Grameen Bank - Vorbild zur Nachahmung?


Trabajo, 2010

25 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Überblick über die Grameen und ihre Kreditvergabe
2.1. Unvollständige Kreditmärkte und deren Lösung
2.2.Grameen Classic System
2.2.1. Gruppenhaftung
2.2.2. Gruppenfond und obligatorisches Sparen
2.2.3. Dynamische Anreize
2.3. Grameen Generalised System
2.3.1. Kreditvergabe bei Grameen II
2.3.2. Förderung von Sparen
2.3.3. Sozialprogramme bei Grameen II

3. Die duale Zielsetzung der Grameen Bank: Wohlfahrt vs. Wirtschaftlichkeit
3.1. Analyse der sozio-ökonomischen Auswirkungen
3.2. Wirtschaftlichkeit der Grameen Bank

4. Schlussbemerkung

5. Anhang

6. Literaturverzeichnis

1.Einführung

Zur Jahrtausendwende legten sich die Vereinten Nationen couragiert auf die Milleniumsziele fest. Diese reichen von Primärschulbildung über Senkung der Kindersterblichkeit bis zur ökologischen Nachhaltigkeit. Unter diesen befand sich auch das ehrgeizige Ziel, die weltweite Armut bis 2015 zu halbieren. Eine Schlüsselrolle soll dabei ein Instrument spielen, dass Armen, hauptsächlich Frauen, Zugang zu kleinen Krediten verschafft und durch selbständige Arbeit das Familieneinkommen fördert: Mikrokredite.1 Spätestens seit die Vereinten Nationen das Jahr 2005 als das International Year of Microcredit deklariert haben und eine Mikrokreditinstitution mit dem Namen Grameen Bank („Dorfbank“) den Friedensnobelpreis im Folgejahr gewann, sind Mikrokredite in aller Munde.

Da die Grameen Bank als eine der Pioniere dieses Konzeptes zählt, ist deren Entstehung und Werdegang nahezu eine Geschichte der Mikrokredite selbst. Diese begann 1974 in einem Dorf namens Jobra, in dem der Professor für Wirtschaft, Muhammad Yunus, in einem inzwischen fast legendären Gespräch mit einer Handarbeiterin von deren auswegloser Situation erfährt: um Material für ihr Handwerk beschaffen zu können, benötigt sie Kapital. Doch als verarmte Dorfbewohnerin bleibt ihr die Unterstützung von kommerziellen Banken verwehrt, in Folge dessen sie auf lokale, informelle Kreditgeber zurückgreifen muss. Diese verlangen allerdings Wucherzinsen wodurch der Profit auf ein Mindestmaß sinkt.

Yunus lieh ihr und den restlichen 42 Dorfbewohnern daraufhin das benötigte Geld (etwa 27 US$) aus eigener Tasche. Diese zahlten im weiteren Verlauf die komplette Summe zurück - dies war der Ausgangspunkt der Grameen Bank. Weitere Etappen sind eine Projektgruppe mit seinen Studenten und schließlich die offizielle Eintragung der Grameen Bank im Jahr 1983.2 Heute ist die Grameen Bank ein Riese unter den Mikrofinanzinstitutionen: über 2500 Büros welche nahezu 8 Millionen Mitglieder bedient. Bisher hat sie über 9 Milliarden US$ ausgeschüttet.3

Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich dem Erfolg der Grameen Bank nachgehen. Durch welche Innovationen konnte die Grameen Bank beweisen, dass, hingegen der bis vor kurzem herrschenden Meinung und Erfahrung, Arme sehr wohl kreditwürdig sind? Diese werden im 2. Kapitel besprochen. Mein Fokus wird hierbei auf dem Produktdesign der Mikrokredite liegen um zu beantworten, wie die Grameen Bank es geschafft hat in einem Gebiet geprägt von unvollständiger Information und ohne formelle Sicherheitsleistungen erfolgreich Kreditgeschäfte abzuwickeln. Dieses Kapitel wird unterteilt in das alte „klassische“ Kreditsystem und das 2002 eingeführte Grameen Generalised System. Ersteres ist, wenn auch nicht mehr aktuell, für viele Mikrofinanzinstitutionen Vorbild zur Nachahmung. Jedoch, so argumentiere ich, bietet das aktuelle Modell auch - um nicht zu sagen mehr - Vorzüge.

Diese können gefunden werden, wenn man die Grameen Bank bezüglich ihrer Zielsetzungen - Steigerung der Wohlfahrt bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit - evaluiert. Dies ist Bestandteil meines 3. Kapitels. Das letzte Kapitel fast die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

2.Überblick über die Grameen Bank und ihre Kreditvergabe

2.1.Unvollständige Kreditmärkte und deren Lösung

Stellen wir uns einen perfekten Kreditmarkt vor: der Gläubiger hat vollständige Information über die Bonität des Kreditnehmers und dessen zu finanzierendes Projekt. Ausgehend von diesem Wissen wird er die Zinsrate festlegen und den Kredit vergeben. Am Ende der Kreditlaufzeit, zahlt der Schuldner die Kreditsumme inklusive der Zinsen zurück.

In der Realität können Kreditmärkte jedoch nicht als perfekt beschrieben werden: der Gläubiger verfügt meist weder über detailliertes Wissen bezüglich der Bonität4 des Kreditnehmers noch über exakte Informationen zu dessen Projekt. Diese Situation, in der Literatur als asymmetrische Informationsverteilung (ASIV) oder imperfect information paradigma beschrieben, versetzt den Gläubiger in eine Lage, in der er drei Problemen konfrontiert ist:5

(1) Er kann Kandidaten nicht nach ihrer Bonität selektieren (screening problem),
(2) Er kann nicht überwachen, ob nach Vertragsschluss der Kredit geeignet verwendet wird (hidden action problem),
(3) Er kann Betrug bezüglich des Erfolges des Kreditnehmers nicht überprüfen (enforcement problem) .

Die konventionelle Lösung dieser Problematik sieht die Einführung eines Pfandes vor, welche im Falle eines Kreditausfalles eingezogen wird. Arme besitzen jedoch kaum bis kein Vermögen, womit sie den Banken keinen Pfand vorweisen können.6 Infolgedessen ist ihnen der Zugang zum formellen Kreditmarkt verwehrt und sie sind gezwungen auf Alternativen auszuweichen: dem informellen Kreditmarkt.

Örtliche informelle Geldverleiher (village lenders) setzen, anders als formelle Kreditinstitute, nicht auf Pfand, sondern umgehen das Informationsproblem. Da sie Teil der Gemeinschaft sind, besitzen sie detailliertes Wissen über ihre Schuldner. Die Informationsbeschaffung geschieht somit implizit und - da als Nebenprodukt des Gemeinschaftslebens - nahezu kostenfrei. Darüber hinaus können sie bei Bankrott des Schuldners auf ihr Netzwerk setzen um die Lohnsumme einzutreiben.7 Dennoch verlangen diese village lenders exorbitante Zinsen unter denen die Armen leiden müssen.8

Wie ich in den folgenden Kapitel zeigen werde, geht die Grameen Bank den Weg der goldenen Mitte. Diese Innovation zog einige Aufmerksamkeit seitens Wissenschaftler auf sich - aufgrund ihrer semi-formellen Ansätzen dabei vor allem von Vertrags- und Spieltheoretikern. Die dahinter liegenden Konzepte wird im folgenden beschrieben. Dabei wird zuerst auf den klassischen „Grameencredit“ eingegangen, welcher - selbst nach Ablösung durch „Grameen II“ - oftmals in anderen Ländern repliziert wurde. Das aktuelle Modell wird dann in Kapitel 2.3 beschrieben.

2.2. Grameen Classic System

Das Kreditmodell, wie es anfänglich von der Grameen Bank verwendet wurde (auch als Grameen Classic System bezeichnet), kann als Gruppenkredit eingeordnet werden - genauer sind es jedoch Individualkredite mit Gruppenhaftung. Zu einer Kreditvergabe kommt es erst nach einer festgelegten Prozedur, welche treffend von Khandker zusammengefasst wird:

Grameen Bank - Vorbild zur Nachahmung? 5

„The Grameen Bank's lending procedures consist sequentially of group

formation, training, loan application and approval, disbursement, supervision, and repayment 9

Vor einer ersten Kreditvergabe müssen Kandidaten für einen Grameen Kredit erst eine Gruppe von fünf Mitgliedern bilden und mehrere Gruppen (meist aus ein und dem selben Dorf) werden wiederum zu einer Sekundärgruppe (center) zusammengefasst. Anschließend wird diese im Rahmen einer zweiwöchigen Vorbereitungszeit durch einen Grameen Mitarbeiter geschult und anerkannt: ein neues center ist entstanden. Dieses fungiert im weiteren Verlauf als Bindeglied zwischen Kreditnehmern und Grameen Bank. Während der wöchentlich stattfindenden center meetings, denen der zuständige Grameen Mitarbeiter vorsitzt, spielen sich sämtliche Geschäfte ab. Kreditnehmer werden ihre wöchentlichen Rückzahlungen vornehmen, die verbindlichen Spareinlagen10 werden eingetragen und es findet sich Zeit um eventuelle Probleme zu besprechen.11

Während des ersten center meetings findet auch eine erstmalige Kreditvergabe statt. Diese wird jedoch nicht allen Gruppenmitgliedern gleichzeitig stattgegeben. Vielmehr kommt ein als „ 2:2:1 staggering “ bezeichneter Mechanismus zur Verwendung: zunächst wird der Kredit nur zwei Personen jeder Gruppe gewährt.12 Beweisen sich diese innerhalb der ersten Wochen als zuverlässig, qualifizieren sich die nächsten zwei Mitglieder der Gruppe für einen Kredit und schließlich auch das letzte. Wurden alle Schulden beglichen, so kommt es zu einem neuen Lohnzyklus.13 Kommt jedoch ein Mitglied mit seiner wöchentlichen Rückzahlung in Verzug, so hat dies Konsequenzen für die gesamte Gruppe: solange der Rückstand besteht, wird allen Mitgliedern der Zugang zu weiteren Krediten gesperrt. Dieser Bestandteil des Grameen Classic System (GCS) wird als Gruppenhaftung (joint liabilty) bezeichnet.14

2.2.1.Gruppenhaftung

Die Gruppenhaftung gilt gemeinhin als mächtigstes Werkzeug des Grameen Classic System indem es die oben beschriebenen Informationsprobleme eines unvollständigen Kreditmarktes entschärft:

- es werden geeignete Kreditnehmer ausgewählt (screening problem)
- es wird eine ordnungsgemäße Nutzung der Kreditsumme überwacht (hidden action problem)
- es wird eine (fristgerechte) Rückzahlung gewährleistet (enforcement problem)

Dies geschieht jedoch weiterhin nicht durch den Gläubiger - die Kreditnehmer selbst übernehmen im übertragenden Sinn die Verantwortung des Gläubigers, da sie aufgrund der durch die Gruppenhaftung geschaffenen Interdependenz selber Interesse an einer Rückzahlung aller Gruppenmitglieder haben.

Screening Problem

Wie bereits beschrieben müssen Dorfbewohner eine Gruppe von fünf Personen bilden. Diese wird weder von einem Mitarbeiter der Bank gebildet noch ausgelost. Die Gruppe ist selbst verantwortlich, sich zu bilden. Wie hierbei gezeigt werden kann, kommt es dabei zu einem assortative matching, d.h. es werden sich Gruppenmitglieder mit ähnlichem Risikofaktor zusammenfinden. ! Angesichts der Gruppenhaftung ist es von Vorteil, risikoarme Gruppenpartner zu haben. Um die Gefahr, später keinen Kredit zu erhalten oder für ihre in Not geratenen Partner einzuspringen so gering wie möglich zu halten, werden sichere Kreditnehmer werden jedoch risikoreiche Partner umgehen. Aus diesen Überlegungen und dem Wissen, das jeder Dorfbewohner über seine Nachbarn hat, werden sich zuerst Gruppen mit sicheren Kreditnehmern bilden, dann mit weniger sicheren et cetera perge perge bis zuletzt die Kandidaten mit dem höchsten Risikofaktor eine Gruppe bilden müssen. Dieses risk-pooling durch Bildung homogener Gruppen ermöglicht nun das, was aufgrund der ASIV zu kostspielig war: die Selektion der Kreditnehmer aufgrund ihrer Bonität.

In Gruppen von Kreditnehmern mit hohem Risikofaktor kommt es zu einer erhöhten Ausfallquote. Somit müssen die Gruppenmitglieder öfter auf eine Quersubventionierung zurückgreifen um ein Ausscheiden aus der Kreditvergabe zu verhindern15. Mitglieder von riskanten Gruppen erfahren somit „gefühlte“ höhere Zinsen. Konfrontiert mit der Wahl zwischen einem Grameenkredit mit Gruppenhaftung und einem alternativen Individualkredit, werden sie sich für letzteres entscheiden. Die Grameen Bank hat somit das screening problem gelöst - und das obwohl die Bank jedem die gleichen Zinsen anbietet.16

[...]


1 http://www.un.org/millenniumgoals/2008highlevel/pdf/newsroom/Goal%201%20FINAL.pdf

2 Sevilla-Tambis (1992, S. 3ff)

3 Grameen Bank Monthly Report April 2010

4 Bonität bezieht im Rahmen dieser Arbeit die Risikobereitschaft sowie die unternehmerische Fähigkeit eines Kreditnehmers mit ein.

5 Hoff und Stiglitz (1990, S. 237ff), Matin (1997, 10ff)

6 Syed (2009 S. 4ff)

7 Hoff und Stiglitz (1990, S. 240), Khandker et al. (1995 S. 19)

8 Gründe hierfür bleiben kontrovers (Monopolverhalten, hohe Ausfallquoten, adverse Selektion) siehe Hoff und Stiglitz (1990, S. 235ff)

9 Khandker et al. (1995 S. 12)

10 siehe Kapitel 2.2.2

11 Syed (2009, S. 5ff)

12 Dieser muss bei einem Zinssatz von 20% in 50 gleich großen wöchentlichen Zahlungen zurückerstattet werden.

13 Armendáriz und Morduch (2005, S. 88ff)

14 Armendáriz und Morduch (2005, S. 87ff), Matin (1997, S. 9ff)

15 Quersubventionierung (cross-subsidization) bezeichnet hierbei die Begleichung der Lohnsumme durch ein anderes Gruppenmitglied

16 Armendáriz und Morduch (2005, S. 89ff), Stiglitz und Weiss (1991, S. 403ff), Wydick (2001, S. 407ff)

Final del extracto de 25 páginas

Detalles

Título
Grameen Bank - Vorbild zur Nachahmung?
Universidad
University of Heidelberg  (Alfred-Weber-Institut)
Calificación
1,0
Autor
Año
2010
Páginas
25
No. de catálogo
V176678
ISBN (Ebook)
9783640980758
Tamaño de fichero
1027 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Bangladesch, Bangladesh, Mikrofinanz, Grameen Bank, Grameen, microcredit, vertragstheorie, entwicklungszusammenarbeit, entwicklungshilfe, entwicklungsökonomik, armut, armutsbekämpfung, mikrokredit
Citar trabajo
Marius Möhler (Autor), 2010, Grameen Bank - Vorbild zur Nachahmung?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176678

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Título: Grameen Bank - Vorbild zur Nachahmung?



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