Rechtsgeschichtliche Grundlagenveranstaltung


Hausarbeit, 1993

21 Seiten, Note: 13 Punkte (gut)


Leseprobe


Gliederung

A.) Text 1.): D. 17, 1, 12, 9 (Ulpianus libro 31° ad edictum)
I.) Herkunft und Rechtsqualität des Textes
1.) Autor
2.) Erläuterung zum Text
a.) Das praetorianische Edikt
b.) Die Digesten
3.) Stilepoche
II.) Auslegung des Quellentextes
1.) Ermittlung des rechtlich bedeutsamen Sachverhalts
a.) Begriff und Inhalt des mandatum
b.) Der Gegenanspruch des Beauftragten
2.) Rechtsfolgen und Einordnung
III.) Rechtsvergleichung und Gegenwartsbezug

B.) Text 2.): Samuel Pufendorf
I.) Herkunft und Rechtsqualität der Quelle
1.) Autor
2.) Text
3.) Stilepoche
II.) Auslegung
1.) Ermittlung des rechtlich bedeutsamen Sachverhalts
2.) Feststellung der Rechtsfolge und Einordnung
3.) Rechtsvergleichung und Gegenwartsbezug

C.) Text 3.): Österreichisches ABGB (1811)
1.) Text
2.) Stilepoche
3.) Auslegung
4.) Rechtsvergleichung und Gegenwartsbezug
D.) Text 4.): Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich
1.) Text
2.) Stilepoche
3.) Auslegung
4.) Rechtsvergleichung und Gegenwartsbezug

A.) Text I: Ulpian im 31.Buch zum Edikt

I.) Herkunft und Rechtsqualität des Quellentextes

1.) Autor

Der Autor des Textes ist der bedeutende römische Spätklassiker Ulpian, eigentlich Domitius Ulpianus. Er wurde ca. 190 n. Chr. in Tyros geboren. Eine Karriere in der römischen Verwaltung machte ihn zum Assessor des praefaectus praetorio Papinian. 222 n.Chr. übernahm Ulpian das Amt des praefaectus praetorio. 223 n.Chr. wurde er von der Praetorianergarde ermordet, deren Korruption er bekämpft hatte. Er ist der römische Jurist, aus dessen Werken am meisten überliefert wurde. Aus seinem 81 Bücher umfassenden Kommentar zum praetorianischen Edikt wird in den Digesten zitiert.

2.) Erläuterungen zum Text

Der erste Text ist ein Fragment aus dem 31.Buch der Kommentare des Ulpian zum praetorianischen Edikt. Er wurde als Teil der Digesten überliefert.

a.) Das praetorianische Edikt

Der Praetor war der für die Gerichtsbarkeit zuständige höchste Beamte der römischen Verwaltung. In seinem Edikt legte er zu Beginn seiner einjährigen Amtszeit die Grundsätze fest, nach denen er während dieser verfahren wollte. Es war üblich, dass ein neuer Praetor das so festgelegte "Amtsrecht" seines Vorgängers übernahm und es durch eigene Vorstellungen ergänzte. Die praetorianischen Edikte dienten somit der Rechtsfortbildung, bis ihr Inhalt unter Hadrian abschließend festgelegt wurde.

b.) Die Digesten

Das Textfragment wurde als Teil der Digesten überliefert. Sie waren Teil des ab 528 n. Chr. unter Justinian geschaffenen corpus iuris civilis. Das Gesetzgebungswerk wurde von einer Kommission unter Leitung von Tribonianus und unter Mitwirkung von Gelehrten der Rechtsschulen von Berytos und Konstantinopel fertig gestellt. Die Digesten umfassen 50 Bücher und beeinhalten Exzerpte aus Originalschriften klassischer und nachklassischer Juristen. Außer den Digesten enthält das corpus iuris noch folgende Teile: Den codex iustinianus als Sammlung von Kaisergesetzen, die institutiones als amtliches Anfängerlehrbuch für die kaiserlichen Rechtsschulen und die novellae, Einzelgesetze von nach 534. Ziel Justinians bei der

Schaffung des corpus iuris war die Reform der Rechtsordnung gemäß christlicher Humanität und sozialer Gerechtigkeit sowie die Kodifikation des Rechtes im Interesse von Rechtssicherheit und Erneuerung der klassischen Rechtskultur.

3.) Stilepoche

Wie oben festgestellt, wird Ulpian zu den Spätklassikern gezählt. Diese Epoche wird etwa zwischen 170 und 240 n.Chr. angesetzt. Kennzeichnend für diese Rechtsepoche ist das Sammeln und Ordnen des überlieferten Materials aus jahrhundertelanger römischer Rechtsgeschichte. Dieses bestand neben den von staatlichen Organen gesetzten Rechtsnormen

aus Juristenschriften und magistratischen Edikten, in denen z.T. in eigener Rechtsfindung der Juristen Einzelfallprobleme gelöst wurden. Daraus ergibt sich ein gewisser "fallrechtlicher Einschlag" des römischen Rechts.[1] – Während der Dynastie der Severer – begründet 193 durch Septimus Severus bis zum Tod des Alexander Severus im Jahr 235 – erlebte die römische Rechtswissenschaft eine letzte Blüte. Bereits zu dieser Zeit ist ein beginnender Niveauverlust in der römischen Jurisprudenz zu erkennen, der in den folgenden Jahrhunderten zum Ende der klassischen Rechtskultur und zum Erstarken des Vulgarrechts führte.

II.) Auslegung des Quellentextes

1.) Ermittlung des rechtlich bedeutsamen Sachverhalts

Im Textfragment des Ulpian geht es um den Sachkauf im Auftrag eines anderen und die Ansprüche des Beauftragten gegen den Auftraggeber daraus.

a.) Begriff und Inhalt des "mandatum"

Gemeint ist damit eine unentgeltliche Tätigkeit in fremdem Interesse. Auf Bitten eines anderen unentgeltlich tätig zu werden, erschien den Römern als sittliche Pflicht, deren Nichtbeachtung als Schande galt. Durch prätorische Rechtsfortbildung wurde das mandatum zur Grundlage eines einklagbaren Anspruchs.

Das mandatum im klassischen römischen Recht war ein sog. Konsensualkontrakt, d.h. ein durch formlosen consensus abzuschließender, zivilrechtlich klagbarer Vertrag[2]. Als solcher konnte das mandatum, sofern es nicht unsittlich war, ein Schuldverhältnis begründen. Das mandatum war ein Geschäft

nach Treu und Glauben (bona fidei iudicium)[3]. Es musste zumindest teilweise im Interesse des Auftraggebers oder eines Dritten, jedoch nicht im alleinigen Interesse des Beauftragten stehen.[4]

Der Auftrag konnte sowohl – wie hier – ein rein rechtsgeschäftliches Tätigwerden, als auch eine tatsächliche Verrichtung umfassen. – Aus dem Auftrag erwuchs stets ein Anspruch des Auftraggebers auf die Ausführung entsprechend den gegebenen Anweisungen sowie die Herausgabe des durch Ausführung des Auftrags Erlangten. Einzustehen hatte der Beauftragte für Arglist (dolus malus) und später in bestimmten Fällen für Fahrlässigkeit (culpa lata). Der Gegenanspruch des Beauftragten war nur unter bestimmten Bedingungen zulässig; insofern war der Auftrag ein unvollkommen zweiseitiger Vertrag.

b.) Der Gegenanspruch des Beauftragten

Im Allgemeinen war der Gegenanspruch auf Ersatz der Aufwendungen und derjenigen Schäden gerichtet, die der Beauftragte bei der Ausführung erlitten hatte.[5]

Ulpian unterscheidet hier zwei Fallkonstellationen: Die Bezahlung der gekauften Sache mit dem eigenen Geld des Beauftragten sowie diejenige mit dem Geld des Auftraggebers, bei der jedoch der Beauftragte eigene Aufwendungen gemacht hat.

Bei der zweiten Fallgruppe behandelt Ulpian zwei weitere Unterfälle: Der Auftraggeber will die gekaufte Sache nun doch nicht haben bzw. er hatte einen vom ausgeführten abweichenden Auftrag erteilt, der Beauftragte hat jedoch Aufwendungen gemacht.

2.) Rechtsfolgen und Einordnung der Aussage:

Im ersten Fall des Auftragskaufs mit dem Geld des Beauftragten räumt Ulpian diesem die "actio mandati genannte Klage auf Rückerstattung des Kaufpreises" ein. Dieser Begriff meinte in der Klassik alle Klagen aus dem Mandat; später wurde zwischen der actio mandati directa des Auftraggebers und der actio mandati contraria des Beauftragten differenziert. Diesen Begriff verwendet Ulpian bezüglich der zweiten Fallgruppe. Insofern ist davon auszugehen, dass er auch bei der ersten Fallgruppe die actio contraria als Klage des Beauftragten gegen den Auftraggeber meint. Dass er dies nicht ausdrückt oder näher erklärt, führt zu dem Schluss, dass für ihn die Rückerstattung

des Kaufpreises beim Auftragskauf eine Selbstverständlichkeit ist, die keiner genaueren Darstellung bedarf.[6]

In der zweiten Fallgruppe will Ulpian in beiden genannten Unterfällen die "actio mandati contraria" zulassen. Rechtsfolge davon ist, dass der Beauftragte Aufwendungen für den Kauf der nicht mehr gewollten Sache bzw. seine Aufwendungen für den abweichenden Auftrag ersetzt bekommt. Voraussetzung dafür ist nur die "bona fides", d.h. der "gute Glaube" des Beauftragten. Der Begriff "bona fides" steht hier für die Überzeugung des Einzelnen, rechtmäßig gehandelt zu haben: Er musste überzeugt sein, die Grenzen des Mandats eingehalten zu haben. Diese ergaben sich ebenfalls aus Treu und Glauben – in Verbindung mit der Verkehrssitte ("fides mandati").[7] Als Überschreitung des Mandats wurde dabei z.B. ein unverhältnismäßiges Handeln im eigenen Interesse des Beauftragten angesehen. Ferner hatte dieser den Inhalt des Auftrags zu beachten, welcher sich nicht nur nach dessen Wortlaut, sondern auch nach dem Zweck des Auftrags und dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers richtete. Besonders eng war dieser Rahmen, wenn – wie beim Sachkauf – nur ein einzelner Auftrag ohne irgendwelche generellen Bevollmächtigungen gegeben wurde. – Einen Aufwendungsersatz sieht Ulpian generell auch dann vor, wenn über den vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Kaufpreis hinaus Aufwendungen "für den Kauf" gemacht wurden. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass nur für den Kauf der Sache notwendige Aufwendungen ersetzt werden sollten. Zu der Frage, ob dies auch durch Zufall entstandene Schäden umfasste, nimmt Ulpian hier nicht Stellung. Jedoch hat er an anderer Stelle die für alle Kontrakte geltende Regel "casus fortuiti a nullo praestantur" (etwa "für Zufälle wird nichts gewährt") aufgestellt.[8] Dies zeigt die damals verbreitete Meinung, dass zufällige Verluste z.B. durch Krankheit oder Schiffbruch Unglücksfälle seien, die als solche mit dem Auftrag nicht in ausreichender Verbindung standen, um einen Anspruch aus diesem zu begründen.

Ulpian nennt dann den Fall, dass der Auftraggeber die Sache nicht mehr haben will. Er stellt hier fest, dass auch bei Weigerung des Auftraggebers, die Sache anzunehmen, dieser die bis dahin gutgläubig gemachten Aufwendungen zu tragen hat.[9] Diese Aussage erscheint als Lösung des alten Streits, ob das Mandat mit allen Verpflichtungen erloschen war, sobald der Auftraggeber dies wollte oder erst dann, wenn der Beauftragte davon erfuhr.

Der zweite bei Ulpian genannte Fall betrifft Aufwendungen, die gemacht wurden, obwohl "etwas anderes aufgetragen" wurde. Diese Formulierung schließt z.B. den Kauf einer anderen

Sache ein, als vereinbart war. Dies wurde z.T. als Überschreitung des Mandats angesehen.[10] Ulpian jedoch will nach diesem Text auch in allen Fällen nicht auftragsgemäßer Ausführung bei Gutgläubigkeit einen Aufwendungsersatz zulassen.

- Insgesamt ist zum Auftragsbegriff Ulpians zu sagen, dass er – besonders bezüglich nicht mehr mit dem Mandat konformer Ausführung – weitergehende Ersatzansprüche zuließ, als andere Juristen seiner Epoche (z.B. Paulus). Das Risiko zufälliger Schäden liegt jedoch weiterhin voll beim Beauftragten.

III.) Rechtsvergleichung und Gegenwartsbezug

Auch im heutigen BGB ist der Auftrag die vertragliche Übernahme einer unentgeltlichen Geschäftbesorgung für einen anderen (§ 662 BGB). Wie in der Spätklassik wird er als unvollkommen zweiseitiger, formloser Vertrag angesehen. Der Beauftragte ist ebenso zur Ausführung des Auftrages und zur Herausgabe des Erlangten (§ 667 BGB) verpflichtet. Ferner kann die Tätigkeit rechtlicher oder tatsächlicher Art sein und muss überwiegend in fremdem Interesse liegen. Der Auftrag ist vom besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien gekennzeichnet.[11] Wie im römischen Recht für dolus und culpa haftet der Beauftragte nach dem BGB voll für Vorsatz und Fahrlässigkeit nach § 276.

Zusätzliche Aufwendungen, die der Beauftragte "den Umständen nach für erforderlich halten darf" sind zu erstatten (§ 670). Aufwendungen sind dabei Vermögensopfer, die der Beauftragte zum Zweck der Ausführung des Auftrags macht oder die sich als notwendige Folge der Ausführung ergeben. Kriterium der Erforderlichkeit ist das Interesse des Auftraggebers und inwieweit die Aufwendungen angemessen sind und in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen.[12] Auch im römischen Recht mussten die Aufwendungen im Interesse des Auftraggebers liegen. Ob sie angemessen waren und dem Erfolg des Auftrags dienten, richtete sich nach der bona fides. Die Kriterien von Treu und Glauben und die Berücksichtigung der Verkehrssitte sind auch im heutigen deutschen Recht relevant. Ferner sind wie im römischen Recht Weisungen des Auftraggebers nach dessen vermutlichem Willen und der Verkehrssitte auszulegen.[13] Daraus, dass der Widerruf nach Ausführung des Auftrags

[...]


[1] Kaser S.16 f.

[2] Mayer-Maly S.86

[3] Kunkel, S.85

[4] Mayer-Maly S.125

[5] Honsell S.140

[6] vgl. Liebs, S.253; Glück, § 954, S.276, Anm. 85.)

[7] Glück, § 954, S.279; Honsell S.75

[8] vgl. Glück, § 956, S.313

[9] vgl. Watson, S.156

[10] vgl. Glück, S.276, Weiss § 105, S.383

[11] Palandt-Thomas § 662 Rn.9

[12] vgl. Palandt-Thomas § 670 Rn.4

[13] Palandt-Thomas § 665 Rn.2

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Rechtsgeschichtliche Grundlagenveranstaltung
Hochschule
Universität Augsburg  (Rechtsgeschichte / Juristische Fakultät)
Veranstaltung
Grundlagenvorlesung Rechtsgeschichte
Note
13 Punkte (gut)
Autor
Jahr
1993
Seiten
21
Katalognummer
V17538
ISBN (eBook)
9783638220903
Dateigröße
379 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vergleichende Untersuchung von vier Quellentexten aus römischem Recht (Ulpianus,190-223 n.Chr.), Naturrecht (Pufendorf, 1672), Neuzeit (österreichisches ABGB 1811 und Motive des deutschen BGB / 1888). Gemeinsames Thema: Der unentgeltliche Auftrag und die daraus entstehenden Ansprüche des Beauftragten gegen den Auftraggeber. Interpretation der Texte im Kontext der Epochen und Vergleich mit heutiger Rechtslage. Anmerkung : Die Arbeit wurde mit '13 Punkte / gut' bewertet. Zur Veröffentlichung wurde der Text an die neue deutsche Rechtschreibung angepasst. Die im Text genannten Vorschriften des heutigen deutschen BGB existieren auch im September 2003 noch mit dem genannten Inhalt.
Schlagworte
Rechtsgeschichtliche, Grundlagenveranstaltung, Grundlagenvorlesung, Rechtsgeschichte
Arbeit zitieren
Ulf Matzen (Autor:in), 1993, Rechtsgeschichtliche Grundlagenveranstaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17538

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