Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Hintergrund
2. Grundlagen der Berufsbildung für eine Nachhaltige Entwicklung
2.1. Berufsbildung für eine Nachhaltige Entwicklung
2.2. Soziale Gerechtigkeit
3. Die Lernsituation „Personaleinsatzplanung optimieren“ aus dem Lernfeld „Praxisprozesse begleiten“
4. Kategorialanalyse anhand des Strukturgitters für Nachhaltigkeit (Ulrike Greb)
5. Das Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung (Wolfgang Klafki)
5.1. Bedingungsanalyse
5.1.1. Curriculare Bedingungen
5.1.2. Institutionelle Bedingungen
5.1.3. Lernvoraussetzungen
5.1.4. Lehrvorrausetzungen
5.2. Begründungszusammenhang
5.2.1. Gegenwartsbedeutung des Themas für die SchülerInnen
5.2.2. Zukunftsbedeutung des Themas für die SchülerInnen
5.2.3. Exemplarische Bedeutung
5.3. Thematische Struktur und fachdidaktische Sachanalyse
5.3.1. Unter welchen Perspektiven soll das Thema bearbeitet werden?
5.3.2. Welches ist die immanent methodische Struktur der jeweils perspektivisch gefassten Thematik?
5.3.3. Welche Momente konstituieren die Thematik, jeweils unter bestimmten Perspektiven?
5.3.4. In welchem Zusammenhang stehen die ermittelten Elemente?
5.3.5. Weißt die Thematik eine Schichtung, im Sinne von Oberflächen und Tiefenschichten auf?
5.3.6. In welchen größeren Zusammenhang bzw. in welchen Zusammenhängen steht – je nach den gewählten Perspektiven – die Thematik?
5.3.7. Welches sind die notwendigen begrifflichen, kategorialen Voraussetzungen für die Auseinandersetzung mit dem Thema?
5.4. Teillernziele und deren Erweisbarkeit
5.5. Zugangs- und Darstellungsmöglichkeiten zur Lernsituation
„Personaleinsatzplanung optimieren“
5.6. Lehr-Lernprozessstruktur
6. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Hintergrund
Im Seminar Berufsbildung für Nachhaltige Entwicklung als curriculare und didaktisch-methodische Kategorie wurden die Seminarteilnehmer, welche sich bislang überwiegend mit „klassischen“ didaktischen Ansätzen und Unterrichtsplanungen auseinandergesetzt hatten, mit dem Thema Nachhaltigkeit konfrontiert. Zur Einführung in das Thema standen verschiedene, durch den Seminarleiter zur Verfügung gestellte Literaturhinweise zur Verfügung, welche in das Thema Nachhaltigkeit im Allgemeinen und schließlich Berufsbildung für eine Nachhaltige Entwicklung einführen sollten. Zentrale Frage des Seminars war es, wie das Thema Nachhaltigkeit in die Curricula, die Lernfelder und in die einzelnen Unterrichtsplanungen einfließen kann, d.h. wo Aspekte der Nachhaltigkeit ohnehin immanent enthalten sind und mitgedacht werden können. Während des Seminars wurden dann verschiedene Möglichkeiten, dass Thema im Unterricht mitzudenken erarbeitet und in der Seminargruppe diskutiert. Aus dieser Arbeit im Seminar resultiert die Idee der vorliegenden Hausarbeit: die Eingliederung des Konzeptes Berufsbildung für eine Nachhaltige Entwicklung in den Unterricht einer Klasse mit Zahnmedizinischen Fachangestellten. Thematisiert werden soll im Lernfeld 13 (Praxisprozesse begleiten) das Thema der sozialen Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis. Nachhaltigkeit hat im Wesentlichen drei Dimensionen: die ökologische, die ökonomische und die soziale Dimension (Bartol & Herkommer, 2004). In einem Unterrichtsentwurf alle Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen, wäre dem Umfang der Arbeit nicht angemessen, aus diesem Grunde beschränkt sich diese Arbeit auf die soziale Dimension. Aus eigener Erfahrung in der Berufsausbildung sowie aus Schilderungen zahlreicher MitschülerInnen und später auch Kommilitoninnen ist bekannt, dass es gewisse Probleme bezüglich sozialer Gerechtigkeit in Zahnarztpraxen immer wieder gibt. „Nachhaltigkeit“, so Konrad Kutt „zielt im Kern auf Zukunft […]. Einer der Garanten für Zukunftsfähigkeit ist Bildung. […] Bildung und Ausbildung [wird] eine Schlüsselrolle für die Umsetzung des Leitbildes der Nachhaltigkeit zugeschrieben“ (Kutt, 2006, S. 35).
Zentral ist also, durch den Gedanken der Nachhaltigkeit eine lebenswerte Zukunft zu gestalten. Dies gelingt, so Kutt, durch Bildung. Einen Ansatz, wie dies möglicherweise in einer Klasse für Zahnmedizinische Fachangestellte angeregt werden könnte, soll die vorliegende Arbeit liefern. Es werden Aspekte der Nachhaltigkeit in die didaktische Analyse einfließen und es wird eine Unterrichtsplanung entwickelt, welche die SchülerInnen befähigen soll, ihre Situation in der Zahnarztpraxis zu erkennen und zu reflektieren. Den SchülerInnen sollen Handlungskonzepte mit auf den Weg gegeben werden, wie sie ihr eigenes Arbeitsumfeld gestalten und zukunftsfähiger machen können. In der Unterrichtsplanung orientiert sich diese Arbeit an der kritisch-konstruktivistischen Didaktik von Wolfgang Klafki. Die konkrete Unterrichtskonzeption in der Lehr-Lernprozessstruktur wird nach Ingo Schellers „Erfahrungsbezogenem Unterricht“ gestaltet. Zusätzlich wird der hochschuldidaktische Ansatz des Strukturgitters für Nachhaltigkeit, entwickelt von Ulrike Greb, ergänzend angewandt, um didaktische Reflexionskategorien für Lehrer deutlicher sichtbar zu machen.
2. Grundlagen der Berufsbildung für eine Nachhaltige Entwicklung
Im Titel dieser Arbeit werden zwei Schlagwörter angesprochen, die es zunächst näher zu bestimmen gilt: der mittlerweile häufig benutzte, jedoch schwammig formulierte Begriff der Nachhaltigkeit sowie der Begriff der sozialen Gerechtigkeit.
2.1. Berufsbildung für eine Nachhaltige Entwicklung
Auch de Haan weiß um die fehlende Trennschärfe des Begriffes der Nachhaltigkeit, bzw. der nachhaltigen Entwicklung, wie er diese in seinem Aufsatz „Die Kernthemen der Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung“ nennt (de Haan, 2002, S. 1). Er schreibt, dass dieser Begriff bislang nicht einheitlich verwendet wird, tröstet seinen Leser aber damit, dass dies bei bedeutungsschwangeren Begriffen wie „Kultur“ und „Lernen“ ähnlich sei.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung definiert Nachhaltigkeit wie folgt: „Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.“ (Rat für nachhaltige Entwicklung, 2011).
Inwieweit ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge überhaupt möglich ist angesichts zahlreicher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Antinomien, ist fraglich und ein weiteres, sehr interessantes Thema, jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Thema der sozialen Gerechtigkeit in der Zahnarztpraxis, es soll der Blick gelenkt werden auf die Arbeitsverhältnisse der Auszubildenden zur Zahnmedizinischen Fachangestellten bzw. der Angestellten nach der Ausbildung.
2.2. Soziale Gerechtigkeit
Auch der Begriff der sozialen Gerechtigkeit ist, wenn auch nicht schwammig, dann doch sehr weit gefasst und umfasst mehrere Ebenen. Laut Höffe spricht man heute von der sozialen Gerechtigkeit in zwei Bedeutungen: „im unspezifischen Sinne, so Höffe, sagt das Beiwort sozial lediglich, dass es um etwas Gesellschaftliches geht“. Im spezifischen Sinne befasst sich die soziale Gerechtigkeit mit der sozialen Frage, also mit Themen wie Arbeitslosigkeit, Schutzlosigkeit bei Krankheit und Alter, mangelnde Bildung und Ausbildung, sogar Hunger und Verelendung (Höffe, 2007, S. 85).
Für den hier zu behandelnden Fall bedeutet das konkret, dass ein Augenmerk gelegt werden soll auf die Arbeitsbedingungen des zahnmedizinischen Fachpersonals, auf die ihnen zuteil oder nicht zuteil werdende soziale Gerechtigkeit. Doch nicht nur das. Es soll beschrieben werden, wie BerufsschülerInnen ihre Situation selbst erkennen lernen sollen und durch Partizipation verändern können.
Bereits im Rahmenlehrplan steht geschrieben, dass die Berufsschule im allgemeinen Unterricht und wenn möglich im berufsbezogenen Unterricht auf die Kernprobleme unserer Zeit eingehen soll, so auch auf die „Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage, sowie [die] Gewährleistung der Menschenrechte“ (Kultusministerkonferenz, 2001, S. 4). Ein Unterricht, welcher auf die soziale Nachhaltigkeit mit eingeht, versucht genau das.
3. Die Lernsituation „Personaleinsatzplanung optimieren“ aus dem Lernfeld „Praxisprozesse begleiten“
Schwerpunkt meiner Arbeit soll der Versuch sein, den Gedanken der Nachhaltigen Entwicklung im Lernfeld 13 Praxisprozesse einzubinden. Das Lernfeld 13 umfasst z.B. in Baden Würtemberg 40 Unterrichtsstunden, für die Lernsituation „Personaleinsatzplanung optimieren“ sind 10 Unterrichtsstunden veranschlagt. Inhaltlich soll es in diesem Lernfeld um die Interessen der Arbeitnehmer, die Arbeitsschutzgesetze (insbesondere für schwangere Mitarbeiterinnen), die strafrechtliche Verantwortung, die Interessen der Patienten, um Teambesprechungen und um Gütekriterien und Praxisziele gehen (Landesinstitut für Schulentwicklung, 2005)
Die Zahnmedizinische Fachangestellte/ der Zahnmedizinische Fachangestellte soll Grundlagen zur Mitarbeiterführung, zum Dienst- und Urlaubsplan und zu Arbeitsschutzgesetzen lernen. Die SchülerInnen sind zu diesem Zeitpunkt bereits im dritten Lehrjahr, also nicht mehr ganz neu im Beruf, so dass Ihnen bereits vermehrt Verantwortung und Mitspracherecht im Praxisalltag zukommen. In der Beschreibung des Lernfeldes 13 des Rahmenlehrplanes heißt es: „ Die Schülerinnen und Schüler planen Maßnahmen zu Qualitätssicherung und Zeitmanagement im eigenen Verantwortungsbereich und präsentieren und begründen Verbesserungsvorschläge.
Dazu untersuchen sie die Arbeitsabläufe in ihrem Verantwortungsbereich und identifizieren
Schnittstellenprobleme und kritische Punkte. Aufgrund ihrer während der Ausbildung gewonnen Erfahrungen und Fachkenntnisse tragen sie zu Problemlösungsansätzen bei der Optimierung von Praxisabläufen bei und wägen Kosten und Nutzen einzelner Maßnahmen gegeneinander ab. Sie organisieren im Team den Personaleinsatz unter Berücksichtigung vorhandener Kompetenzen und Qualifikationen sowie ihrer Kenntnisse über Schutzbestimmungen für schwangere Mitarbeiterinnen und deren Einsatzmöglichkeiten, nutzen Planungsinstrumente und dokumentieren die Ergebnisse. Bei der Personaleinsatzplanung vertreten sie ihre Interessen. Sie informieren sich über Möglichkeiten der berufsbezogenen Fort- und Weiterbildung, begründen deren Bedeutung für die Praxis und die eigene Entwicklung und erfahren Lernen als lebensbegleitenden Prozess. Vor diesem Hintergrund stellen sie ihre Persönlichkeit in einer Bewerbung dar. Sie nutzen aktuelle Medien der Informations- und Kommunikationstechnik.“ (Kultusministerkonferenz, 2001). Aus diesem Grunde erachte ich das 13. Lernfeld als sinnvoll für sensible Themen wie die soziale Gerechtigkeit in einem Gefüge wie der Zahnarztpraxis.
Selbstverständlich ist es ebenso möglich, auch in den weiteren 12 Lernfeldern Bezüge zur Nachhaltigen Entwicklung in den Unterricht einfließen zu lassen. Ich führe dies jedoch exemplarisch zunächst für das 13. Lernfeld zum Thema der Nachhaltigkeit in Bezug auf die soziale Gerechtigkeit durch, welche als Teilaspekt in mehreren der insgesamt fünf von Stomporowski und Meyer (o.A., 2011) formulierten Nachhaltigkeitsdimensionen (Ökonomie, Ökologie, Soziales, Politik und Gesundheit) enthalten ist. So ist die soziale Gerechtigkeit in den Dimensionen von Soziales, Politik und Gesundheit ein Thema, ist jedoch auch denkbar in der Dimension der Ökonomie, wenn es um das Gehalt der Zahnmedizinischen Fachangestellten geht. Eine sinnvolle Anknüpfung an den vorliegenden Rahmenlehrplan ist möglich, wenn auch dieser den Gedanken der Nachhaltigkeit nur implizit thematisiert.
Thematisiert werden sollen die Lebens- und Arbeitswelt der Zahnmedizinischen Fachangestellten/ des Zahnmedizinischen Fachangestellten und deren Position im sozialen Gefüge. Die SchülerInnen sollen lernen, sich in ihrer Lebens- und Arbeitswelt zurechtzufinden, ihre Rechte und Pflichten zu kennen und ihre eigene Sichtweise zu vertreten und Rechte wahrzunehmen. Dies schließt ein, auch soziale Missstände aufzudecken und in der Zahnarztpraxis zu thematisieren, um eine Verbesserung ihrer Situation zu erwirken.
Angeknüpft wird an den Vorgaben des Lernfeldes 13. Die in diesem Lernfeld zu behandelnden Themen sind Ausgangslage für eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Thema der sozialen Gerechtigkeit in der Zahnarztpraxis. Dies ist sinnvoll, um zunächst einen Bezug zu diesem Thema herzustellen. Es ist denkbar, zu jedem Ende der verschiedenen Thematiken des Lernfeldes 13, also z.B. Organisation des Personaleinsatzes, Schutzbestimmungen, für schwangere Mitarbeiterinnen, Interessenvertretung bei Personaleinsatzplanung etc. das Thema der sozialen Gerechtigkeit und auch die Dilemmata, die sich auftun, zwischen den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aufzeigen. Dies könnte z.B. in Form eines Beitrags aus einem Forum geschehen, wo eine Zahnmedizinische Fachangestellte ihr Problem beschreibt. Bei der Recherche zu dieser Arbeit fiel das folgende Beispiel aus einem Forum für Zahnmedizinische Fachangestellte auf:
Zahnfee 10 am 18.07.2009.
Hallo zusammen,
ich hoffe ihr könnt mir ein paar nützliche Tipps geben. Seit 1,5 Jahren arbeite ich in einer Gemeinschaftspraxis. Sie wird von einem Ehepaar geführt und ist noch recht neu. Unsere Chefin ist jetzt schwanger. So weit so gut.
Da sie jetzt arbeitstechnisch kürzer treten möchte fängt sie öfter mal später an oder hört eher auf. Sie möchte jetzt, dass dann immer einer mit ihr eher geht oder später kommt. Was für uns ja soviel bedeutet, dass wir Minusstunden machen sollen. Zum Ausgleich dieser Stunden haben wir eigentlich nur freitags Gelegenheit, denn wir arbeiten in Schichten und einer kann immer entweder eine Stunde später anfangen, oder eher gehen. Wenn es zu den anderen Tagen mal später wird dürfen wir uns das nicht aufschreiben, Begründung: wir haben eine Dienstvertrag und da sind 5 Std. Mehrarbeit abgegolten. Ich habe diese Stelle im Vertrag zwar noch nicht gefunden aber sei es drum.
Des Weiteren plant sie Ihre Gyn-Termine immer an ihrem freien Vormittag. Soweit kein Problem aber Chef muss mit und das heißt immer für einen Urlaub nehmen.
Da wir weder Tarifurlaub noch Tarifgehalt bekommen und so schon jeder Tag Urlaub im Sinne von "Betriebsferien" vordiktiert wird reich es mir so langsam. Was für Argumente kann ich liefern wenn ich das Gespräch suche ich weiß in was für Nesseln ich mich setze und will es vernünftig machen!!!
Bitte helft mir
(Zahnfee, 2006)
Anhand dieses Beispiels könnte eine Unterrichtseinheit zum Thema „Personaleinsatz-planung optimieren“ begonnen oder aber auch beendet werden. Neben organisatorischem Hintergrundwissen, was eine gute Personaleinsatzplanung ausmacht, lernen die SchülerInnen zudem, wie sie ihre Interessen vor dem Arbeitgeber vertreten und wie sie souverän mit Konflikten umgehen können.
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