Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2. Konflikte in Organisationen
2.1 Die organisationspsychologische Betrachtungsweise Berkels
2.2 Das Konfliktpotential
2.3 Ursachenattribuierung und Handlungsstrategien
2.4 Konfliktverlauf
3. Das Konzept der GfK nach M. B. Rosenberg
3.1 Theoretische Einordnung
3.2 Die Formen lebensentfremdender Kommunikation
3.3 Die vier Komponenten der Gewaltfreien Kommunikation
3.4 Der Begriff der Empathie in der GfK
4. Der Nutzen der GfK für die Konfliktbewältigung in Organisationen
4.1 Gefühle und Bedürfnisse im betrieblichen Kontext
4.2 Der Weg der GfK in die Organisation
4.3 Die GfK als Basis einer Bedürfnis wahrnehmenden Unternehmenskultur
4.4 Die Vereinbarkeit der GfK mit dem Ansatz Berkels
4.5 Die Bedürfnisse hinter den Ursachenattribuierungen
4.6 Möglichkeiten der GfK zur Verkleinerung des „blinden Flecks“
4.7 Die GfK innerhalb der Phasen kooperativer Konfliktbewältigung
5. Grenzen und Möglichkeiten der GfK – ein Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Konflikte zwischen einzelnen Personen oder zwischen Gruppen sind in der Organisationspsychologie ein sehr praxisrelevantes Thema. Die vorliegende Studienarbeit befasst sich mit der Frage, ob und wieweit das Konzept der „Gewaltfreien Kommunikation“ nach Marshall B. Rosenberg zur Bewältigung von Konflikten in Organisationen geeignet ist.
Die Autorin dieser Studienarbeit ist der Auffassung, dass die Qualität der Kommunikation von zentraler Bedeutung für die konstruktive Bewältigung von Konflikten ist. Unabhängig von der sozialen Dimension in der ein Konflikt stattfindet, ist das direkte Gespräch letztlich der Kern einer jeden Konfliktbearbeitung. Das Konzept der „Gewaltfreien Kommunikation“, im Folgenden kurz als GfK bezeichnet, verspricht einen Rahmen für die Entwicklung von Fähigkeiten zu liefern, die innerhalb eines solchen direkten Gesprächs eine konstruktive Konfliktbewältigung ermöglichen.
Die GfK beinhaltet eine bedürfnisorientierte Sprache, in der der Ausdruck der eigenen Gefühle und Bedürfnisse und das Wahrnehmen der Gefühle und Bedürfnisse anderer eine wesentliche Komponente darstellen.
Doch ist eine Methodik, die ihre Aufmerksamkeit auf die Gefühle und Bedürfnisse richtet, innerhalb einer eher sachlich orientierten Kommunikation in Organisationen realisierbar? Wenn sie umsetzbar ist, welche Möglichkeiten bietet sie zur Erreichung einer konstruktiven Konfliktbewältigung an?
In Kapitel zwei werden zunächst der Relevanz für die Themenbearbeitung entsprechend einige theoretische Grundlagen sowie Forschungsergebnisse aus der Konfliktforschung dargestellt. Der Studienarbeit liegt dabei die organisationspsychologische Sichtweise Berkels zugrunde. Bei den Forschungsergebnissen wurde weitestgehend auf die Studie Regnets zurückgegriffen, deren Grundlage ebenfalls der Ansatz Berkels darstellt. In Kapitel drei wird die Methodik der GfK beschrieben und Kapitel vier stellt einen Versuch dar, die GfK in die bisherigen Erkenntnisse der Konfliktforschung einzubetten und ihren möglichen Nutzen und ihre Grenzen für die Konfliktbewältigung herauszuarbeiten.
2. Konflikte in Organisationen
In Organisationen treffen Menschen mit der übergeordneten Absicht aufeinander, gemeinsam die vorgegebenen Organisationsziele zu erreichen. Damit treten sie in eine Beziehung zueinander, was das Auftreten interindividueller Konflikte unvermeidlich macht. Berkel arbeitete aus organisationspsychologischer Sicht einen Ansatz als Grundlage zur Konfliktbewältigung aus. Er dient als Basis für die weiteren Ausführungen und wird daher im Folgenden kurz erläutert. Die weiteren Abschnitte dieses Kapitels dienen der Erläuterung des dieser Studienarbeit zugrundeliegenden, auf den theoretischen Grundlagen und Forschungsergebnissen der Konfliktforschung fußenden Verständnisses von Konfliktpotentialen, -ursachen sowie -verläufen. Die Auswahl der aufgeführten Theorien und Studien liegt begründet in dem Ausgang von der Person und der daraus resultierenden Betrachtung des Konfliktes als subjektiv erlebtes Phänomen.
2.1 Die organisationspsychologische Betrachtungsweise Berkels
Nach Berkel liegt „ein Konflikt […] immer dann vor, wenn eine Partei oder beide Parteien zum gleichen Zeitpunkt Handlungen beabsichtigen oder durchführen, die zur Folge haben könnten oder haben, dass sich die andere Partei behindert, blockiert, bedroht oder verletzt fühlt“. (Berkel, 2009, S. 345)
Berkel betont, dass sich in jedem Konflikt personale, interaktive und situative Gegebenheiten verschränken, die letztlich unterschiedliche Annäherungs-perspektiven an das gleiche Phänomen darstellen. Integrierender Bezugspunkt ist dabei stets „die wahrnehmende, handelnde und erleidende Person in einer Organisation“. (Berkel, 1984, S. 214) Das subjektive Erleben der Beteiligten steht also im Zentrum des Konfliktes. „Wo immer Konflikte ursprünglich herrühren – aus der Gesellschaft, aus Wertesystemen, aus kooperativen und technischen Sachzwängen – es ist allein die Person, die in bestimmten Situationen im Konflikt und damit vor der Aufgabe steht, ihn zu bewältigen.“ (ebd., S. 48) Folgerichtig bildet der subjektive Bezugsrahmen den Ansatz-punkt für die Konfliktanalyse und die Konfliktintervention.
Berkel betont, dass während des gesamten Konflikthandhabungsprozesses ein ständiger Perspektivenwechsel zwischen Individuum, Gruppe und Organisation notwendig ist. Die drei Perspektiven sind untrennbar miteinander verbunden. Es kann daher nicht eine Perspektive ausgeblendet oder aber als allein gültig hervorgehoben werden. Außerdem dient ein Perspektivenwechsel dem gegenseitigen Verständnis und kann helfen, den „blinden Fleck“ zu verkleinern. (Regnet, 1996b, S. 60) Durch den ständigen Perspektivenwechsel innerhalb eines Konfliktbewältigungsprozesses können letztlich Handlungs-blockaden bzw. Fixierungen auf bestimmte Lösungsstrategien gelöst werden.
2.2 Das Konfliktpotential
Nach Glasl ist es das Zusammenspiel vieler Faktoren das zu einem Konflikt führt. So kann derselbe Sachverhalt unter unterschiedlichen situativen sowie intrapsychischen Faktoren zu völlig unterschiedlichen oder auch zu gar keinen Konfliktformen führen. (Glasl, 1980, S. 34) Glasl spricht daher nicht, wie in der Literatur weit vertreten (vgl. ebd., S. 24) von Konfliktursachen sondern von Konfliktpotential. Das Vorhandensein des Konfliktpotentials bedeutet nicht unweigerlich die Entstehung eines Konfliktes. Diese ist letztlich abhängig von den Subjekten, deren Perzeption der Situation sowie deren inneren Einstellung. (ebd., S.78)
Nach Auffassung der Autorin dieser Studienarbeit liegt, in Anlehnung an Glasl und Berkel, der Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Konfliktbewältigung in der subjektiven Wahrnehmung und dem subjektiven Erleben des Konfliktes. Denn das subjektive Erleben der Situation und die Wahrnehmungen bezüglich des Sachverhalts -aber nicht der Sachverhalt an sich- bestimmen die Emotionen und damit verbunden das Verhalten der Konfliktparteien. Es ist daher trotz Überschneidungen klar zwischen Konfliktpotentialen und subjektiv erlebten Konfliktursachen zu unterscheiden.
2.3 Ursachenattribuierung und Handlungsstrategien
Mit dem subjektiven Erleben in Konflikten befasste sich Regnet in ihrer Befragung von Führungskräften. Von besonderem Interesse sind hier die Wahrnehmung der Konfliktursachen und die befürworteten sowie die tatsächlich durchgeführten Strategien.
Die in der Untersuchung herausgearbeiteten Ursachenzuschreibungen dienen in Kapitel 4.5 als Anknüpfpunkt bei der Überprüfung der GfK als geeignete Methode bei der Konfliktbewältigung in Organisationen.
Die am häufigsten genannten Konfliktursachen waren:
- Persönlichkeitsfaktoren (z.B. narzisstische Geltungssucht, Blockade der Gestaltungsfreiheit, Befriedigung von Machtbedürfnissen)
- Wettbewerbsverhalten (im Ehrgeiz des Einzelnen begründet)
- Grundlegende Einstellungs- und Interessengegensätze (z.B. Freizeit- vs. Leistungsorientiertheit)
- Strukturelle Ursachen (z.B. unklare Festlegung der Abläufe, Ziele oder Entscheidungskompetenzen) (vgl. Regnet, 1992, S. 177-187)
Etwa 2/3 der Befragten personalisieren die Konfliktursachen. Sie unterstellen den Konfliktgegnern bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, in denen sie die Ursache des Konfliktes sehen. Folgt man Regnet, so stellt diese Personalisierung bzw. die daraus resultierende Schuldzuweisung eine Systementlastung dar und verschleiert die Notwendigkeit einer genaueren Konfliktanalyse. (ebd., S.194) Nach Rüttinger sind Persönlichkeitsmerkmale allerdings eher Konflikt modifizierend, als Konflikt auslösend. (Rüttinger, 2000, S. 45) Dieselbe Person kann entsprechend der systemischen Sichtweise in unterschiedlichen Situationen und Umgebungen zwei völlig gegensätzliche Verhaltensweisen zeigen.
Bezüglich der gewählten Strategien zeigt die Studie, dass die in der Literatur weitläufig als Optimum genannte Gewinner-Gewinner-Strategie (vgl. z.B. Berkel, 2002, S. 53) von den Befragten zwar als wünschenswert, jedoch unrealistisch bewertet wird. (Regnet, 1992, S. 212) Präferenzstrategien sind bei den Befragten nur bedingt erkennbar. Doch der Einsatz von Macht, also einer Gewinner-Verlierer-Strategie scheint, wenn auch nicht erwünscht, so aber dennoch üblich zu sein. (ebd., S. 212-217) Einen hohen Stellenwert haben bei den Befragten außerdem die Entemotionalisierung und das damit verbundene Ziel des sachlichen und rationalen Problemlösens. (Regnet, 1996b, S. 38)
Das Ergebnis der Längsschnittstudie zeigt nur eine partielle Übereinstimmung zwischen der Ursachenanalyse und der tatsächlich gewählten Handlungs-strategie. (Regnet, 1992, S. 223-224)
Ebenso weist der Vergleich zwischen geplantem und realisiertem Verhalten nur eine geringe Kongruenz auf. (ebd., S. 266)
Als weiterer wichtiger Aspekt wird die deutliche Differenz zwischen dem Selbstbild und der Meinung über andere Mitarbeiter herausgestellt. Während die Befragten sich als aufgeschlossen und partizipativ orientiert charakterisieren, zeichnen sich viele ihrer Aussagen über andere durch Geringschätzung bzw. auch der Unterstellung kompetitiven Verhaltens aus. Nach Regnet liegt hier ein Indiz für einen „blinden Fleck“ bezogen auf das Selbstbild vor. (ebd., S. 230-243).
Die aus dieser Studie resultierenden Empfehlungen beziehen sich auf eine Betonung der Analysephase mit dem Ziel, konkrete passende Handlungsstrategien zu entwickeln und damit verbunden die generell starke Handlungsorientierung von Führungskräften zu relativieren.
2.4 Der Konfliktverlauf
Sobald ein Interessengegensatz von mindestens einer der betroffenen Parteien wahrgenommen wird wäre der optimale Weg das Einleiten von Konflikt-bewältigungsmaßnahmen, die auf konstruktive Weise eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung herbeiführen.
Entlang der von Berkel herausgestellten Phasen einer kooperativen Konflikt-bewältigung werden in Kapitel 4.7 eventuelle Möglichkeiten und Grenzen der GfK bei der Konfliktbewältigung in Organisationen herausgestellt.
Berkel geht von der Annahme aus, dass der Konflikt und die Konflikt-bewältigung kognitive und emotionale Vorgänge aktivieren: Eine kooperative Einigung bedarf daher einer emotional akzeptablen Atmosphäre. (2002, S. 78)
Als Phasen einer kooperativen Konfliktlösung formuliert er:
- Unter Kontrolle bringen der eigenen Erregung
- Vertrauensbildende Maßnahmen
- Offene Kommunikation
- Gemeinsame Problemlösung
- Absicherung der Lösung durch normative Festlegung oder Vereinbarung
- Persönliche Verarbeitung (ebd., S.77-102)
Bleibt ein solcher konstruktiver Prozess der Lösungsfindung aus, kann es zu einer Konflikteskalation kommen. (vgl. Glasl, 1980, S. 229-326) Im Verlauf eines Eskalationsprozesses wird die Wahrnehmung der Beteiligten zunehmend eingeengt. Es wird verstärkt auf Stereotype zurückgegriffen, was eine vorurteilsfreie, einfühlende Kommunikation zunehmend unmöglich macht.
3. Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation
Im Folgenden wird das Konzept der GfK in seinen wesentlichen Zügen dargestellt. Einleitend soll versucht werden, die GfK in einen theoretischen Kontext einzuordnen. Dabei wird nicht der Anspruch erhoben, die GfK in ein wissenschaftliches Fundament einzubetten. Die Ausführungen sollen jedoch eine grobe Orientierung geben, inwiefern sich die GfK an theoretischen Grundlagen anlehnt, bzw. Parallelen zu eben solchen aufweist. Anschließend werden die von Rosenberg herausgestellten Formen lebensentfremdender Kommunikation erörtert, welche die vorhandenen Kommunikationsstörungen in akuten Konflikten aus der Sicht Rosenbergs veranschaulichen. Nachfolgend wird die Methode der GfK als die von Rosenberg angebotene Alternative zu den Formen lebensentfremdender Kommunikation erläutert. Dabei wird auf Grund der zentralen Stellung innerhalb der GfK in einem gesonderten Abschnitt die Aufmerksamkeit auf den Begriff der Empathie gerichtet.
3.1 Theoretische Einordnung
Rosenberg selbst liefert kein ausgearbeitetes wissenschaftstheoretisches Fundament für die Methode der GfK. Er weist stattdessen daraufhin, dass die GfK auf bereits vorhandenem Wissen aufgebaut sei. (Rosenberg, 2007, S. 22)
Dem Konzept der GfK liegen die Prinzipien der humanistischen Psychologie zugrunde. Die humanistische Psychologie betrachtet den Menschen als ein ganzheitliches, selbstverantwortliches und nach Autonomie strebendes Wesen. Die Gestaltung des Selbst vollzieht sich jedoch erst im Kontakt mit anderen Menschen. (vgl. Hinte & Runge, 1999, S. 301-302)
Bei der Entwicklung seines Konzeptes bezieht Rosenberg sich unter anderem auf die Forschungsergebnisse von Carl Rogers. (vgl. Rosenberg, 2007, S. 17) Besonders die in Rogers Werken herausgearbeitete empathische Haltung nimmt in der GfK eine zentrale Rolle ein. Sowohl Rogers als auch Rosenberg sehen in den Gefühlen bzw. im inneren Bezugssystem des Menschen den Ausgangspunkt für das Verstehen von menschlichem Verhalten und somit auch von Konfliktverhalten. (Rogers, 2009, S. 44) Jedes menschliche Verhalten, darin sind sich beide Psychologen einig, hat die Befriedigung von Bedürfnissen zum Ziel. Nach Rosenbergs Auffassung ist zudem allen der Wunsch gemeinsam, von Herzen zu geben. Diese Annahme ist grundlegend für das Funktionieren der GfK. (Rosenberg, 2007, S. 21)
Des Weiteren lassen sich Parallelen zwischen der GfK und verschiedenen Bedürfnistheorien feststellen. Insbesondere sei hier die Bedürfnistheorie von Max-Neef genannt, auf die Rosenberg sich bezieht, sie aber nicht direkt übernimmt. (vgl. Rosenberg, 2004, S. 27) Eine genauere Betrachtung dieser Bedürfnistheorie ist im Rahmen dieser Arbeit zu weitgreifend. Erwähnenswert ist jedoch, dass sowohl Rosenberg als auch Max-Neef die Wichtigkeit der Trennung zwischen Bedürfnis und Strategie bei der Bewältigung von Konflikten betonen. (vgl. Max-Neef, 1991, S. 17, Rosenberg, 2004, S. 28-29)
Zuletzt sei noch auf die Grundlagen der Kommunikationspsychologie verwiesen, die in Rosenbergs Ausführungen miteinfließen. So finden sich z.B. die verschiedenen Ebenen einer Nachricht (vgl. Schulz von Thun, Bd1, 2006 S. 23) und die Annahme einer zyklischen Interaktion, in der die Frage nach dem Anfang bzw. nach Ursache und Wirkung und somit in der Konfliktsituation nach Schuld und Recht unbeantwortbar wird (vgl. ebd., S. 88, Watzlawick et al, 2007, S. 61), in unterschiedlicher Deutlichkeit auch in der GfK wieder. Auch viele der innerhalb der Kommunikationspsychologie herausgearbeiteten Kommunikationsstörungen sowie die aufgeführten Möglichkeiten zur Kommunikationsverbesserung, wie z.B. Feedback und Ich-Botschaften, wurden in das Konzept der GfK übernommen. Detaillierte Ausführungen finden in diesem Rahmen leider keinen Platz. Daher sei zur Vertiefung auf Watzlawick, Beavin, Jackson: „Menschliche Kommunikation“ und Schulz von Thun: „Miteinander Reden", Band 1-3 verwiesen.
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