Erstmals hat wohl Cicero dergestalt auf die Verbindung von Seele und Körpersprache hingewiesen. 2 Der Klang einer Stimme, die das Wort spricht, kann in der Literatur nur beschrieben werden, sie bleibt dennoch nicht-hörbar. Mit dem beschriebenen Körper, seiner Beschaffenheit und seinen Bewegungen verhält es sich hinsichtlich seiner Sichtbarkeit ebenso. Und trotzdem kann all dies im- und durch den Text transportiert werden. Erzähltes Mienen- und Gebärdenspiel erweist sich als umso wichtiger, je weniger die literarischen Figuren direkt sprechen – oder je öfter sie einer Sprachlosigkeit auf der diegetischen Ebene verfallen. Bei Kleist etwa verhält es sich mitunter so, dass Worte fehlen oder den Worten nicht immer zu trauen ist. Andererseits ist die nonverbale Kommunikation sehr ausgeprägt; es wird geweint, gelacht, bedrängt, geherzt, gefleht und errötet. Eine Ungewissheit auf Seiten des Lesers bezüglich der Glaubwürdigkeit der Figuren wird durch deren Sprache zumeist nicht zu reduzieren, sondern eher zu forcieren versucht. Doch die zum Teil trügerisch konstruierte verbale Kommunikation steht nicht allein, sondern wird durch eben solche körperlichen Zeichen ergänzt, vielerorts ist sogar eine Konzentration auf selbige zu bemerken. Nuanciert beschreibt Kleist mitunter Blicke und Gesten in der zwischenmenschlichen Kommunikation und verhilft dem Leser damit zur Hinzugewinnung einer weiteren Dimension. Vor dem Hintergrund seiner Zeit und der Einwirkung der Tradition der Moralistik vermag die nonverbale Kommunikation im Text fast schon als Schlüssel für dessen Deutung gelten zu können. [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG: ZUR BEREDSAMKEIT DES KÖRPERS BEI KLEIST
- Exkurs: Zu den zeitgenössischen Erkenntnissen über die körperliche Beredsamkeit
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>>IN LEBHAFTESTER UNRUHE« – SZENEN (UN-)TRÜGLICHEN GEBARENS
- Der Heiratsantrag
- Der Schuss
- In der Gartenlaube
- Die Aussöhnung
- KÖRPERSPRACHE ALS SCHLÜSSEL ZUR WAHRHAFTIGKEIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Bedeutung nonverbaler Kommunikation in Heinrich von Kleists "Die Marquise von O...". Im Mittelpunkt steht die Analyse der Körpersprache der Figuren in verschiedenen Szenen, um aufzuzeigen, wie sie als Schlüssel zur Interpretation der Handlung und der Figurencharaktere dient.
- Die Rolle der Körpersprache in der Kommunikation zwischen den Figuren
- Die Ambivalenz nonverbaler Signale: Authentizität vs. Manipulation
- Der Einfluss von Zeit und gesellschaftlichen Normen auf die Interpretation von Körpersprache
- Kleists Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen über die körperliche Beredsamkeit seiner Zeit
- Die Bedeutung nonverbaler Kommunikation für die Glaubwürdigkeit der Figuren
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die These auf, dass die Körpersprache in "Die Marquise von O..." eine zentrale Rolle für die Interpretation der Handlung und der Figurencharaktere spielt. Sie verdeutlicht, dass Kleist die Sprachreflexion der Aufklärung fortsetzt und die Körpersprache als ein wichtiges Mittel der Kommunikation in seinen Texten einsetzt. Der Exkurs beleuchtet die zeitgenössischen Erkenntnisse über die körperliche Beredsamkeit und zeigt, wie diese im Kontext der Untersuchung relevant sind. In den folgenden Kapiteln werden ausgewählte Szenen aus "Die Marquise von O..." analysiert, wobei der Fokus auf der nonverbale Kommunikation der Figuren liegt. Ziel ist es, die Bedeutung dieser Kommunikation für die Interpretation der Handlung und die Charakterisierung der Figuren aufzuzeigen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Nonverbale Kommunikation, Körpersprache, Kleist, "Die Marquise von O...", Physiognomik, Pathognomik, Literaturwissenschaft, Moralistik, Aufklärung, Schauspielkunst, Ehrlichkeit, Natürlichkeit, Aufrichtigkeit, Täuschung, Sprachlosigkeit, Glaubwürdigkeit.
- Citation du texte
- René Ferchland (Auteur), 2011, "In lebhaftester Unruhe", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176018