Christa Wolfs Erzählung Kassandra, die zusammen mit den Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra 1983 in der BRD erschienen ist, konnte zur Zeit ihrer Veröffentlichung große Aufmerksamkeit auf sich ziehen und avancierte zu einem „Kultbuch der internationalen Friedens- und Frauenbewegung“ . Ein Großteil der
Faszination, die Kassandra zu einem Bestseller werden ließ, liegt sicherlich in der zeitgenössischen Brisanz begründet. Die Feminismusbewegung verschaffte sich zunehmend öffentliche Beachtung, und der kalte Krieg, mit der Angst vor atomarer Auslöschung einhergehend, war omnipräsent.
So wird denn auch Kassandra weithin als Schlüsselerzählung und als „Parabel mit unmißverständlicher Warnfunktion“ rezipiert. Die zusätzliche Rückführung des Schreibimpulses Christa Wolfs auf ihre persönliche Situation als Dichterin in der DDR tut ihr übriges, um den Eindruck zu erwecken, die Erzählung ließe sich auf ihre sozio-historische und biographische Dimension reduzieren. In der Tat zeigt sich, daß in der Sekundärliteratur kurz nach der Veröffentlichung eine intensive, teils auch recht kontroverse, Auseinandersetzung mit Kassandra einsetzt, die jedoch in den 90er Jahren deutlich abebbt und spätestens mit dem Bekanntwerden von Christa Wolfs Stasi-Tätigkeit einer polemisch-ideologisch durchzogenen Debatte über ihre Rolle als Schriftstellerin in der DDR weicht. Der Begriff der Staatsdichterin ist schnell geprägt. Offensichtlich liegt es nah, eine Au-torin, die bekennt, „daß ich schreibe, um mich besser kennenzulernen, und die Konflikte, und das, was mir auf den Leib gerückt war, auszudrücken“ , die immer wieder gesellschaftliche Verantwortung eingefordert hat, mit ihrer Biographie für ihre Worte haftbar zu machen. Aber purer Biographismus reicht weder aus, ihre Werke zu verstehen, noch sie zu diskreditieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Erzählung Kassandra und ihre Voraussetzungen
- Subjektive Authentizität
- Scheitern eines Konzepts?
- Subjektwerdung und Sehertum
- Spaltungen
- Sehertum
- Was bedeutet Autonomie?
- Kassandras Tod: Kapitulation oder Autonomieakt?
- Zeichen und Körper
- Persönlich-sinnlicher Zugang
- Die Palastwelt
- Die Welt am Skamander: ein matriarchaler Gegenentwurf?
- Gibt es ein weibliches Schreiben?
- Mythos und Utopie
- Spuren verlassen?
- Gibt es eine utopische Perspektive?
- Schlußbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Christa Wolfs Erzählung "Kassandra", die 1983 in der BRD erschien. Die Arbeit analysiert die Entstehung der Erzählung und beleuchtet die zentrale Frage nach der Subjektwerdung und Autonomiebestrebung der Protagonistin Kassandra im Spannungsfeld von Matriarchat und Patriarchat.
- Die Subjektwerdung Kassandras im Kontext von Matriarchat und Patriarchat
- Die Bedeutung von Sehertum für Kassandras Autonomie
- Das Verhältnis von Zeichen und Körper in der Erzählung
- Die Rolle des Mythos und die Frage nach einer utopischen Perspektive
- Die Analyse der Erzählstruktur und der Voraussetzungen für das Schreiben von "Kassandra"
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert "Kassandra" als Schlüsselerzählung und beleuchtet die Rezeption der Erzählung im Kontext der feministischen Bewegung und des Kalten Krieges. Es wird die Frage nach der Bedeutung von "Kassandra" in der Gegenwart gestellt und die Relevanz der Arbeit am Mythos begründet.
Kapitel 2 behandelt die Voraussetzungen für die Erzählung "Kassandra", die im Vortrag Christa Wolfs "Die Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra" (1983) dargelegt werden. Es werden die Bedingungen und Hintergründe für ihren Schreibimpuls sowie Erläuterungen zur Erzählstruktur erörtert.
Kapitel 3 widmet sich dem zentralen Thema der Subjektwerdung und Autonomiebestrebung Kassandras. Es werden die Spaltungen innerhalb des Subjekts sowie das Sehertum Kassandras analysiert. Die Bedeutung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft im Kontext der Ich-Suche und der Suche nach einem Wir' wird beleuchtet.
In Kapitel 4 werden Zeichen und Körper im Kontext der Erzählung "Kassandra" thematisiert. Es wird der persönliche-sinnliche Zugang zur Welt sowie die Bedeutung der Palastwelt und der Welt am Skamander beleuchtet. Das Verhältnis von oraler und literaler Kultur sowie die Frage nach einem weiblichen Schreiben werden diskutiert.
Kapitel 5 setzt sich mit dem Verhältnis von Mythos und Utopie in der Erzählung auseinander. Es wird die Frage nach der Möglichkeit, Spuren zu verlassen, und nach einer utopischen Perspektive im Kontext der Erzählung "Kassandra" diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit widmet sich zentralen Themen wie Subjektwerdung, Autonomie, Matriarchat, Patriarchat, Sehertum, Zeichen, Körper, Mythos und Utopie. Der Fokus liegt auf der Analyse von Christa Wolfs Erzählung "Kassandra" und den Voraussetzungen für ihre Entstehung.
- Quote paper
- Meike Adam (Author), 2001, Wer wird, und wann, die Sprache wiedererfinden - Spaltungen, Zeichen und Körper in Christa Wolfs Kassandra, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17428