In der 1972 auf deutsch erschienenen Studie „Das zurückgebliebene Kind und seine
Mutter“ versucht Maud Mannoni zu zeigen, dass eine analytische Arbeit nicht nur mit
psychotischen oder verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen, sondern auch mit
Debilen möglich ist. Ihr zentraler Gedanke dabei ist, dass das Kind zurückgewiesen wird,
wenn man sich als Analytiker nur auf das Symptom des Kindes konzentriert. Sie wollte
damit die Art und Weise kritisieren, mit der dieses Problem in der damaligen Gesellschaft
angegangen wurde und durch die Methoden bei der Behandlung nur noch verschlimmert
wurde.
Des weiteren zeigt Mannoni auf, dass es kaum einen Platz für „Gehandikapte“ gibt.
Entweder lautet die Diagnose des Arztes „krank“, woraufhin das Kind in eine Anstalt
„abgeschoben“ wird und somit von der Gesellschaft ausgeschlossen wird, oder das
eigentlich kranke Kind wird als „normal“ diagnostiziert und in das gesellschaftliche Leben
integriert, obwohl es analytischer Hilfe bedürfte.
Das Besondere an Mannonis Gedanken ist, dass sie bei debilen Kindern und
Jugendlichen nicht in erster Linie auf deren Symptome, sondern auf die Phantasien der
Mutter achtet. Sie will damit die Verdunklungsmechanismen der Mutter und die
Auswirkungen auf das Kind aufzeigen. Diese Darstellung der Beziehung zwischen Mutter
und Kind war in Deutschland völlig neu gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt stand immer die
Bedeutung der Liebe zwischen Mutter und Kind im Mittelpunkt. Man verstand nicht, dass
diese Beziehung auch pathologisch sein kann und dass der Mutter bzw. der Familie
jegliche Schuld für die Krankheit des Kinder zugewiesen wurde. Deshalb löste Mannonis
Studie einige Verwunderung in Deutschland aus und belebte gleichzeitig den fachlichen
Diskurs über einen angemessenen Umgang mit psychisch schwer beeinträchtigten
Kindern und Jugendlichen.
Im Nachfolgenden möchte ich genauer auf Mannonis Studie „Das zurückgebliebene Kind
und seine Mutter“ eingehen. Doch zunächst werde ich mich noch kurz ihrer Biographie
widmen, um einige Parallelen zu ihrem späteren Wirken aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Maud Mannonis Biographie
- Der organische Schaden
- Mentale Insuffizienz
- Die phantasmatische Beziehung des Kindes zu seiner Mutter
- Angst und Widerstand während der Behandlung
- Das Problem der schulischen Erziehung
- Zusammenfassende Schlussfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Maud Mannonis Studie „Das zurückgebliebene Kind und seine Mutter“ (1972) untersucht die Möglichkeit einer psychoanalytischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung. Sie kritisiert die damaligen Behandlungsansätze, die sich auf die Symptome fokussierten und das Kind zurückwiesen, sowie die mangelnde Integration dieser Menschen in die Gesellschaft. Mannonis zentrale These liegt in der Analyse der phantasmatischen Beziehung zwischen Mutter und Kind, um die Verdunklungsmechanismen der Mutter und deren Auswirkungen auf das Kind aufzuzeigen.
- Die Möglichkeit einer psychoanalytischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung
- Kritik an den damaligen Behandlungsansätzen und die fehlende Integration von "Gehandikapten" in die Gesellschaft
- Die Bedeutung der phantasmatischen Beziehung zwischen Mutter und Kind
- Die Analyse von Verdunklungsmechanismen der Mutter und deren Auswirkungen auf das Kind
- Das Konzept der gesprengten Institution in der Behandlung von psychisch kranken Menschen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik von Mannonis Studie ein und stellt die Kritik an der damaligen Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung dar. Kapitel 2 widmet sich Mannonis Biographie und stellt Parallelen zu ihren späteren Arbeiten heraus, insbesondere zu ihrer Erfahrung mit Isolation und der Bedeutung der Sprache für die Selbstfindung. In den folgenden Kapiteln werden die zentralen Themen der Studie behandelt: der "organische Schaden" als körperliche Manifestation der psychischen Belastung, die mentale Insuffizienz und die phantasmatische Beziehung zwischen Kind und Mutter. Schließlich werden die Herausforderungen der Behandlung, insbesondere die Angst und der Widerstand des Kindes, sowie die Problematik der schulischen Erziehung beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Studie von Maud Mannoni beschäftigt sich mit den zentralen Themen der Psychoanalyse, der Beziehung zwischen Mutter und Kind und der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung. Wichtige Schlüsselwörter sind die "phantasmatische Beziehung", "Verdunklungsmechanismen", "gesprengte Institution", "geistige Behinderung" und die Kritik an der damaligen Gesellschaft.
- Citation du texte
- Ines Lück (Auteur), 2002, Zu: Maud Mannoni - Das zurückgebliebene Kind und seine Mutter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17651