Der Turmbau zu Babel


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

20 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. „Der Turmbau zu Babel“ - heute noch ein aktuelles Thema?

2. Die Methoden der historisch – kritischen Exegese am Beispiel von Gen 11,1-9
2.1 Literarkritik
2.1.1 Abgrenzung des Textabschnittes
2.1.2 Einheitlichkeit des Textabschnittes
2.2 Redaktionsgeschichte
2.3 Formgeschichte
2.3.1 Aufbau von Gen 11,1-9
2.3.2 Sprachliche Phänomene des Textes auf Text- Satz- Wort- und Lautebene
2.3.3 Bestimmung der Gattung des Textabschnittes

3. Interpretation von Gen 11,1-9

4. Eigene Meinung des Verfassers

Literaturverzeichnis

Anhang: Übersetzung des hebräischen Originaltextes Gen 11, 1-9 4

1. „Der Turmbau zu Babel“ - heute noch ein aktuelles Thema?

Ein in unseren Augen altmodischer Text soll in der heutigen Zeit noch eine Bedeutung haben?

In unserem hektischen Alltag versucht ein jeder, das für ihn Bestmögliche zu erreichen. Es werden Städte, Türme von riesigen Ausmaßen gebaut, „ es wird durchs Weltall geflogen, es entstehen Atomkraftwerke, Weltraumstationen, Satelliten und Raketen, wir bauen ständig in die Breite, in die Höhe und in die Tiefe.“1 Im Allgemeinen kann man feststellen, dass das Streben vieler modernen Menschen darauf abzielt, ‚hoch’ hinaus zu gelangen, sei es nun auf die Höhe an sich bezogen oder auf die Größe der Ziele, die wir uns stecken.

Das lebensnotwendige Gefühl des Wohlbehagens braucht jeder Erdbewohner.

Meist empfindet der Mensch Letzteres, indem er sich niederlässt bzw. einen Platz zum Wohnen sucht, diesen mit einem Ortsnamen benennt und mit anderen Artgenossen eine Siedlung gründet. Innerhalb eines bestimmten Gebietes sprechen wir die gleiche Sprache, um miteinander kommunizieren zu können.

Ähnlich ist es in der Geschichte vom `Turmbau zu Babel´.

Die Menschen in der Erzählung sprechen die gleiche Sprache, siedeln sich an und bauen sich eine Stadt. Auch dort geht es um den Bau eines großen Turmes, der mit seiner Spitze in den Himmel ragen soll.

Auf die Bedeutung der jeweiligen Geschehnisse der Erzählung soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden (zusammenfassende Interpretation siehe Gliederungspunkt 3.).

Durch die Parallelen zwischen dem Text des Alten Testamentes und der heutigen Lebensweise der Menschen ist der aktuelle Bezug der Erzählung gut zu erkennen.

Im Folgenden soll die Geschichte `Der Turmbau zu Babel´ nach den Methoden der historisch – kritischen Exegese ausgelegt werden: Literarkritik, Redaktionsgeschichte und Formgeschichte stehen zur Diskussion an.

Nach einer Abgrenzung des Textabschnittes 11,1-9 ist die Einheitlichkeit als zweiter Unterpunkt der Literarkritik zu behandeln. Die Redaktionsgeschichte versucht im Anschluss an Letzteres aufzuzeigen, wie und nach welchen Gesichtspunkten das vorliegende Material überarbeitet wurde. In der Formgeschichte wird zunächst der Aufbau der Geschichte behandelt, bevor die sprachlichen Phänomene des Textes auf der Text-, Satz-, Wort-, und Lautebene zur Sprache kommen. Danach geht es im letzten Gliederungspunkt der Formgeschichte um die Bestimmung der Gattung.

Eine abschließende Interpretation von Genesis (Gen) 11,1-9 soll dem Leser die Erzählung vom `Turmbau zu Babel´ verständlich näher bringen und erklären.

Den Schluss dieser Arbeit bildet die Meinung der Verfasserin.

2. Die Methoden der historisch – kritischen Exegese am Beispiel von Gen 11,1-9

Nach Absprache mit dem Leiter des Seminars werden die Literarkritik, die Redaktionsgeschichte sowie die Formgeschichte behandelt.

2.1 Literarkritik

2.1.1 Abgrenzung des Textabschnittes

Die vorgegebene Abgrenzung ist völlig korrekt.

Nach der wörtlichen Übersetzung aus dem Hebräischen heißen die Eingangsworte des ersten Verses von Kapitel 11: „Da geschah es“.2 Diese stehen eindeutig für einen Neuansatz des Geschehens. In Vers 2a steht wiederum zu lesen „Da geschah es“. Also für den Leser ein Hinweis auf eine erneut einsetzende Handlung und eine neue Situation.

Im Vorausgehenden, in Kapitel 10, ist von der Völkertafel und von der Verzweigung des Stammes Noah in viele verschiedene Völker die Rede, während das Darauffolgende die Geschichte vom `Turmbau zu Babel´ und der Verwirrung der Sprachen erzählt.

Das in Kapitel 10 Erzählte wird in einem abrundenden letzten Vers abgeschlossen. Im Anschluss daran kommen nicht bestimmte Personen oder Volksstämme zur Sprache, sondern die Geschichte dreht sich nur um Menschen im allgemeinen Sinn. Es geht hier also nicht um alle Völker der Erde, die namentlich aufgelistet werden und in ihren Eigenschaften beschrieben werden wie in einer Genealogie.3

Der Anfang von Kapitel 11 ist also gemäß der Eingangsworte, seines neuen Themas, der neuen Situation und Personen korrekt abgegrenzt.

Gerhard von Rad beschreibt den inneren Anschluss der Turmbauerzählung an die vorausgehende Völkertafel als „locker“. Er erklärt seine Feststellung folgendermaßen: „Diese Geschichte von der Zerstreuung der Menschheit in viele Völker beginnt eigentlich noch einmal bei dem Einsatzpunkt der Völkertafel und geht ihr gewissermaßen ein Stück parallel, denn auch sie will die Aufteilung der Menschheit in viele Völker erklären.“4

Der Bau einer Riesenstadt und eines Riesenturmes stehe in Spannung zur vorausgehenden Völkertafel, „welche die Verzweigung der aus den Sippen Noachs hervorgegangenen Völker auf der Erde bereits registriert hat.“5

Problematischer findet von Rad den Übergang von der Urgeschichte zur Heilsgeschichte, den er als „schroff und überraschend“ bezeichnet. Mit dem Schluss der Texteinheit ist Gerhard von Rad hier nicht ganz einverstanden. Den eigentlichen Abschluss der Urgeschichte sieht er vielmehr in 12,1-3, „denn von da aus wird dieser universale Vorbau von der Heilsgeschichte in seiner theologischen Bedeutung erst verständlich.“6

Doch es lässt sich auch vertreten, wenn man in 11,9 einen abschließenden, begründeten Vers sieht. Das „deshalb“ und das „weil“ können dann als abrundende, den Kausalzusammenhang erklärende Wörter aufgefasst werden.7

An dieser Stelle hat die Geschichte des `Turmbaus zu Babel´ ihr Ende. Dann folgt wieder eine Genealogie, wie wir sie bereits aus dem 10. Kapitel her kennen. Sie beginnt mit einer parallelen Satzkonstruktion wie im eben erwähnten Kapitel. Die Väter von Sem bis Abraham bilden die neuen Personen und somit auch die neue Handlung der folgenden Verse.

Der Geschehensablauf der Geschichte vom `Turmbau zu Babel´ hat demzufolge berechtigterweise in 11,9 seinen Abschluss. Im folgenden Text ist ein Neuansatz in Handlung, Ort und Personen vorzufinden.

2.1.2 Einheitlichkeit des Textabschnittes

Eine weitere Aufgabe der Literarkritik ist es, die Integrität des jeweiligen Textes zu überprüfen. Ein Text gilt nur dann als einheitlich, wenn in ihm keine Spannungen oder Widersprüche, die gegen diese Einheit sprechen, enthalten sind.

Im dem zu untersuchenden Textabschnitt kommen an einigen Stellen Wiederholungen, sogenannte Dubletten vor. Es handelt sich hierbei um Wortwiederholungen, die im späteren Erzählablauf wiederkehren.

Vers 1a ist mit Vers 2a völlig identisch, sogar das Satzzeichen, der Doppelpunkt, ist das gleiche. In Vers 1a setzt mit den Worten „Da geschah es“ eine neue Handlung bzw. ein neues Ereignis ein, das dann in 1b genannt wird. Ein zweites Geschehen beginnt im darauffolgenden Vers ebenfalls mit den Worten „Da geschah es“.

Die Geschichte habe einen doppelten Anfang, der jeweils durch „und es geschah“ angedeutet wird. Die zweimalige Wiederholung verbinde sich mit einem doppelten Zweck: Die Menschen wollen sich einen Namen machen und gleichzeitig verhindern, dass sie über die Erde zerstreut werden.8

An diesen beiden Stellen ruft die Dublette keinen Wiederspruch oder gar eine Spannung hervor. Im Gegenteil – durch die Wiederholung wird es dem Leser ermöglicht, zwischen den beiden Ereignissen unterscheiden zu können, sie getrennt halten zu können. Zuerst ereignet sich das eine, dann folgt das andere. Die exakt genaue Wiederkehr der drei Wörter verdeutlich auch die schnelle Abfolge der Geschehnisse nacheinander.

Hier ruft die Dublette also eine positive Wirkung hervor und stört den Textzusammenhang keineswegs.

Die Geschichte vom `Turmbau zu Babel´ enthält noch weitere Dubletten.

Ob es nun „Da sagte einer zu seinem Nächsten“, „Da sagten sie“ oder „Da sagte JHWH“ heißt, die Wirkung bleibt immer die selbe. Der Leser weiß, wer redet und wer der Gesprächspartner ist. Durch derartige Wiederholungen wird deutlich gemacht, hier, an dieser Stelle setzt eine neue Rede ein, es kommt etwas Neues. Der Leser wird durch derartige Hinleitungen zu den direkten Reden gewissermaßen durch den Text geführt. Auch hier kann von einer Störung im Text keine Rede sein.

Syntaktische Spannungen, bedingt z.B. durch eine spätere Einfügung, sowie Unterschiede in der Redeweise und dem Vokabular sind nicht auszumachen. Auch in diesem Fall gilt das Gegenteil: Vers 8a entspricht inhaltlich genau dem Vers 9b.9 Nur die Wortfolge ist nicht die gleiche. Das Motiv des Zerstreuens über die ganze Erde bekommt doppelten Ausdruck. Das Schicksal der Menschen wird wiederholt und dem Leser somit besser vor Augen geführt und verdeutlicht.

Der Textabschnitt Gen 11,1-9 ist demzufolge völlig einheitlich gestaltet. Er weist keine, den Textzusammenhang störende, Dubletten auf, keine inhaltlichen Widersprüche, weder syntaktische Spannungen noch unterschiedliches Vokabular oder eine differierende Redeweise. Da der Text keine Störung enthält, kann er als sinnvolles Ganzes angesehen werden. Es liegt eine durchgehende Texteinheit vor, die auch als eine einfache Einheit bezeichnet werden kann.

2.2 Redaktionsgeschichte

Diese Art von historisch -kritischer Methode befasst sich mit der Überarbeitung des jeweiligen Textabschnittes von der ersten schriftlichen Fixierung, der Erstverschriftung, bis zur redaktionellen Bearbeitung der schriftlichen Vorlagen.

Gut denkbar wäre eine nachträgliche Bearbeitung von Vers 3: War den Menschen damals, zur Zeit der mündlichen Tradierung, der Begriff des Ziegels und der des Erdpechs bekannt? Und verstanden sie sich bereits damals schon auf die Kunst des Ziegelbaus?

Eine nachträgliche Umbenennung scheint hier wahrscheinlicher. Denn die Menschheit musste sich im Laufe der Zeit erst entwickeln und konnte nicht von Anfang an alles; sie eignete sich vieles erst nach und nach an.

Deutliche Eingriffe des Redaktors sind an Stellen zu finden, die Stilmittel aufweisen (vgl. 2.3.1). Heute stellt man sich die Zeit der mündlichen Tradierung eher so vor: Ein Beobachter erzählte ein Geschehen einer anderen Person, die das Erfahrene wiederum weitergab. Hierbei verwendete der Erzähler keine Stilmittel oder ähnliche Mittel, um die Geschichte zu veranschaulichen oder attraktiver erscheinen zu lassen. Allein die Fakten waren interessant. Erst später, bei der Verschriftung, kam es auf die Form an und den Ausdruck des Textes.10

Laut Lothar Ruppert gehöre die Erzählung wie die Paradiesesgeschichte und die Erzählung von Kain und Abel von ihrer Struktur her zu den Schuld- und Strafe – Erzählungen mit urgeschichtlichem Charakter.11

Letzterer ist in Gen 11,1-9 jahwistisch geprägt, während die Kapitel davor, Gen 10 und danach Gen 11,10-27 der priesterschriftlichen Gattung entspringen. Die Völkertafel (Gen 10) und die Stammbäume (Gen 11,10ff.) sind Genealogien. In der Erzählung vom `Turmbau zu Babel´ hingegen sind alle Menschen angesprochen.

So mancher Leser stellt sich insgeheim wahrscheinlich die Frage, warum die Erzählung des Jahwisten gerade an dieser Stelle eingefügt worden ist.

Das Motiv der Zerstreuung der Menschen über die ganze Erde ist schon vor Gen 11,1-9 zu finden, nämlich im Schluss der Fluterzählung.

[...]

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Der Turmbau zu Babel
Université
University of Augsburg  (Lehrstuhl für Alttestamentliche Wissenschaft)
Note
1,0
Auteur
Année
2002
Pages
20
N° de catalogue
V17572
ISBN (ebook)
9783638221191
ISBN (Livre)
9783638774819
Taille d'un fichier
1199 KB
Langue
allemand
Annotations
Dies ist eine exegetische Arbeit über den Text Turmbau zu Babel im AT.
Mots clés
Turmbau, Babel
Citation du texte
Monika Reichert (Auteur), 2002, Der Turmbau zu Babel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17572

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