Mögliche Auswirkungen eines Beitritts Islands zur Europäischen Union


Tesis de Maestría, 2011

83 Páginas, Calificación: 1,5


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. inleitung

2. Landeskundliches Profil
2.1 Geographie
2.2 Geschichte
2.3 Bevölkerung
2.4 Wirtschaft
2.5 Politisches System

3. Island und der Prozess der europäischen Integration
3.1 Geschichte
3.2 EFTA
3.3 EWR
3.4 Schengen
3.5 Finanzkrise
3.6 Beitrittsantrag 2009

4. Beitrittsverfahren
4.1 Voraussetzung
4.2 Kopenhagener Kriterien
4.2.1PolitischeKriterien
4.2.2 Wirtschaftliche Kriterien
4.2.3 Aufnahmefähigkeit der Union
4.3 Beitrittsverfahren
4.3.1 Einleitungsphase
4.3.2 Verhandlungsphase
4.3.2.1 Vom EWR eingeschlossen Verhandlungskapitel
4.3.2.2 Vom EWR teilweise eingeschlossene Verhandlungskapitel
4.3.2.3 Vom EWR nicht eingeschlossene Verhandlungskapitel
4.3.3 Abschlussphase

5. Problemfelder
5.1 Icesave
5.2 Walfang
5.3 Justiz
5.4 Fischerei
5.5 Landwirtschaft
5.6 Kapitalverkehr
5.7 Umweltschutz
5.8 Souveränitätsverlust
5.9 Verfassungsänderung und Referendum

6. Auswirkungen
6.1 EU
6.1.1 Wirtschaftlich
6.1.2 Politisch
6.2 Island
6.2.1 Wirtschaftlich
6.2.2 Politisch
6.3 EFTA/EWR
6.4 N ichtb eitritt 6

7. Schlussfolgerung

8. Literaturverzeichnis

9. Internetseiten

10. Interviews

Anhang I: Bevölkerung und Fläche
Anhang II: Bruttonationaleinkommen pro Einwohner
Anhang III: Arbeitslosigkeit in Island
Anhang IV: InflationinIsland
Anhang V: Wirtschaftswachstum in Island

1. Einleitung

Island gehört mit Norwegen und der Schweiz zu den Staaten Westeuropas, die sich bisher gegen einen EU-Beitritt entschieden haben. Während Norwegen einen Beitritt bereits viermal beantragt hat, wobei dieses zweimal in den Jahren 1972 und 1994 in einem Referendum abgelehnt wurde und selbst die Schweiz 1992 einen Antrag gestellt hat und nach einem Referendum aber zurückzog, haben die Isländer diesbezüglich noch keine Schritte gemacht. Bereits dreimal wurden in Island Debatten über die Zukunft des Landes innerhalb der europäischen Integration geführt. Zuerst im Vorfeld zur Mitgliedschaft in der EFTA (1968 bis 1969), dann vor der Mitgliedschaft im EWR (1989 bis 1993). Zuletzt gab es während der Regierung der Sozialdemokraten wieder eine größere Debatte über ein aktiveres Mitwirken in der europäischen Politik (2000 bis 2003). In der Fachliteratur gehörte Island noch bis vor kurzem zu den wenigen europäischen Staaten, die keinen Beitritt zur Europäischen Union angestrebt haben (Eythórsson, Grétar Thor/ Jahn, Detlef: 2009, S. 196). Seitdem die Bevölkerung Norwegens in einem Referendum 1994 einen Beitritt zur Europäischen Union abgelehnt hat, schien das Thema auch für Island nicht mehr von Bedeutung zu sein. Selbst im Wahlkampf 2007 spielte das Thema EU-Beitritt keine Rolle. Erst 2009, nach der Finanzkrise, stellte Island den Antrag Mitglied der europäischen Staatengemeinschaft zu werden. Objektiv scheint der Unterschied zwischen Mitgliedschaft und Nichtmitgliedschaft auf Grund des hohen Maßes an Integration Islands nicht sehr groß zu sein. Somit stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine mögliche Mitgliedschaft für Island, die EU und die EFTA überhaupt hätte. Dies soll die Leitfrage dieser Magisterarbeit sein. Dabei soll jedoch auch beachtet werden, welche Folgen ein Nichtbeitritt hätte. Hierbei ist es wichtig, zwischen kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen zu unterscheiden.

In einem landeskundlichen Profil wird zunächst das Land beschrieben. In diesem Abschnitt spielt vor allem die geographische Lage, das politische System und die Wirtschaft eine wichtige Rolle. Dies sind wichtige Indikatoren, die einen Beitritt beeinflussen können. Dabei wird das politische System Islands nur kurz beschrieben. Vor allem auf Politik und Wirtschaft wird im vierten Kapitel nochmals Rückgriff genommen, wenn es um das Beitrittsverfahren geht. Bevor die Fragestellung beantwortet wird, welche Auswirkungen ein EU-Beitritt Islands hätte, ist es wichtig, die bisherigen Beziehungen zwischen beiden Parteien zu betrachten. Dies geschieht im dritten Kapitel. Da die Gegenwart von der Vergangenheit lebt, ist es unumgänglich einen Blick auf die Geschichte zu werfen. Es wird neben einem geschichtlichen Abriss das Verhältnis zwischen Island und der EU im Rahmen der EFTA, des EWRs und des Schengener Abkommens geschildert. Die jüngere Geschichte Islands spielt insofern eine wichtige Rolle, da die bereits vorhandene wirtschaftliche Integration Islands in ein europäisches Wirtschaftssystem Auswirkungen auf den Beitrittsprozess und die späteren Folgen hat. Die Finanzkrise stellt ein Punkt dar, an dem sich ein Wechsel der bisherigen Außenpolitik des Landes vollzog, welcher in einem eigenen Unterkapitel erwähnt wird. Der bisher abgelehnte EU-Beitritt wird nun angestrebt.

Kapitel vier bildet einen zum Teil theoretischen, zum anderen Teil aber auch einen auf Island bezogenen praktischen Rahmen. Das Beitrittsverfahren mit den Voraussetzungen, den Kopenhagener Kriterien und dem Ablauf des Beitrittsprozesses selbst werden jeweils theoretisch und allgemein vorgestellt. Zudem erfolgt dann ein Bezug auf Island, in wie weit welche Voraussetzungen erfüllt werden beziehungsweise welche Stufen des Beitrittsprozesses bereits erfolgt sind. Des Weiteren findet hier bereits ein Überblick über die einzelnen Verhandlungskapitel statt. Ein Abgleich zwischen diesem und dem EWR-Recht soll dabei ebenfalls erfolgen.

Um die Frage zu beantworten, welche Nachteile oder Befürchtungen mit einem EU­Beitritt auftreten könnten, werden im fünften Kapitel einige ausgewählte Problemfelder aufgeführt. Dabei können nicht alle Konfliktthemen im vollem Umfang thematisiert werden, die auftreten, beziehungsweise sich ergeben könnten. Die gewählten Beispiele sollen veranschaulichen, in wie weit sich wirtschaftliche und politische Verhältnisse in Island ändern würden beziehungsweise könnten. Jedoch werden nicht nur Problemfelder thematisiert, welche in den Verhandlungen auftreten können. Auch kritische Teile der isländischen Beitrittsdebatte werden hier aufgeführt werden. Zudem sollen hier mögliche Lösungsansätze beschrieben werden.

Darauf aufbauend werden im sechsten Kapitel die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen eines Beitritts beschrieben. Dies geschieht sowohl für Island als auch für die EU selbst. In diesem Kapitel sollen die Eingangs gestellten Fragen beantwortet werden. Ein isländischer EU-Beitritt hätte zudem Folgen für die EFTA und den EWR. Diese sollen jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. In einem eigenem Unterkapitel werden zudem die Auswirkungen eines Nichtbeitritts geschildert werden.

Die Schlussfolgerung wird den Abschluss der Arbeit bilden. Dabei soll versucht werden, die auftretenden Vor- und Nachteile für beide Seiten abzuwiegen. Hierfür werden die Auswirkungen noch mal in ihrer Intensität beschrieben.

Im Anhang finden sich Statistiken, mit denen man Island mit den EU-Staaten vergleichen kann. Dadurch soll eine leichtere Vergleichbarkeit, unter anderem in Bezug auf Fläche, Einwohner und Wirtschaftsleistung erreicht werden.

Neueste Monographien zu den möglichen Auswirkungen wurden bisher noch nicht veröffentlicht. Lediglich einige kürzere Aufsätze wurden verfasst, unter anderem von Carsten Schymik (2009, 2010a und 2010b). Zudem haben sich überwiegend isländische und nordeuropäische Autoren beschäftigt mit dem Thema beschäfftigt, dabei sind unter anderem Eirikur Bergmann (Island), Morten Harper (Norwegen), Arna Schramm (Schweden) oder Gunnar Helgi Kristinsson (Island) zu erwähnen. Allerdings wurde in ihren Artikeln noch nicht auf die eingangs gestellte Leitfrage näher eingegangen. Ihre Artikel befassen sich vor allem mit wirtschaftlichen Fragen. Grundlagen zur Beantwortung der Leitfrage bilden daher zumeist Pressemitteilungen, öffentliche Dokumente der Europäischen Union und des deutschen Bundestages sowie Interviews. Zur älteren Literatur, wobei älter hier vor 2008 bedeutet, gehört unter anderem der Sammelband von Baldur Thorhallson: Iceland and the European Integration - On the edge (London 2004). Ein Großteil der Literatur ist in Englisch, Dänisch, Schwedisch oder Norwegisch verfasst. Statistische Daten zur Bevölkerung und Wirtschaft stammen vorwiegend vom isländischen Statistikamt (www.statice.is/Statistics) beziehungsweise aus dem Fischer Weltalmanach 2010 und 2011. Um weiterführende Informationen zu erhalten beziehungsweise bereits vorhandene Informationen zu bestätigen, wurden entsprechende Interviews geführt. Gesprächspartner waren der Botschafter der Republik Island in Berlin, Gunnar Snorri Gunnarsson und der Leiter der politischen Abteilung der niederländischen Botschaft, Artur den Hartog. Weitere Anmerkungen und Hinweise kamen von Frau Elsa Dideriksdottir, Bibliothekarin der Universitätsbibliothek Kiel. Im Laufe der Magisterarbeit wird der Begriff europäisch, wenn nicht anders beschrieben, synonym für die Europäische Union verwendet.

2. Landeskundliches Profil

2.1 Geographie

Island liegt im Nordatlantik, nordöstlich der britischen Inseln (siehe Abb. 1) und etwa 300 Kilometer westlich von Grönland (Bengtsson; Arne: 2009, S.3). Der Name der Insel leitet sich von der Tatsache ab, das etwa ein Zehntel der Fläche von Eisflächen und Gletschern bedeckt ist. Die Landesfläche von rund 103.000 km2 entspricht etwas weniger als einem drittel der Größe Deutschlands. Island liegt auf dem Mittelatlantischen Rücken, einer überwiegend unterseeischen Gebirgskette entlang des Grabenbruches zwischen der Eurasischen beziehungsweise der Afrikanischen und Nordamerikanischen Kontinentalplatte. Dadurch ist Island vulkanischer Herkunft. Noch heute ist die Landschaft durch vulkanische Aktivitäten und Geothermalquellen (Geysire) geprägt. Geographisch liegt die Insel auf der Grenze zwischen Europa und Nordamerika.

Island liegt unmittelbar südlich des Polarkreises, durch den Golfstrom ist das Klima jedoch vergleichsweise mild. So sind die Häfen Islands zumindest im Süden der Insel ganzjährig eisfrei. Die Durchschnittstemperaturen schwanken in Reykjavik zwischen einem Grad Celsiua im Januar und elf Grad Celsius im Juli (Bengtsson; Arne: 2009, S. 3). Das Klima im Landesinneren ist dagegen im Winter kälter. Dafür sind die Sommer in diesen Gebieten wärmer, da die temperaturhaltende Wirkung des Ozeans dort schwächer ist. Insgesamt sind die Temperaturschwankungen fernab der Küste dadurch stärker ausgeprägt. Große Teile des Landesinneren sind von Gletschern bedeckt, von denen der Vatnajökull der Größte in Europa ist.

Die höchste Erhebung ist der Hvannadalshnúkur mit 2119 Metern über den Meeresspiegel, der längste Fluss heißt Thjórsá und erstreckt sich über eine Länge von 237 Kilometer (Bengtsson; Arne: 2009, S. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 1: Bengtsson, Arne, S. 2)

2.2 Geschichte

Die Geschichte Islands beginnt mit der Entdeckung durch irische Mönche um 795 n. Chr. und der dauerhaften Besiedlung im 9. Jahrhundert durch Einwanderer, welche vornehmlich aus Skandinavien stammten. Bereits im Jahr 930 wurde in Island eine Versammlung, das Althingi, einberufen und mit legislativen und judikativen Funktionen ausgestattet. Bis 1262 lagen diese Aufgaben in den Händen einiger weniger Stammeshäuptlingen, dadurch war die Lage zeitweise sehr instabil. 1262 griff der norwegische König ein und eroberte die Insel. Als norwegische Kolonie trat Island 1397 der Kalmarer Union bei (bis 1537), welche eine gemeinsame Krone in Nordeuropa etablierte. Schweden verließ 1537 die Union wieder, Norwegen folgte 1814. Island verblieb danach bei Dänemark.

Die Isländer gingen davon aus, dass der Unionsvertrag ein persönlicher mit dem dänischen König war und nicht mit dem Staat Dänemark (Kristinsson, Gunnar Helgi: 2006, S. 185). Deshalb forderten sie ab 1848 (Ende des Absolutismus in Dänemark) eine eigene Verfassung. Erst im Jahre 1874 bekam Island eine separate Verfassung und das Althingi einige legislative Rechte. 1904 etablierte sich eine exekutive Gewalt, welche die Selbstverwaltung Islands gewährleisten sollte. Rein formell waren

isländische Minister jedoch immer noch Mitglieder der dänischen Regierung. 1918 erlangte die Insel die Souveränität unter der dänischen Krone. Nach der Besetzung Dänemarks im Jahre 1940 durch die Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges wurde Island zuerst von britischen, später von amerikanischen Truppen besetzt, um eine deutsche Invasion zu verhindern. Erst 1944 wurde die Union mit Dänemark endgültig aufgelöst und in Island wurde die Republik ausgerufen. Den Verlust der noch jungen Souveränität stellte für die Isländer bisher als eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur europäischen Integration dar.

2,3 Bevölkerung

Island gehört mit etwa 317.000 Einwohnern (von Baratta, Mario: 2010, S. 245) bevölkerungstechnisch zu den Zwergstaaten und hat damit weniger Einwohner als beispielsweise Malta mit etwa 412.000 Einwohner (von Baratta, Mario: 2010, S. 324). Das Land würde damit zum bisher kleinsten EU-Mitglied werden. Mit etwa 3 Einwohnernje Quadratkilometer ist das Land zudem sehr dünn besiedelt. Ein Großteil der Bevölkerung konzentriert sich dabei auf die Hauptstadt Reykjavik (118.000 Einwohner) und Umgebung, 93 Prozent der Isländer leben in Städten (Bengtsson; Arne: 2009, S. 5). Damit gehört Island zu den Staaten mit dem höchsten Urbanisierungsgrad. Die Lebenserwartung der Isländer gehört zu den längsten Europas und beträgt 82 Jahre bei Frauen, beziehungsweise 79 Jahre bei Männern (Bengtsson; Arne: 2009, S. 5).

89 Prozent der Bevölkerung sind Isländer, einheimische Minderheiten gibt es nicht. Die größte Gruppe von Ausländern stellen Dänen dar (0,9 Prozent), gefolgt von Schweden (0,6 Prozent) (Bengtsson; Arne: 2009, S. 5). Die restlichen 9,5 Prozent verteilen sich auf andere Gruppen.

Island hat keine offizielle Amtssprache, faktisch ist es aber Isländisch, welche zu den Westgermanischen Sprache gehört. Ihr am ähnlichsten ist die Sprache der Färöer.

80 Prozent der Isländer gehören der evangelisch-lutherischen Kirche an, 6 Prozent einer anderen protestantischen Gemeinde, 2,5 Prozent sind katholisch (Bengtsson; Arne: 2009, S. 5). Die restlichen 11,5 Prozent gehören anderen oder keiner Glaubensgemeinschaften an.

2.4 Wirtschaft

Island hatte 2008 ein BNP von 40.450 US-Dollar pro Kopf (kaufkraftbereinigt) und war damit eine der Wohlhabendstenden Gesellschaften in der Welt (von Baratta, Mario: 2010, S. 245). Dies unterscheidet Island von anderen Beitrittskandidaten, wie zum Beispiel der Türkei, Kroatien und Mazedonien.

Die Landwirtschaft machte dabei etwa 1,4 Prozent des BNP aus, Fischerei und Fischindustrie 4,4 Prozent; übrige Industrie 26,4 Prozent und 67,8 Prozent kamen aus dem Dienstleistungsbereich (Bengtsson; Arne: 2009, S. 17). Damit besitzt Island eine starke Ausprägung des tertiären Sektors, dass typisch ist für eine postindustrielle Gesellschaft. Fischerei wird in Island, im Gegensatz zur Europäischen Union, als Teil der Industrie betrachtet. Landwirtschaft spielt nur eine untergeordnete Rolle, was vor allem daran liegt, dass nur ein Prozent der Gesamtfläche des Landes überhaupt für Ackerbau geeignet ist (Bengtsson, Arne: 2009, S. 19). In der Landwirtschaft ist insbesondere Schafhaltung und die Zucht der bekannten Islandponys von größerer Bedeutung. Ein hohes Potenzial bietet die Energiegewinnung aus Geothermalquellen, welche aufgrund der geologischen Beschaffenheit enorme Ressourcen besitzen. Dadurch kann Island große Mengen an Energie für energieintensive Industriezweige bereitstellen. Dies ermöglichte den Bau mehrerer Aluminiumschmelzen bei Reykjavik. Lange Zeit waren Fisch und Fischprodukte die dominierenden Exportgüter, noch 1960 war Fisch praktisch das einzige Exportgut (Schumacher, Tom: 2000, S. 83). 2008 überholte Aluminium Fisch als wichtigstes Exportgut (Bengtsson; Arne: 2009, S. 17). Die meisten Exporte gehen in die Niederlande, nach Deutschland, Großbritannien und Japan. Hauptimportgüter sind Maschinen, Fahrzeuge, Öl und Lebensmittel vor allem aus Deutschland, Norwegen, Schweden und China.

Tourismus spielt in Island eine immer größere Rolle. Die beeindruckenden Landschaften, insbesondere die Gletschergebiete und aktive Geysire lockten 2005 370.000 ausländische Touristen an (Bengtsson; Arne: 2009, S. 23). Die meisten kamen aus den anderen Nordeuropäischen Staaten, Großbritannien, den USA und Deutschland.

Island hat mit der isländischen Krone die kleinste selbstständige Währung. Dies machte das Land besonders anfällig für Währungsschwankungen.

2.5 Politisches System

Das politische System begründet sich auf die 1944 verabschiedete Verfassung nach dänischem Vorbild. Allerdings steht an der Spitze des Staates kein Monarch, sondern ein gewählter Präsident. Nach der Verfassung ist Island eine Republik mit einer Ein­Kammer-Legislative. Staatsoberhaupt ist der Präsident, welcher direkt vom Volk gewählt wird, Wiederwahlen sind beliebig oft möglich. Seit 1996 bekleidet Olafur Ragnar Grimsson das Amt des Präsidenten. Der Präsident ernennt den Ministerpräsidenten und die Minister. Der Ministerpräsident muss jedoch vom Parlament, dem Althing, gewählt werden. Seit 2006 ist Johanna Siguròardóttir Ministerpräsidentin.

In der Theorie ist die Macht zwischen dem Präsidenten und der Regierung geteilt, in der Praxis liegt sie jedoch eher bei der Regierung (Bengtsson; Arne: 2009, S.8). Der Präsident übernimmt traditionell eine vorwiegend repräsentative Rolle (Eythorsson, GrétarThór/ Jahn, Detlef: 2009, S. 197).

Das Parlament besteht aus 63 Abgeordneten. Zur Zeit sind sechs Parteien im Parlament vertreten: Die Sozialdemokratische Allianz, welche zusammen mit der Linksgrünen Bewegung die Regierung stellen. In der Opposition befinden sich die Liberale Partei, die Unabhängigkeitspartei, die Fortschrittspartei und die Bürgerbewegung. Gewählt wird alle vier Jahre, stimmberechtigt istjeder Isländer ab 18 Jahren.

Island gehört zu den ältesten Demokratien Europas, die Menschenrechte sind gegeben. Die persönliche Freiheit des Einzelnen, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus sind gewährleistet.

3. Island und der Prozess der europäischen Integration

3.1 Geschichte

Island war 1948 Gründungsmitglied der OEEC (Organisation for European Economic Cooperation), welche die Hilfsmittel aus dem Marshallplan verwaltete. Island bekam Mittel in Form von Krediten und Schenkungen (Daniel, Ute: 1982, S. 61). Ziel der OEEC war der wirtschaftliche Wiederaufbau Europas. Dazu sollte unter anderem ein freier Handel zwischen den Teilnehmerstaaten garantiert werden. Jedoch schloss sich Island mit dem Verweis auf seine Größe und der anfälligen Wirtschaft aus diesem aus. An einer weitergehenden aktiven Beteiligung innerhalb internationaler Institutionen wurde nach der Etablierung des Internationalen Währungsfond und der Weltbank verzichtet (Thorhallson, Baldur; Vignisson, Hjalti Thor: 2004, S. 22). Die Handelsbeziehungen mit den Staaten Westeuropas blieben bis in die 70er Jahre im Vergleich zu dem Handel mit den USA eher unterentwickelt (Eythórsson, Gretar Thor/ Jahn, Detlef: 2009, 215). Vor allem Handelskonflikte und der Streit mit Großbritannien um die Erweiterung der Seegrenzen waren die Ursache dafür.

Als ab 1957 einige europäische Staaten unter Führung Großbritanniens die negativen Folgen einer Nichtmitgliedschaft in der EWG wahrnahmen und die Gründung einer eigenen Freihandelszone planten, führte dies in Island ebenfalls zu einer Debatte über den Prozess der europäischen Integration. Auf Grund der einseitigen Ausprägung der Isländischen Exporte (92 Prozent Fisch und Fischprodukte in 1952, Thorhallson, Baldur; Vignisson, Hjalti Thor: 2004, S. 22) hätte ein Beitritt zur EWG signifikante Auswirkungen für die heimische Wirtschaft gehabt. Deshalb wurde hiervon Abstand genommen.

3.2 EFTA

Die EFTA (European Free Trade Assosiation) wurde I960 gegründet. Die Organe der EFTA bestehen aus dem EFTA-Rat und dem Sekretariat in Genf mit zehn ständigen Komitees. Der Rat tagt mindestens zweimal jährlich aufMinisterebene.

Vor allem Großbritannien sah in ihr ein Gegenmodell zur EWG. Die Gründungsmitglieder (neben Großbritannien Dänemark, Schweden, Norwegen, Schweiz, Österreich und Portugal) wollten beziehungsweise konnten keine Einschränkung ihrer wirtschaftspolitischen Unabhängigkeit dulden (Brunn, Gerhard: 2004, S. 136). Die Freihandelsorganisation sollte die befürchteten Nachteile, welche aus einer Nichtmitgliedschaft in der EWG entstehen würden, ausgleichen (Boden, Martina: 1996, S. 13). Die wirtschaftlichen Ziele der EFTA waren weitestgehend die gleichen wie die der EWG: Wirtschaftswachstum, Produktivitätssteigerung,

Vollbeschäftigung und Wohlfahrtssteigerung. Dazu sollte ein gemeinsamer Binnenmarkt ohne Zölle und Mengenbeschränkungen geschaffen werden. Dabei gab es Sonderbestimmungen für die Bereiche der Landwirtschaft und Fischerei. Im Gegensatz zur EWG wurde aber auf einen gemeinsamen Außenzoll verzichtet. Die Spaltung Europas in zwei Wirtschaftsblöcke bestand allerdings nur theoretisch, der Handel zwischen den jeweiligen Mitgliedsstaaten lief ungehindert weiter (Brunn, Gerhard: 2004, S. 137). So wurden mehr Güter von EFTA-Staaten in die EWG exportiert, als in andere EFTA-Mitgliedern (Brunn, Gerhard: 2004, S. 137). Die EFTA bot keine wirkliche Alternative zur EWG, dessen Integrationskonzept sich als das erfolgreichere darstellen sollte (Brunn, Gerhard: 2004, S. 137). Einigen Mitgliedern diente die Mitgliedschaft in der EFTA zur Vorbereitung einer späteren EWG-Mitgliedschaft. Großbritannien und Dänemark, beides Gründungsmitglieder der EFTA, traten 1973 aus der selbigen aus und der EWG bei. Die Rest-EFTA wahrte die Kompatibilität mit der EWG durch ein aktives Integrationssystem. So konnten 1973 insgesamt 14 Freihandelsabkommen zwischen den Organisationen abgeschlossen werden (Brunn, Gerhard: 2004, S. 189). Diese sollten Zölle und Mengenbeschränkungen schrittweise senken, landwirtschaftliche Produkte waren hiervon jedoch ausgenommen. Portugal trat 1986 von der EFTA in die EG über. Im selben Jahr trat allerdings Finnland in die EFTA ein. Der in den Achtzigern geplante, am 09. Mai 1992 unterzeichnete und zum 01. Januar 1994 umgesetzte Europäische Wirtschaftsraum (EWR) sollte eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen verwirklichen.

Aufgrund des Konflikts mit Großbritannien um Fischereirechte trat Island erst 1970 der EFTA bei. In den Jahren zuvor war die isländische Wirtschaft stark von der Fischereiindustrie dominiert. Erst in den 60er Jahren begann eine Diversifizierung der Wirtschaft mit der Etablierung eines produzierenden Gewerbes und der Aluminiumschmelze (Bjarnason, Björn: 2005). Seit 1972 besteht zudem ein Freihandelsabkommen zwischen Island und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Zu Beginn der 1980er haben sich die Voraussetzungen für eine europäische Integration des Landes geändert. Die Bedeutung Europas als Absatzmarkt für Fisch ist in dieser Zeit gestiegen; so exportierte Island 1977 30 Prozent seiner Fischprodukte in die EU, 1988 etwa 60 Prozent (Eythórsson, Grétar Thor/ Jahn, Detlef: 2009: S. 215). Vor allem die Vertreter der neuen Wirtschaftszweige forderten einen Beitritt zu EFTA, um die Möglichkeiten, die ein freier Handel bietet, besser zu nutzen (Bjarnason, Björn: 2005). Durch den Ausschluss der Fischerei aus dem EFTA-Abkommen stellte dies für die Fischereiindustrie kein Problem dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 2.: EU und EFTA, europarl.europa.eu: 2011)

3.3 EWR

Nach der Vollendung des Binnenmarktes der EG versuchte diese die EFTA-Staaten so weit wie möglich in ihre Regelungen einzubeziehen (Oppermann, Thomas, u.a.: 2009, S.52). Der 1994 gegründete EWR sollte eine vertiefende Freihandelszone zwischen der EG und der EFTA schaffen. 1995 traten Schweden, Finnland und Österreich der Europäischen Union bei (vergleiche Abb. 2). Sie betrachteten ihre EWR-Mitgliedschaft als Vorstufe einer Mitgliedschaft (Bieber, Roland, u.a.: 2009, S. 606). Ihnen reichte die Nähe zur EU nicht aus. Die EFTA bestand ab diesen Zeitpunkt dann nur noch aus Island, Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz. Die Schweiz lehnte das EWR- Abkommen in einem Referendum ab,1 ihnen ging die Annäherung an die EU zu weit. Daher haben nur noch Norwegen und Island den Vertrag ratifiziert (Boden, Martina: 1996, S. 27), Liechtenstein trat dem Vertrag ein Jahr später bei.

Die EWR erweitere die bisherigen Abkommen zwischen der EFTA und der EU (Freihandelsabkommen 1973, Vereinbarung von Luxemburg 1984). Es wurde nun ein freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital vereinbart (Bergmann, Eirikur: 2007, S. 88). Für die Landwirtschaft und die Fischerei wurden Sonderregeln getroffen. Zudem enthält das EWR-Abkommen weitere Regelungen, welche unter anderem den Wettbewerb, die Sozialpolitik, den Verbraucherschutz und das Gesellschaftsrecht betreffen. Die EFTA-Staaten leisten Beitragszahlungen für einen Kohäsionsfond, mit dem die wirtschaftliche Entwicklung in ärmeren Regionen der Europäischen Union gefordert werden soll. Mit dem Eintritt in einen gemeinsamen Binnenmarkt übernahmen sie die damit verbundenen Regelungen und

Harmonisierungsvorschriften. Des Weiteren soll EWR-Recht EU-konform ausgelegt werden (Oppermann, Thomas, u.a.: 2009, S.52).

Zu den Organen des EWR gehören der EWR-Rat, ein gemischter Ausschuss, eine Überwachungsbehörde und der Gerichtshof. Der EWR-Rat setzt sich aus Regierungsvertretern der EFTA und der EU-Staaten zusammen sowie Vertretern der EU-Kommission. Er entspricht dem Ministerrat der EU (Boden, Martina: 1996, S. 28). Der gemischte Ausschuss besteht aus hohen Beamten der EU und der EFTA-Ländern. In beiden Ausschüssen wird im Konsens entschieden, wobei die jeweiligen Organisationen mit einer Stimme sprechen (Bieber, Roland, u.a.: 2009, S. 606). Dadurch ist ein individuelles Ausscheren eines Staates nicht möglich. Die Überwachung des Abkommens wurde zwei getrennten Einrichtungen übertragen, zum einen die Kommission und der Europäische Gerichtshof (EuGH), zum anderen die EFTA-Überwachungsbehörde und der EFTA-Gerichtshof.

Die Weiterentwicklung des EW-Rechts verläuft parallel zu dem des EU-Rechts. Dabei liegt das vertragliche Initiativrecht bei der EU-Kommission. Dabei müssen aber auch Experten aus den EFTA-Mitgliedem herangezogen werden. Diese nehmen zudem an beratenden Sitzungen der Ausschüsse teil, sofern EWR-relevante Richtlinien besprochen werden (Bieber, Roland, u.a.: 2009, S. 606). Im weiteren Rechtssetzungsprozess sind die EFTA-Staaten nicht beteiligt. Wenn eine EWR- relevante Richtlinie verabschiedet worden ist, beschließt der gemischte Ausschuss eine gleichartige Regelung für den ERW-Raum, der dann von den EFTA-Staaten in nationale Gesetzte umgesetzt werden muss. Eine eigene Rechtsnorm kann der EWR- Ausschuss nicht verabschieden. Sollte eine Richtlinie von diesem Ausschuss nicht verabschiedet werden, wird das betroffene Kapitel im EWR-Vertrag suspendiert. Die Hindernisse einer Nicht-Übernahme sind derart hoch, dass dies in den zwei Jahrzehnten des EWR-Abkommens bisher noch nie vorgekommen ist. Die tatsächliche Gestaltungsmöglichkeit der EFTA-Staaten ist auf Grund der ungleichen Kräfteverhältnisse zwischen ihr und der Europäischen Union eher gering.

Liechtenstein, Island und Norwegen konnten dadurch zwar an dem Binnenmarkt teilnehmen, ihn allerdings nicht mitgestalten. Diese politische Passivität war unter anderem eine Ursache dafür, dass 1995 Finnland, Schweden und Österreich der Union beitraten (Boden, Martina: 1996, S. 28). Im Gegensatz zu diesen EFTA-Mitgliedern tat Island diesen Schritt nicht. Aus der Sicht Islands gab es dafür kaum Gründe und ein breiter politischer Konsens sprach sich ebenfalls gegen eine Mitgliedschaft aus (Schumacher, Tom: 2000, S. 121). Die Regierung Islands sah in der Mitgliedschaft des EWRs die aus ihrer Sicht sinnvollste Möglichkeit einer aktiven Europapolitik (Bjarnason, Björn: 2005). Das Land kann am gemeinsamen Markt teilnehmen. Gleichzeitig sind aber die sensiblen Bereiche, wie Fischerei und Landwirtschaft, von dem Abkommen ausgeschlossen.

Durch die Mitgliedschaft Islands im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat das Land bereits etwa zweidrittel des Acquis communautaire, der Rechtsvorschriften der EU, übernommen (Gunnarsson, Gunnar Snorri: 2010).2 Dies betrifft vor allem Gesetze aus dem Bereich der Wirtschaft, aber auch aus anderen Bereichen, zum Beispiel Bildung, Kultur, Verbraucherschutz und Umweltschutz (Gunnarsson, Gunnar Snorri: 2010). Ansätze für die Entwicklung eines politischen Dialoges sind ebenfalls vorhanden (Bieber, Roland, u.a.: 2009, S. 606). Vor allem die Teilnahme an verschiedenen EU-Programmen führte zu einem starken Wachstum im Bereich Forschung und Entwicklung (Bergmann, Eirikur: 2007, S. 90). Die Europäische Union hat weiterhin einen großen Einfluss auf die Gesetzgebung des Landes und beeinflusst direkt die Entwicklung der isländischen Gesellschaft (Bergmann, Eirikur: 2007, S. 85). Zudem hat die EU über ihre skandinavischen Mitglieder Schweden, Finnland und vor allem Dänemark einen Einfluss auf die isländische Tagespolitik (Gunnarsson, Gunnar Snorri: 2010).

Allerdings hat diese Zusammenarbeit ihre Grenzen, so kann sich die EWR nicht schnell genug der Entwicklung der Europäischen Union anpassen, welche in kurzer Zeit drei neue Verträge und zwei Erweiterungsrunden beschlossen hat (Bergmann, Eirikur: 2007, S. 85). Als das EWR-Abkommen unterzeichnet wurde, waren noch die Römischen Verträge von 1957 die Grundlage der damaligen EG. Die Europäische Union entwickelte sich jedoch mit den Verträgen von Maastricht (1993), Amsterdam (1997), Nizza (2000) und zuletzt Lissabon (2009) weiter. Diese Entwicklung spiegelt sich allerdings nicht im EWR-Abkommen wider (Bergmann, Eirikur: 2007, S. 92). Zudem werden im EWR-Abkommen keine gemeinsamen Außenhandelsregeln getroffen, sodass zwischen EU und EFTA-Staaten Grenzkontrollen stattfinden (Bieber, Roland, u.a.: 2009, S. 606). Um dies zu umgehen traten Island und Norwegen dem Schengener Abkommen bei.

3.4 Schengen

Am 14. Juni 1984 unterzeichneten fünf Staaten das Schengen-Abkommen (Deutschland, Frankreich und die Benelux-Länder), um Reisefreiheit für ihre Bürger zu gewähren. 1990 folgte die Schengener Konvention. Das Abkommen wurde außerhalb der Europäischen Gemeinschaft beschlossen. Erst durch den Vertrag von Amsterdam 1997 wurden die Vereinbarungen, welche in Schengen getroffen worden sind, in das EU-Recht integriert und ab dem 1. Mai 1999 umgesetzt, mit Ausnahmen für Irland und Großbritannien. Dadurch müssen alle Staaten, die der Union beitreten wollen, das Schengen-Abkommen unterzeichnen und umsetzen.

Island arbeitet bereits seit 1996 an der Gestaltung des Schengenraums mit und wendet dessen Bestimmungen seit 2001 an (Europäische Kommission: 2010a, S. 5). Damit ist diese Verpflichtung schon vor einem Beitritt erfüllt. Die Mitwirkung im Schengener Abkommen erfolgte aufgrund der EU-Mitgliedschaft Dänemarks, Schwedens und Finnlands (Eiríksson, Stefán: 2004, S. 51/52). Mit diesen drei Staaten und Norwegen war Island zuvor in der nordischen Passunion organisiert, die unter anderem ebenfalls Reisefreiheit vorsah. Jedoch unterliegt durch den Schengenvertrag die Außengrenze einem einheitlichen Kontrollmechanismus. Um die nordische Passunion dadurch nicht zu zerreißen und auch weiterhin Grenzkontrollen zu vermeiden, entschlossen sich Island und Norwegen dem Vertragswerk beizutreten. Um die Mitarbeit der beiden Staaten zu ermöglichen, wurde dafür eine gemischte Kommission gebildet. Island und Norwegen müssen dabei nicht zwangsläufig neue Regelungen der EU bezüglich Schengen übernehmen, allerdings würde dies zur Beendigung der Mitwirkung führen (Eiríkson, Stefán: 2004, S. 53). Dadurch sind die tatsächlichen Mitgestaltungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Durch die Mitgliedschaft im Schengen-Raum hat Island gegenüber den anderen Vertragsstaaten Grenzkontrollen abgeschafft. Zudem gelten gemeinsame Regelungen bei Kurzvisas und der Kontrolle der Außengrenzen. Des Weiteren beteiligt sich Island an einer grenzüberschreitenden polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit mit den anderen Schengen-Staaten und wirkt in der Umsetzung der Dublin-Verordnung mit (Europäische Kommission: 2010a, S. 5). Die Dublin-Verordnung legt Kriterien und Mechanismen für die Prüfung von Asylanträgen fest. Um dem Schengen-Abkommen beitreten zu können, müssen zudem bestimmte technische Voraussetzung geschaffen werden. Dies geschieht in der Regel bei neuen EU-Mitgliedern erst nach dem Beitritt. Im Falle Island ist dies allerdings umgekehrt. Bereits heute partizipiert das Land im vollem Umfang am Schengener Vertragswerk (Eiríkson, Stefán: 2004, S. 57).

3.5 Finanzkrise 2008

Die Finanzkrise traf Island besonders hart. Der Banksektor wurde in den Jahren zuvor privatisiert und als dritte Standsäule (nach Fischerei und Aluminiumproduktion) der Wirtschaft ausgebaut. Im Zuge der Krise stieg die Inflationsrate, der Leitzins wurde auf 15,5 Prozent erhöht (von Baratta, Mario: 2009, S. 270). Die isländische Krone verlor gegenüber dem Euro um 70 Prozent an Wert. Dadurch geriet die Wirtschaft zusätzlich in Bedrängnis, da die Kaufkraft um 10 bis 15 Prozent nachließ (Schram, Arna: 2010, S. 28). Der Kollaps der US-Investmentbank Lehmann Brothers am 15. September 2008 verstärkte die negativen Folgen der Krise. Der massive Abzug von Kapital brachte den Bankensektor, der zuvor vor allem kreditgestüzt expandierte, in Liquiditätsprobleme. Am 6. Oktober 2008 versprach die Regierung isländischen Anlegern volle Garantien für ihre Vermögenswerte. Per Notstandsgesetz wurde die Regierung vom Althing bevollmächtigt, die komplette Kontrolle über das Bankensystem zu übernehmen. Damit sollte ein Totalbankrott verhindert werden. Bis zum 9. Oktober 2008 wurden die drei größten Banken - Kauphting, Landsbanki mit ihrer Auslandsgesellschaft Icesave und Glitnir - verstaatlicht. Am 19. November 2008 stützte der IWF mit einem Notkredit von 2,2 Milliarden US-Dollar das staatliche Finanzsystem, um Island vor einem Totalzusammenbruch zu bewahren (von Baratta, Mario: 2009, S. 270). Dazu kamen zusätzlich drei Milliarden US-Dollar aus den anderen skandinavischen Staaten sowie Polen und Russland, 3,2 Millarden US-Dollar aus Großbritannien und 1,6 Milliarden aus den Niederlanden (von Baratta, Mario: 2009, S. 270). Im Gegenzug verpflichtete sich Island, Sparguthaben von Ausländern aus diesen Staaten auszuzahlen. Als letzte größere Bank fiel am 9. März 2009 die Investmentbank Straumur-Burdaras unter staatliche Kontrolle.

Im Zuge der Wirtschaftskrise stieg die Inflation, 2008 erreichte sie mit 16 Prozent ihren Höhepunkt, verringerte sich aber wieder ab 2009. Das Wirtschaftwachstum brach ebenfalls ein, 2009 schrumpfte die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr. 2010 brachte nur eine geringe Erholung. Die Arbeitslosigkeit hat sich gegenüber den Vorjahren vervielfacht und befindet sich nach dem zweiten Quartal 2010 immer noch auf einem hohem Niveau. Während in den Jahren zuvor mit einem bis zwei Prozent Arbeitslosigkeit Vollbeschäftigung garantiert war, stieg die Arbeitslosigkeit zeitweise auf fast 10 Prozent. Vor allem im Bausektor wurden Personen entlassen, aber auch im Finanzsektor, in der Industrie und im Handel (Schram, Arna: 2010, S. 28). In den ersten elf Monaten im Jahr 2009 meldeten 823 Unternehmen Konkurs an, dies waren knapp 23 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum (Schram, Arna: 2010, S. 28). Infolgedessen verließen viele Isländer, vor allem gut ausgebildete jüngere Personen, das Land. 2009 wanderten 4835 Menschen aus Island aus, so viele wie in keinem Jahr zuvor (Schram, Arna: 2010, S. 28). Die meisten (38 Prozent) zogen in andere nordische Länder, dabei vor allem nach Norwegen.

Die Eckpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung werden in Tabelle 1 nochmals zusammengefasst.

Wirtschaftliche Rahmendaten (2000 bis 2010)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Tab. 1: EigeneDarstellungnach Angabenhttp://www.statice.is/Statistics, eingesehenam07.02.2011.)

Wirtschaftswachstum in Prozent

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb.3.: Wirtschaftswachstum, Eigene Darstellung nach Isländischem Statistikamt: 2011.)

Inflation in Prozent

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 4.: Inflation, Eigene Darstellung nach Isländischem Statistikamt: 2011.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Die Schweiz hat seitdem einen Beobachterstatus. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und der Schweiz werden in bilateralen Verträgen geregelt.

2 Andere Quellen geben sogar bis zu 80 Prozent an (u. a. Bergmann, Eirikur: 2007, S. 90). EU-kritische Quellen sprechen hingegen von nur 6,5 Prozent (Harper, Morten: 2009, S. 15).

3 Für das Wirtschaftswachstum für 2010 liegen zur Zeit seitens des isländisches Statistikamtes noch keine Daten vor.

Final del extracto de 83 páginas

Detalles

Título
Mögliche Auswirkungen eines Beitritts Islands zur Europäischen Union
Universidad
Christian-Albrechts-University of Kiel  (Institut für Sozialwissenschaften)
Calificación
1,5
Autor
Año
2011
Páginas
83
No. de catálogo
V173659
ISBN (Ebook)
9783640962969
ISBN (Libro)
9783640962945
Tamaño de fichero
3576 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Europäische Union, EU-Erweiterung, Island, EU, EU-Beitritt, Europäische Integration, Kopenhagener Kriterien, Europa, Internationale Organisation, Walfang, Agrarpolitik, Arktis
Citar trabajo
Martin Kirchner (Autor), 2011, Mögliche Auswirkungen eines Beitritts Islands zur Europäischen Union, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173659

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