„Le ciel mit dans mon sein une flamme funeste“ –
so klagt Phèdre im letzten Akt Jean Racines gleichnamigen Werk von 1677. Diese Äußerung spiegelt wieder, was Racines Hauptfigur und die der Madame de Lafayette, die Princesse de Clèves, um die es im Folgenden gehen wird, zu tragischen Figuren werden lässt:
beide erleben die passion zu einem Mann, den sie nicht lieben dürfen, beide kämpfen – mehr oder weniger stark – für ihre raison. Die Geschichte der Princesse de Clèves versteht sich als „heroischer, doch vergeblicher Kampf eines leidenschaftlich bewegten Willens um innere Klarheit, Autonomie und Moralität“1. Wie die Tragödie Racines „[bringt sie] die pathologische Natur der Liebe zum Ausdruck“2, welche die uns vorliegenden Erzählungen zu literarisch-geschichtlichen Wendepunkten macht.
„Phèdre“ von Racine und „La Princesse de Clèves“ von Madame de Lafayette gelten als maßstäbliche Vertreter ihrer Gattungen für das 17. Jahrhundert in Frankreich. Die Tragödie „Phèdre“ und Lafayettes Roman haben formal nur wenige (allerdings erstaunliche) Gemeinsamkeiten, und sind noch gegensätzlicher bezüglich ihres Ansehens im klassischen Frankreich. Die Tragödie galt als das „vorbildhafteste“, einflussreichste Genre, während Madame de Lafayette den Roman einer wesentlichen Wandlung unterzieht. So war der heroisch-galante Barockroman „zu dickleibig“3, der Roman der Klassik wird zudem zu einem „psychologische[n] Roman in historischem Gewand“4. Racine gilt als „magicien des unités“5, er perfektioniert die drei aristotelischen Einheiten und wird oft in Konkurrenz zu seinem Zeitgenossen Pierre Corneille gestellt. Was beide umso mehr, allerdings nur inhaltlich, verbindet, ist die Szene der Beichte über eine Liebschaft an den eigenen Mann.
In dieser Arbeit soll die Schlüsselszene beider Werke, die des Geständnisses, vergleichend analysiert und interpretiert werden. Zunächst gehe ich auf grundlegende Aspekte der beiden Texte ein um das Verständnis für den Höhepunkt der Handlungen zu schärfen. Anschließend stelle ich die beiden Szenen inhaltlich und formal gegenüber um wichtige Gemeinsamkeiten und grundlegende Unterschiede herauszuarbeiten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die äußeren Handlungen: Resümees der Texte
- Madame de Lafayette: „La Princesse de Clèves“
- Die Vorgeschichte zum Roman: kurzer Einblick in das Leben der Mme de Lafayette
- Zum Roman „La Princesse de Clèves“: Der Handlungsablauf
- Jean Racine: „Phèdre“
- Das Leben des Jean Racine
- Die Tragödie „Phèdre“: Inhaltliche Analyse und Handlungsablauf
- Madame de Lafayette: „La Princesse de Clèves“
- l'aveu: Die Geständnisszenen im Vergleich
- Wie kommt es zur Beichte?
- La Princesse de Clèves' Weg zum Geständnis
- Phèdres dreifache Beichte
- Gemeinsamkeiten und Unterschiede
- Wie kommt es zur Beichte?
- Schluss: Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Vergleich zweier Geständnisszenen aus der französischen Klassik. Ziel ist es, die beiden Schlüsselmomente in „La Princesse de Clèves“ von Madame de Lafayette und „Phèdre“ von Jean Racine zu analysieren und zu interpretieren, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung von Liebe, Moral und Schuld herauszuarbeiten.
- Das Motiv der verbotenen Liebe in der französischen Klassik
- Die Rolle der Vernunft und der Leidenschaft im individuellen Handeln
- Die gesellschaftlichen Normen und die Konventionen des 17. Jahrhunderts
- Der Konflikt zwischen dem Wunsch nach Glück und der Verpflichtung gegenüber der Moral
- Die Bedeutung der Geständnisszene als Wendepunkt in der Handlung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet einen Überblick über die beiden Werke und die zentralen Figuren, wobei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Gattungen, Roman und Tragödie, hervorgehoben werden. Im Anschluss daran werden die äußeren Handlungen beider Werke in ihren historischen Kontexten dargestellt.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich dem Vergleich der Geständnisszenen. Es werden sowohl die unterschiedlichen Wege zum Geständnis als auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung der Beichte analysiert.
Abschließend soll in einem kurzen Schluss die Relevanz der Geständnisszenen für die Gesamtinterpretation beider Werke zusammengefasst werden.
Schlüsselwörter
Französische Klassik, „La Princesse de Clèves“, „Phèdre“, Geständnis, verbotene Liebe, Leidenschaft, Vernunft, Moral, gesellschaftliche Normen, Konflikt, Literaturvergleich.
- Citation du texte
- Ulrike Hager (Auteur), 2007, Zwei Geständnisszenen der französischen Klassik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175809