Eine wesentliche kulturelle Leistung neuzeitlicher Kunst besteht darin, dem Begehren, aus der bestehenden in eine andere Welt zu entkommen. Nicht nur Ausdruck zu verleihen, sondern es mehr oder weniger auch wirklich auslebbar zu machen. ‚Künstlerische Freiheit‘ als geflügeltes Wort für alles, was Kunst darf. Dieses Ideal von der Freiheit der Kunst zeigt ihre gesellschaftliche Bedeutung im Grundgesetz der Bundesrepublik. Die Kunst sei frei, so steht es im fünften Artikel geschrieben. Solange nun in der Kunstwelt die Selbstbestimmung als Ideal gilt, wird versucht, nach ihr eigenen Gesetzen bestimmte Lebens-, Werk- und Organisationsformen zu schaffen, die total anders als die übrige Welt zu sein scheinen. Wo das gelang, war in der Moderne durch Kunst und nicht mehr durch die Religion ein ebenso sinn- und wertvolles wie alternatives Dasein in der Welt gegeben. Doch ist dieses Ideal nicht längst zur Illusion geworden? Gehorcht die Kunstwelt nicht längst dem Primat der Ökonomie, deren Logik sich in alle Bereiche unserer Lebenswelt ausbreitet? Und sind es noch so idealisierte Vorstellungen von einer Passion der Liebe oder von einer Freiheit in der Kunst, werden auch jene Vorstellungen von Handlungsmaxima überlagert oder untergraben, die der rationalen Wahl folgen: Liebe-aber bitte vernünftig! Freiheit - aber zu welchem Preis?
Der vorliegende Text widmet sich der Frage nach der Autonomie der Kunst. Inwiefern ist Kunst frei? Inwieweit kann von einer selbstbestimmten, zugleich kritischen, provokativen und überraschenden Kunst die Rede sein. Jene anscheinend so verhängnisvolle Affäre zwischen Kunst und Markt wird aus Luhmanns systemtheoretischer Perspektive beleuchtet, um Konsequenzen für eine postulierte Autonomie der Kunst zu erkennen. Hierfür wird zunächst Luhmanns kunstsoziologischer Ansatz im Verhältnis zur Ökonomie dargestellt um hierauf aufbauend eine systemtheoretische Funktion der Kunst zu destillieren. Abschließend wird explizit die Beziehung zwischen Kunst- und Wirtschaftssystem betrachtet, um letztendlich eine Antwort auf die Frage nach der Autonomie in der Kunst zu formulieren. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich Darstellung und Illustration der Argumentation sich im Wesentlichen auf die bildenden Künste konzentriert.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Ausdifferenzierung des Kunstsystems
- Code und Programm der Kunst
- Das Postulat der Originalität
- Die Funktion der Kunst
- Beobachtung
- Realitätsverdopplung
- Kunst und Wirtschaft
- Kommunikation
- Binnendifferenzierung
- Akteursebenen
- Kunst und Markt
- Kunst und Produktion
- Kunst und Wert
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text untersucht die Autonomie der Kunst im Kontext der Ökonomie, ausgehend von Luhmanns systemtheoretischer Perspektive. Er fragt nach dem Grad der Freiheit der Kunst und beleuchtet die Beziehung zwischen Kunst- und Wirtschaftssystem.
- Ausdifferenzierung des Kunstsystems
- Funktion der Kunst im gesellschaftlichen Kontext
- Beziehung zwischen Kunst und Wirtschaft
- Das Postulat der Originalität in der Kunst
- Autonomie der Kunst als Ideal und Illusion
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung: Der Text untersucht die Autonomie der Kunst angesichts des Einflusses ökonomischer Logiken. Er stellt die Frage nach der Freiheit der Kunst und ihrer Fähigkeit zu Selbstbestimmung, insbesondere im Spannungsfeld zwischen dem Ideal künstlerischer Freiheit und der allgegenwärtigen ökonomischen Rationalität. Die Arbeit analysiert die Beziehung zwischen Kunst und Markt aus systemtheoretischer Perspektive (Luhmann), um die Konsequenzen für die Autonomie der Kunst zu ergründen. Der Fokus liegt dabei auf den bildenden Künsten.
Ausdifferenzierung des Kunstsystems: Dieses Kapitel beschreibt Luhmanns Gesellschaftstheorie und den Prozess der Ausdifferenzierung in Funktionssysteme. Es erklärt, wie das Kunstsystem seine Autonomie erlangt, indem es sich von anderen Sinnrationalitäten (Religion, Politik) löst und sich an seinem eigenen Sinnzusammenhang orientiert. Die Schlüsselbegriffe Operation, Struktur, Variation und Selektion werden erläutert, um den Prozess der Ausdifferenzierung und die Herausforderungen der Stabilität und Restabilisierung des Kunstsystems zu verstehen. Luhmanns evolutionstheoretische Erklärung der Ausdifferenzierung liefert das begriffliche Fundament für die weitere Analyse.
Code und Programm der Kunst: Hier wird der Code des Kunstsystems (passend/unpassend) als konstitutives Element für die Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst erläutert. Das Kapitel analysiert, wie dieses Beobachtungsschema die Operationen innerhalb des Kunstsystems steuert und wie die Selbstprogrammierung des Kunstwerks funktioniert. Die Bedeutung des Postulats der Originalität und die Abkehr von stilistischen Kriterien in der zeitgenössischen Kunst werden diskutiert. Das Kapitel verdeutlicht, wie das Kunstsystem durch den Code und die Eigenlogik der Kunstwerke seine Autonomie aufrechterhält.
Das Postulat der Originalität: Dieses Kapitel vertieft die Bedeutung der Originalität als Kriterium zur Unterscheidung von Kunstwerken untereinander. Es wird erläutert, wie das Postulat des Neuen, in Verbindung mit dem binären Code, den Vergleich und die Bewertung von Kunstwerken ermöglicht und gleichzeitig die Abgrenzung von anderen Objekten (z.B. Werkzeugen) sicherstellt. Die Notwendigkeit von Abwechslung und die damit verbundene dynamische Entwicklung innerhalb des Kunstsystems werden thematisiert.
Schlüsselwörter
Autonomie der Kunst, Systemtheorie (Luhmann), Ausdifferenzierung, Kunstmarkt, Ökonomie, Originalität, Code, Programm, Selbstbestimmung, Funktionssystem.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Autonomie der Kunst im Kontext der Ökonomie
Was ist der Gegenstand des Textes?
Der Text untersucht die Autonomie der Kunst im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Freiheit und ökonomischer Rationalität. Er analysiert die Beziehung zwischen Kunst und Wirtschaftssystem, insbesondere dem Kunstmarkt, aus systemtheoretischer Perspektive (Luhmann) und konzentriert sich dabei auf die bildenden Künste.
Welche zentrale Fragestellung wird behandelt?
Die zentrale Frage lautet: Inwieweit ist die Kunst autonom und frei von ökonomischen Einflüssen? Der Text beleuchtet den Grad der Selbstbestimmung der Kunst und untersucht die Konsequenzen ökonomischer Logiken für die künstlerische Autonomie.
Welche theoretische Perspektive wird eingenommen?
Der Text basiert auf Luhmanns Systemtheorie. Die Konzepte der Ausdifferenzierung von Funktionssystemen, der Code/Programm-Unterscheidung und die evolutionstheoretische Erklärung der Systembildung bilden die Grundlage der Analyse.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Der Text behandelt die Ausdifferenzierung des Kunstsystems, die Funktion der Kunst im gesellschaftlichen Kontext, die Beziehung zwischen Kunst und Wirtschaft (inkl. Kunstmarkt), das Postulat der Originalität als konstitutives Element des Kunstsystems und die Autonomie der Kunst als Ideal und Illusion.
Wie ist der Text strukturiert?
Der Text umfasst eine Einführung, Kapitel zur Ausdifferenzierung des Kunstsystems (inkl. Code und Programm der Kunst sowie dem Postulat der Originalität), zur Funktion der Kunst, zur Beziehung von Kunst und Wirtschaft/Markt und ein Fazit. Jedes Kapitel wird zusammengefasst.
Was ist der "Code" des Kunstsystems?
Der "Code" des Kunstsystems ist ein binäres Unterscheidungsschema (z.B. Kunst/Nicht-Kunst), welches die Operationen innerhalb des Systems steuert und die Abgrenzung zu anderen Systemen ermöglicht. Das Postulat der Originalität spielt dabei eine wichtige Rolle.
Welche Rolle spielt die Originalität in der Kunst?
Die Originalität ist ein zentrales Kriterium zur Unterscheidung von Kunstwerken und zur Bewertung innerhalb des Kunstsystems. Das Postulat des Neuen ermöglicht den Vergleich und die dynamische Entwicklung innerhalb des Systems.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Text?
Schlüsselwörter sind: Autonomie der Kunst, Systemtheorie (Luhmann), Ausdifferenzierung, Kunstmarkt, Ökonomie, Originalität, Code, Programm, Selbstbestimmung, Funktionssystem.
Für wen ist dieser Text relevant?
Dieser Text ist relevant für Wissenschaftler und Studierende der Kunstwissenschaft, Soziologie, Wirtschaftssoziologie und Systemtheorie, die sich mit der Autonomie der Kunst, dem Kunstmarkt und dem Verhältnis von Kunst und Ökonomie auseinandersetzen.
Wo finde ich weitere Informationen?
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- Quote paper
- Johannes Buhl (Author), 2010, Autonomie der Kunst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173948