucht, indem Vertreter der Regierungen sich auf die ASEAN im Sinne einer Arena der Konfliktlösung beriefen und diese damit als Institution bestätigten.18 Im Zuge dessen entwickelten alle Mitgliedstaaten kommunikative Strukturen, ohne eine vertiefende Institutionalisierung vorantreiben zu wollen. Verschiedene Mitglieder bezeichneten die ASEAN deshalb mit „diplomatic community“, „talk shop“ oder „deliberativer Institution“.19
[...]
1 Narine, Shaun, Explaining ASEAN. Regionalism in Southeast Asia, 1. Auflage, Boulder 2002. S. 3.
2 Vgl. Deenon, David / Colbert, Evelyn, Challenges for the Association of Southeast Asian Nations, in: Pacific Affairs, Jg. 71 1998, Nr. 4, S. 505-523; Rüland, Jürgen, ASEAN and the Asian crisis: theoretical implications and practical consequences for Southeast Asian regionalism“, in: The Pacific Review; Vol. 13 2000, No. 3, S. 421-451; Archarya, Amitav, Constructing a Security Community in Southeast Asia: ASEAN and the Problem of Regional Order, 1. Auflage, London 2001; Clad, James, Fin de Siecle, Fin de l´ASEAN?, in: CSIS Pacific Forum, PacNet Newsletter (http://www.csis.org/pacfor/pac0009.html), 28.03.2000.
3 Clad, James, 2000, S. 2.
4 Im weiteren Verlauf wird „Association of Southeast Asian Nations“ mit ASEAN abgekürzt.
5 Vgl. March, James / Olsen, Johan, The Institutional Dynamic of International Political Orders, in: International Organization Jg. 52 1998, Nr. 4, S. 943-969.
6 Vgl. Ufen, Andreas, Neuer Regionalismus in Südostasien - Das Beispiel der ASEAN, in: Nord-Süd aktuell 1/2004, S. 88-104, insbesondere S. 88f..
7 http://www.aseansec.org/1212.htm (Zugriff am 13. März 12:20); Weiterhin zählen im Zuge der Erweiterungsphasen Burnei, Vietnam, Laos, Myanmar und Kambodscha zu den Mitgliedstaaten der ASEAN.
8 Der Begriff umschreibt die inneren Angelegenheiten des Staates; Vgl. Herdegen, Matthias, Völkerrecht, 7. Auflage, München 2008, S. 218 f..
9 Vgl. Freistein, Katja, Die Praxis des „ASEAN Way“. Über den Umgang mit zwischenstaatlichen Konflikten in Südostasien. Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Report 4/2006, Frankfurt am Main, 2006.
10 Vgl. www.bertelsmann-transformation-index.de/37.0.html. (Zugriff am 4. März 2010, 13:33).
11 Vgl. www.aseansec.org/macroeconomic/aq_sel1.htm (Zugriff am 4. März 2010, 13:38).
12 Vgl. Freistein, Katja, 2006, S. 2.
13 Vgl. ebd., S. 8.
14 In der Literatur ebenso bezeichnet mit „South-East Asia Collective Defense Treaty“.
15 Chinyong Liow, Joseph, The Politics of Indonesia-Malaysia Relations, 1. Auflage, London/New York 2005, S. 113 f.
16 Insbesondere China wurde innerhalb der ASEAN als Bedrohung angesehen.
17 Vgl. Corregidor-Affäre 1968. Philippinische Soldaten wurden auf der Insel Corregidor für den Einsatz im SabahKonflikt mit Malaysia ausgebildet. Es folgte der Abbruch jeglicher diplomatischer Beziehungen.
18 Vgl. Narine, Shaun, 2002, S. 19 f..
19 Freistein, Katja, 2006, S. 11.