Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ausgewählte Konfliktfelder im Krankenhaus
2.1 Organisationskonflikte
2.2 Rollenkonflikte
2.3 Teamkonflikte
2.4 Konflikte mit Patienten
3 Mediation als alternatives Konfliktlösungsverfahren
3.1 Grundprinzipien und Rolle des Mediators
3.2 Ablauf und Phasen der Mediation
4 Nutzungs- und Umsetzungsmöglichkeiten im Krankenhaus
4.1 Chancen
4.2 Grenzen
4.3 Formen der Umsetzung
5 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Seit einigen Jahren befindet sich das Gesundheitswesen im ständigen Wandel ge- prägt durch Ökonomisierungsprozesse und Kostensenkungsprogramme als Folge gestiegener politisch „verordneter“ Sparmaßnahmen. Dies zwingt auch das bis da- to nicht primär wirtschaftlich ausgerichtete oder sogar karitative System der Krankenhäuser zunehmend zu wettbewerbsorientierten Umstrukturierungen. Der Druck von Umwelt, Politik und Gesellschaft, der auf den Krankenhäusern und seinem Mitarbeitern lastet, ist hierbei in den letzten Jahren überproportional ge- stiegen. Begriffe wie Kostenexplosion im Gesundheitswesen, Qualitätsmanage- ment und -sicherung, Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Bettenabbau rücken im Krankenhaussystem mehr und mehr in den Fokus. In einigen Fällen führt dies so- gar soweit, dass Krankenhausbetriebe eine Schließung in Betracht ziehen, wenn nicht durch Umstrukturierungen, Spezialisierungen oder Fusionen entsprechende Lösungen gefunden werden.
Der hierdurch wachsende und teilweise erzwungene Anspruch nach Wirtschaftlichkeit und Qualität verlangt nach marktwirtschaftlichen und qualitätsgeleiteten Prozessen. Somit treten nicht selten Kriterien wie ökonomische Zweckmäßigkeit sowie Konkurrenz- und Kostendenken in den Vordergrund und werden sozialen Gesichtspunkten vergleichend gegenübergestellt. Dies kann gerade vor dem Hintergrund des gestiegenen Selbst- und Informationsbewusstseins der Patienten nicht zuletzt negative Auswirkungen auf das sehr subjektiv wahrgenommene Produkt bzw. die Dienstleistung „Gesundheit“ haben.
Ebenso können die aus dem Kostensenkungsdruck resultierenden immer kürzeren Verweildauern bei gleichzeitig steigenden Patientenzahlen zu einer größeren Ar- beitsbelastung der Verwaltung, der Ärzte und der Pflegekräfte führen und sich zu- nehmend negativ auf die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter nieder- schlagen.
Zusätzlich ist das Krankenhaus als Organisation durch eine starke Hierarchie ge- kennzeichnet, bei der die Arbeitsabläufe und Verantwortungsbereiche durch un- terschiedliche Machtverhältnisse klar voneinander abgegrenzt werden. Die Füh- rungskräfte haben häufig einen medizinischen Bildungsweg hinter sich und müs- sen sich zunehmend mit betriebswirtschaftlichen Problemstellungen auseinander- setzen, woraus nicht selten Rollenkonflikte entstehen. Ebenso sind auf Stations- ebene Konflikte innerhalb der (interdisziplinären) Teams aufgrund der gestiege- nen Anforderungen durch z.B. moderne Medizintechnik und Umstrukturierungen mehr und mehr allgegenwärtig. Dies führt neben der bereits bekannten emotiona- len Belastung durch Krankheit und Tod zu einer weiteren besonderen psychischen und physischen Belastungen der Mitarbeiter. Hinzu kommt, dass die Personalkos- ten im Durchschnitt nahezu 60 Prozent der Gesamtkosten1 umfassen und nicht selten der Versuch unternommen wird, die erforderliche Kostenoptimierung über eine Reduzierung dieser zu erreichen. Dies führt häufig zu Auslagerungen, neuen Personalmodellen oder Nicht-Nachbesetzungen und damit zu weiterem Konflikt- potenzial.
All diese Faktoren und Gegebenheiten sind Nährboden für Spannungsfelder und Auseinandersetzungen, die naturgemäß einen negativen Einfluss auf die Zusam- menarbeit und damit auf die Qualität der Dienstleistung bzw. des Produktes „Ge- sundheit“ haben können. Dabei treten diese nicht nur zwischen Mitarbeitern, zwi- schen Patienten und Mitarbeitern, sondern auch als Konflikt der Mitarbeiter mit sich selbst auf.
Diese Arbeit beschäftigt sich daher in den folgenden Ausführungen nicht mit der Problematik der Ökonomisierung des Krankenhaussystems. Sie wird sich viel- mehr der Frage widmen, inwieweit die Wirtschaftsmediation einen Beitrag zur Lösung und Bewältigung der oben angedeuteten Konflikte innerhalb des Kran- kenhauses leisten und damit zur Kostenreduzierung im Vergleich zu anderen Ver- fahren der Streitbeilegung sowie einem positiven Miteinander beitragen kann.
2 Ausgewählte Konfliktfelder im Krankenhaus
Überall dort, wo Menschen zusammentreffen, können Konflikte und Konfliktfelder entstehen. Dies gilt insbesondere in Beziehungen, welche starken psychischen als auch physischen Belastungen ausgesetzt sind.
Als Konflikt wird umgangssprachlich jede Form einer schwer lösbaren Fragestel- lung bezeichnet und nicht selten sehr inflationär benutzt. Die Wissenschaft hinge- gen ist sich in vielen Teilen uneins über eine genaue Definition oder Abgrenzung. Was jedoch überwiegend einheitlich gesehen wird, ist die Erkenntnis, dass in na- hezu allen Konflikten die sachliche Ebene und das entsprechende Verhalten maß- geblich durch die darunterliegende emotionale oder Beziehungsebene beeinflusst werden.2
Der Krankenhausbereich zählt mit rund 1,1 Mio. Beschäftigten und einem Ge- samtvolumen von ca. 64 Mrd. Euro zu einem der größten, aber auch dynamisch- sten Wirtschaftszweige Deutschlands.3 Gerade in solchen, von ständigen Verände- rungen und Weiterentwicklungen betroffenen Sektoren sind Konflikte allgegen- wärtig, meist sehr komplex und die Ursachen vielfältig. Verstärkt wird dies durch eine historisch gewachsene starke Hierarchie und starre Organisationsstrukturen (ärztlicher, pflegerischer und verwaltungstechnischer Bereich) innerhalb des Krankenhauses. Unterschiedliche Aufgabenfelder, Tätigkeiten und Kompetenzen können zu einer Vielzahl unterschiedlicher Konfliktarten führen.
Dies kann von Interessens-, Wert- und Zielkonflikten über Beurteilungs- und Ver- teilungskonflikte bis hin zu Konflikten über Rollen, Strukturen und Beziehungen reichen. Wobei diese wiederum auch eng miteinander verknüpft sein können und damit die besondere Komplexität von Konfliktursachen und -bedingungen dieses Systems verdeutlichen.
Im Folgenden werden nun beispielhaft einige ausgewählte Konfliktfelder im Krankenhaus dargestellt. Dabei sollte erwähnt werden, dass diese nicht, wie oft exemplarisch aufgeführt, nur auf den Arzt oder das Teilsystem Krankenhaus, sondern auch auf viele andere Berufsgruppen und Bereiche des Gesundheitswesens übertragbar sind.
2.1 Organisationskonflikte
Als Organisationskonflikte werden Konflikte, also Interessengegensätze zwischen Einzelpersonen als auch zwischen Gruppen innerhalb von Organisationen be- zeichnet.4
Diese Konfliktart ist in nahezu allen Organisationen anzutreffen, wobei die Häufigkeit und Intensität mit zunehmender Größe und Komplexität einer Organisation sowie in Veränderungsprozessen meist zunimmt.
Beobachtet man gerade die Ablaufprozesse in großen Universitätskliniken, sind diese von einer hohen Komplexität der Organisationsstrukturen, starken Hierar- chien und hohen Mitarbeiterzahlen gekennzeichnet.5 Ebenso sind im Kranken- haussystem die Arbeitsabläufe und Verantwortungsverhältnisse klar abgegrenzt und weisen ein starkes Machtgefüge auf.6 Es treffen verschiedene Berufsstände mit unterschiedlichen Kulturmustern aufeinander: von traditionell hierarchischen Strukturen der Mediziner, des Pflegepersonals und der medizinisch-technischen Helfer über die Verwaltung bis hin zu den Technikern und Hilfsdiensten.7
Die Zunahme solcher Konflikte zeigt sich in der Gegenwart speziell im gestiege- nen Effizienz-, Effektivitäts-, Kosten- und Qualitätsbewusstsein, welche sich ver- mehrt zu Konflikten zwischen Verwaltung und dem Primat der „Heilung des Pa- tienten“, also der Medizin entwickeln. Ebenso führt der durch die stetige Vermin- derung öffentlicher Mittel gestiegene Kostendruck in vielen Bereichen zu be- triebswirtschaftlich notwendigen Veränderungen aber im Gegenzug auch zu er- höhter Anspannung innerhalb der Organisationen und seinen Mitgliedern und da- mit zu einem hohen Konfliktpotenzial.
Ähnliche Ursachen sind auch bei Rollenkonflikten innerhalb des Krankenhaussystems zu beobachten.
2.2 Rollenkonflikte
Jede soziale Position ist mit einer Rolle verbunden, an der bestimmte Verhaltenseigenschaften geknüpft sind.8 Solche Rollenerwartungen können verschiedene Rollenkonflikte verursachen. Ein Krankenhausarzt steht hierbei beispielsweise in einem Konflikt zwischen Medizin und der erwarteten Hilfe gegenüber dem Patienten, seiner Führungsposition gegenüber den Mitarbeitern und der zunehmenden von ihm erwarteten Managerfunktion, was auch als Intra-Rollenkonflikt bezeichnet wird.9 Solche Konflikte erwachsen sowohl aus an ihn gerichteten als auch aus seinen eigenen, möglicherweise nicht erfüllbaren Erwartungen, da diese von völlig widersprüchlichem Charakter sind.10
Hinzu kommen noch historisch gewachsene Ideologien vom Arzt als „Helfer“ und der Verantwortung für das Leben anderer Menschen, welche zur Verdrängung von Zweifeln und Komplikations- sowie Versagensängsten führen und weiterer Nährboden für die Entwicklung von Konflikten sein können.11
Neben diesen Faktoren kommt es vermehrt auch zu defizitärer Rollenkompetenz. Ein handelnder Arzt oder Pflegebereichsleiter, welcher als Manager im Rahmen von knappen Ressourcen agieren soll, dabei jedoch nur unzureichende betriebswirtschaftliche Kenntnisse aufweist, kann die in ihn gesetzten Erwartungen womöglich nicht oder nur teilweise erfüllen.
Bereits diese, nicht umfänglich aufgeführte Darstellung des Rollenkonfliktes zeigt die Bandbreite und möglicherweise auch -tiefe dieser Konflikte innerhalb der Or- ganisation Krankenhaus. Ferner existieren daneben auch Inter-Rollenkonflikte12, welche weitere Bereiche, wie das Zusammenspiel zwischen Familie und Beruf be- treffen.
2.3 Teamkonflikte
Weitere mögliche Konfliktfelder im Krankenhaussystem sind Teamkonflikte. Wie in anderen Bereichen arbeiten auch im Krankenhaus eine große Anzahl unter- schiedlicher Berufsgruppen zusammen. Diese Zusammenarbeit ist für einen rei- bungslosen Ablauf unerlässlich. Dabei entstehen Teamkonflikte sowohl innerhalb gleicher Berufsgruppen (z.B. Pflegedienst), als auch in heterogenen Teams (z.B. Operationsteams). In der Vergangenheit waren diese grundsätzlichen Spannungs- verhältnisse vermehrt zwischen Pflegepersonal und Ärzteschaft zu beobachten.13 Aufgrund des gestiegenen Qualitäts- und Servicebewusstsein der Krankenhäuser, wird diese vielfach rein medizinische Zusammensetzung von heterogenen Teams nunmehr immer häufiger auch durch nicht-medizinisches Personal ergänzt, was weiteren Anlass für Auseinandersetzungen gibt. Daneben verschärft eine zuneh- mende Spezialisierung der Mitarbeiter die bestehende Konkurrenz noch zusätzlich über alle Berufsgruppen hinweg.
Dabei spielen Fragen der Verantwortlichkeit und Probleme des Informationsflus- ses sowie fehlende Kommunikation in Veränderungsprozessen eine wesentliche Rolle. Die geleistete Arbeit und der Beitrag für das Gesamtprodukt des Kranken- hauses werden nur noch mangelhaft erkannt und anerkannt, was die Beziehungs- ebene zusätzlich belastet. Dies kann ferner durch die zunehmende physische als auch psychische Belastung, verursacht durch Personalmangel und dem hieraus folgenden Zeitmangel zur Patientenbetreuung, abermals verstärkt werden.14
Solche Konflikte werden naturgemäß leicht auf den Patienten, in Form von subjektiv empfundener Vernachlässigung oder mangelnder Servicequalität, übertragen und führen folglich zu weiteren Konflikten zwischen den Mitarbeitern und Patienten sowie dessen Angehörigen.
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1 Vgl. Statistisches Bundesamt (2008), S.11.
2 Vgl. Hanschitz (2005), S.73f.
3 Vgl. Statistisches Bundesamt (2008), S.16.
4 Vgl. Werpers (1999), S.7.
5 Vgl. Fuchtmann (2007), S.51.
6 Vgl. Poje (2004), S.1.
7 Vgl. Fuchtmann (2007), S.51.
8 Vgl. Rechtien (2003), S.114f.
9 Vgl. Poje (2004), S.1.
10 Vgl. Kaiser (2000), S.170.
11 Vgl. Poje (2004), S.1.
12 Vgl. Rechtien (2003), S.115.
13 Vgl. Kaiser (2000), S.171.
14 Vgl. Poje (2004), S.2.