1. Einleitung
Die Geschichte Lateinamerikas ist untrennbar mit den Worten „Unterdrückung“ und „Unterentwicklung“ verbunden. Dies sind Worte, die weite Assoziationsketten öffnen und unmittelbar die Frage nach dem aktiven Part, dem Unterdrücker, aufwerfen: Spanien. Mit der Entdeckung der Amerikas 1492 durch Christoph Kolumbus , scheint das Schicksal des Kontinents besiegelt. „1492 war nicht nur das Jahr der Entdeckung Amerikas, es war auch das Jahr der Wiedereroberung Granadas.“ Die erfolgsverwöhnten Spanier fühlten sich als größte Siegesstreitmacht der Welt. Nur so, und mit einigen, für die Eroberer glücklichen Zufällen, lässt sich erklären, wie es einer Minderheit gelang, eine Überzahl an Einheimischen zu überwältigen. So „[l]ag es in der Logik der Reconquista, der Wiederherstellung der christlichen Herrschaft über Land und Leute, daß sie nahtlos in die Conquista überging, daß sich die Abwehr der Mauren, der Exodus der Fremden, in die Expansion über die Iberische Halbinsel hinaus, in die Kreuzzugs- und Missionsidee verwandelte.“ Die Eroberer kamen aus der zivilisierten „Alten Welt“, welche sich selbst diesen Status zusprach. Man hatte im gelehrten Europa eine dezidierte Meinung, von dem was das „Eigene“ war und dem, was dem „Anderen“ entsprach. Als Kolumbus Amerika erreichte war er der festen Überzeugung Indien entdeckt zu haben, und „[b]is zu seinem Tode hielt er an [diesem] Irrtum fest.“ Dies hatte zur Folge, dass Amerika eine doppelt falsche Identität erhielt: Zum einen fiel es dem Starrsinn Kolumbus zum Opfer, der aus den „Amerikanern“ partout „Inder“ machen wollte. Zum anderen handelte es sich aber per se um eine fremdbestimmte Identität, welche also nur falsch sein konnte. Kolumbus lag es fern, die ihn umringenden Eingeborenen zu fragen, wie die „Inseln, Buchten, Flüsse, Kaps, Riffs und dergleichen geographische Orte in ihrer Sprache“ hießen. Er machte die Benennung der Kultur und Geographie der eroberten Landen zu einem symbolischen Machtakt – und wählte religiöse und weltliche Würdenträger in spanischer Sprache. Gemäß seines abendländischen und damit eurozentristischen Weltbildes, fühlte sich Kolumbus als Patriarch, der sich die eroberte Welt zum Untertan machen musste. In den Eingeborenen sah er nur „Objekte der Bekehrung (...)[ins] spanische Weltreich.“ Die Einwohner sollten assimiliert werden, es galt nicht ihre Werte kennenzulernen, sondern sie den europäischen unterzuordnen....
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kurze Geschichte der Kolonialisierung der Amerikas
- Raum, der Versuch eines Konzepts
- These: Raum und Identität sind identisch
- Raum und Identität in lateinamerikanischer und spanischer Literatur
- Ein Sprecher für die Entmündigten: Fray Bartolomé de las Casas wünscht sich ein Amerika in Visión de América en Fray Bartolomé de las Casas
- Biographie
- Werk, Kritik und eine Vision
- Der personifizierte Eurozentrismus: Kolumbus in Amerika in Segundo viaje de Cristóbal Colón.
- „Civilización y barbarie“: Die Negation des Indios in Esteban Echeverrías „La Cautiva“
- Ein Sprecher für die Entmündigten: Fray Bartolomé de las Casas wünscht sich ein Amerika in Visión de América en Fray Bartolomé de las Casas
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen räumlichen Verhältnissen und der Identität der in ihnen lebenden Menschen. Am Beispiel Lateinamerikas soll untersucht werden, welches Bild und welches Empfinden von Raum bei den Eroberern und bei den Eingeborenen zu finden ist. Die Arbeit analysiert, wie die Subjekte und Objekte im Raum agieren und wie sich dieses Verhältnis im Laufe der Zeit entwickelt hat. Im Fokus stehen die räumlichen Einschränkungen, Freiheiten und Benennungen, die zur Prägung einer Ideologie und Identität beitragen.
- Der Einfluss der kolonialen Vergangenheit auf die räumliche Wahrnehmung und Identität Lateinamerikas
- Die Konstruktion von Raum durch Eroberer und Eingeborene
- Die Rolle der Sprache in der Konstruktion von Raum und Identität
- Die Verbindung von Raum und Identität in der lateinamerikanischen Literatur
- Die Bedeutung von räumlichen Verhältnissen für die Entstehung und Entwicklung von Ideologien
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Unterdrückung und Unterentwicklung Lateinamerikas ein und stellt die zentrale Frage nach dem aktiven Part des Unterdrückers, Spanien. Die Kapitel 2 und 3 beleuchten die Geschichte der Kolonialisierung und die Definition des Begriffs „Raum“. Kapitel 4 untersucht den Einfluss von Raum und Identität in der lateinamerikanischen Literatur anhand von ausgewählten Texten.
Im ersten Teil dieses Kapitels wird Fray Bartolomé de las Casas als Sprecher für die Entmündigten vorgestellt und seine Vision von Amerika in Visión de América en Fray Bartolomé de las Casas analysiert. Der zweite Teil betrachtet die Figur von Kolumbus als personifizierten Eurozentrismus in Segundo viaje de Cristóbal Colón. Abschließend wird die Negation des Indios in Esteban Echeverrías La Cautiva untersucht.
Schlüsselwörter
Kolonialismus, Lateinamerika, Identität, Raum, Kultur, Sprache, Eroberung, Unterdrückung, Unterentwicklung, Eurozentrismus, Literatur, Fray Bartolomé de las Casas, Christoph Kolumbus, Esteban Echeverría, Visión de América en Fray Bartolomé de las Casas, Segundo viaje de Cristóbal Colón, La Cautiva.
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- Kristina Hellhake (Autor), 2009, Dynamisierte Räume, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175907