Der traditionelle Bazar als zentraler Geschäftsbezirk und wirtschaftliches Organisationszentrum der orientalisch-islamischen Stadt


Seminararbeit, 1983

34 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Abgrenzung und Problematik

2. Idealschema des islamisch-orientalischen Stadt nach Dettmann

3. Gebäudetypen des Bazars
3.1 Bazargassen
3.2 Khane
3.3 Bazarhallen
3.4 Entstehung der Gebäudetypen

4. Bazartypen
4.1 Formale Bazartypen
4.1.1 Linienbazar
4.1.2 Flächenbazar
4.1.3 Zentraler Einzelhandelsbazar mit umgebenden Khanen
4.1.4 Kreuzbazar
4.2 Funktionale Bazartypen
4.2.1 Quartierbazar
4.2.2 Vorstadtbazar
4.2.3 Pilgerbazar
4.2.4 Handwerkerbazar

5. Branchensortierung und Branchenvergesellschaftung
5.1 Vorherrschende Branchen
5.2 Vergesellschaftung

6. Räumliche Anordnung der Branchen (Branchenwertigkeit)

7. Bazar als wirtschaftlich-gesellschaftlich-politisches Organisationszentrum

8. Ausblick: Thesen zum Funktionswandel des Bazars infolge Verwestlichung

9. Literaturverzeichnis

10. Abbildungsverzeichnis

1. Abgrenzung und Problematik

Der Orientale versteht unter dem Begriff des Bazars den Ort des Einkaufs ganz allgemein. Im europäischen Sprachgebrauch jedoch – wie auch in der nachfolgenden Arbeit – wird der Bazar (persisch: bāzār; arabisch: sūq; türkisch: çarşi; deutsch: Markt) als der im Zentrum gelegene traditionelle Geschäftsbezirk der orientalisch-islamischen Stadt verstanden. Er wird täglich mit Ausnahme der Feiertage in einem festen und abschließbaren Gebäudebestand abgehalten.

Auf diesen typischen Bazar beziehen sich die Kapitel 2 bis 7. In Kapitel 8 wird als Ausblick in großen Zügen der Funktionswandel des Bazars infolge der Verwestli-chung erläutert. Durch diese stattfindende Überformung gestaltet es sich schwieriger, an den traditionellen Bazar heranzukommen. Denn was auf den ersten Blick als klare Sache erscheint, zeigt sich bei genauerer Betrachtung der Verhältnisse als kompli-zierter und tiefschichtiger.

Als allerwichtigste Grundlagen wurde für diese Problematik bzw. für diese Arbeit die umfangreiche Überblicksarbeit von Wirth in Form eines zweigeteilten Aufsatzes[1] und der Artikel von Schweizer über den Bazar von Tabriz[2] herangezogen. Weitere, ausführliche Literaturangaben[3] befinden sich im Literaturverzeichnis (Kapitel 9).

2. Idealschema der islamisch-orientalischen Stadt nach Dettmann

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Idealschema der islamisch-orientalischen Stadt[4]

Direkt im Mittelpunkt der Stadt liegt die Große Moschee. Um sie herum hat sich der Bazar entwickelt. An diesen schließen sich die Wohnviertel an, in denen sich die Quartierbazare (siehe Kapitel 4.2.1) befinden. Die Burg ist in die Stadtmauer eingegliedert und außerhalb der Mauern liegen schließlich die ländlichen Märkte und die Friedhöfe.

3. Gebäudetypen des Bazars

Der unterschiedliche Baubestand des Bazars ergibt sich aus seinen verschiedenen Funktionen. Im räumlichen Nebeneinander und in mosaikartiger Verschachtelung können wir Bazargassen, Khane und Hallen unterscheiden. Die beiden ersten Elemente, – Bazargassen und Khane – , sind geradezu zwingend für den Baube-stand eines Bazars.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die verschiedenen Gebäudetypen eines Bazars[5]

3.1 Bazargassen

Die 3 bis 4 Meter breiten Bazargassen sind die bevorzugten Standorte von Einzelhandel und Handwerk. Sie sind auf beiden Seiten von eingeschossigen, dicht gereihten Ladenboxen gesäumt, die oft bloß 1 bis 2 m Quadratmeter messen. Weder über dem Arbeits- bzw. Geschäftsraum noch zwischen den einzelnen Ladenboxen finden wir Wohnungen. Diese gänzlich fehlende Wohnfunktion ist der eklatante Unterschied zu unseren mittelalterlichen Städten.

In den orientalisch-islamischen Städten sind zumindest die zentraleren Abschnitte der Bazargassen überdacht oder überwölbt, sei es steinüberwölbt oder mit einem First- bzw. Flachdach. Die Überdachung wird durch die beidseitige, gleich hohe Bebauung begünstigt. Da die Überdachung nur mit wenigen Luken versehen ist, finden wir die so typische halbdunkle, anheimelnde Bazaratmosphäre vor. Die Überdachung gehört zwangsläufig zum Image einer gut ausgestatteten Bazargasse. Man ist dort zugleich vor Sonne als auch vor Regen geschützt. Die Kreuzungsstellen der Bazargassen werden durch kuppelartige Aufbauten oftmals architektonisch besonders hervorgehoben.

Eine gewisse Ausnahme stellen die Bazare von Afghanistan (vgl. Kapitel 4.1.4) dar.

3.2 Khane

Die Khane sind meist mehrgeschossige, absperrbare Innenhofkomplexe mit Arkadenreihen. Sie haben nur einen oder wenige mit schweren Torkonstruktionen versehene Zugänge. Diese enden in der Regel auf die Bazargassen hin. Der Innenhof ist überwiegend nicht überdacht. Wie die Bazargassen haben die Khane nur wirtschaftliche, jedoch keine Wohnfunktion. Ihre Lage zu den Bazargassen ist nicht immer gleich. Sie können längs der Bazargassen aufgereiht sein, diese säumen oder auch in sich kreuzenden Bazargassen eingeschachtelt sein (vgl. Kapitel 4.1: formale Bazartypen). Immer liegen sie jedoch abseits der großen Passantenströme, ohne dass dadurch der direkte Kontakt zu den Bazargassen oder die leichte Erreichbarkeit von dort aus beeinträchtigt wird. Die enge Nachbarschaft und die räumliche Verknüpfung von Bazargassen und Khanen im Zentrum der Stadt sind ganz charakteristisch für den orientalisch-islamischen Bazar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Schema eines Khans bzw. eines Sarai-Typs[6]

Der Gebäudetyp des Khans findet innerhalb des Bazars vielseitige Verwendung. Im traditionellen Bazar ist der Khan Sitz des Großhandels und dadurch gleichzeitig auch Ort des Geldwesens. In Khans sind Büros und Lager untergebracht, sowohl für einheimische als auch für auswärtige Groß- und Fernhändler; zugleich sind sie damit Ort des Export- und Importhandels. Hier findet sich die organisatorische und wirtschaftliche Macht des Bazars (vgl. Kapitel 7).

3.3 Bazarhallen

Im Gegensatz zu Bazargassen und Khanen gehören hallenartige Gebäude nicht notwendig zu einem Bazar. Hauptsächlich finden sich die Hallen in der Türkei und im Iran. Dies lässt sich nur bedingt durch das Klima erklären. In der Türkei werden diese Hallen Bedesten genannt, die pro Markt prinzipiell nur einmal vorkommen. In iranischen Bazaren können dagegen mehrere Bazarhallen vorkommen.

Trotz vieler Unterschiede kann man doch einige wesentliche Gemeinsamkeiten aufzeigen: Wie in den Bazargassen und Khanen ist in den Bazarhallen keine Wohnfunktion gegeben. Der überdachte Innenraum wird von allen Seiten von Boxen gesäumt und die Halle ist als Ganzes durch Tore absperrbar. Fast immer finden sich die Hallen in den zentralen Teilen des Bazars.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Grundriss-Schema von Bazarhallen[7]

Auch die Funktion ist immer dieselbe. Sie dient dem Einzel- und Großhandel für wertvollere Waren (im Allgemeinen für Textilprodukte) als Lager und Verkaufsstelle.

Die dargestellte räumliche Gruppierung und Zuordnung der zwei bzw. drei Gebäude-typen wie überdachte Gassen, Khane und gegebenenfalls Hallen innerhalb des Gesamtkomplexes eines Bazars „hat sich spätestens zu Beginn des 19. Jahrhun-derts zu einem Kanon verdichtet – d. h. zu einer allgemein akzeptierten, als Norm empfundenen Idealvorstellung, wie ein Bazar auszusehen habe.“[8]

[...]


[1] Vgl. Wirth, Zum Problem des Bazars, in: Islam Bd. 51 (1974), S. 203-260 und Bd. 52 (1975), S. 6-46.

[2] Vgl. Schweizer, Tabriz (Nordwest-Iran) und der Tabrizer Bazar, in: Erdkunde Bd. 26 (1972), S. 32- 46.

[3] Die benützte Literatur befindet sich im Literaturverzeichnis. Entsprechend den Gepflogenheiten des Instituts werden Entlehnungen nicht eigens gekennzeichnet; wörtliche Ausschnitte bzw. entnommene Abbildungen hingegen werden mit genauer Stellenangabe zitiert.

[4] Quelle: Dettmann, Damaskus. Eine orientalische Stadt zwischen Tradition und Moderne, S. 25.

[5] Quelle: Schweizer, Tabriz (Nordwest-Iran) und der Tabrizer Bazar, S. 37.

[6] Quelle: Gaube/Wirth, Der Bazar von Isfahan, S. 100.

[7] Wirth, Zum Problem des Bazars (1974), S. 229.

[8] Wirth, Zum Problem des Bazars (1974), S. 231.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Der traditionelle Bazar als zentraler Geschäftsbezirk und wirtschaftliches Organisationszentrum der orientalisch-islamischen Stadt
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Geographisches Institut)
Veranstaltung
Regionale Geographie: Vorderer Orient
Note
1,0
Autor
Jahr
1983
Seiten
34
Katalognummer
V174436
ISBN (eBook)
9783640949243
ISBN (Buch)
9783640949014
Dateigröße
2047 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bazar, Suq, Carsi, Baubestand des Bazars, Gebäudetypen des Bazars, Bazargassen, Khane, Bazarhallen, Bazartypen, Branchensortierung, Branchenwertigkeit, Traditioneller Geschäftsbezirk, Wirtschaftliches Organisationszentrum, Funktionswandel des Bazars, Orientalisch-islamische Stadt, Zweipolige Stadt, Verwestlichung, Stadtgeographie
Arbeit zitieren
Dr., M.A. Roland Engelhart (Autor:in), 1983, Der traditionelle Bazar als zentraler Geschäftsbezirk und wirtschaftliches Organisationszentrum der orientalisch-islamischen Stadt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174436

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