Zu: Maud Mannoni - Das zurückgebliebene Kind und seine Mutter


Referat (Ausarbeitung), 2002

14 Seiten, Note: 2


Leseprobe


GLIEDERUNG

1 Einleitung

2 Maud Mannonis Biographie

3 Der organische Schaden

4 Mentale Insuffizienz

5 Die phantasmatische Beziehung des Kindes zu seiner Mutter

6 Angst und Widerstand während der Behandlung

7 Das Problem der schulischen Erziehung

8 Zusammenfassende Schlussfolgerungen

Literaturangaben

1 EINLEITUNG

In der 1972 auf deutsch erschienenen Studie „Das zurückgebliebene Kind und seine Mutter“ versucht Maud Mannoni zu zeigen, dass eine analytische Arbeit nicht nur mit psychotischen oder verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen, sondern auch mit Debilen möglich ist. Ihr zentraler Gedanke dabei ist, dass das Kind zurückgewiesen wird, wenn man sich als Analytiker nur auf das Symptom des Kindes konzentriert. Sie wollte damit die Art und Weise kritisieren, mit der dieses Problem in der damaligen Gesellschaft angegangen wurde und durch die Methoden bei der Behandlung nur noch verschlimmert wurde.

Des weiteren zeigt Mannoni auf, dass es kaum einen Platz für „Gehandikapte“ gibt. Entweder lautet die Diagnose des Arztes „krank“, woraufhin das Kind in eine Anstalt „abgeschoben“ wird und somit von der Gesellschaft ausgeschlossen wird, oder das eigentlich kranke Kind wird als „normal“ diagnostiziert und in das gesellschaftliche Leben integriert, obwohl es analytischer Hilfe bedürfte.

Das Besondere an Mannonis Gedanken ist, dass sie bei debilen Kindern und Jugendlichen nicht in erster Linie auf deren Symptome, sondern auf die Phantasien der Mutter achtet. Sie will damit die Verdunklungsmechanismen der Mutter und die Auswirkungen auf das Kind aufzeigen. Diese Darstellung der Beziehung zwischen Mutter und Kind war in Deutschland völlig neu gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt stand immer die Bedeutung der Liebe zwischen Mutter und Kind im Mittelpunkt. Man verstand nicht, dass diese Beziehung auch pathologisch sein kann und dass der Mutter bzw. der Familie jegliche Schuld für die Krankheit des Kinder zugewiesen wurde. Deshalb löste Mannonis Studie einige Verwunderung in Deutschland aus und belebte gleichzeitig den fachlichen Diskurs über einen angemessenen Umgang mit psychisch schwer beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen.

Im Nachfolgenden möchte ich genauer auf Mannonis Studie „Das zurückgebliebene Kind und seine Mutter“ eingehen. Doch zunächst werde ich mich noch kurz ihrer Biographie widmen, um einige Parallelen zu ihrem späteren Wirken aufzuzeigen.

2 Maud Mannonis Biographie

Maud Mannoni (damals Magdalena van der Spoel) wurde am 22.10.1923 in Belgien geboren und lebte bis zu ihrem 6. Lebensjahr auf der Insel Ceylon. Ihr Vater war Diplomat. In der Kinderfrau Aya, von der Maud auf Ceylon betreut wurde, fand sie eine Art Ersatzmutter, die sie sehr liebte. Um so schwerer war das Trauma, das Maud 1929 bei der Rückkehr nach Europa erlitt, denn ihre geliebte Kinderfrau mussten sie natürlich zurücklassen. Sie fühlte sich mit ihren 6 Jahren im Stich gelassen und war völlig verzweifelt. Erst bei ihrem Großvater in Belgien fand sie die nötige Sicherheit, die jedoch nicht lange währte, da ihre Eltern erneut umzogen – nach Amsterdam. Über die Zeit in Amsterdam schreibt Mannoni:

„In Amsterdam war die Einsamkeit groß. Vom sechsten bis zum elften Lebensjahr fehlte mir jemand, mit dem ich hätte sprechen können. Dem Vater gegenüber feindselig eingestellt (...) fühlte ich mich weit entfernt von der Erwachsenenwelt, wo die Empfänge den Anschein eines Festes verloren hatten und ebenso entfernt von den Kindern, die mich haben fühlen lassen, dass ich nicht in ihr kleinbürgerliches Milieu gehörte. (...) Um so mehr, weil die akademische Sprache, über die ich verfügte, sowie mein Niederländisch, die lebendigen Worte zum Schweigen brachte: Die Suche nach dem Schönen ersetzte das Wahrhaftige. Ich verlernte zu sprechen. Die Worte hatten keinen Sinn mehr.“[1]

Hier erkennt man schon sehr deutlich Parallelen zu Mannonis späterem Konzept von Bonneuil. Sie machte die Erfahrung vieler Umzüge, bei denen sie ständig jemanden zurücklassen musste. So erlebte sie auch einen Mangel in ihrer Existenz, wodurch sich ihre Wünsche, Überzeugungen und ihre Sehnsüchte äußern konnten. Sie durchlebte das, was die Kinder von Bonneuil erst erfahren müssen. Auch sie sollen ihren Mangel durch häufige Ortswechsel erfahren und dadurch ihre Wünsche konstatieren.

Ebenfalls schon hier erkennbar ist die Wichtigkeit der Sprache. Mannoni fühlte sich nicht mehr anerkannt und zufrieden, als sie „verlernte zu sprechen“[2]. So sieht sie es auch bei den Kindern als zwingend notwendig, zu einer wahren und befreiten Sprache zu kommen, da das Kind erst dadurch eine Persönlichkeit bekommt und ein eigenständiger Mensch wird.

Nach dem Besuch einer religiösen Schule in Belgien studierte Mannoni Kriminologie und Psychiatrie an den Universitäten von Brüssel und Antwerpen. Während der Kriegsjahre, als die Universitäten ihren Betrieb natürlich vorübergehend einstellten, arbeitete Mannoni mit psychotischen Patienten einer psychiatrischen Klinik.

„Meine psychiatrische Ausbildung erhielt ich sozusagen ‘vor Ort‘. (...) man gab mir die Erlaubnis, das Krankenhaus mit den Patienten zu verlassen und sie in ‘unbewohnte‘ Gegenden mitzunehmen. Dort, am Rande der Gesellschaft, erlebte ich meine erste Begegnung mit jenen Wesen, die man als anormal, pervers oder verrückt bezeichnet, eine Begegnung, die man im Kontext einer Zeit sehen muss, in der die Außenwelt einer immer gegenwärtigen, offenen oder versteckten Gewalt ausgeliefert war. Sicherheit fand man nur in fragwürdigen Rückzugspositionen. Die Universitätsausbildung kam für mich erst nach der Praxis. Ein Wissen (vom Unbewussten), so könnte man sagen, war schon vorhanden; man hatte mir den Zugang dazu nicht versperrt.“[3]

Diese erste Erfahrung mit psychisch kranken Jugendlichen prägte Mannonis weiteres Wirken. Schon damals arbeitete sie nicht in geschlossenen Einrichtungen, sondern ging mit ihnen in „unbewohnte Gegenden“. Wie oben schon erwähnt, ist dies auch ein entscheidender Punkt im Konzept von „Bonneuil“.

1984, nach ihrem Studium, wurde Mannoni Mitglied der Belgischen Psychoanalytischen Gesellschaft und ließ sich von Francoise Dolto, Frankreichs bedeutendster Kinderanalytikerin am Hospital Trousseau in Paris weiter in der Kinderanalyse ausbilden. Von Dolto bekam Mannoni ausschlaggebende Erkenntnisse, da diese damals die ersten Versuche mit Psychotherapien bei schwer psychotischen Kindern machte. Bei ihr lernte sie auch den 23 Jahre älteren Psychoanalytiker Octave Mannoni kennen und heiratete ihn noch im selben Jahr.

Von Jacques Lacan lernt Mannoni noch mehr über die Analyse. Später nimmt sie viele seiner Theorien als Grundlage ihrer Arbeit.

In den 60er Jahren unternimmt Mannoni den Versuch, die Psychoanalyse in ein medizinisch-pädagogisches Externat einzuführen und besuchte Winnicott in London und dessen Schüler Ronald Laing in Kingsleyhall. Dies beeinflusste ihre Arbeit, der sie mit viel Leidenschaft nachging. „Sie erlernte einen freudianischen Interventionsstil, in dem sich Revolte und theoretische Strenge mischten.“[4] Außerdem kam sie zu dem Ergebnis, dass es nur über eine radikale Infragestellung der Institutionen möglich ist, psychotischen Menschen bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten zu helfen, woraufhin das Konzept der „gesprengten Institution“ in Bonneuil entsteht.

1964 erscheint ihre erste Studie „Das zurückgebliebene Kind und seine Mutter“, auf das ich nachfolgend eingehen werde. 1970 erscheint das Werk „Der Psychiater, sein Patient und die Psychoanalyse“. Ihre wohl bekannteste Schrift „Scheißerziehung“ wird 1976 in deutsch veröffentlicht. Im selben Jahr folgt noch „Ein Ort zum Leben. Die Kinder Von Bonneuil, ihre Eltern und das Team der Betreuer“. Die Experimentalschule „Bonneuil“ gründete sie jedoch mit 2 Kollegen schon 1969.

Nach dem Tod Jacques Lacans 1982 baute sie mit ihrem Mann und Patrick Guyomard das Psychoanalytische Ausbildungs- und Forschungszentrum auf.

[...]


[1] Roedel, J./Kaufhold, R.: Bonneuil oder: Das Drama des zurückgebliebenen Kindes, in: psychosozial (21) 1998, S.122

[2] ebd.

[3] Ebd. S. 124

[4] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Zu: Maud Mannoni - Das zurückgebliebene Kind und seine Mutter
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Philosophisches Institut)
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
14
Katalognummer
V17651
ISBN (eBook)
9783638221702
ISBN (Buch)
9783656532132
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Maud, Mannoni, Kind, Mutter
Arbeit zitieren
Ines Lück (Autor:in), 2002, Zu: Maud Mannoni - Das zurückgebliebene Kind und seine Mutter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17651

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