Die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen

Konzeptionelle Überlegungen


Tesis, 2011

95 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziele der Arbeit und Vorgehensweise

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsbestimmungen
2.1.1 Definition kleine und mittlere Unternehmen
2.1.2 Definition Gesundheit
2.1.3 Definition Betriebliche Gesundheitsförderung
2.1.4 Definition Betriebliches Gesundheitsmanagement
2.1.5 Unterscheidung BGF und BGM
2.2 Bedeutung des BGM für die Unternehmen
2.2.1 Historische Entwicklung des BGM in Unternehmen
2.2.2 Notwendigkeit des BGM in Unternehmen
2.2.3 Drohender Fachkräftemangel
2.2.4 Demographische Entwicklung
2.3 Ziele des BGM
2.3.1 Das gesunde Unternehmen und der gesunde Mitarbeiter
2.3.2 Der ökonomische Nutzen des BGM
2.3.3 Der gesundheitliche Nutzen des BGM
2.4 Derzeitiger Stand des BGM
2.4.1 Die aktuelle Situation des BGM in KMU
2.4.2 Bestehende Konzepte und Modelle des BGM
2.4.3 Vorhandene Instrumente des BGM
2.4.4 Widerstände bei der Einführung des BGM in KMU

3 Auswertung der Umfrage
3.1 Befragungsdesign
3.1.1 Untersuchungsmethode
3.1.2 Untersuchte Unternehmen und Region
3.1.3 Gliederung des Fragebogens
3.1.4 Versand und Rücklauf der Fragebögen
3.2 Ergebnisse der Umfrage
3.2.1 Strukturen der untersuchten Unternehmen
3.2.2 Bestehende Handlungsfelder des BGM in den Unternehmen
3.2.3 Stellenwert und Ziele des BGM im Unternehmen
3.2.4 Krankheit und Arbeitsbelastung im Unternehmen
3.2.5 Der Begriff Gesundheit im Unternehmen
3.2.6 Kosten und Budget für das BGM
3.2.7 Probleme bei der Einführung und Durchführung des BGM
3.2.8 Zuständigkeit für das BGM im Unternehmen
3.2.9 Externe Hilfe bei der Einführung des BGM

4 Konzept zur Einführung des BGM in KMU
4.1 Auswertung der Ergebnisse der Umfrage
4.2 Konzeptentwicklung
4.2.1 Geschäftsführer für das BGM gewinnen
4.2.2 Bedarfsanalyse im Unternehmen
4.2.3 Kosten, Budget und Zeitplan festlegen
4.2.4 Schriftliche Definitionen festlegen
4.2.5 Informationsdefizit beseitigen
4.2.6 BGM Beauftragten im Unternehmen unterstützen
4.2.7 Einbindung und Verantwortung der Mitarbeiter
4.2.8 Einbinden von Kooperationspartnern
4.2.9 Dauerhafte Integration des Begriffs Gesundheit
4.2.10 Verankerung des BGM in den Unternehmensprozess
4.2.11 Aktionen planen
4.2.12 Kommunikation der Maßnahmen
4.2.13 Aktionen durchführen
4.2.14 Kontrolle der Wirksamkeit
4.2.15 Neue Beurteilung der Situation

5 Fazit
5.1 Zusammenfassung
5.2 Kritische Würdigung
5.3 Ausblick in die Zukunft

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modell eines nachhaltigen Gesundheitsmanagements

Abbildung 2 Größe der Unternehmen

Abbildung 3: Zugehörigkeit in die verschiedenen Wirtschaftssektoren

Abbildung 4: Die acht häufigsten bestehenden BGM Aktionen im Betrieb

Abbildung 5: Einschätzung des zukünftigen Stellenwerts des BGM

Abbildung 6: Beeinflussung der AU-Tage durch die Einführung eines BGM

Abbildung 7: Gründe für die Belastung am Arbeitsplatz

Abbildung 8: Definition Gesundheit, Ziele und Kontrolle des BGM

Abbildung 9: Verantwortung für die Gesundheit der Mitarbeiter

Abbildung 10: Aktuelles und zukünftiges Budget für das BGM

Abbildung 11: Kostenfaktor BGM

Abbildung 12: Probleme bei der Einführung / Durchführung BGM

Abbildung 13: Verantwortlicher für das BGM im Unternehmen

Abbildung 14: Externe Hilfe bei der Einführung des BGM

Abbildung 15: Betrachtungsweisen des BGM

Abbildung 16 Konzept zur Einführung des BGM

Abbildung 17: Kompetenzteam BGM

Abbildung 18: Fragebogen

Abbildung 19: Fragebogen

Abbildung 20: Fragebogen

Abbildung 21: Fragebogen

Abbildung 22: Fragebogen

Abbildung 23: Fragebogen

Abbildung 24: Fragebogen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Definition kleine und mittlere Unternehmen

Tabelle 2: Angebot und Nachfrage von Fachkräften in der Bodenseeregion

Tabelle 3: Angebot und Nachfrage von Ingenieuren in der Bodenseeregion

Tabelle 4: Beurteilung der Ziele des BGM nach ihrer Wichtigkeit

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

„Gesundheit ist nicht alles – ohne Gesundheit ist aber alles nichts“.[1]

Dieses berühmte Zitat von Arthur Schopenhauer beschreibt die immense Bedeutung der Gesundheit des Menschen für dessen Wohlbefinden, aber auch dessen Leistungsfähigkeit. Die Bedeutung der Gesundheit haben mittlerweile viele Unternehmen erkannt und leistungsfähige Mitarbeiter als eine der wichtigen Ressourcen zum Betriebserfolg erfasst.[2]

Zukünftig wird es aufgrund des demografischen Wandels[3] und des drohenden Fachkräftemangels[4] für Unternehmen noch schwieriger, den Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern zu decken. Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit der im Unternehmen tätigen Mitarbeiter ist demzufolge immer wichtiger.

Eine Möglichkeit, den hieraus resultierenden Problemen zu begegnen, stellt das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) dar.

Aufgrund der Vielschichtigkeit und Komplexität dieses Themas gibt es eine große Anzahl an Modellen und Vorgehensweisen in den Unternehmen.[5] Festgelegte Standards oder anerkannte Regeln existieren für diesen Themenbereich aber gerade nicht. Es lässt sich vielmehr der Eindruck gewinnen, dass es sich um die Anwendung von Teilaspekten des BGM handelt, die teils nicht einmal aufeinander abgestimmt sind. Erklären lässt sich dies wohl auch damit, dass die Vorstellungen über das BGM teils sehr diffus, jedenfalls aber sehr unterschiedlich sind. Hinzu kommen verschiedene individuelle Bedürfnisse, die einzelne Unternehmen an das BGM stellen. Auch diese machen die Ein- und Durchführung eines BGM sehr kompliziert.

Die aufgeführte Problematik stellt in ganz besonderem Maße die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vor große Schwierigkeiten, da eine Übertragung der bewährten Konzepte und Strategien von großen Unternehmen nicht möglich ist.[6]

An der oben geschilderten Problematik setzt die vorliegende Arbeit an. Wie gezeigt ist bisher nicht ausreichend systematisch, unter Zugrundelegung einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Methodik untersucht worden, welches der aktuelle Stand bei der Durchführung und Anwendung des BGM in KMU ist. Aufgrund dieser bisher schwammigen Basis fehlt es zugleich an konzeptionellen Ausarbeitungen eines in sich stimmigen und effektiven BGM, das einerseits der erforderlichen Systematik, andererseits aber zugleich auch den individuellen Bedürfnissen der KMU Rechnung trägt. Es ist deshalb von großer Bedeutung, ein Konzept zu entwickeln, dass den KMU die Möglichkeit bietet, ein BGM in ihrem Unternehmen, abgestimmt auf ihre konkreten Bedürfnisse, zu integrieren, ohne hierbei die notwendigen konzeptionellen Grundlagen aus den Augen zu verlieren.

1.2 Ziele der Arbeit und Vorgehensweise

Die Entwicklung eines Grundkonzepts als Beraterleistung für KMU zur Einführung des BGM als ganzheitlicher Ansatz stellt das Hauptziel dieser Arbeit dar. Das Konzept soll Firmen dazu verhelfen, ein umsetzbares, stimmiges und finanzierbares BGM in ihrem Betrieb zu realisieren.

Hierfür soll zunächst der derzeitige Stand des BGM in KMU analysiert werden. Hiervon ausgehend werden sodann die Grundprobleme bei der Ein- und Durchführung des BGM ausgearbeitet. Aktuelle Modelle und Konzepte werden dabei auf deren Anwendbarkeit und Umsetzung in KMU überprüft. Den wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gesamtnutzen des BGM für Unternehmen zu belegen, stellt ein weiteres Ziel der Arbeit dar.

Die Motive, die ein Unternehmen mit dem BGM verfolgen will, sollen ebenfalls erhoben und diskutiert werden.

Die Kenntnisse, die zum BGM in KMU durch die Fachliteratur gewonnen werden, sollen durch einen selbst entworfenen Online-Fragebogen noch vertieft werden.[7] Die einfache Möglichkeit viele Unternehmen auf diese Art und Weise zu erreichen sowie die Möglichkeit den Fragebogen jederzeit und an jedem Ort auszufüllen, sprechen für diese Möglichkeit.[8]

Die konkrete Vorgehensweise besteht darin, in einem zweiten Kapitel – das erste dient der Einleitung - die theoretischen Grundlagen des BGM zu legen. Neben den Begriffsbestimmungen werden die Bedeutung, die Ziele und der derzeitige Stand des BGM in Unternehmen herausgearbeitet. In einem dritten Kapitel wird die im Rahmen der Diplomarbeit durchgeführte Umfrage mittels Online-Fragebögen in KMU dargestellt. Der Stand des BGM in KMU wird anschließend ausgewertet um weitere Informationen für die Entwicklung des Gesamtkonzepts zu erhalten. Das vierte Kapitel setzt sich sodann mit den Ergebnissen dieser Umfrage auseinander und leitet zu der Entwicklung eines Konzepts zur Einführung des BGM in KMU über. Die operativen und strategischen Kernpunkte, die zur Entwicklung eines Konzeptes für das BGM nötig sind, werden herausgearbeitet und zu einem schlüssigen praxistauglichen Gesamtmodell zusammengefügt.

Schließlich soll nach der Zusammenfassung und der kritischen Würdigung noch ein Ausblick auf die Zukunft des BGM in KMU angestellt werden.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Begriffsbestimmungen

2.1.1 Definition kleine und mittlere Unternehmen

Die Kommission der Europäischen Union liefert in der folgenden Tabelle (Tab. 1) eine Definition für KMU.[9] Die kleinen Unternehmen werden hier noch einmal in Kleinst- und kleines Unternehmen unterschieden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Definition kleine und mittlere Unternehmen[10]

Für diese Arbeit ist die Anzahl der Mitarbeiter des Unternehmens entscheidend. Der Jahresumsatz wird außer Acht gelassen, um allen Unternehmensbranchen die Möglichkeit zu geben, an der Untersuchung teilzunehmen.

2.1.2 Definition Gesundheit

Der Begriff der Gesundheit ist auf viele Arten und Weisen definiert. Eine allgemein akzeptierte Definition ist nicht vorhanden.[11]

Sehr häufig wird die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) genutzt: „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“[12]

Badura erklärt den komplexen Begriff der Gesundheit mit folgenden Worten: „Gesundheit ist eine Fähigkeit zur Problemlösung und Gefühlsregulierung, durch die ein positives seelisches und körperliches Befinden – insbesondere ein positives Selbstwertgefühl – und ein unterstützendes Netzwerk sozialer Beziehungen erhalten oder wieder hergestellt wird.“[13]

Die Ottawa Charta der WHO von 1986 beschreibt die Gesundheit und deren Förderung folgendermaßen:

„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl Einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In diesem Sinne ist die Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit betont wie die körperlichen Fähigkeiten.“[14]

Weitergehend hat der israelische Soziologe Aaron Antonovsky hat den Begriff der Salutogenese geprägt. Die Gesundheit und die Krankheit werden als Endpunkte eines Kontinuums betrachtet, auf dem die Menschen sich im Laufe des Lebens hin und her bewegen.[15] Der salutogenetische Ansatz verfolgt nicht die Frage was Menschen krank macht, sondern warum die Menschen trotz vielfältiger und wachsender Belastung gesund bleiben oder ihre Gesundheit sogar steigern. Drei Voraussetzungen sind hier von Bedeutung:[16]

- „Comprehensibility“

Die Anforderungen und die Zumutungen müssen für die Person einigermaßen vorhersehbar und einzuordnen sein.

- „Manageability“

Es muss für die Person die Möglichkeit der Reaktion und des Eingreifens sowie eine Chance zur Einflussnahme auf Entwicklungen und Ergebnisse gegeben sein.

- „Meaningfullness“

Es muss für den Mensch die Möglichkeit bestehen, individuelle und kollektive Ziele anzustreben und auch erreichen zu können.

2.1.3 Definition Betriebliche Gesundheitsförderung

Die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) wird in der Literatur auf unterschiedliche Weise definiert. Einige verschiedene Möglichkeiten werden nachfolgend dargestellt:

Die BGF bezieht sich häufig auf einzelne Maßnahmen der Verhaltensmodifikation. Hier sind die klassischen Instrumente der Bewegungsförderung, Ernährung, Sucht- und Stressbewältigung im Vordergrund. Hierzu zählt zusätzlich eine zeitlich befristete Aktion wie die der Einrichtung von Gesundheitszirkeln.[17]

Neben der Verhaltensmodifikation werden auch Maßnahmen der Verhältnisprävention angewandt. Hier kommen hauptsächlich gesundheitsfördernde Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zum tragen (z.B. Ergonomie und Gestaltung der Arbeitsplätze).[18]

Die dritte Art der Prävention ist die System- bzw. Organisationsprävention. Hier werden Aktionen gestaltet, die auf ein gesundes Betriebsklima abzielen wie teambildende Workshops und Mobbingprävention.[19]

Die Luxemburger Deklaration zur BGF in der Europäischen Union, die von allen Mitgliedsstaaten der EU und der Schweiz unterzeichnet wurde, definiert die Gesundheitsförderung folgendermaßen:[20]

„BGF umfasst alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.“

2.1.4 Definition Betriebliches Gesundheitsmanagement

Hier ist ebenfalls keine einheitliche Definition für das BGM vorhanden. Verschiedene Ansätze, das BGM zu definieren, werden hier dargestellt:

Unter BGM wird eine Entwicklung von integrierten betrieblichen Strukturen und Prozessen verstanden, die die Gestaltung von Arbeit, Organisation und Verhalten am Arbeitsplatz auf die Gesundheit der Mitarbeiter ausrichtet. Diese Gesundheit soll dem Beschäftigten und auch dem Unternehmen zugute kommen.[21]

Das BGM reicht über den traditionellen Arbeitsschutz deutlich hinaus und beschränkt sich nicht nur auf die Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung. Das BGM ist eine Unternehmensstrategie gesundheitliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz vorzubeugen und das Wohlbefinden der Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu verbessern.[22]

Das BGM setzt sich demnach aus verschiedenen Teilen zusammen: der Gesundheitsförderung, dem klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutz und dem Management.[23]

2.1.5 Unterscheidung BGF und BGM

Die oben genannte Unterscheidung von BGF und BGM wird in der Praxis vielfach nicht vorgenommen. Die Begriffe werden vor allem in kleinen Betrieben oft nicht abgegrenzt und synonym verwandt.[24]

Die Begriffe werden in dieser Arbeit analog zu der Verwendung des jeweiligen Autors verwandt. Bei einer anderen Bedeutung und Verwendung der Begriffe BGM und BGF wird explizit darauf hingewiesen.

Mit der Konzepterstellung in dieser Arbeit wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der über die Gesundheitsförderung hinausgeht. In dieser Arbeit wird deshalb der Begriff BGM verwandt.

2.2 Bedeutung des BGM für die Unternehmen

2.2.1 Historische Entwicklung des BGM in Unternehmen

Das BGM in seiner heutigen Form hat zahlreiche Ursprünge und hat sich über die Zeit hin weiterentwickelt. Die Entwicklung des BGM wurde zum einen durch gesetzliche Rechtsgrundlagen und durch verschiedene Leitlinien geprägt.

Das BGM begann mit Maßnahmen zur Vermeidung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Durch die Maßnahmen des Arbeitsschutzes ist es gelungen, schwerwiegende Verletzungen und auch Todesfälle im Berufsleben zu verringern. Der Strukturwandel in der Wirtschaft hat ebenfalls dazu geführt, dass Unfälle und Berufskrankheiten immer mehr abnehmen.[25]

Der gesetzliche Aspekt des Arbeitsschutzes unterteilt sich in verschiedene Bereiche, unter anderem in das Arbeitssicherheitsgesetz und das Arbeitsschutzgesetz.[26]

Das Arbeitssicherheitsgesetz wurde 1973 im Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit neu geregelt. Dort sind Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten verpflichtet, entsprechende Fachkräfte für Arbeitssicherheit zumindest beratend zur Seite zu haben.

Das Arbeitsschutzgesetz von 1996 hat das Ziel, die Gesundheit der Mitarbeiter durch die Mittel des Arbeitsschutzes zu sichern und auch zu verbessern. Das Arbeitsschutzgesetz unterteilt sich weiter in verschiedene Bereiche, wie z.B. die Bildschirmarbeitsverordnung, die Gefahrenstoffverordnung und die Arbeitsstättenverordnung.

Im Jahr 2004 wurde das Gesetz zum betrieblichen Eingliederungsmanagement verabschiedet. Dieses sieht vor, dass die Betriebe Mitarbeiter unterstützen, die länger arbeitsunfähig sind, damit sie wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.[27] Ziel des Eingliederungsmanagements ist es, die Gesundheit und damit die Arbeitsfähigkeit schnellstmöglich wieder herzustellen und erneute Erkrankungen oder sogar Behinderungen zu verhindern.[28]

Die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung tragen ebenso dazu bei, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden. Verbindliche Unfallverhütungsvorschriften und auch deren Überwachung durch die Berufsgenossenschaften sorgen zusätzlich für eine Einhaltung des Arbeitsschutzes.[29]

Anfang der 80er Jahre wurden durch die Strukturreform im Gesundheitswesen die Krankenkassen aufgefordert, Vorsorgemaßnahmen zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren einzuführen. Im Rahmen der Paragraphen 1 und 20 des V. Sozialgesetzbuches wurden daraus hervorgehend hauptsächlich Programme der Gesundheitsförderung angeboten wie z.B. Ernährungsberatung, Rückenschule und Herz-Kreislauftraining.[30]

In der neuesten Fassung des Präventionsleitfadens des Spitzenverbandes der Krankenkassen von 2010 wird auch die betriebliche Gesundheitsförderung mit einbezogen. Die Krankenkasse beschreibt ihre Aufgabe bei der betrieblichen Gesundheitsförderung folgendermaßen:

“Die Krankenkassen erbringen Leistungen zur Gesundheitsförderung in Betrieben, um unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen für den Betrieb die gesundheitliche Situation einschließlich ihrer Risiken und Potenziale zu erheben und Vorschläge zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation sowie zur Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen und Fähigkeiten zu entwickeln und deren Umsetzung zu unterstützen.“[31]

Folgende Leitlinien trugen zusätzlich zu der kontinuierlichen Weiterentwicklung des BGM bei:

Die WHO begann 1978 mit der Erklärung von Alma Ata einen neuen Gesundheitsbegriff zu prägen. Das Ziel war „Gesundheit für alle im Jahr 2000.“ Gesundheit ist laut der Erklärung ein grundlegendes Menschenrecht, das die Zusammenarbeit aller sozialen und wirtschaftlichen Sektoren benötigt.[32]

Die Ottawa Charta der WHO von 1986 ist ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Gesundheitsförderung. Sie bietet ein inhaltliches und methodisches Integrationsmodell an, um unterschiedliche Strategien der Gesundheitsaufklärung, Gesundheitserziehung, Gesundheitsbildung, Gesundheitsberatung, Gesundheitsselbsthilfe sowie der Präventivmedizin anzuwenden und weiter zu entwickeln.[33] Hier findet eine Umorientierung statt, die darauf abzielt, nicht nur die Krankheit zu verhindern, sondern die Gesundheit zu fördern. Der Unterschied zu den bisherigen Ansätzen ist, dass hier ein Prozess beschrieben wird, der kontinuierlich weiterentwickelt wird. Es wird nicht nur ein einzelnes Ziel verfolgt, sondern die Gesundheit als ein ganzheitlicher Komplex betrachtet.[34]

Die Luxemburger Deklaration zur Gesundheitsförderung von 1997 sowie die Neufassung von 2007 haben durch deren Veröffentlichung verstärkt dazu beigetragen, dass die Unternehmen vermehrt auf die betriebliche Gesundheitsförderung aufmerksam wurden und einen Leitfaden zur Durchführung an die Hand bekamen.[35]

2.2.2 Notwendigkeit des BGM in Unternehmen

Die Folgekosten, die durch Krankheit und Fehlzeiten der Beschäftigten in Unternehmen entstehen, zeigen deutlich die Notwendigkeit auf, in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren.[36]

Der BKK Gesundheitsreport 2010 stellt fest, dass die Fehlzeiten gegenüber dem Jahr 2006, als ein historisch niedriger Stand von 12,4 Tagen Abwesenheit im Jahr festgestellt wurden, wieder leicht steigen. Das Jahr 2009 verzeichnete im Schnitt 14,4 Tage Absentismus, das heißt eine Abwesenheit im Unternehmen aufgrund einer Krankheit. Die Fehlzeiten wurden hauptsächlich durch sechs große Krankheitsgruppen, die über drei Viertel der Krankheiten verursachen, hervorgerufen:[37]

- Krankheiten des Muskel-/Skelettsystems verursachten 25,4 Prozent der Arbeitsunfähigkeit
- Krankheiten des Atmungssystems trugen 17,2 Prozent zu den Fehlzeiten bei
- Verletzungen und Vergiftungen verursachten 13,5 Prozent der Fehlzeiten
- psychische Störungen lagen bei 10,7 Prozent vor
- Krankheiten des Verdauungssystems (beinhaltet auch Zahnerkrankungen) lagen bei 6,1 Prozent
- Krankheiten des Herz-Kreislaufssystems sind mit 4,4 Prozent für Fehlzeiten verantwortlich

Besonderes Augenmerk legt der BKK Gesundheitsreport 2010 auf die psychischen Erkrankungen. Sie sind die einzige Gruppe, die seit der Aufzeichnung der Krankheitstage 1976 stetig ansteigen und inzwischen den vierten Platz der Arbeitsunfähigkeitsstatistik belegen.[38] Die psychischen Erkrankungen haben die längste Heilungsdauer und stellen damit für das Unternehmen einen hohen Kostenfaktor dar. Die Mitarbeiter fallen bei psychischen Erkrankungen häufig für unbestimmte Zeit aus.

Einzig die Kosten für Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems und des Verdauungssystems (einschließlich Zahnbehandlung und Zahnersatz) übersteigen die Kosten der psychischen Erkrankungen. Szenarien für das Jahr 2030 zeigen, dass die Kosten für psychische Probleme um 20 Prozent steigen könnten. Lagen die Kosten der psychischen Erkrankungen im Jahr 2006 bei 26,7 Milliarden Euro, so könnten die Kosten 2030 bei 32 Milliarden Euro liegen.[39]

Eine Untersuchung der Krankenkasse AOK von 2009 zeigt ebenfalls, dass die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen von 1997 bis 2008 angestiegen sind. Während 1997 von 100 AOK Mitgliedern 4,4 aufgrund psychischer Probleme krankgeschrieben waren, stieg diese im Jahr 2008 auf 8,1 Prozent - dies bedeutet nahezu eine Verdopplung dieser Krankheitsgruppe.[40]

Dieser Absentismus wird dem Präsentismus gegenübergestellt.

Der Begriff des Präsentismus als Kontrastbegriff zum Absentismus wird von Badura geprägt und definiert:[41]

„Präsentismus wird definiert als Produktivitätseinbußen bedingt durch eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit wegen psychischer oder physischer Beeinträchtigungen aus Sorge um den Arbeitsplatz oder wegen konfligierender Ansprüche aus Beruf und Privatleben.“

Verschiedene Studien zeigen die Auswirkungen des Präsentismus:

Baase kommt in einer Studie an 12397 Beschäftigten der Firma Dow Chemical in den USA zu dem Ergebnis, dass dem Unternehmen folgende krankheitsbedingte Kosten entstehen:

Jährlich 661 $ durch Fehlzeiten, 2278 $ durch medizinische Behandlungen (Mitarbeiter sind dort über das Unternehmen krankenversichert) und 6771 $ durch eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit, d.h. durch den Präsentismus am Arbeitsplatz.

Dies zeigt deutlich, dass nicht nur Fehlzeiten sondern auch Arbeitsbeeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Erschöpfung zu einer verminderten Produktivität führen, die die Kosten des Absentismus sogar noch deutlich übersteigen.[42]

Eine Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) bestätigt, dass der Rückgang der Fehlzeiten am Arbeitsplatz nicht zwingend auf gesündere Betriebe schließen lässt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Arbeitnehmer vermehrt krank zur Arbeit gehen. Hauptgründe für dieses Verhalten sind die Angst um den Arbeitsplatz sowie die Angst vor Nachteilen am Arbeitsplatz.[43]

Die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung nennt unter anderem folgende Punkte, warum eine Einführung des BGM für Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnt:[44]

- zunehmende Globalisierung
- wachsende Verbreitung neuer Informationstechnologien
- Veränderung der Beschäftigungsverhältnisse (z.B. befristete und Teilzeitarbeit, Telearbeit)
- älter werdende Belegschaften
- wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors
- wachsender Anteil von Arbeitnehmern in KMU
- Kundenorientierung und Qualitätsmanagement

KMU allerdings mit ihren kleineren Organisationseinheiten und speziellen Strukturen lassen es häufig nicht zu, Modelle des BGM von großen Unternehmen einfach zu übernehmen.[45]

Die Tatsache, dass 43 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland in Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern und 60 Prozent der Beschäftigten in Betrieben bis maximal 250 Mitarbeiter tätig sind, zeigt deutlich auf, wie wichtig das BGM speziell in KMU ist, um die Vorteile für der Gesunderhaltung der Mitarbeiter zu nutzen.[46]

2.2.3 Drohender Fachkräftemangel

Obwohl die aktuelle Literatur den Fachkräftemangel kontrovers diskutiert, ist dieser in den kommenden Jahren sehr wahrscheinlich.[47] Die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitern ist unbestritten ein Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der KMU.[48] Deshalb ist es von großer Bedeutung, Fachkräfte an das Unternehmen zu binden und für die Zukunft zu gewinnen.

Eine Untersuchung der Industrie- und Handelskammer in Baden-Württemberg hat das Fachkräfteangebot und –nachfrage bis 2025 für 49 Berufsgruppen und 14 Branchen analysiert. Laut dieser Studie wird sich bis 2025 das Angebot an Fachkräften in Baden-Württemberg um 2,6 Prozent verringern. Ohne eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre würde ein Minderangebot von 10 Prozent drohen.[49]

In der Region Bodensee, die in dieser Arbeit anhand eines Onlinefragebogens zum BGM untersucht wurde, spiegelt sich der drohende Fachkräftemangel in allen untersuchten Berufsgruppen wieder und wird in folgender Tabelle (Tab. 2) dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Angebot und Nachfrage von Fachkräften in der Bodenseeregion[50]

Die Untersuchung stellt auch heraus, dass vor allem in den Ingenieurberufen bereits jetzt ein Fachkräftemangel herrscht, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird und in folgender Tabelle (Tab. 3) dargestellt wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Angebot und Nachfrage von Ingenieuren in der Bodenseeregion[51]

Weitere Untersuchungen sprechen aktuell im Jahr 2010 von keinem akuten Fachkräftemangel. Der Arbeitskreis Mittelstand der Friedrich Ebert Stiftung beispielsweise spricht eher von konjunkturellen Schwankungen: In Zeiten guter Konjunktur nimmt der Arbeitskräftebedarf zu und bei schlechter Konjunktur ab. Allerdings ist ein Ansatz von Fachkräftemangel hauptsächlich bei Ingenieurberufen aber heute schon erkennbar. Mit Hinblick auf die demographische Entwicklung wird sich der Fachkräftemangel für die Volkswirtschaft voraussichtlich zu einem großen wirtschaftlichen Problem entwickeln.[52]

2.2.4 Demographische Entwicklung

In den kommenden Jahren wird sich das Zahlenverhältnis zwischen jüngeren und älteren Menschen immer mehr verschieben. Die neuesten Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland durch die weiter rückläufige Geburtenhäufigkeit von 82 Millionen auf 65-70 Millionen Einwohner im Jahre 2060 schrumpfen wird.[53] Auch der prozentuale Anteil an der Bevölkerung in den verschiedenen Altersgruppen wird sich deutlich verschieben. Während 2008 noch 19 Prozent der Bevölkerung im Altersbereich von 0 – 20 Jahre waren, schrumpft dieser Bereich bis 2060 auf 16 Prozent. Der Anteil der unter 65-jährigen verringert sich von 61 Prozent auf 50 Prozent, der Sektor der 65 – unter 80-jährigen steigt von 15 Prozent auf 20 Prozent. Der Anteil der Bevölkerung von 80 Jahre und älter wächst von 5 Prozent auf 14 Prozent.

Diese Verschiebung der Altersbereiche zieht auch erhebliche Veränderungen im Erwerbsalter nach sich. Geht man von einem Erwerbsalter von 20 – 65 Jahren aus, so standen im Jahr 2008 50 Millionen Erwerbstätige zur Verfügung. Die Anzahl wird erst nach 2020 deutlich zurückgehen und wird im Jahr 2035 39 – 41 Millionen betragen. Im Jahr 2060 ist nur noch mit 36 Millionen Erwerbstätigen zu rechnen.

Vor allem die Zunahme an älteren Erwerbstätigen ist zu beachten. Im Jahr 2008 macht die Gruppe der 50 – 65-Jährigen 31 Prozent der Erwerbstätigen aus. Bereits in den Jahren 2017 – 2024 wird sich dieser Anteil auf 40 Prozent erhöhen.[54]

Diese Zahlen zeigen deutlich, dass in den nächsten Jahrzehnten der Anteil der älteren Arbeitnehmer stark zunehmen wird und es von größter Wichtigkeit ist, diese gesund und damit auch leistungsstark im Unternehmen zu behalten.

Ältere Mitarbeiter sind oft diejenigen in der Belegschaft, die gute soziale Beziehungen zu Vorgesetzten und Kollegen pflegen und damit für ein angenehmes und harmonisches Betriebsklima sorgen.[55]

Die Tatsache, dass ältere Arbeitnehmer mehr Arbeitsunfähigkeitstage aufweisen spricht zusätzlich für die Einführung eines ganzheitlichen Gesundheitsmanagements, das speziell die älteren Beschäftigten berücksichtigen sollte.[56]

2.3 Ziele des BGM

2.3.1 Das gesunde Unternehmen und der gesunde Mitarbeiter

Gesunde Mitarbeiter und damit auch ein gesundes Unternehmen stellen eine der hauptsächlichen Beweggründe für das BGM dar.[57]

Rudow nennt die folgenden Ziele:

„Hauptziel des BGM ist das gesunde Unternehmen, das sich durch gesunde und sichere Arbeit und eine gesunde Umwelt auszeichnet.“[58]

Dieses Oberziel lässt sich weiter in kleinere Einzelziele aufteilen:[59]

- niederer Krankenstand und geringere Fehlzeiten
- die gewünschte Gesundheitskultur eines Unternehmens spiegelt sich in den Grundannahmen, Werte, Normen, Regeln und Symbolen der Organisation wider
- Verbesserung / Erhaltung eines guten Organisationsklimas über einen längeren Zeitraum
- Schaffung einer gesundheitsgerechten Arbeitsumgebung: keine Beeinträchtigung durch Klima, Schall, Lärm, Gefahrenstoffe etc.
- eine gesundheitsgerechte Organisations- und Arbeitsstruktur: z.B. eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, leistungsgerechte Aufgabengestaltung, Arbeitsbedingungen wie z.B. Arbeitszeit, soziale Unterstützung etc.
- das Gesundheitsverhalten im Unternehmen: das Ziel ist ein kollektives Gesundheitsverhalten aller Mitarbeiter und Führungskräfte
Badura nennt vier zentrale Ziele, die seiner Ansicht nach als Hauptziele für das BGM gelten:[60]
- Senkung der Kosten durch eine Reduzierung der Fehlzeiten
- Erhöhung der Motivation der Mitarbeiter
- Förderung der Flexibilität und Kreativität der Belegschaft
- Bekämpfung der Ursachen chronischer Krankheiten und Erleichterung der Wiedereingliederung nach Krankheiten und Rehabilitation

Eine Umfrage der Techniker Krankenkasse zeigt, dass der wichtigste Punkt für eine Einführung des BGM in KMU die Senkung des Krankenstandes ist. Darauf folgend ist das Ziel, die Mitarbeiterbelastung zu reduzieren und die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen.[61]

Aber nicht nur die „harten“ Fakten wie z.B. die Kosten der Lohnfortzahlung bei Krankheit und die Arbeitsunfähigkeitstage sprechen für die Einführung des BGM. Auch „weiche“ Faktoren wie ein gutes Image des Unternehmens, hohe Unternehmensbindung, Mitarbeiterzufriedenheit und Motivation werden als Nutzen des BGM genannt.[62]

2.3.2 Der ökonomische Nutzen des BGM

Die Kosten für die Arbeitsunfähigkeit und die damit verbundenen Produktionsausfälle betrugen im Jahr 2002 in der gesamten Bundesrepublik Deutschland 44,76 Milliarden Euro.[63] Daher ist es nahe liegend, durch ein BGM diese Produktionsausfälle und die Fehlzeiten der Mitarbeiter senken zu wollen.

Der ökonomische Nutzen des BGM lässt sich allerdings nur sehr schwer einzeln in dessen verschiedene Maßnahmen aufteilen. Dennoch wird davon ausgegangen, dass das BGM ein erhebliches ökonomisches sowie soziales Produktivitäts- und Verbesserungspotential besitzt und eine zentrale Position im Wettbewerb darstellen kann.[64]

In der Evaluierung des Nutzens des BGM spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Einzelne Maßnahmen und Auswirkungen der Gesundheitsförderung können nicht isoliert betrachtet werden, sodass einzelne Kennzahlen wie z.B. die Senkung der Fehlzeiten nur Anhaltspunkte über den Nutzen des BGM geben.

Der wirtschaftliche Nutzen des BGM ist für die Unternehmen durch einzelne Kennzahlen sichtbar, aber nicht nur ausschließlich monetär erfassbar. Deshalb ist es wichtig, die Evaluierung des BGM für jedes Unternehmen einzeln durchzuführen, da hier auch unternehmensspezifische Punkte wie z.B. das Wohlbefinden der Mitarbeiter berücksichtigt und auch einzeln abgefragt werden können.[65]

Studien in den USA zeigen eine Senkung der Krankheitskosten um 26,1 Prozent. Krankheitsbedingte Fehlzeiten und damit verbundene Kosten konnten um 26,8 Prozent gesenkt werden.[66]

Der Return on Investment (ROI) bei den Krankheitskosten lag bei einer Studie zwischen 1:2,3 und 1:5,9. Die Einsparung in Bezug auf die Fehlzeiten wird mit einem ROI von 1:2,5 bis 1:10,1angegeben.[67]

Dies bedeutet, dass sich das BGM durchaus wirtschaftlich lohnt und die Investitionen durch eine Senkung der Fehltage und der damit verbundenen Krankheitskosten sich auszahlen, obwohl die Potentiale der Gesundheitsförderung mit den existierenden Programmen nur ansatzweise genutzt werden.[68]

2.3.3 Der gesundheitliche Nutzen des BGM

Die betriebliche Gesundheitsförderung leistet einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung der Beschäftigten. Krankheitskosten werden vermieden und krankheitsbedingte Fehlzeiten reduziert.[69]

Im Bereich der Verhaltensprävention zeigen Untersuchungen, dass Bewegungsprogramme die physische Aktivität der Beschäftigten erhöhen und auch die Erkrankungen des Muskel- und Bewegungsapparates vorbeugen können. Es herrscht Einigkeit bei den Untersuchungen, dass theoretische Vorträge und Schulungen nicht zu den gewünschten Erfolgen des Haltungsapparates sorgen.[70]

Auch Erschöpfungs- und Müdigkeitszustände der Mitarbeiter können durch individuelle Bewegungsprogramme verbessert werden. Einen geringeren aber nachweisbaren Einfluss hatten Bewegungsprogramme auf das langfristige Körpergewicht und den Blutdruck. Maßnahmen zur Förderung der gesunden Ernährung wie z.B. gesünderes Essensangebot in Kantinen zeigen ebenfalls Wirkung bei den Beschäftigten, allerdings nur in begrenztem Umfang. Eine effektive und nachhaltige Verbesserung der Ernährung kann mit den einfachen Instrumenten des BGM nicht erreicht werden. Hier sind umfangreichere Programme nötig, die auch außerhalb des Arbeitsbereiches in den Alltag integriert werden müssen.[71]

Programme zur Nikotinentwöhnung und Tabakkontrolle zeigen positive Effekte. Maßnahmen wie Rauchverbote im Betrieb führen zu einem beträchtlichen Rückgang des Konsums am Arbeitsplatz, allerdings meistens nicht zur kompletten Einstellung des Rauchens. Das Auslegen von Broschüren, eine intensive Individualberatung, Gruppenentwöhnung und Nikotinersatz führen zu guten Ergebnissen.

Auch bei psychischen Erkrankungen und Stress wurde vor allem eine Wirksamkeit bei einer Kombination von Programmen festgestellt, die die individuelle Ebene sowie die Organisationsebene des Unternehmens des Beschäftigten betreffen.[72]

2.4 Derzeitiger Stand des BGM

2.4.1 Die aktuelle Situation des BGM in KMU

Die Einführung eines BGM als ganzheitliches Konzept stößt bei KMU bisher auf wenig Akzeptanz. Da sich die KMU von großen Unternehmen grundlegend unterscheiden, können deren erprobte und erfolgreiche Konzepte nicht einfach übernommen und kopiert werden.[73]

Eine im Raum Hamburg durchgeführte Untersuchung im Jahr 2003 an mittelständischen Unternehmen zeigt, dass zwei Drittel der Unternehmen über betriebliche Gesundheitsförderung sprechen und nachdenken. 85 Prozent der Befragten halten Investitionen in gesundheitsfördernde Maßnahmen für sehr sinnvoll oder zumindest überlegenswert. Auffallend ist aber, dass nur 45 Prozent der Befragten das BGM mit einem Konzept in das Unternehmen integrieren wollen. 68 Prozent der Betriebe bieten aber bereits Einzelmaßnahmen der Gesundheitsförderung an.[74]

Diese Einzelmaßnahmen stammen häufig aus folgenden Bereichen:[75]

- Informationsveranstaltungen zum Gesundheitsverhalten wie Expertenvorträge und Gesundheitstage
- Kursangebote zum Gesundheitsverhalten wie Sportkurse und Suchtprävention
- Maßnahmen zur Organisationsentwicklung wie z.B. Gesundheitszirkel
- Maßnahmen zur Personalentwicklung, z.B. Seminare und Workshops für Mitarbeiter
- Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung mit der Optimierung der Arbeitsplatzergonomie
- Maßnahmen zur Arbeitsgestaltung wie flexible Arbeitszeitmodelle
- Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit

Die KMU tendieren dazu, Maßnahmen zu bevorzugen, die kostengünstig und zeitsparend sind. Einzelaktionen wie Gesundheitstage ohne weitere konzeptionelle Verfolgung des BGM werden hier häufig angetroffen. Im Sinne des BGM ist dieser Eventcharakter problematisch zu betrachten, da das BGM als langfristiges Gesamtkonzept verstanden werden soll und sich nicht auf Einzelaktionen beschränkt.[76] Eine Kombination von erfolgsversprechenden Einzelmaßnahmen verspricht eine deutlich höhere Wirksamkeit als jede der Interventionen für sich.[77]

Oft beschränken sich die Angebote allerdings nur auf die gesetzlichen Vorschriften, wie z.B. den Arbeitsschutz. Dieser wird bedauerlicherweise oft nur unter Androhung von Sanktionen umgesetzt.[78]

Betrachtet man die Wünsche der Beschäftigten zur BGF, werden vor allem Programme gegen Rückenschmerzen und zur Stressbewältigung gewünscht. Angebote zur Suchtberatung und zur Rauchentwöhnung werden nach Untersuchungen eher selten gewünscht.[79]

Die Politik beschäftigt sich ebenfalls mit der betrieblichen Gesundheitsförderung und unterstützt die Unternehmen bei der Einführung und Durchführung.[80]

Der derzeitige Gesundheitsminister Dr. Phillip Rösler sieht in der betrieblichen Gesundheitsförderung einen wichtigen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen sieht er noch Potential und enorme Chancen, die noch viel zu wenig ausgeschöpft werden.[81] Die Möglichkeiten der Unternehmen sind zu großen Teilen noch unbekannt, z.B. die Unterstützung von gesundheitsfördernden Maßnahmen bis zu einer Höhe von 500 € pro Mitarbeiter, die von der Einkommenssteuer befreit sind.[82]

2.4.2 Bestehende Konzepte und Modelle des BGM

Eine Vielzahl von Konzepten und Instrumenten des BGM kann in der Literatur sowie auch in der Praxis gefunden werden. Für die Betriebe ist es wichtig, Impulse in Form von Beratungs- und Unterstützungsleistung von außen wie z.B. Krankenkassen zu erhalten, um ein erfolgreiches BGM einzuführen.[83]

[...]


[1] Vgl. Biendarra 2008, S. 364

[2] Vgl. Rudow 2004, S. 11

[3] Vgl. Statistisches Bundesamt 2009, S. 5

[4] Vgl. IHK Baden-Württemberg 2011

[5] Vgl. Emmermacher 2009, S. 22

[6] Vgl. Meggeneder 2005, S. 13

[7] Vgl. ofb Online Fragebogen 2011

[8] Vgl. Link 1999, S. 147

[9] Vgl. Europäische Gemeinschaften 2005, S. 14

[10] Vgl. Europäische Gemeinschaften 2005, S. 14

[11] Vgl. Krämer 1998, S. 7

[12] Vgl. Boss 1999, S. 630

[13] Vgl. Badura 1999, S. 24

[14] Vgl. WHO Ottawa Charta 1986, S.1

[15] Vgl. Münch 2003, S. 14

[16] Vgl. Rosenbrock 1993, S. 8

[17] Vgl. Badura 1999, S.17

[18] Vgl. Meyer 2008, S.2

[19] Vgl. Meyer 2008, S. 2

[20] Vgl. Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung 2007, S. 2

[21] Vgl. Badura 1999, S. 17

[22] Vgl. Salvaggio 2007, S. 14

[23] Vgl. Pfaff 2001, S. 32

[24] Vgl. Meyer 2008, S. 2

[25] Vgl. Badura 2010, S.3

[26] Vgl. Meggeneder 2005, S. 19

[27] Vgl. Mehrhoff 2007, S. 128

[28] Vgl. Popken 2007, S. 174

[29] Vgl. Bamberg 2004, S. 12

[30] Vgl. Gröben 1999, S. 21

[31] Vgl. GKV Praeventionsleitfaden 2010, S. 7

[32] Vgl. WHO Erklärung von Alma-Ata 1978, S.1

[33] Vgl. Meyer 2008, S. 10

[34] Vgl. Pfaff 2001, S. 53

[35] Vgl. Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung 2007

[36] Vgl. Bamberg 2004

[37] Vgl. BKK Gesundheitsreport 2010, S. 13

[38] Vgl. BKK Gesundheitsreport 2010, S.15

[39] Vgl. Böhm 2010, S. 6

[40] Vgl. Heyde 2010, S. 34

[41] Vgl. Badura 2010, S.4

[42] Vgl. Baase 2007, S.53

[43] Vgl. Schmidt 2010, S. 93

[44] Vgl. Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung 2007

[45] Vgl. Gusy 1998, S. 23

[46] Vgl. Bamberg 2004, S. 21

[47] Vgl. IHK Baden-Württemberg 2011

[48] Vgl. Mesaros 2009, S. 29

[49] Vgl. IHK Baden-Württemberg 2011

[50] Vgl. IHK Baden-Württemberg 2011

[51] Vgl. IHK Baden-Württemberg 2011

[52] Vgl. Kay 2010, S. 32

[53] Vgl. Statistisches Bundesamt 2009, S. 5

[54] Vgl. Statistisches Bundesamt 2009, S. 5

[55] Vgl. Badura 2008, S. 124

[56] Vgl. BKK Gesundheitsreport 2010, S. 79

[57] Vgl. Meifert 2004, S. 8

[58] Vgl. Rudow 2004, S. 24

[59] Vgl. Salvaggio 2007, S. 15

[60] Vgl. Badura 1999 S. 34

[61] Vgl. Techniker Krankenkasse 2008, S. 31

[62] Vgl. Lück 2009, S. 83

[63] Vgl. Bamberg 2004, S. 11

[64] Vgl. Nieder 1997, S. 16

[65] Vgl. Salvaggio 2007, S.75

[66] Vgl. Kramer 2009, S. 72

[67] Vgl. Bödecker 2003, S. 31

[68] Vgl. Kramer 2009, S. 73

[69] Vgl. Sockoll 2008, S. 63

[70] Vgl. Sockoll 2008, S. 65

[71] Vgl. Kramer 2009, S. 67

[72] Vgl. Sockoll 2008, S. 64

[73] Vgl. Meggeneder 2005, S. 13

[74] Vgl. Scharnhorst 2003, S. 6

[75] Vgl. Meyer 2008, S. 39

[76] Vgl. Meyer 2008, S. 45

[77] Vgl. Kramer 2009, S. 67

[78] Vgl. BKK Bundesverband 2001, S. 5

[79] Vgl. Zok 2009, S. 99

[80] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2010, S.1

[81] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2010, S.1

[82] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2010, S. 2

[83] Vgl. Lenhardt 1999, S. 161

Final del extracto de 95 páginas

Detalles

Título
Die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen
Subtítulo
Konzeptionelle Überlegungen
Universidad
AKAD University of Applied Sciences Leipzig
Calificación
1,7
Autor
Año
2011
Páginas
95
No. de catálogo
V175500
ISBN (Ebook)
9783640968770
ISBN (Libro)
9783640969234
Tamaño de fichero
2859 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
konzeptionelle, einführung, gesundheitsmanagement, unternehmen
Citar trabajo
Alexander Gohm (Autor), 2011, Die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175500

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