Seit alters her hat das Schicksal der „zehn verlorenen Stämme“ des Nordreichs Israel die Phantasie beschäftigt und Spekulationen ausgelöst. Sind die zehn verlorenen Stämme einfach in anderen Völkern aufgegangen, was die wahrscheinlichste, einfachste und unspektakulärste Antwort ist? Konnten sie sich geschlossen in andere Weltgegenden absetzen und können ihre Nachfahren demnach aufgespürt werden? Bis heute finden sich Hobbyforscher und ernsthafte Ethnologen, die in verschiedenen Weltregionen die Nachfahren oder zumindest Spuren der verlorenen Stämme gefunden haben wollen. Die Falaschas in Äthiopien oder Bergstämme in Afghanistan, auch geschlossene Dorfgemeinschaften in Indien und Pakistan werden genannt.
Eine eigenwillige und bizarre Theorie entwerfen die Anhänger der Christian-Identity-Bewegung. Demnach sind die weißen Europäer, in ihrer Sprache die weiße Rasse oder auch Arier, die Nachfahren zumindest der zehn verlorenen Stämme. Die heute lebenden Juden hätten dagegen überhaupt keine Beziehung zum „auserwählten Volk“ und täuschten die Welt. Die Angehörigen der „weißen Rasse“ sind somit wahre Israeliten und damit auch Träger der in der Bibel versprochenen Verheißungen. Diese skurrile Ansicht könnte als exzentrische Schrulligkeit betrachtet werden. Leider verbindet sich mit dem Anspruch, das wahre Israel zu sein, eine Abwertung der Juden und des Staates Israel bei gleichzeitiger Relativierung, auch offener Leugnung des Holocaust. Juden und der jüdische Staat gelten als geradezu dämonisch. Sie sind die Übeltäter in der Geschichte und das ihnen widerfahrene Leid erfunden oder doch maßlos übertrieben.
In Deutschland behauptet der Freundeskreis um die Zeitschrift Morgenland die Herkunft der weißen Europäer zu den wahren Nachfahren der zehn, ja sogar aller zwölf Stämme.
Inhaltsverzeichnis
- Auf der Suche nach Israel
- Israel, die Kirche und die Ursprungsmythen
- Das Verhältnis von Kirche und Israel, von Christen und Juden
- Die Christianisierung Europas und das Problem der Genealogie
- British Israelism und Christian Identity
- Jerusalem auf Englands Wiesen
- Christian Identity und die Verwerfung der Juden
- Ideologische Eckpunkte von Christian Identity
- Der Schlangensame und der Weibessame
- Menschwerdung und Präadamiten
- Das wahre und das falsche Israel
- Das wahre Israel
- Das falsche Israel: Die Juden
- Die Macht der Juden
- Deutschland und der Holocaust
- Christian Identity - eine große Verschwörungstheorie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Christian-Identity-Bewegung, die die weiße Rasse als Nachfahren des „wahren Israels“ sieht und die Juden als Fälschung des auserwählten Volkes ablehnt. Dabei werden die historischen und religiösen Grundlagen der Bewegung beleuchtet, ihre ideologischen Eckpunkte untersucht und die Verbindung zur Leugnung des Holocaust aufgezeigt.
- Die Suche nach den zehn verlorenen Stämmen Israels
- Das Verhältnis von Kirche und Israel im historischen Kontext
- Die Entstehung und Verbreitung der Christian-Identity-Ideologie
- Die Verbindung von Christian Identity zur Leugnung des Holocaust
- Die Rolle von Verschwörungstheorien in der Christian-Identity-Bewegung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die historischen Hintergründe der Suche nach den „zehn verlorenen Stämmen“ Israels und verschiedene Theorien, die die Existenz dieser Stämme in verschiedenen Teilen der Welt annehmen.
Das zweite Kapitel untersucht die Entstehung des Spannungsverhältnisses zwischen Kirche und Israel, die Entwicklung des Antijudaismus in der christlichen Tradition und die Theorie der „Enterbung“ der Juden durch Gott.
Das dritte Kapitel stellt die Christian-Identity-Bewegung und ihre zentrale These vor, dass die weiße Rasse die wahren Nachkommen des auserwählten Volkes seien, während die Juden als falsche Israeliten betrachtet werden.
Das vierte Kapitel befasst sich mit den ideologischen Eckpunkten der Christian-Identity-Bewegung, darunter ihre Ansichten über die Menschwerdung, die Präadamiten und die Rolle des „wahren“ und „falschen“ Israels.
Schlüsselwörter
Christian Identity, Israel, Juden, Kirche, Antijudaismus, Verschwörungstheorien, Holocaust, weiße Rasse, auserwähltes Volk, „zehn verlorene Stämme“, Ursprungsmythen, British Israelism.
- Citar trabajo
- Dr. Michael Hausin (Autor), 2011, Christian Identity - Zwischen Frömmigkeit und radikaler Ideologie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174702