Rechtsanspruch auf Hospizleistungen und palliative Versorgung


Hausarbeit, 2011

31 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. § 37b SGBV - Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)
1.1. Allgemeine Einleitung in den § 37b SGBV zur Regelung der "spezialisierten ambulanten Palliativversorgung" (SAPV)
1.2. Anspruchsvoraussetzungen auf SAPV - § 37b I 1 SGBV
1.3. Verordnung durch den Arzt und Entscheidung durch die Krankenkasse - § 37b I 2 SGBV
1.4. Leistungsinhalt der SAPV - § 37b I 3 SGBV
1.5. Anspruch auf ärztliche Teilleistung im stationären Hospiz - § 37b I 4 SGBV
1.6. Keine Kostenverlagerung zulasten der gesetzlichen KV - § 37b I 5 SGBV
1.7. SAPV für Kinder - § 37b I 6 SGBV
1.8. Anspruch auf SAPV in Pflegeeinrichtungen - § 37b II 1 SGBV
1.9. Leistungserbringer der SAPV in Pflegeeinrichtungen - § 37b II 2 SGBV
1.10. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) - § 37b II 3 SGBV

2. § 39a SGBV - Stationäre und ambulante Hospizleistungen
2.1. Allgemeine Einleitung in den §39a SGBV zur Regelung der Hospizleistungen und der Förderung derselben
2.2. Anspruchsvoraussetzungen auf (teil-)stationäre Versorgung, Prüfung durch Arzt und Medizinischen Dienst - § 39a I 1 SGBV
2.3. Finanzierung durch Zuschuss - § 39a I 2,3 SGBV
2.4. Konkretisierungsauftrag - § 39a I 4 SGBV
2.5. Achtung der Belange von Kindern - § 39a I 5 SGBV
2.6. Anhörung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung - § 39a I 6 SGBV
2.7. Schiedsverfahren bei Nichteinigung - § 39a I 7-9 SGBV
2.8. Ambulante Hospizversorgung - § 39a II SGBV
2.9. Förderungsverpflichtung und Förderungsvoraussetzungen - § 39a II 1,2 SGBV
2.10. Leistungsinhalt - Schulung Ehrenamtlicher § 39a II 3 SGBV
2.11. Förderung durch Zuschuss § 39a II 4-6 SGBV
2.12. Konkretisierungsauftrag - Belange von Kindern sind zu berücksichtigen - § 39a II 7,8 SGBV

3. Fazit

Einleitung

Anlässlich der zu schreibenden Hausarbeit habe ich mich im Seminar zum Krankenversicherungsrecht entschieden, über den rechtlichen Anspruch auf Hospizleistungen und palliative Versorgung zu schreiben.

Diese Thematik wählte ich, weil ich es für eine für mich in Frage kommende Arbeit im Krankenhaus, einer Pflegeeinrichtung oder auch in einem Hospiz für wichtig und notwendig halte, sich mit grundlegenden sozialrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen; ebenso fügt sich für mich die Bearbeitung dieser beiden Rechtsansprüche erweiternd ein in bereits Gelerntes aus einem anderen Seminar, das sich allerdings auf Bedürfnisse und Wünsche sterbender Menschen und auf zu berücksichtigende kulturelle und religiöse Aspekte im Umgang mit diesen und ihren Angehörigen ausrichtete, rechtliche Fragen aber nicht weiter behandelte. Ziel meiner Arbeit soll es darum sein, die grundlegenden Rechtsnormen, nämlich § 37b SGBV und § 39a SGBV ausführlich anhand verschiedener Rechtskommentare und zugehöriger Richtlinien bzw. Rahmenvereinbarungen zu bearbeiten; bei der Erläuterung des § 37b SGBV zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung werde ich auch vereinzelt Bezug auf die übliche Erbringung von Palliativleistungen nehmen - diese Rechtsnorm steht allerdings schon wegen ihres jungen Alters und ihrer Wichtigkeit und ihres eher streitbaren Charakters im Vordergrund. Da unsere Arbeiten allgemein so zu schreiben sind, dass auch Leser ohne Vorwissen sich langsam, aber sicher, in das Thema hinein denken können und der Text somit relativ leicht zugänglich sein sollte, möchte ich mich weitestgehend auf den rechtlichen Kerngehalt des Anspruchs auf Hospizleistungen und palliative Versorgung beschränken, also auf das, was an Allgemeinem über die aktuelle Rechtslage diesbezüglich wissenswert ist bzw. gewusst werden sollte. Da es sich für mich um Neuland handelt, ist es für mich die Erarbeitung eines grundlegenden Fundaments, was diesen Rechtsbereich betrifft. Demnach ist das Ziel meiner Arbeit nicht, Fragen und Streitigkeiten aufzugreifen, die Sinnhaftigkeit oder Richtigkeit der aktuellen Rechtslage betreffen, auch wenn dies kurz in einzelnen Passagen angeschnitten wird; hierfür ist eine Ausgangsbasis im Sinne dessen, was ich versuche, zu erarbeiten, meines Erachtens notwendig. Bezüglich der Beschreibung von zu nennenden Körpern wie Spitzenorganisationen oder dem Gemeinsamen Bundesausschuss verweise ich für ein gutes Verständnis auf entsprechende Fachlexika. Vom Umfang her ist es mir ebenso wenig möglich, über die rechtliche Reglementierung hinauszugehen und beispielsweise Bezug auf eine sozialarbeiterische Sicht zum Thema zu nehmen, wenn ich die von mir gewählte Fokussierung nicht beschneiden möchte.

Beginnen möchte ich mit einer kleinen Einführung in den Paragraphen, der die spezialisierte ambulante Palliativversorgung regelt und hernach an diesem Anspruchsvoraussetzungen, Leistungsinhalt, Leistungserbringung und anderweitig Rahmendes und Konstituierendes erläutern; folgend soll auf vergleichbare Weise mit dem Paragraphen, der stationäre und ambulante Hospizleistungen regelt: anfangs einige einleitende Worte zur „Normgeschichte“ und einen Abriss zur Hospizbewegung in Deutschland, dann die Klärung von Anspruchsvoraussetzungen, Leistungserbringung, Art und Weise und Bedingungen der Unterstützung der Hospize durch Zuschüsse und Weiteres. Abschließend möchte ich u.a. mitteilen, welche anderen Aspekte des Themas Hospiz und palliative Versorgung ich mir (u. allgemein) zur weiteren Betrachtung empfehlen würde.

Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit werden ggf. maskuline Formen auch für Frauen verwendet.

1. § 37b SGBV - Spezialisierte ambulante Palliativversorgung

1.1.Allgemeine Einleitung in den § 37b SGBV zur Regelung der „spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“ (SAPV)

§ 37b SGBV wurde mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG), eingeführt am 26.03.2007, mit Wirkung vom 01.04.2007 in das fünfte Sozialgesetzbuch aufgenommen. Die neuen Regelungen haben eine bessere Palliativversorgung zum Ziel (vgl. Dalichau, S. 2), tragen insofern dem Zwischenbericht der Enquetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zur „Verbesserung der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland durch Palliativmedizin und Hospiz“ vom 22.06.2005 Rechnung und beabsichtigen, dem Zwischenbericht folgend, die Herstellung eines humanitären Anspruchs an entsprechender medizinischer Versorgung sterbender Schwerkranker in häuslicher Umgebung, der bis dahin völlig unzureichend anerkannt wurde. Aus diesem Anlass hat der Gesetzgeber die Versorgungslücke zwischen häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGBV, der Krankenhausbehandlung nach § 39 SGBV, der vollstationären Pflege der sozialen Pflegeversicherung nach § 43 SGB XI und den Leistungen der ambulanten, teilstationären und vollstationären Hospize nach § 39 SGBV durch die Einführung der SAPV nach § 37b SGBV für Schwerkranke mit besonderen Bedürfnissen geschlossen (vgl. Schlegel/Voelzke, RdNr. 3, 8; Sendowski, S. 286-287).

Da es dem § 37b SGBV zuvor nichts Vergleichbares gab und die genannten Versorgungsleistungen allein, deren Lücke dieser schloss, nicht immer den individuellen Bedürfnissen mancher Schwerstkranken - und auch denen der Angehörigen - entsprechen konnten, war die letzte Lebensphase im trauten Heim in diesen Fällen nicht gewährleistet und musste entgegen dem Wunsch manches Patienten auf der Palliativstation oder im Hospiz enden; es existierten zur ambulanten Versorgung von Palliativpatienten lediglich vereinzelte Modellprojekte und seit der Einführung der integrierten Versorgung nach § 140 SGBV verschiedene integrierte Versorgungsverträge, deren Inhalt die Organisation der häuslichen (Palliativ-)Versorgung und die Vernetzung aller daran beteiligten Leistungserbringer war (vgl. Sendowski in GesR 2009, 287; auch Welti in SGb 2007, S. 214).

Die heute wahrscheinlich noch immer nicht ganz geläufige SAPV fristete nach Sendowski S. 286 anfangs ein Schattendasein, um deren Beendigung die Krankenkassen bemüht waren und vielleicht noch immer Anstrengung zeigen, diese, den Vorstellungen aller Beteiligten weitestmöglich gerecht werdend, in die Praxis umzusetzen.

Um ein näheres Verständnis von § 37b SGBV zu bekommen, soll dieser nun Satz für Satz anhand verschiedener Rechtskommentare und der geltenden Richtlinien erläutert werden.

1.2. Anspruchsvoraussetzungen auf SAPV §37b I 1 SGBV

Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, haben Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung.

Der Gesetzgeber schränkt im ersten Wort des Satzes den Personenkreis an Anspruchsberechtigten ein auf den Kreis der Versicherten und schließt implizit jene aus, die nicht versichert sind und somit keinen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen gemäß §37b SGBV (Kürzel für Sozialgesetzbuch 5) haben; es muss also ein Versicherungsverhältnis nach §§ 5-10 SGBV bestehen (vgl. Kruse/Hänlein, RdNr. 4).

In § 37b I 1 SGBV werden fünf Punkte genannt, die den Anspruch auf Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (Kürzel: SAPV) bedingen:

1. die Krankheit ist nicht heilbar
2. die Krankheit ist fortschreitend(/progredient)
3. die Krankheit ist weit fortgeschritten
4. die Lebenserwartung des Patienten ist begrenzt
5. die Erkrankung fordert eine besonders aufwändige Versorgung des Patienten

Krankheit ist in diesem Sinne das, was bereits § 27 SGBV zugrunde gelegt wird - also der in Schlegel/Voelzke, RdNr. 21 benannte „regelwidrige Körper- oder Geisteszustand“, der eine ärztliche Heilbehandlung notwendig machen und/oder Arbeitsunfähigkeit verursachen kann. Nach § 27 I 1 SGBV haben Versicherte Anspruch darauf, dass eine Krankheit erkannt und geheilt sowie deren Verschlimmerung verhütet und zugehörige Krankheitsbeschwerden gelindert werden.

Nicht heilbar ist demnach eine Krankheit, bei dem o.g. Ziel der Heilung (oder gegebenenfalls der Verhütung von Verschlechterungen) mit Mitteln der Medizin nicht erreicht werden kann, so dass der Aspekt der Linderung von Beschwerden und Schmerzen in den Vordergrund tritt. Was als heilbar oder unheilbar einzustufen ist, werden in der Praxis die zuständigen Ärzte entscheiden. Zur Unterscheidung der Krankheit in heilbar und unheilbar müssen die Professionellen gemäß § 2 I 3 SGBV Leistungen erbringen bzw. Verfahren verwenden, die in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt einbeziehen. Eine Heilung und Beseitigung der Krankheit muss ausgeschlossen werden können (nach genanntem anerkannten Stand, vgl. § 3 I SAPV-RL); Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (Kürzel: GKV) nach dem SGBV dürfen also keine Aussicht auf Erfolg versprechen (vgl. Schlegel/Voelzke, RdNr. 22).

Der „letzte Strohhalm“, beispielsweise der hoffnungsvolle Glaube an Heilung durch Handauflegungen, Gebete oder anderweitige Praktiken aus ursprünglich schamanischem Bereich verhindern also keinen Anspruch auf Leistungen nach § 37b SGBV, weil diese nach medizinischer Erkenntnis keine zu erwartenden Erfolgsaussichten bieten (vgl. Schlegel/Voelzke, RdNr. 24).

Unheilbare Krankheiten können in erster Linie Tumorerkrankungen im späteren Stadium, bestimmte Viruserkrankungen wie HIV, aber auch beispielsweise Erbkrankheiten, Mukoviszidose oder Muskeldystrophien sein; eine Krankheit ist (natürlich) auch dann unheilbar, wenn sie nicht zum Tod führt (Schlegel/Voelzke, RdNr. 23), was aber im Rahmen des § 37b SGBV irrelevant ist.

Detailgenaue Angaben zu dem, was als unheilbare Erkrankung nach § 37b I 1 SGBV einzustufen ist, überließ der Gesetzgeber gemäß § 37b III SGBV dem Gemeinsamen Bundesausschuss (Kürzel G-BA).

Fortschreitende Erkrankung exkludiert nach dem Wortlaut des Gesetzestextes erst einmal all jene, deren Erkrankung zum „Stillstand“ gekommen ist, sich also nicht zunehmend verschlimmert und auf einem ungefähren Niveau verbleibt. Es wird in §37b I 1 SGBV allerdings nicht zwischen allgemein fortschreitenden und solchen Erkrankungen, die im Einzelfall progredient sind, unterschieden - was aber ohnehin durch das Kriterium der begrenzten Lebenserwartung eindeutig interpretierbar ist, da dies bedeutet, dass sich die Erkrankung in Richtung Lebensbeendigung weiterentwickelt oder eben bereits ein Stadium erreicht hat, das auch ohne weitere Verschlimmerung des Gesundheitszustandes zum Tod führt (vgl. Schlegel/Voelzke, RdNr. 26).

Das Kriterium des Fortschreitens grenzt somit das der Unheilbarkeit weiter ein und schließt damit unheilbare, aber grundsätzlich nicht fortschreitende Krankheiten aus, worunter beispielsweise Hauterkrankungen und Allergien, die selbst durch Desensibilisierung nicht überwunden werden können, zu zählen sind; fortschreitend sind also überwiegend bereits o.g. Krankheiten wie Krebs und Tumore, Muskeldystrophien und Viruserkrankungen - für die bisher kein Serum existiert und denen bei erfolgter Infektion nicht mehr durch einen Impfstoff zu begegnen ist - oder auch bestimmte Stoffwechselkrankheiten (vgl. Schlegel/Voelzke, RdNr. 27).

Schwere Behinderungen, die z.B. durch pränatale (vorgeburtliche) oder spätere Schädigungen eintreten, führen zwar zu einem kontinuierlichen Pflegebedarf, aber nicht zu einem Anspruch auf Leistungen im Sinne des § 37b SGBV (vgl. Schlegel/Voelzke RdNr. 28). § 3 II SAPV-RL sagt, dass eine Krankheit fortschreitend ist, „wenn ihr Verlauf trotz medizinischer Maßnahmen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht nachhaltig aufgehalten werden kann.

„Weit fortgeschritten“ mag zwar vereinzelt betrachtet noch relativ dehnbar sein, bezeichnet aber doch im Hinblick auf die anderen Kriterien relativ eindeutig das schlimmste und letzte Stadium einer Krankheit, dem nachfolgend der Tod eintritt; eine genauere Definition bleibt jedoch gemäß § 37b III SGBV dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) überlassen und scheint notwendig (vgl. Schlegel/Voelzke, RdNr. 29).

Nach § 27 I 1 SGBV sollen, wie bereits geschrieben, u.a. die Verschlimmerung von Krankheiten verhütet und Krankheitsbeschwerden gelindert werden; solange es noch möglich ist, einer Verschlimmerung entgegen zu wirken und dies noch das Ziel einer Behandlung ist, besteht keine Leistungsberechtigung gemäß § 37b SGBV. Dieser tritt nämlich lediglich dann in Anwendung, wenn eine Behandlung in keiner Weise mehr eine Heilbehandlung ist, sondern ausschließlich darauf abzielt Krankheitsbeschwerden, Schmerzen und Symptome zu lindern. Nur das ist es, was Leistungen nach § 37b SGBV zum Ziel haben können (vgl. Schlegel/Voelzke, RdNr. 30).

In Schlegel/Voelzke, RdNr. 31 sind zwei Beispiele zweier Krankheiten und zweier Möglichkeiten, deren Endstadium zu erkennen: bei Tumorerkrankungen hat sich die sogenannte TNM-Klassifikation durchgesetzt, die in der Regel erkennen lässt, ob eine Heilung im Sinne einer langjährigen Symptomfreiheit zu erreichen oder ob wegen der Größe eines Tumors und aufgrund Beschaffenheit und Lage von Metastasen eine Behandlung auf Linderung von Symptomen zu beschränken ist - bei Viruserkrankungen wie HIV ist das „weit fortgeschrittene“ Stadium daran zu erkennen, dass die Vermehrung des Virus und die damit einhergehende Immunschwäche auch durch Medikamente nicht mehr begrenzt werden kann.

„Begrenzte Lebenserwartung“ deutet darauf hin, dass die Krankheit in absehbarer Zeit zum Tod führt, ist nach § 3 III SAPV-RL somit weit fortgeschritten und hat nur noch Verbesserung der Symptomatik und psychosoziale Betreuung zum Ziel. Diese Voraussetzung ist bei bereits unheilbaren Tumoren unproblematisch, ebenso bei tödlichen Viruserkrankungen, wobei bereits hier eine Eindeutigkeit insofern eingeschränkt ist, als der Übergang von HIV in AIDS mit tödlichem Ausgang fließend ist, was zum Verständnis wiederum in Beziehung mit dem fortgeschrittenen Stadium zu sehen ist (so Schlegel/Voelzke, RdNr. 33).

In Schlegel/Voelzke, RdNr. 34 wird zur Definition der begrenzten Lebenserwartung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Kürzel: BSG) zur Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (Kürzel: BVerfG) vom 06.12.2005 zurückgegriffen. In Bezug darauf können drei folgende Fragen und zwei Aussagen getroffen werden: Welche genaue Erkrankung liegt beim Versicherten vor? Führt diese ihrer Art nach und der medizinischen Erkenntnis gemäß in der Regel zum Tod? Mit welcher Prognose bringt die Erkrankung den Tod - in Bezug auf den Einzelfall - nach ärztlicher Kunst mit sich? Ein potenziell tödliches Ende in entfernter(er) Zukunft ist nicht ausreichend, um eine Palliativversorgung gemäß § 37b SGBV zu begründen, selbst dann nicht, wenn eine Verschlimmerung ob fehlender medizinischer Mittel nicht verhindert werden kann. Notwendig zur Beurteilung der Lebenserwartung ist die fachlich gesicherte Stellungnahme der Ärzte.

Besonders aufwendige Versorgung, fünfte und letzte Voraussetzung, grenzt den Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung in der Hinsicht ein, dass Personen, denen eine übliche Behandlung durch den Vertragsarzt und ambulante Pflegedienste ausreicht, keine Leistungen nach § 37b SGBV beziehen können; ein Anspruch besteht nach § 4 S. 1 SAPV-RL also dann, wenn ambulante Leistungen, ggf. auch durch ein Hospiz, nicht ausreichen.

Der Aufwand einer solchen Versorgung entsteht u.a. durch die Schwere der Erkrankung und die Häufigkeit der auftretenden Beschwerden, da auf diese Weise eine zeitintensive Behandlung und Pflege notwendig werden kann; nach § 4 S. 3 SAPV-RL liegt ein komplexes Symptomgeschehen vor, wenn mindestens einer der folgenden Punkte ausgeprägt auftritt: Schmerzsymptomatik, neurologische/psychiatrische/psychische Symptomatik, respiratorische/kardiale Symptomatik, gastrointestinale Symptomatik, ulzerierende/exulzerierende Symptomatik, urogenitale Symptomatik; eine weitere Definition, was als ausgeprägt zu betrachten ist, liegt nicht vor. Eine andere Möglichkeit kann aber auch sein, dass auf besondere Koordinierung und Zusammenarbeit der spezialisierten Leistungserbringer zu achten ist oder dass die Notwendigkeit einer speziellen Ausbildung für die medizinische Betreuung einer Person, die an einer bestimmten Krankheit leidet, besteht (vgl. § 4 S. 2 SAPV-RL). Eine von § 37b SGBV angesprochene besondere Versorgung kann also aufgrund Krankheit und spezieller Teamanforderungen zustande kommen. Hinsichtlich der Krankheit bestimmt der Wortlaut des Gesetzes nicht, dass es die tödlich endende Krankheit sein muss, die einen besonderen Versorgungsbedarf schafft; möglich ist auch, dass nicht diese Eine den Bedarf verursacht, sondern andere zusätzliche Krankheiten, die dem Erkrankten anhaften, worunter beispielsweise Demenz mit Verwirrungszuständen oder Ähnliches zu zählen ist. (vgl. Schlegel/Voelzke, RdNr. 35)

[...]

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Rechtsanspruch auf Hospizleistungen und palliative Versorgung
Hochschule
Universität Kassel  (Institut für Sozialwesen)
Veranstaltung
Krankenversicherungsrecht
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
31
Katalognummer
V175239
ISBN (eBook)
9783640960811
ISBN (Buch)
9783640961283
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Welche Grenzen und Möglichkeiten, Leistungsvoraussetzungen und Leistungsinhalte setzen und geben die entsprechenden Rechtsnormen hinsichtlich Hospizleistungen und palliativer Versorgung und inwieweit sind diese konkretisiert und letztere zu erbringen und zu finanzieren?
Schlagworte
§ 37b SGBV;, § 39a SGBV;, Hospiz;, Palliativversorgung;, Sozialrecht;, Krankenversicherungsrecht, SAPV, Rechtsanspruch, Sterbebegleitung
Arbeit zitieren
Eleasar Gutherz (Autor:in), 2011, Rechtsanspruch auf Hospizleistungen und palliative Versorgung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175239

Kommentare

  • Eleasar Gutherz am 19.7.2011

    Auch wenn nicht im Inhaltsverzeichnis angegeben: am Ende der Arbeit findet sich natürlich ein vollständiges Literaturverzeichnis.

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Titel: Rechtsanspruch auf Hospizleistungen und palliative Versorgung



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