Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreichte Argentinien ein BIP pro Kopf, welches nur knapp hinter dem von Europa, Australien oder Kanada lag.1 Nach vielen Jahrzehnten politischer Fehlentscheidungen und wirtschaftlicher Unruhen wurde die Diskrepanz zwischen diesem lateinamerikanischen Land und westlichen Ländern allerdings immer größer.
Eine protektionistische Wirtschaftspolitik, die zu laxe Fiskalpolitik und eine exzessive Geldpolitik sind einige Faktoren, warum Argentinien immer wieder mit wirtschaftlichen Problemen und Hyperinflation zu kämpfen hatte. Ende der 1980er Jahre litt Argentinien enorm unter diesen ökonomischen Problemen; das Wirtschaftswachstum war negativ, die Inflation sowie die Arbeitslosenzahlen stiegen an.
Der Staat und seine Bürger waren nach vielen Jahrzehnten ökonomischer Schwierigkeiten jedoch nicht mehr gewollt diese Entwicklung weiter zu akzeptieren und so führte der da- malige Präsident Carlos Menem ein Festkurssystem, in Form eines Currency Board Systems, ein. Der argentinische Peso wurde 1:1 an den Dollar gekoppelt und musste zu 100 Prozent durch USD Reserven gedeckt sein. Das CBS mit seinen verbindlichen Regeln beendete damit die eigene Geldpolitik und es war damit nicht mehr möglich, beliebig Geld zu drucken, um Staatsausgaben zu finanzieren. Überdies liberalisierte er die Wirtschaftspolitik und privatisierte viele Staatsunternehmen.
Im Zuge dieser neuen Politik konnte Argentinien seine sehr hohe Inflation in den Griff bekommen und der Verbraucherpreisindex sank von über 3000 Prozent im Jahr 1989 auf unter 4 Prozent 1995. Zudem erlebte Argentinien in den ersten Jahren ein sehr hohes Wirtschaftswachstum und das Vertrauen der Finanzmärkte stieg zunächst. Auf der anderen Seite konnte Argentinien mithilfe dieser Maßnahmen seine Leistungsbilanzdefizite nicht in den Griff bekommen. Im Gegenteil stiegen diese in den 1990er Jahren immer weiter an. Das lag daran, dass zu Beginn des CBS die Inflationsraten noch über denen der USA lagen und somit der Peso real aufwertete und an Wettbewerbsfähigkeit einbüßte. Auch deswegen stiegen in dieser Periode trotz des hohen Wirtschaftswachstums und der liberaleren Wirtschaftspolitik die Arbeitslosenzahlen.
In diesem Kontext erhöhten sich zudem Argentiniens Staatsschulden in den 1990er Jah- ren von knapp 30 Prozent auf über 50 Prozent. Diese Entwicklung wurde von einigen Ökonomen als nicht nachhaltig angesehen und somit als Hauptargument für die wirtschaftliche Krise von 2001/02 genannt. .....
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verschiedene Wechselkursregime und asymmetrische Probleme
2.1 Feste Wechselkurse
2.2 Das Currency Board System
2.3 Theoretischer Hintergrund - das Zinsparitätentheorem
2.4 Exkurs: Die Wechselkurskrise des EWS in den Jahren 1992/93
2.5 Flexible Wechselkurse
3. Der Weg in die Krise Argentiniens anhand von Politikentscheidungen und adversen Schocks
3.1 Der Konvertibilitätsplan 1991
3.2 Die Mexikokrise 1994/95 und deren Folgen
3.3 Infragestellung des CBS
3.4 Weitere Krisen in Entwicklungsländern zwischen 1996 und 1999
3.5 Die Krisenjahre 2000-2002
4. Strukturelle Ursachen der Krise
4.1 Die Fiskalpolitik
4.2 Die Reform der Rentenversicherung
4.3 Das Finanzsystem
4.4 Der Arbeitsmarkt
4.5 Die Sparquote
5. Die Rolle des IMF
6. Der Weg aus der Krise
6.1 Die wirtschaftliche Entwicklung ab 2002
6.2 Lehren aus der argentinischen Krise
6.3 Lehren für den IMF
7. Schlussbetrachtung
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Das Zinsparitätentheorem
Abbildung 2: Argentiniens Inflationsraten, 1980-1998
Abbildung 3: Argentiniens Inflationsraten, 1999-2009
Abbildung 4: Argentiniens Wirtschaftswachstum, 1980-2009
Abbildung 5: Inflationsraten Argentinien und USA, 1991-1998
Abbildung 6: Argentiniens Leistungsbilanzsaldo, 1980-2009
Abbildung 7: Argentiniens FDI, 1990-2009
Abbildung 8: Argentiniens Gesamtschulden, 1993-2010
Abbildung 9: Argentiniens Beschäftigung nach Sektoren
Abbildung 10: Argentiniens Arbeitslosenraten, 1990-2008
Abbildung 11: Sparquoten ausgewählter Länder, 1980-2009
Abbildung 12: Argentiniens Schulden in Relation zu den Exporten, 1993-2000
Abbildung 13: Argentiniens Wechselkurs, Peso/USD, Q4/2001 - Q4/2008
Abbildung 14: Argentiniens Haushalt, 1996-2004
Tabelle 1: Argentiniens BIP und Komponenten, 1994-2001
Tabelle 2: Argentiniens Fiskaldaten, 1993-2001
Tabelle 3: Schuldendienst/Exporte ausgewählter Länder im Jahr 2000
Tabelle 4: Argentiniens BIP und Komponenten, 2002-2005
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreichte Argentinien ein BIP pro Kopf, welches nur knapp hinter dem von Europa, Australien oder Kanada lag.1 Nach vielen Jahrzehnten politischer Fehlentscheidungen und wirtschaftlicher Unruhen wurde die Diskrepanz zwi- schen diesem lateinamerikanischen Land und westlichen Ländern allerdings immer grö- ßer.
Eine protektionistische Wirtschaftspolitik, die zu laxe Fiskalpolitik und eine exzessive Geldpolitik sind einige Faktoren, warum Argentinien immer wieder mit wirtschaftlichen Problemen und Hyperinflation zu kämpfen hatte. Ende der 1980er Jahre litt Argentinien enorm unter diesen ökonomischen Problemen; das Wirtschaftswachstum war negativ, die Inflation sowie die Arbeitslosenzahlen stiegen an.
Der Staat und seine Bürger waren nach vielen Jahrzehnten ökonomischer Schwierigkeiten jedoch nicht mehr gewollt diese Entwicklung weiter zu akzeptieren und so führte der damalige Präsident Carlos Menem ein Festkurssystem, in Form eines Currency Board Systems, ein. Der argentinische Peso wurde 1:1 an den Dollar gekoppelt und musste zu 100 Prozent durch USD Reserven gedeckt sein. Das CBS mit seinen verbindlichen Regeln beendete damit die eigene Geldpolitik und es war damit nicht mehr möglich, beliebig Geld zu drucken, um Staatsausgaben zu finanzieren. Überdies liberalisierte er die Wirtschaftspolitik und privatisierte viele Staatsunternehmen.
Im Zuge dieser neuen Politik konnte Argentinien seine sehr hohe Inflation in den Griff bekommen und der Verbraucherpreisindex sank von über 3000 Prozent im Jahr 1989 auf unter 4 Prozent 1995. Zudem erlebte Argentinien in den ersten Jahren ein sehr hohes Wirtschaftswachstum und das Vertrauen der Finanzmärkte stieg zunächst. Auf der anderen Seite konnte Argentinien mithilfe dieser Maßnahmen seine Leistungsbilanzdefizite nicht in den Griff bekommen. Im Gegenteil stiegen diese in den 1990er Jahren immer weiter an. Das lag daran, dass zu Beginn des CBS die Inflationsraten noch über denen der USA lagen und somit der Peso real aufwertete und an Wettbewerbsfähigkeit einbüßte. Auch deswegen stiegen in dieser Periode trotz des hohen Wirtschaftswachstums und der liberaleren Wirtschaftspolitik die Arbeitslosenzahlen.
In diesem Kontext erhöhten sich zudem Argentiniens Staatsschulden in den 1990er Jah- ren von knapp 30 Prozent auf über 50 Prozent. Diese Entwicklung wurde von einigen Ökonomen als nicht nachhaltig angesehen und somit als Hauptargument für die wirtschaftliche Krise von 2001/02 genannt. Für den Ökonom Mussa war es sehr problematisch, dass Argentinien diese Defizite generierte, da Argentinien hohe Wachstumsraten und damit einhergehend steigende Steuereinnahmen erzielte.2
Neben dieser Entwicklung spielten allerdings auch andere Faktoren sowie viele externe Effekte, wie beispielsweise die Mexikokrise 1995 oder die Abwertung des brasilianischen Reals, eine große Rolle. Nachdem in Kapitel 2 zunächst theoretische Grundlagen bezüglich fester und flexibler Wechselkurse beleuchtet werden, werden die äußeren Einflüsse sowie die Krise im 3. Kapitel eingehend beschrieben.
Die Kapitel 4 und 5 dienen dazu, die strukturellen Probleme Argentiniens sowie die Rolle des IMF aufzuzeigen. Der IMF wurde stark kritisiert, da er Argentinien zu lange mit fi- nanziellen Mitteln unterstützte, obwohl der Staatsbanktrott nicht mehr abzuwenden schien. Auch wurde argumentiert, der IMF habe Argentiniens Lage zu oberflächlich analysiert und es nicht geschafft, das Land durch seine gestellten Bedingungen zu disziplinieren.
Im 6. Kapitel gibt es Aufschluss über die Folgen sowie die wirtschaftliche und politische Entwicklung Argentiniens ab dem Jahr 2002. Zudem werden die allgemeinen Lehren so- wie speziell für den IMF aus dem Staatsbankrott Argentiniens erörtert, bevor im letzten Kapital die Rückschlüsse aus dieser Arbeit bezüglich der Krise dargestellt werden.
2. Verschiedene Wechselkursregime und asymmetrische Probleme
2.1 Feste Wechselkurse
In einem System fester Wechselkurse sind die Länder gezwungen, eine gemeinsame Geldpolitik zu verfolgen und müssen daher denselben nominalen Zinssatz aufrechterhal- ten. Haben diese Länder vergleichbare makroökonomische Entwicklungen und Schocks, wäre die gemeinsame Geldpolitik nicht problematisch und sie würde keine Einschrän- kung darstellen.3
Sind die Länder eines Festkurs-Systems bzw. einer Währungsunion unterschiedlichen Schocks ausgesetzt, so ist es laut Robert Mundell erforderlich, dass sie einen hohen Grad an Faktormobilität aufweisen. Die Arbeitnehmer müssen beispielsweise bei einer schlech- ten konjunkturellen Situation gewillt sein, in ein anderes Land dieses Systems zu migrie- ren, welches einen wirtschaftlichen Aufschwung genießt. Das Angleichen der Arbeitslo- senraten kann die Wirtschaftspolitik ersetzen und dazu dienen, dass sich die Länder wie- der konjunkturell anpassen.4 Daher darf der Arbeitsmarkt nicht durch einen zu hohen Kündigungsschutz geprägt sein und Arbeitnehmer sollten örtlich flexibel sein. Generell sollten marktwirtschaftliche Regulierungen gering sein, um die Arbeitsmobilität zu ge- währleisten.
Aufgrund eines festen Wechselkurses können die Inflation sowie deren Erwartungen her- abgesetzt werden, da sich auf diese Weise an eine stabile Währung mit niedriger Teue- rungsrate gebunden wird und damit Glaubwürdigkeit importiert wird. Daher wird diese Methode des Wechselkursankers als Möglichkeit angesehen, Inflationsraten schnell zu begrenzen.5
Entscheidend ist allerdings, die Kapitalmärkte von der dauerhaften Fixierung zu überzeugen. Hat das Land eine große Schuldenlast, könnte die Glaubwürdigkeit leiden, da die Finanzmärkte damit rechnen, dass das Instrument des Geldmengenwachstums herangezogen wird und es somit zu einer realen Abwertung kommt. Dieser Umstand würde den Nutzengewinn wieder zunichte machen.6
Die Geldpolitik ist in diesem System wirkungslos. Kauft die Zentralbank Devisen mit heimischer Währung steigt das Geldangebot und daraus resultierend müsste der Zinssatz sinken. Dies wird durch einen Abfluss von Kapital verhindert, was zu einer Verschlechte- rung der Zahlungsbilanz führt. Damit jetzt der Wechselkurs nicht sinkt, muss die Zentral- bank Devisen verkaufen und heimische Währung kaufen. Durch diesen notwendigen Me- chanismus stellt sich das ursprüngliche Geldangebot ein.7
Anders als die Geldpolitik kann eine expansive Fiskalpolitik einen positiven Effekt auf das Wohlfahrtsniveau einer Volkswirtschaft haben. Eine Ausgabensteigerung hat einen Multiplikatoreffekt auf das Einkommen, steigert die Sparquoten, Steuern und Importe. Die Steuereinnahmen erhöhen sich dabei allerdings nicht im selben Maße wie die Ausga- bensteigerung.8
Eine mögliche Variante fester Wechselkurse ist der Hard Peg Ansatz. Damit wird es er- schwert, die gegebene Parität zu verändern. Zum Beispiel kann die inländische Währung vollständig durch die ausländische Währung ersetzt werden. Da die ausländische Wäh- rung in der Vergangenheit meist der Dollar war, wird auch von Dollarisierung gespro- chen.9
Vielen Ländern ist die Aufgabe der eigenen Währung jedoch zu extrem, daher kann eine abgeschwächte Form fester Wechselkurse, das Currency Board System Abhilfe schaffen.
2.2 Das Currency Board System
Ein mögliches Instrument der Wechselkursbindung stellt das sog. Currency Board dar. In der reinen bzw. orthodoxen Form besteht dieses ohne zentralbankähnliche Elemente.10 In der Vergangenheit diente das reine System des Öfteren im Kolonialismus. Der Zweck war der Wechsel von Bargeld heimischer Währung in Auslandswährung.11
Das modifizierte Currency Board stellt hingegen eine eigene Institution dar. Die Zentral- bank wird durch eine Währungsbehörde (Currency Board) ersetzt.12 In diesem System wird die inländische Währung an eine Leitwährung bzw. Ankerwährung gekoppelt. Der Wechselkurs zwischen den beiden Währungen wird festgesetzt und die Währungsbehörde ist nach dem Konvertibilitäts-Prinzip dazu verpflichtet, die heimische Währung zu dem fixierten Wechselkurs zu wechseln.13
Eine weitere Grundlage ist, dass die gesamte monetäre Basis durch die Leitwährung gedeckt sein muss und somit keine Inlandsaktiva gehalten werden dürfen.14 Dies hat zur Folge, dass die inländische Geldmenge sich nur im selben Maße wie die Auslandsreserven bewegen kann.15 Durch das Verbot von Offenmarktoperationen kann das Currency Board auch nicht zur Finanzierung von Budgetdefiziten beitragen und die Möglichkeit diskretionärer Geldpolitik sinkt.16
Der größte Vorteil eines CBS besteht in dem Gewinn an Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Geldpolitik, da sie sich vollständig an eine stabile Währung bindet. Durch den vollständigen Verzicht auf die eigene Geldpolitik kann das Land nun leichter an den internationalen Finanzmärkten agieren und profitiert überdies von den vorteilhafteren Konditionen. Schließlich steigt auch die Attraktivität für Direktinvestitionen im eigenen Land, da nun aufgrund von Disinflation die Gefahr von realen Abwertungserscheinungen reduziert wird. In der Vergangenheit wurde dieses Mittel oft in Ländern eingesetzt, die mit Hyperinflation zu kämpfen hatten (z.B. Argentinien und Bulgarien).17
Die eigene Geldpolitik aufzugeben bringt aber auch Nachteile mit sich. Die Vulnerabilität gegenüber exogener monetärer und realer Schocks steigt.18 Daher ist es notwendig, dass die Flexibilität der nationalen Güter- und Faktormärkte erhöht wird und eine homogene ökonomische Entwicklung des Currency Board Landes und des Reservelandes herrscht. Liegt keine ähnliche Konjunkturentwicklung vor, ändert sich das reale Austauschverhält- nis.19
2.3 Theoretischer Hintergrund - das Zinsparitätentheorem
Anhand des Zinsparitätentheorems lässt sich darstellen, wie Finanzmärkte auf Zinsände- rungen am Kapitalmarkt reagieren und welche Auswirkung dies auf den Wechselkurs hat.
Unter der Bedingung vollkommener Märkte mit vollkommener Substituierbarkeit stellen sich im Gleichgewicht für in- und ausländische Wertpapiere die gleichen Erträge ein. Dieser Vorgang nennt sich Arbitrage. Analytisch lässt sich die Bedingung der Zinsparität wie folgt darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Gleichgewicht muss der inländische Zins dem ausländischen Zins plus Swapsatz entsprechen. Aufgelöst nach gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unter Beachtung, dass sich der Terminwechselkurs und der erwartete Kassawechselkurs angleichen, gilt auch:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten20 21
Aus dieser Gleichung folgt ein negativer Zusammenhang zwischen dem inländischen Zinssatz und dem Kassawechselkurs. Sind der ausländische Zinssatz und der Termin- wechselkurs gegeben, so steigt der Swapsatz, wenn der inländische Zinssatz steigt. Die- ser Mechanismus erzeugt Kapitalströme auf dem Devisenmarkt. Die Kapitalanlage wird im Inland rentabler und somit steigt das Angebot ausländischer Währung. Dies führt zu einem Rückgang des Kassawechselkurses.22 Der Zusammenhang zwischen Kassawech- selkurs und inländischem Zins ist in Abb. 1 (Das Zinsparitätentheorem) durch die Zinspa- ritäten-Kurve dargestellt. Zudem sind der ausländische Zinssatz und der erwartete Kas- sawechselkurs eingetragen. Das langfristige Gleichgewicht wird durch Punkt A dar- gestellt. Inlandszins, Auslandszins sowie der aktuelle Kassawechselkurs und der erwarte- te Kassawechselkurs sind im Gleichgewicht, woraus folgt, dass der Swapsatz gleich Null ist. Bei einem Anstieg des ausländischen Zins würde sich bei unveränderter Wechsel- kurserwartung die ZP-Kurve nach rechts verschieben. Bleibt der Inlandszins konstant,wird Punkt B erreicht und der Wechselkurs erhöht sich auf .
Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass das Inland sich nur vom ausländischen Zinsniveau losbinden kann, wenn es seine Währung abwertet. Passiert dies nicht, wird Punkt C erreicht.23 Die gleiche Entwicklung kommt zustande, wenn es bei konstantem ausländischen Zins einen exogenen Anstieg des erwarteten Wechselkurses gibt (auf ). Der erwartete und der tatsächliche Kassawechselkurs steigen auf und die ZP-Kurve verschiebt sich wie- der nach rechts. Es wird also Punkt B erreicht.24 Zu bedenken ist, dass es in der Praxis durch Länderrisiken oder Transaktionskosten (z.B. einer broker ’ s fee) zu Abweichungen der Zinsparität kommen kann. Denkbar sind auch nicht-unendliche Geldangebots- und Nachfrageelastizitäten oder verschiedenartige Steu- ergesetzgebungen.25
Das Zinsparitätentheorem macht die Wechselwirkungen zwischen dem Wechselkurs und dem Zinssatz deutlich. Es zeigt den Zielkonflikt, den oft Notenbanken schwacher Wäh- rungen haben. Binden sie sich an eine stabile Währung, können sie diese Stabilität und Vertrauen importieren, hingegen besteht die Gefahr, dass sie bei hohen Zinsen die eigene Wirtschaft nicht ausreichend stimulieren können. Wollen sie das Vertrauen der Finanz- märkte nicht verlieren, dürfen sie ihre Währung nicht abwerten und müssen das nominale Zinsniveau des Auslandes akzeptieren. Diese theoretische Veranschaulichung soll dem Verständnis der folgenden Kapitel dienen und die Schwierigkeiten aufzeigen, die sich in der Vergangenheit auf dem lateinamerikanischen Kontinent, aber auch im EWS, ergaben.
2.4 Exkurs: Die Wechselkurskrise des EWS in den Jahren 1992/93
Die Problematik unterschiedlicher realwirtschaftlicher Entwicklungen lässt sich anhand der Krise des EWS von 1992/93 sehr gut verdeutlichen. Das EWS wurde 1979 gegründet, um alle Mitglieder der Gemeinschaft in einen Wechselkursverbund einzubeziehen. Auf- grund der hohen Stabilität der D-Mark und des Vertrauens in sie, entwickelte sich Deutschland ab Mitte der 1980er quasi zur Ankerwährung. Die meisten Länder des EWS versuchten ihren Wechselkurs an die D-Mark zu binden. Die Deutsche Bundesbank war nun Leitnotenbank.26
In diesem System etablierten sich feste Wechselkursparitäten mit einer Bandbreite von 2,25 Prozent. Die Mitglieder (u.a. Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien und von 1990 bis 1992 Großbritannien) waren nun verpflichtet, ihren Wechselkurs in dieser Bandbreite aufrecht zu erhalten.27 Dies funktionierte Anfang der 1990er Jahre noch relativ gut; es gab von 1987 bis 1992 nur zwei Wechselkursanpassungen.28
Durch die heterogenen wirtschaftlichen Entwicklungen änderte sich diese Situation. Die Konjunktur stagnierte bzw. Wachstumsraten sanken in vielen Ländern des EWS, während Deutschland aufgrund der Wiedervereinigung einen Nachfrageschock erlebte. Die Deut- sche Bundesbank beließ die Zinsen daher auf einem hohen Niveau, um einen deutlichen Anstieg der Inflation zu vermeiden. Einige Partnerländer hätten allerdings niedrigere Zin- sen benötigt, um ihre Wirtschaft zu stimulieren und Rezession und Arbeitslosigkeit be- kämpfen zu können. Um das Vertrauen auf den Finanzmärkten nicht zu verlieren, hielten die Partnerländer die Paritäten aufrecht.29
Dennoch appellierten viele Regierungen des EWS, vor allem Frankreich, an die gesamteuropäische Verantwortung, welche Deutschland trage. Die Deutsche Bank sei Leitwährungsnotenbank und müsse geldpolitische Maßnahmen im Hinblick auf die beschlossene Währungsunion an den Erfordernissen aller Partnerländer orientieren. Diese Argumentation negierte die Deutsche Bundesbank mit dem Verweis auf ihre Unabhängigkeit sowie dem alleinigen Ziel der stabilitätsorientierten Politik.30
Im September 1992 spekulierten die Finanzmärkte daher auf eine rasche Abwertung bzw. den Austritt einiger Partnerländer und verkauften diese Währungen. Die Wechselkurspa- ritäten der einzelnen Länder wurden durch drastische Devisenkäufe einiger europäischer Notenbanken sowie durch Zinserhöhungen versucht weiterhin aufrecht zu halten. Am Ende dieser Entwicklung schieden Italien und Großbritannien aus dem EWS aus und ei- nige Währungen wie die spanische Peseta, die schwedische Krone und der portugiesische Escudo wurden abgewertet.31
Die Regierungen und Notenbanken Deutschlands und Frankreichs versuchten daraufhin das Vertrauen der Finanzmärkte in das EWS zu bekräftigen und versicherten, der Leitkurs zwischen dem Franc und der Deutschen Mark gebe die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder. Nachdem es dennoch zu keiner Harmonisierung kam, wurden die Bandbreiten von 2,25 Prozent auf 15 Prozent erweitert. Somit war das EWS in der Praxis eher ein flexibles Wechselkurssystem.32
2.5 Flexible Wechselkurse
Entgegengesetzt zum Festkurssystem steht das System flexibler Wechselkurse. Die Wechselkurse der einzelnen Länder bilden sich frei ohne Intervention durch Angebot und Nachfrage am Markt. Seit der Aufgabe des Bretton Woods Systems 1973 agieren die be- deutendsten Währungen der Welt, der USD, der japanische Yen und die D-Mark bzw. der Euro nach diesem Prinzip. Es ist jedoch zu konstatieren, dass die Notenbanken dennoch an den Devisenmärkten aktiv sind und Währungen kaufen bzw. verkaufen. Diese Ein- schränkung der komplett freien Entwicklung von Wechselkursen wird auch als kontrol- liertes Floaten bezeichnet.33
Ein freier Wechselkurs kann von Vorteil sein wenn eine Wechselkursstabilisierung schwer einzuhalten ist; also die Währungsreserven unzureichend sind und die Stabilisie- rung anhand makroökonomischer Instrumente versagt.34 Es lässt der Geldpolitik die Mög- lichkeit, Ziele wie eine Stabilisierung von Beschäftigung und Preisen zu verfolgen, anstatt die Ressourcen für die Aufrechterhaltung der Wechselkursparität zu verwenden.35 Bei einem Kauf von ausländischer Währung durch heimische Währung kann die Notenbank ihre Reserven sowie das Angebot von Geld und Krediten steigern. Dies erzeugt einen Abwärtsdruck auf den Zinssatz, welcher durch einen Abfluss von Kapital ins Ausland kompensiert wird. Dadurch wird wiederum ein Defizit der Zahlungsbilanz verursacht und der Wechselkurs wertet ab. Diese Entwicklung hat normalerweise eine Verbesserung der Handelsbilanz zur Folge, da die Exporte steigen. Dies führt zu steigenden Löhnen und mehr Arbeit. In diesem neuen Gleichgewicht steigt das Einkommen im gleichen Maße wie das Geldmengenwachstum. Die gestiegenen Exporte erhöhen die Nachfrage nach heimischer Währung und das höhere Einkommen sorgt für steigende Importe. Dies erzeugt einen Aufwärtsdruck auf den Wechselkurs. Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass sich die Zahlungsbilanz unter freien Wechselkursen stets angleicht.36
Der expansive Effekt führt allerdings zu einer Steigerung der Inflationsrate und wird dadurch zum Teil aufgehoben. Dennoch haben geldpolitische Maßnahmen in einem Sys- tem freier Wechselkurse eine größere Wirksamkeit als unter festen Wechselkursen. Fer- ner wird die Inflation aus dem Ausland nicht importiert und internationale Liquiditäts- probleme werden gelöst.
Fiskalpolitische Maßnahmen hingegen haben unter flexiblen Wechselkursen langfristig keinen Effekt und führen nicht zu einem höheren Gleichgewicht.37
Gegner freier Wechselkurse argumentieren, dass starke Wechselkursschwankungen den internationalen Handel erschweren. Diese Volatilität wird von einigen Wissenschaftlern auf irrationale und destabilisierende Spekulationen internationaler Anleger zurückgeführt. Ferner wird gesagt, dass feste Wechselkurse die geldpolitischen Entscheidungsträger eher zu einer disziplinierten Finanzpolitik veranlassen, da übermäßiges Geldmengenwachstum realen Abwertungsdruck erzeugen würde.38
3. Der Weg in die Krise Argentiniens anhand von Politikentschei- dungen und adversen Schocks
3.1 Der Konvertibilitätsplan 1991
Der Konvertibilitätsplan wurde im April 1991 durch den neu gewählten Präsidenten Car- los Menem umgesetzt. Das übergeordnete Ziel war es, Argentinien nach Jahrzehnten mo- netärer und wirtschaftlicher Probleme zu stabilisieren und die Hyperinflation zu bekämp- fen. Daher wurde der argentinische Peso im Rahmen eines Currency Board Systems 1:1 an den USD gebunden. Es gab die Garantie, jederzeit Peso gegen USD wechseln zu kön- nen und umgekehrt. Die argentinische Zentralbank wurde komplett unabhängig und hatte die Pflicht, alle Verbindlichkeiten 100 Prozent in USD zu decken. In Notsituationen gab es die Ausnahme, diese Reservepflicht auf 80 Prozent zu senken. Durch die Einführung dieses Konvertibilitätsplans konnte die Zentralbank kein Geld mehr drucken, um Schulden bzw. eine unkontrollierte Fiskalpolitik zu finanzieren. Der bedeutendste Grund der Hyperinflation war damit beseitigt.39
Des Weiteren wurde daran appelliert, Löhne und Gehälter in Verhandlungen mit Gewerkschaften nur im selben Maße wie das Produktivitätswachstum zu erhöhen und sich nicht mehr an den Inflationsraten zu orientieren. Die Regierung hat in den frühen 1990er Jahren ebenso die importsubstituierende Strategie aufgegeben und die Wirtschaft radikal liberalisiert. Viele Handelsbarrieren wurden beseitigt und die durchschnittlichen Importzölle sanken von 30 auf 14 Prozent.40
Zudem wurde der Geschäftsbankensektor reformiert. Sehr viele Banken wurden privati- siert und meist von spanischen oder nordamerikanischen Großbanken übernommen. Den privaten Banken wurden strenge Kapitalisierungsanforderungen auferlegt und sie mussten eine weitsichtige Politik verfolgen. Nach der Mexikokrise 1995 (siehe Kapitel 3.2) wurde beschlossen, Kreditlinien bereitzuhalten, falls es zu erneuten Währungskrisen des Aus- lands kommen sollte. Den Privatbanken war es erlaubt, ihre Geschäfte in Peso und Dollar zu tätigen, sie mussten aber ein vernünftiges Verhältnis von Aktiva und Verbindlichkeiten nachweisen. Die Banken wurden dabei durch die vereinbarte Konvertibilität vermeintlich abgesichert. Sollte es zu einer Aufgabe dieses Umtauschverhältnisses kommen und der argentinische Peso deutlich abwerten, hätten Kreditnehmer in Dollar aufgenommene Kre- dite zu merklich höheren Raten bedienen müssen.41
Obwohl durch diese Maßnahmen auch viele regulierte Preise liberalisiert wurden, konnte die Regierung schnell ermutigende Erfolge erzielen. Die Inflation sank von 3079,81 Pro- zent 1989 auf 171,67 Prozent 1991 und erreichte 1994 4,18 Prozent (siehe Abb. 2: Argen- tiniens Inflationsraten, 1980-1998). Darüber hinaus schien sich diese deutliche Disinflati- on sehr positiv auf die heimische Wirtschaft auszuwirken. Waren die Wachstumsraten Ende der 1980er Jahre stets negativ (-2,56 Prozent in 1988 und -7,5 Prozent in 1989), so stiegen sie schnell auf über 10 Prozent in den Jahren 1991 und 1992 (siehe Abb. 4: Ar- gentiniens Wirtschaftswachstum, 1980-2009). Auch die Geldmenge, welche in einem CBS exogen durch die Zahlungsbilanz und der Höhe der Reserven gegeben ist, stieg von 4 Mrd. USD in 1989 auf 18 Mrd. USD Ende 1994.42
Als Konsequenz dieser Reformen gewann Argentinien somit Preisstabilität und ein hohes Wirtschaftswachstum. Dies führte wiederum zu mehr Vertrauen im Ausland und FDI stiegen. Dieser Kapitalzustrom wurde durch die Privatisierungen von Staatsunternehmen noch verstärkt. Zwischen 1992 und 1994 gab es einen Nettozustrom von 32,2 Mrd. USD, was 10 Prozent des BIP von 1994 ausmachte. Es ist hervorzuheben, dass ein bedeutender Teil dieses Kapitals, anders als in Vorperioden, von privaten Unternehmen getätigt wur- de.43
Trotz dieser bis dato positiven wirtschaftlichen Entwicklung kam es zu keinem positiven Effekt auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenrate stieg bis 1995 auf 18,8 Prozent an (siehe Kapitel 4.3). Außerdem wertete der reale effektive Wechselkurs gegenüber der USA deutlich auf, da die Inflationsraten in Argentinien bis 1996 höher waren als in den Vereinigten Staaten (siehe Abb. 5: Inflationsraten Argentinien und USA, 1991-1998). Diese reale Aufwertung verschlechterte Argentiniens Wettbewerbsfähigkeit in den ersten Jahren nach Einführung des CBS. Im Zuge dieser Entwicklung stieg das jährliche Leis- tungsbilanzdefizit deutlich an (siehe Abb. 6: Argentiniens Leistungsbilanzsaldo, 1980- 2009).
3.2 Die Mexikokrise 1994/95 und deren Folgen
Mexiko stellte in der ersten Hälfte der 1990er Jahre ein beliebtes Land für FDI dar und genoss große Kapitalzuflüsse. Das Land war aber sehr anfällig für exogene Schocks auf- grund seiner Abhängigkeit externer Finanzierung. Als es 1994 zu politischen Unruhen kam und der Präsidentschaftskandidat Luis Donaldo Colosio sowie der Chef der Regie- rungspartei PRI ermordet wurden, entstanden Vertrauensverluste und der Abzug von Ka- pital war die Folge. Verstärkt wurde diese Bewegung durch die Leitzinserhöhung der USA. Die Regierung war nicht mehr in der Lage den am Dollar fixierten mexikanischen Pesokurs zu halten. Nach dem Zusammenbruch der Bindung an den Dollar, wertete dieser innerhalb kurzer Zeit um 50 Prozent ab. Die Kreditkosten mexikanischer Banken stiegen damit massiv, da sie sich auf den liberalisierten Finanzmärkten in USD verschuldet hatten. Viele mexikanische Banken standen daraufhin vor der Insolvenz und wurden von auslän- dischen Großbanken übernommen. Durch das fehlende Kapital geriet die Privatwirtschaft in Finanzierungsnöte und somit mündete die Finanzkrise in einer Wirtschaftskrise. Zu- dem wurde der Staatshaushalt durch hochverzinsliche Staatsanleihen bei den mittlerweile ausländischen Banken stark belastet.44 Der Staatsbankrott konnte nur durch große finan- zielle Unterstützung des IMF, der USA und anderen offiziellen Kreditgebern abgewehrt werden.45
Durch diese Krise (auch Tequila-Krise genannt) kam es 1995 in Argentinien nach einer Phase der Stabilität und des Wirtschaftswachstums zu erneuten Turbulenzen. Innerhalb weniger Wochen fielen die argentinischen Bankeinlagen um 20 Prozent und brachten das argentinische CBS mit der 1:1 Konvertibilität fast zu Fall.46 Das BIP sank 1995 mit 2,85 Prozent seit einigen Jahren erstmals wieder (siehe Abb. 4: Argentiniens Wirtschafts- wachstum, 1980-2009) und die geldpolitischen Gegebenheiten verschlechterten sich im ersten Halbjahr 1995; die Leitzinsen in den USA und die Risikoaufschläge für Argentini- en stiegen.47
Die schnelle Rettung Mexikos blieb somit nicht wirkungslos für den lateinamerikanischen Kontinent. Investoren wurden wesentlich vorsichtiger und hatten weniger Vertrauen in Länder mit ähnlichen Strukturen wie Mexiko. Eine starke Abhängigkeit externer Kapital- zuflüsse und ein fester Wechselkurs trafen auch auf Argentinien zu und so stiegen die Zweifel der Investoren. Nachdem auch eine argentinische Bank wegen der Tequila-Krise den Bankrott erklärte, wurde es für argentinische Banken schwerer, größere Kredite aus- ländischer Banken zu erhalten. Daraufhin versuchten die Banken einige Forderungen von Unternehmen schneller einzufordern. Durch diese Entwicklung gab es einen deutlichen Rückgang der inländischen Investitionen und argentinische Haushalte verloren ebenfalls das Vertrauen in das Bankwesen. Sie hatten Angst ihre Einlagen, die zum großen Teil in USD gehalten wurden, zu verlieren. Diese Umstände führte dazu, dass die Einlagen pri- vater Haushalte im ersten Quartal 1995 von 47 Mrd. USD auf 41 Mrd. USD sanken. Ein großer Teil dieser Einlagen wurde ins Ausland umgeschichtet und damit sanken die aus- ländischen Geldreserven Argentiniens.48
In dieser akuten Notlage war es für Argentinien nicht möglich, Unterstützung von seiner Notenbank bzw. dem Currency Board zu erhalten, da es in diesem System nicht erlaubt war Geld zu drucken, ohne dieses Geld mit ausländischen Reserven zu decken. Diese Bedingung wog schwer, da durch die Mexikokrise die ausländischen Reserven nicht wuchsen, wie in den Jahren zuvor. Das Currency Board konnte die Lage lediglich durch andere Maßnahmen etwas beruhigen. Die Reservebedingung privater Spareinlagen wurde von 43 Prozent auf 30 Prozent gesenkt und Termingeld von 3 Prozent auf 1 Prozent. Des Weiteren wurden die Rediskontmöglichkeiten gelockert. Diese Maßnahmen konnten das fehlende Vertrauen jedoch nicht kompensieren und das Currency Board verlor bis zum März 1995 5 Mrd. USD an Devisenreserven. Die Deckungsbedingung wurde daraufhin auf 80 Prozent gesenkt.49 Dennoch hatte Argentinien Glück in dieser Situation. Die starke Abwertung des USD Anfang 1995 steigerte die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber europäi- scher Firmen. Auch gab es eine deutliche Aufwertung des brasilianischen Reals, was ebenfalls Argentiniens Wettbewerbsfähigkeit stärkte (Brasilien war zu dem Zeitpunkt der größte Handelspartner). Des Weiteren begannen die Zinsen in den USA im Sommer 1995 wieder zu sinken, was die Lage in Argentinien ebenfalls beruhigte.50
Nach diesen Erfahrungen reagierten die Entscheidungsträger Argentiniens und realisier- ten einige Reformen des Finanzwesens, um das System sicherer und belastbarer zu ma- chen. Diese Reformen veränderten die heimische Bankenstruktur erheblich. Die Anzahl öffentlicher Banken sank von 1994 bis 2000 von 32 auf 16. Die Gesamtzahl an Banken sank im selben Zeitraum von 166 auf 89. Durch diese Konsolidierung und Gesetzesände- rungen erreichte das argentinische Bankwesen im CAMELOT Bewertungssystem51 1998 den zweiten Platz weltweit und schien in einer soliden Verfassung zu sein.52
3.3 Infragestellung des CBS
Diese Ereignisse und der knapp abgewehrte Zusammenbruch des Currency Boards stell- ten dieses jetzt in Frage. Das Ziel der Geldwertstabilität war bereits erreicht und viele notwendige Bedingungen für eine stabile Geldpolitik sowie für ein flexibles Wechsel- kurssystem wurden eingeführt. Hauptargument war, dass Argentinien und die USA keine OCA bilden. Die argentinische Wirtschaft sei anderen externen Schocks ausgesetzt und die amerikanische Geldpolitik würde den notwendigen geldpolitischen Maßnahmen daher nicht nachkommen. Überdies bestand die Gefahr, dass Brasilien einen Zusammenbruch seiner Bindung an den USD erfährt und dies zu starken Abwertungen des brasilianischen Pesos führen könnte. Das würde Argentiniens Wettbewerbsfähigkeit deutlich senken und würde wiederum die Konvertibilitätsbedingung zunehmend unter Druck setzen.53
Aus diesen Überlegungen stellt sich die Frage, warum die argentinische Regierung in dieser Periode das CBS nicht aufgab bzw. den Peso abwertete. Befürworter des CBS stellten folgende Argumentationen auf, warum an diesem System festgehalten werden muss: Erstens behaupteten sie, die exorbitanten Inflationsraten würden unter flexiblen Wechselkursen wiederkehren. Am Beispiel Brasilien oder durch die aktuelle Entwicklung Argentiniens wird jedoch deutlich, dass es für ein Land, welches historisch auch stets mit hoher Inflation zu kämpfen hatte, möglich ist, niedrige Inflationsraten unter freien Wech- selkursen zu erreichen.54
Zweitens bekundeten sie, dass die Provinzen, Banken, Unternehmen und Haushalte große Mengen an Verbindlichkeiten in USD halten würden. Die zu erwartende Abwertung unter flexiblen Wechselkursen würde schnell dafür sorgen, dass Subjekte ihre Kredite nicht mehr abbezahlen könnten. Es würde schnell zu vielen Privatinsolvenzen und Unterneh- menskonkursen kommen. Der Bankensektor geriete in Gefahr und könnte kollabieren. Dies münde in einer großen Wirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit stiege schnell an.55
Drittens hofften sie, dass sich die Situation von selbst verbessere und die deutliche Über- bewertung nachlasse. Das große Haushaltsdefizit der USA würde die Hoffnung wecken, dass es zu einer baldigen Abwertung des USD gegenüber dem Euro und dem Yen kom- men könnte. Die erhoffte Abwertung und die damit gleichzeitige Stärkung der Wettbe- werbsfähigkeit blieb allerdings aus, der Dollar wertete zu Beginn des neuen Jahrzehnts weiter auf.56
Zuletzt gab es Befürworter, welche sagten, der Konvertibilitätsplan würde schmerzhafte, aber notwendige Änderungen der argentinischen Wirtschaft erzwingen. Die Wirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig aufgrund vieler Jahrzehnte von Protektionismus (ISI etc.). Weiter erhöhe sich damit die Notwendigkeit den Arbeitsmarkt weiter zu liberalisieren. Mit der Überbewertung des Pesos durch das CBS gäbe es den nötigen Druck, diese Transformati- on zu bestreiten.57 Ebenfalls war es problematisch, dass keine Regierung die politische Verantwortung für eine Abwertung und die möglichen Turbulenzen übernehmen wollte. Mag es wirtschaftlich sinnvoll gewesen sein, war es politisch sehr kostspielig, da die ar- gentinische Bevölkerung das CBS sehr befürwortete. Schließlich saß der Verantwortliche des Konvertibilitätsgesetzes, Domingo Cavallo, im Kabinett der Regierung De La Rúa (1999-2001) und knüpfte seine politische Karriere an das CBS.58
Weiterhin war es fragwürdig, ob ein Currency Board System in Argentinien mit einer 1:1 Kopplung an den USD geeignet war. Auch wenn das CBS in den ersten Jahren gut funk- tioniert hat, ist es offensichtlich, dass die argentinische Regierung notwendige Reformen und eine Konsolidierung der Finanzen versäumt hat. Es gab ebenfalls Meinungen, dass der Peso nicht hätte alleine an den USD gekoppelt werden sollen, sondern an einen Wäh- rungskorb. Dieser hätte den brasilianischen Real und einige europäische Währungen ent- halten können. Die USA sind und waren ein wichtiger Handelspartner für Argentinien, aber nicht der einzige.59
Auch war es äußerst problematisch, dass keine Exit-Strategie erarbeitet wurde. Es wäre sinnvoll gewesen, einen kontrollierten Ausstieg aus dem CBS zu formulieren und wie mit den Folgen daraus zu verfahren ist.
3.4 Weitere Krisen in Entwicklungsländern zwischen 1996 und 1999
Die argentinische Wirtschaft ist in Folge der Mexikokrise schnell und deutlich eingebro- chen. Allerdings kam es 1996 zu einem sofortigen wirtschaftlichen Aufschwung und das BIP wuchs um deutliche 5,53 Prozent, 1997 sogar um 8,11 Prozent (siehe Abb. 4: Argen- tiniens Wirtschaftswachstum, 1980-2009). Anzumerken ist, dass Argentinien in dieser Periode wieder Empfänger großer Kredite war. Dies lag daran, dass der relativ kleine heimische Finanzsektor sehr abhängig von Auslandskrediten war, um die private und öffentliche Kreditnachfrage zu bedienen.60 Des Weiteren gab es in dieser Periode ein hohes Exportwachstum sowie steigende Investitionen. Die wieder steigenden Kapitalimporte halfen auch dem angeschlagenen Finanzsystem und die Besorgnis über die argentinische Wettbewerbsfähigkeit geriet in Vergessenheit, da das Wachstum in dieser Periode vor allem durch den Exportsektor sowie aus Investitionen gestützt wurde (siehe Tab. 1: Argentiniens BIP und Komponenten, 1994-2001).61
Die positive wirtschaftliche Entwicklung fand ein schnelles Ende. In der zweiten Hälfte 1997 kam es zu einem deutlichen Fall der terms of trade. Die ostasiatische Krise, ausge- hend von Thailand, erschütterte das Finanzsystem und die Wirtschaft Südostasiens. Viele Volkswirtschaften mussten ihren Festkurs aufgeben und werteten in Folge dessen stark ab. Verstärkt wurde dieses Szenario im Sommer 1998, als Russland nicht mehr zahlungsfähig war und viele Auslandskredite somit nicht mehr bedienen konnte. Die zunächst negativen wirtschaftlichen Folgen griffen auf andere Länder über und das Vertrauen ausländischer Investoren in Entwicklungsländer sank.62
Als Folge gab es diverse exogene Schocks für Argentinien, private Investoren zogen ihr Kapital ab. Die FDI sanken von 1999 auf 2000 um 56,57 Prozent (siehe Abb. 7: Argenti- niens FDI, 1990-2009). Gleichzeitig stiegen die Zinsen für argentinische Staatsanleihen von 5 Prozent im Juli 1998 auf 7,5 Prozent im Dezember 1998.63 Die Nachfrage der wichtigsten Handelspartner Argentiniens ging zurück, vor allem in Brasilien. Die Preise für Rohöl und andere Rohstoffe sanken, womit sich das argentinische Austauschverhält- nis verschlechterte. Ferner wertete der USD weiter gegenüber dem Euro und Yen auf und der brasilianische Real wertete 1999 um 70 Prozent gegenüber dem USD ab.64
Diese Wechselkursentwicklungen verschlechterten Argentiniens Wettbewerbsfähigkeit und es entstanden große Nachteile auf den internationalen Märkten.
[...]
1 Vgl. Jonas, J., 2002, S. 1.
2 Vgl. Mussa, M., 2004, S. 320 ff.
3 Vgl. Blanchard, O./Illing, G., 2004, S. 623.
4 Vgl. Mundell, R., 1976.
5 Vgl. Ohr, R., 1996, S. 222 f.
6 Vgl. Blanchard, O./Illing, G., 2004, S. 625.
7 Vgl. Mundell, R., 1963, S. 479.
8 Vgl. Mundell, R., 1963, S. 479.
9 Vgl. Blanchard, O./Illing, G., 2004, S. 625.
10 Vgl. Dornbusch et al, 2003, S. 640.
11 Vgl. Janssen, O, 2002, S. 20.
12 Vgl. Görgens et al, 2003, S. 378 f.
13 Vgl. Janssen, O, 2002, S. 20 f.
14 Vgl. Krugman, P./Obstfeld, M., 2006.
15 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 129.
16 Vgl. Jarchow, H.-J./Rühmann, P., 2002, S. 234.
17 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 129 und Liviatan, N., 1992, S. XIV.
18 Vgl. Janssen, O, 2002, S. 232 f.
19 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 129 f.
20 = Terminwechselkurs, = Kassawechselkurs, = erwarteter Kassawechselkurs.
21 Vgl. Blanchard, O./Illing, G., 2004, S. 580 f, Rübel, G., 2003, S. 110 f und Kaufmann, R., 1998, S. 142 ff.
22 Vgl. Rose, K./Sauernheimer, K., 1992, S. 219.
23 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 111 f.
24 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 111 f.
25 Vgl. Kaufmann, R., 1998, S. 145.
26 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 184 ff.
27 Vgl. Jarchow, H.-J./Rühmann, P., 2002, S. 286 ff.
28 Vgl. Blanchard, O./Illing, G., 2004, S. 615.
29 Vgl. Blanchard, O./Illing, G., 2004, S. 615.
30 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 189 f.
31 Vgl. Blanchard, O./Illing, G., 2004, S. 615 f.
32 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 190 f.
33 Vgl. Rübel, G., 2003, S. 134.
34 Beispielsweise eine zu geringe Faktormobilität.
35 Vgl. Mankiw, N., 2003, S. 382.
36 Vgl. Mundell, R., 1963, S. 477 f.
37 Vgl. Mundell, R., 1963, S. 478.
38 Vgl. Mankiw, N., 2003, S. 383.
39 Vgl. Mussa, M., 2004, S. 329.
40 Vgl. Jonas, J., 2002, S. 8 f.
41 Vgl. Mussa, M., 2004, S. 330.
42 Vgl. Jonas, J., 2002, S. 8 f.
43 Vgl. Jonas, J., 2002, S. 9.
44 Vgl. Joebges, H., 2006, S. 123 ff.
45 Vgl. Jonas, J., 2002, S. 9 f.
46 Vgl. De La Torre et al, 2002, S. 4.
47 Quelle: IFS, 2011.
48 Vgl. Jonas, J., 2002, S. 10.
49 Vgl. Jonas, J., 2002, S. 10.
50 Vgl. Mussa, M., 2004, S. 332.
51 Dieser Index wurde von der Weltbank entwickelt und bewertet die Qualität der Regulierung im Bankwesen einzelner Länder.
52 Vgl. De La Torre et al, 2002, S. 4 und S. 27.
53 Vgl. Mussa, M., 2004, S. 332.
54 Vgl. Feldstein, M., 2002, S. 13.
55 Vgl. Feldstein, M., 2002, S. 13.
56 Vgl. Feldstein, M., 2002, S. 13.
57 Vgl. Mussa, M., 2004, S. 332 f.
58 Vgl. Jonas, F., 2002, S. 34 f.
59 Vgl. Hausmann, R./Velasco, A., 2002, S. 15 f.
60 Vgl. Daseking et al, 2004, S. 4.
61 Vgl. Hausmann, R./Velasco, A., 2002, S. 6.
62 Vgl. Hausmann, R./Velasco, A., 2002, S. 12.
63 Vgl. Daseking et al, 2004, S. 23.
64 Vgl. IMF, 2004, S. 12.
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