Von der Organisationsentwicklung zum Change Management. Ausblick in die Zukunft


Textbook, 2009

95 Pages


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Organisationsentwicklung: Wandel und die Notwendigkeit, denselben zu gestalten
2.1 Geschichte der Organisationsentwicklung

3. Organisationsentwicklung und Change Management heute
3.1 Organisationsentwicklung heute
3.2 Change Management heute
3.3 Der Bewährungsgrad des Change Management in der Praxis
3.4 Ursachen des mangelnden Erfolges und Kritik des Change Management
3.5 Praxisansätze für Organisationsentwicklung und Change Management
3.6 Change Agents
3.7 Anknüpfungspunkt im Management des Wandels
3.8 Umsetzungsmöglichkeiten
3.9 Trends aus den USA

4. Wie könnte die Zukunft der Organisationsentwicklung und des Change Managements aussehen?
4.1 Organisationsentwicklung und Change Management im Wandel
4.2 Dimensionen, Aufgaben und Prozess des Change Management
4.3 Strukturphasen nach Lewin – Veränderungsprozesse

5. Künftige Anforderungen an das Change Management
5.1 Künftige Anforderungen an und Bedeutung der strategischen Organisationsentwicklung / Change Management
5.2 Change Management und Chaostheorie
5.3 Die Zukunft von Change Management und Organisationsentwicklung

6. Wohin geht die Reise?

Literatur / Quellenangaben

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wandel in der OE

Abbildung 2: Drei Seiten des Wandels

Abbildung 3: Reform, Achsen

Abbildung 4: Kreislauf der menschlichen Emotionen

Abbildung 5: Organisationspsychologische Betrachtung

Abbildung 6: A six box model/

Abbildung 7: Einflusspotential – Basis der Früherkennung für das Krisenmanagement nach Ten Berge

Abbildung 8: Neun-Punkte-Managementregeln / Zielkatalog für Organisationsveränderungen der Natio-nal Training Laboratories NTL

Abbildung 9: Gründe für die Aufwertung von Change Management

Abbildung 10: 3-Phasen-Modell von Lewin

Abbildung 11: 6 Interventionsinstrumente des zukünftigen Change Management

Abbildung 12: Arten des zukünftigen Change Management

Abbildung 13: Phasen im Change-Prozess nach John Kotter

Abbildung 14: Anforderungen an die Organisation eines Spitzenunternehmens nach Robert Waterman

Abbildung 15: Anforderungen an innovative wissenserzeugende Unternehmungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die Tatsache, dass mit „Organisationsentwicklung“ und „Change Management“ zwei verschiedene Begriffe vorhanden sind, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bislang trotz vieler Bemühungen nicht gelungen ist, einen grundlegenden, konzeptionellen Unterschied zwischen beiden Disziplinen, weder im Hinblick auf den Forschungsgegenstand noch im Hinblick auf die theoretische Grundlage für ein praktisches Handeln, zu begründen oder zu finden. Entsprechend hat Georg Schreyögg festgestellt, „dass im Rahmen von Change Management bislang kein eigenständiges Konzept zu Wege gebracht wurde, das sich von der unter dem Begriff „Organisationsentwicklung“ begründete Forschungstradition unterscheiden würde“[1]. Mit anderen Worten: Organisationsentwicklung und Change Management haben denselben Gegenstand und basieren auf denselben Konzepten[2].

Da Change Management und Organisationsentwicklung weitgehend dasselbe meinen, aber Ersteres spätestens mit der Publikation von Doppler und Lauterburg[3] zum in Deutschland verbreitetsten betriebswirtschaftlichen Konzept zur Gestaltung betrieblichen Wandels geworden ist, während Letzteres historisch betrachtet dem Change Management vorausgegangen ist, besteht die Aufgabe der folgenden Kapitel darin,

- die Evolution der Organisationsentwicklung sowie die Ursachen für das Erscheinen derselben im historischen Kontext zu erklären und den Übergang zum Change Management zu beschreiben (Kapitel 1 und 2),
- den Gegenstand des Change Management zu definieren (Kapitel 2),
- die Frage zu beantworten, wie erfolgreich Change Management ist (Kapitel 3),
- das Change Management einer Kritik (Kapitel 3) zu unterziehen,
- sowie ein Fazit und einen Ausblick in die Zukunft von Change Management und der Gestaltung des Wandels im Unternehmen vorzunehmen (Kapitel 4 und 5).

Gerade in Unternehmungen, welche auf das Kaizen-Prinzip[4] zurückgreifen, ist festzustellen, dass das Management von Veränderungen zunehmend in den täglichen Aufgabenbereichen von Führungskräften und Mitarbeitern im Geschäftsalltag diffundiert. In der Folge werden entsprechend Change Agents oder Teams weniger eingesetzt. In den vergangenen Jahren, insbesondere seit Ende der 80er des 20. Jahrhunderts, wurden zahlreiche Ansätze entwickelt, welche in der Managementliteratur bekannt wurden unter Begriffen wie z.B.:

- Lean-Management,
- Business-Reengineering,
- Total Quality Management – TQM,
- Kaizen,
- Kernkompetenz-Management.

Zwischenzeitlich sind diese Ansätze weitgehend bekannt, jedoch teilweise schon wieder vergessen worden. Die aufgeführten Ansätze verfügen über die folgenden Gemeinsamkeiten:

- sie wurden ausgezeichnet vermarktet,
- sie wurden durch Fallbeispiele oder in realen Situationen verifiziert,
- sie diffundierten durch den Großteil der Unternehmen und

wurden letztendlich alle von neuen Konzepten abgelöst.[5]

Die Aussagen der genannten Ansätze können durchaus nutzbare Methoden enthalten. Veränderungsmanagement ist durch die Situation gekennzeichnet, dass sich Unternehmen einer permanenten Veränderung unterziehen müssen, damit sie langfristig am Markt erfolgreich sein können. Veränderungsmanagement ist aus diesem Hintergrund nicht zeitlich beschränkt, sondern stellt im evolutionstheoretischen Organisations- und Managementkontext eine dauerhafte Managementaufgabe dar, welche immer von neuem zu bewältigen ist. Hierzu sind im Unternehmen die organisatorischen Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten.[6]

Im späteren Verlauf dieses Buches werden wir die verschiedenen Ansätze des „geplanten und gesteuerten Wandels“ in den Dimensionen a) Veränderungsfähigkeit einer Organisation und b) Veränderungsnotwendigkeit in einer Organisation unterscheiden. Hierbei können die genannten Ansätze nebeneinander existieren.

2 Organisationsentwicklung: Wandel und die Notwendigkeit, denselben zu gestalten

Wandel ist allgegenwärtig, so sollte man denken, zumal keiner Zeit nachgesagt wird, sie habe sich so schnell verändert, wie die heutige. Richtig ist dabei vor allem, dass diese Aussage in allen Zeiten galt, also in der jeweils heutigen und zu jederzeit als völlig zutreffend empfunden wird. So schreibtzum Beispiel Michael Mumford: „With ever more rapid technical change, and increasing global competition, it has become clear that the ability of organisations to develop and field innovative new products and services is a crucial influence on long-term performance”.[7]

Die Globalisierung der Märkte, der Druck auf Unternehmen sich zu internationalisieren und die Tatsache, dass die Konkurrenz unter Unternehmen vermeintlich immer größer wird, übt einen Druck auf dieselben und ihre Mitarbeiter aus, der sich nicht nur darin äußert, dass es geradezu „überlebensnotwendig“ wird, innovativ zu sein, neue Produkte und somit veränderte Produktinhalte auf den Markt zu bringen[8], sondern auch darin, dass sich die Mitarbeiter eines Unternehmens ständig an die sich ändernden Randbedingungen des Marktes[9], unter denen sie arbeiten, anpassen müssen. Mit anderen Worten: Unternehmen sind mit der Notwendigkeit ständigen Wandels konfrontiert.

In den vergangenen Jahren sind viele Manager darüber hinaus immer mehr zu der Auffassung gelangt, dass sich das Umfeld ihrer Unternehmung als instabil und chaotisch zeigt. Nicht wenige Führungskräfte sind durch die zahlreichen Veränderungen psychisch und rational überfordert. Dieser Wandel des Umfeldes ist im Einzelnen bedingt durch z.B.:

- die politischen Veränderungen,
- die ökologischen Probleme,
- die rasante Dynamik des Technologiewettbewerbs,
- die weltweite Konkurrenz (inländische und ausländische),
- die Internationalisierung bzw. Globalisierung der Märkte bei gleichzeitiger Fragmentierung der Zielgruppen.

Zudem hat sich seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts das Manager-Umfeld durch die Tendenz zum Lean-Management stark verändert. Schließlich fordert eine schlanke Organisation einen strukturellen und kulturellen Wandel, ein Umdenken also gegenüber den wesentlich stärker bürokratisierten Organisationen der 80er Jahre. Durch kostensenkende Maßnahmen sehen zahlreiche Manager ihre Position in den Organisationen gefährdet. Eine Entwicklung, die noch lange nicht an ihrem Ende angekommen ist. Diese und andere Veränderungsprozesse werden auch in der Zukunft die Organisationsentwicklung und das Change-Management bestimmen.

Letztlich bringt jeder Kulturwandel neue Ordnungswerte. Diese neue Ordnung kann aber als unübersichtlich empfunden werden und an die Stelle von hierarchischer Sicherheit kann ein Gefühl der Unsicherheit treten. Oft sind dem Manager die alten und bisher festen sowie sicheren Orientierungsgrößen verloren gegangen. Somit bedarf es immer wieder einer neuen, verbesserten Perspektive für das Paradoxon von neuer Komplexität i. S. v. neuer Unübersichtlichkeit, Dynamik und Instabilität.

Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts ist in den USA die Disziplin der Organisationsentwicklung begründet worden, wobei das Ziel der Ansätze, die sich unter dem Stichwort „Organisationsentwicklung“ sammeln lassen, darin bestand, den Wandel in Organisationen zu planen und rational zu gestalten. Aus der Anpassung an veränderte Randbedingungen sollte somit ein gezieltes und aktives Gestalten von Veränderungen werden.[10] Die Suche nach den Möglichkeiten, Wandel in Unternehmen zu gestalten, wurde relativ schnell bei sozialwissenschaftlichen Ansätzen fündig. Organisationsentwicklung wurde entsprechend zum Versuch, „bewusstseins- und verhaltensverändernde Lernprozesse“ bei den Mitarbeitern eines Unternehmens herbeizuführen.[11] Die Methoden, die dabei zum Einsatz kamen, waren u.a. die „gruppendynamische Trainingsgruppe“[12], mit der die Lernpotentiale freigelegt werden sollten, die sich daraus ergeben, dass sich die Mitglieder einer Gruppe zum Gegenstand des Erforschens machen. Im Kontext dieser „re-edukativen Ansätze“ kam schnell die Hierarchie als das, oder zumindest als eins der wichtigsten Hemmnisse, welche die optimale Anpassung an Veränderung behindern, in den Fokus. Das Ziel der Organisationsentwicklung bestand nunmehr darin, diejenigen Hierarchien aufzuweichen (oder abzuflachen), von denen erwartet wurde, dass sie Leistungsblockaden und Effizienzhemmnisse darstellen.Gleichzeitig wollteman spezifische zwischenmenschliche Werte in einer Organisation zu fördern.[13] Markenzeichen der Organisationsentwicklung ist somit die Prämisse, dass Veränderungen von Organisationen Veränderungen von Verhaltensmustern und Einstellungen bei den Mitgliedern der Organisation voraussetzen, oder, wenn man so weit gehen will, diese nicht nur voraussetzen, sondern aus eben diesen bestehen. Eine Veränderung, bzw. eine Entwicklung einer Organisation ist zumindest teilweise mit der entsprechenden Veränderung in Verhaltensweisen, Einstellungen und Motivationen[14] der Mitglieder der Organisation gleichzusetzen. In diesem Punkt unterscheidet sich die Organisationsentwicklung in keiner Weise vom Change Management und man tut sich schwer, die Organisationsentwicklung von anderen Forschungsfeldern der Ökonomie, wie zum Beispiel dem Human Resource Management,[15] oder der Suche nach dem adäquaten Führungsstil abzugrenzen[16]. Sämtliche dieser, oder verwandter Ansätze/Fragestellungen teilen die Suche nach der Verbesserung von Motivationen bzw. Einstellungen ihrer Mitarbeiter. So schreibt Wimmer in Hinblick auf den sozio-technischen Systemansatz, dass der hohe Stellenwert der Gruppe (für den innerbetrieblichen Wandel) darauf zurückgehe, dass „arbeitsfähige Teams sowohl das Leistungsniveau steigern, dass viele Funktionen, die sonst von Vorgesetzten oft nur unzureichend wahrgenommen werden, in Selbstorganisation übernommen werden, und dass obendrein die Arbeitszufriedenheit des Einzelnen steigt, weil elementare Bedürfnisse in der Gruppe abgedeckt werden können“[17].

Damit entspricht der Gegenstand der Organisationsentwicklung zum Teil dem, was im Human Resource Management unter den Stichworten „Job Design“ und „Teamwork“ diskutiert wird und sich in der Literatur zu „Leadership“ in der Unterscheidung diverser „Leadership Styles“ niederschlägt. Folglich ist es kaum möglich, den Gegenstand der Organisationsentwicklung unabhängig vom Gegenstand anderer Teilbereiche der Ökonomie oder der Psychologie zu bestimmen, was auch dazu beigetragen haben mag, dass die Anzahl der Wissenschaftler, die sich mit Organisationsentwicklung beschäftigen, eher gering geblieben ist[18]. Ist es schon kaum möglich, die Organisationsentwicklung klar von anderen Bereichen der betriebswirtschaftlichen Forschung zu differenzieren, so ist der Versuch, Organisationsentwicklung und Change Management voneinander zu trennen, aussichtslos,wie z.B. die folgende Definition für Change Management, die Thom[19] gegeben hat, zeigt.Ihm zufolge umfasst Change Management „alle geplanten, gesteuerten, organisierten und kontrollierten Veränderungen in den Strategien, Prozessen, Strukturen und in den Kulturen sozio-ökonomischer Systeme“. Da das Ziel der Organisationsentwicklung darin besteht, über die Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern von Mitarbeitern den Boden zu bereiten, auf dem ein Wandel von Strukturen und Abläufen innerhalb eines Unternehmens erreicht werden kann, kann man an dieser Stelle festhalten, dass Change Management und Organisationsentwicklung ein und dieselbe Sache beschreiben. Da heutzutage der Begriff „Change Management“ weiter verbreitet ist als „Organisationsentwicklung“, setzen sich die späteren Kapitel explizit mit dem Change Management auseinander.

Nichtsdestotrotz bieten die folgenden Ausführungen, insbesondere die im Kapitel 5, im Zusammenhang mit Abb. 12, das Angebot, Organisationsentwicklung als einen Weg der Veränderung in einen größeren Rahmen aller Veränderungsmethoden und -möglichkeiten einzuordnen.

2.1 Geschichte der Organisationsentwicklung

Der Ursprung des gezielten Managements von Änderungen findet sich in der Organisationsentwicklung in den USA im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Roethlisberger und Mayo untersuchten die zugrunde liegenden Vorgänge im Umfeld der Forschungen zur Leistungssteigerung bei Experimenten in Werken der Western Electric, wobei sich zeigte, dass die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter mehr von der Aufmerksamkeit für die Mitarbeiter beeinflusst wurde als von Änderungen der Arbeitsbedingungen. Kurt Lewin untersuchte dann in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts Phasen von Veränderungen, die zur Pioniertheorie im Rahmen der Organisationstheorie führten[20].

2.1.1 Die „Pioniertheorie“

Auch die Organisationsentwicklung selber unterliegt also Veränderungsvorgängen, deren bisherigen Verlauf die folgende Darstellung und die daran anschließende Erläuterung zeigt:

Abbildung 1: Wandel in der OE[21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Anm. d. Verf.: MOT = Mensch, Organisation, Technik; nach Escher, Strohm auch MTO)

Somit änderte sich das Profil des Menschenbildes gemäß den Kategorien der Darstellung vom Economic-Man zum Social-Man, später zum Self-Actualizing-Man und schließlich zum Complex-Man. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass sich die Organisationsentwicklung als auf den Menschen fokussierende Disziplin diesem Wandel unterziehen musste.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erörterte F. Taylor[22] in seiner Theorie zum Scientific Management, das heißt der rein wissenschaftlichen Herangehensweise, die Ausgangslage mit Angebotsüberhängen auf den Arbeitsmärkten und menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen.

Als Problemfeld erwies sich die Koordination stark arbeitsteiliger Produktionsprozesse durch eine zentrale Instanz. Ziel war hier eine Erhöhung der Effizienz menschlicher Arbeitsleistung, wozu als Maßnahmen Zeit-, Arbeits-, und Bewegungsstudien, gezielte Auswahl und Ausbildung von Personal, optimale Arbeitsgestaltung sowie Entlohnung über Zeitakkord eingesetzt wurden. Das Profil ergibt hier den Economic-Man.

Die Human Relations-Bewegung der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts, vertreten unter anderem von Mayo und Roethlisberger, zeigte als Ausgangslage bzw. Problemstellung, dass auch bei „wissenschaftlicher Betriebsführung“ keine optimalen Ergebnisse erreichbarsind. Als Ziele wurden daher die Komponenten empirisch fundierte Erforschung der Industriebedürfnisse, die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und die Verbesserung des Betriebsklimas definiert. Die hierfür geeigneten Maßnahmen waren die Schaffung von Informations- und Kommunikationsstrukturen zwischen Personen und Gruppe(n), die Einführung vertrauensvoller Führungs- und Kooperationspraktiken, sowie die Erweiterung der Arbeitsinhalte zur Motivationssteigerung im Sinne eines Human Resources-Ansatzes. Dieses Profil entspricht dem Social-Man.

In den 70er Jahren folgte der Human Relations-Bewegung eine weitere Variante der Humanisierung, vertreten unter anderem durch Emery und Thorsrud und dem Institut für industrielle Sozialforschung in Trondheim. Diese Bewegung initiierte in der BRD das staatliche Forschungs- und Aktionsprogramm HdA, der Humanisierung des Arbeitslebens. Grundlage hierfür war auch wieder die ungenügende Effizienz der „wissenschaftlichen Betriebsführung“, sodass als Zielsetzung die Überwindung der Tayloristischen Arbeitsteilung, die Subjektstellung des Arbeitenden, sowie eine Förderung der Qualifizierung und Persönlichkeitsentwicklung des Mitarbeiters definiert wurden. Als entsprechende Maßnahmen galten die Neuformung der Arbeitsgestaltung zur Erweiterung des Tätigkeitsspielraums, dann Job Enlargement, Job Enrichment und Job Rotation sowie diverse partizipative Ansätze. Als Profil ergibt sich für diese Bewegung der Self-Actualizing-Man.

In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts bildete sich in der Organisationsentwicklung ein Menschenbild, das dem Anspruch, sich in einer Welt mit zunehmenden Einflüssen zu bewegen, gerecht wird. In gewisser Weise verbindet das Profil des Complex-Man die vorangegangenen Social-Man und Economic-Man und ergänzt sie[23].

Aus heutiger Sicht muss der Mensch nicht nur mit den angesprochenen zunehmenden Einflüssen sozialer und wirtschaftlicher Art zurechtkommen. Er ist kommunikativ mit dem ganzen Globus vernetzt, bekommt in „Real-Time“ Nachrichten aus aller Welt, seine Arbeitgeber sind multinational. Krisen wie die Finanzkrise der letzten Jahre und Veränderungen der Märkte wirken sich überall aus. Für den in der Wirtschaft aktiven Menschen des 21. Jahrhunderts ergibt sich das Profil des Global-Man.

Auch diese Entwicklung des Menschen, seines Platzes in der Welt und seines Selbstbildes setzt sich natürlich fort, wobei die Stichworte Vernetzung und, in den letzten Jahren, Social-Network, Cloud, blog, twitter, Virtuelle Realität, Avatar oder Alternate Life, immer mehr in den Vordergrund treten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Onlinewelten so viele Möglichkeiten geben, bis die Grenze zur nächsten Stufe, die man vielleicht Virtual-Man nennen könnte,erreicht ist. Auch diese Stufe wird sich unmittelbar auf die Arbeit, auf Arbeitsplätze und selbstverständlich auf die Eigenschaften, Fähigkeiten und Motivationen des Arbeitnehmers der Zukunft auswirken.

Bereits in den 50er Jahren bildeten sich systemische Ansätze der Organisationsentwicklung heraus, die auf das Tavistock Institute of Human Relations in London zurückzuführen sind und eine Erweiterung ab circa 1980 erfuhren. Ausgangslage war zunächst eine hohe Anzahl von Abwesenheits- und Krankheitsfällen, sowie ein schlechtes Betriebsklima in den Kohlebergwerken Englands nach dem 2. Weltkrieg. Problematisch erwies sich hier die Optimierung des Gesamtbetriebs, da isolierte, andererseits initiierte und punktuell eingreifende Personal- oder Strukturmaßnahmen die Ganzheitlichkeit der Aktivitäten begrenzten oder sogar negierten. Zielsetzung war eine umfassende Erläuterung und Gestaltung von mit der Umwelt korrespondierenden Organisationen und deren Bestandteilen. Die ergriffenen Maßnahmen zeigten sich als übergreifende, ganzheitliche Innovationsansätze sowie in Form des Polyvalenzlohnsystems.

Die Erweiterungen der systemischen Ansätze in den 80er Jahren, vertreten unter anderem durch Ashby, Beer, Shannon, Weaver, Rieckmann und Henning et al., bezogen sich auf den Begriff des „Sozialen Systems“, der auf V. Pareto (1848-1923) zurückzuführen ist. Ausgangslage war die immer facettenreichere Entwicklung der Märkte, Politik und Gesellschaft im Allgemeinen. Als Problemfeld zeigten sich die herkömmlichen Betriebsstrukturen mit ihren für vorhersagbare Entwicklungen erarbeiteten Konzepten und dem damit zusammenhängend genutzten Gestaltungspotential des Menschen[24].

2.1.2 Was ist Change Management?

Der Begriff Change Management ist seit Mitte der 1990er Jahre sehr populär geworden[25], und die Literatur über Change Management ist dementsprechend zahlreich und vielfältig. Betrachtet man die Literatur darauf hin, was unter Change Management oder „Veränderungsmanagement“ oder „Management des Wandels“, wie es im Deutschen häufig bezeichnet wird[26], eigentlich verstanden wird, so fällt auf, dass der Begriff häufig gar nicht definiert wird (so z.B. bei Faulhaber und Winterling 1995 und Schuh et al.1998). Es scheint, dass für Change Management gilt, was Litke für den Begriff Management festgestellt hat: „Der Management-Begriff gehört zu jenen Termini, die jeder versteht und genau zu kennen glaubt, deren präzise merkmalsmäßige Festlegung jedoch unerwartete Schwierigkeiten bereitet“[27]. Sofern Change Management überhaupt definiert wird, bezieht sich die Definition häufig nur auf einen der beiden Teilbegriffe (Change oder Management).

So definiert Vahs: „Change Management ist die zielgerichtete Analyse, Planung, Realisierung, Evaluierung und laufende Weiterentwicklung von ganzheitlichen Veränderungsmaßnahmen in Unternehmen“[28]. Damit wird beschrieben, was Management bedeuten soll, aber was unter „ganzheitlichen Veränderungsmaßnahmen“ zu verstehen ist, bleibt unklar. Diesbezüglich konkreter wird Thom in seiner Definition des „Management des Wandels“, das „[…] alle geplanten, gesteuerten, organisierten und kontrollierten Veränderungen in den Strategien, Prozessen, Strukturen und in den Kulturen sozio-ökonomischer Systeme […]“[29] umfasst.

Zwar ist eine möglichst konkrete Begriffsdefinition wünschenswert, weil nur sie sicherstellt, dass ein Begriff (weitgehend) einheitlich benutzt wird und damit klar ist, was der Begriff beinhaltet und was durch ihn ausgeschlossen wird. Jedoch macht jede konkrete Begriffsdefinition eine Reihe weiterer Begriffsdefinitionen notwendig. Im Anschluss an die oben zitierte Definition von Thom müsste z.B. definiert werden, was unter „sozio-ökonomischen Systemen“ und unter „Kulturen sozio-ökonomischer Systeme“ verstanden wird. Vielleicht ist das der Grund, warum die bei weitem meisten Definitionen sehr allgemein gehalten oder weniger Definitionen im engeren Sinn als Begriffserläuterungen sind, so z.B. bei Doppler und Lauterberg, wo es heißt: „Change Management beschäftigt sich […] u.a. mit spezifischen Fragen der Unternehmensführung, der Organisation, des Personalmanagements sowie der Kommunikation und Information“[30], oder bei Al-Ani und Gattemeyer, die schreiben: „Unter Change Management lassen sich alle Maßnahmen subsummieren, die zur Initiierung und Umsetzung von neuen Strategien, Strukturen, Systemen und Verhaltensweisen notwendig sind.“[31]

Festhalten lässt sich also, dass der kleinste gemeinsame Nenner der auffindbaren Definition der Begriffe Change Management oder „Veränderungsmanagement“ oder „Management des Wandels“ die willentliche Gestaltung und Steuerung von Veränderungs- oder Wandlungsprozessen in Organisationen bezeichnet. Ob dabei eine konkrete Vorstellung eines Zielzustandes handlungsleitend ist oder nicht, ist umstritten. Während Scholz zumindest „eine kontinuierliche Verbesserung von Strukturen und Prozessen in der gesamten Organisation“[32] anstrebt, steht für andere Autoren nicht eine konkrete Vorstellung davon, was anders werden soll und wie es werden soll im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern allgemein die Schaffung von Bedingungen, die sich günstig auf die Veränderungsbereitschaft und die Veränderungsmöglichkeiten in einer Organisation auswirken[33]. Nach Reiss geht es vor allem um „das ‚Wie’ des Veränderungsprozesses“[34].

Wirkliche Definitionen von Change Management sind nicht nur vergleichsweise selten oder, wenn sie denn vorhanden sind, allgemein gehalten. Es finden sich auch Ausführungen von Autoren zum Change Management, die nur als Versuch gewertet werden können, eine Definition regelrecht zu umgehen, so z.B. bei Kraus: „Change-Management ist […] ein Meta-Begriff, der einzelne Konzepte subsummiert, die sich durchaus ergänzen oder auch widersprechen können“[35]. Diese Auffassung wird in den späteren Kapiteln wieder aufgenommen und weitergeführt.Angesichts der fehlenden Präzision der Aussagen darüber, was Change Management sei, ist es nämlich weder möglich anzugeben, was genau es einschließt, noch was es ausschließt, und damit ist es auch nicht möglich, Change Management von verwandten oder ähnlich verwendeten Begriffen wie „Transition Management“, „Organisationsentwicklung“, „Innovationsmanagement“, „Lean Management“, „Total Quality Management“ oder „Reengineering“ abzugrenzen. Häufig werden diese Begriffe synonym verwendet oder als Unterkategorien von Change Management aufgefasst.[36]

2.1.3 Wie funktioniert Change Management? Grundlegende Konzepte und Instrumente

Was unter Change Management zu verstehen ist, wird deutlicher, wenn man betrachtet, mit welchen Konzepten im Change Management gearbeitet wird und welche Bereiche betrieblicher Zusammenhänge Gegenstand von Change Management sind. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Text können nur einige grundlegende Konzepte und Tätigkeitsfelder von Change Management vorgestellt werden, die in der Literatur über Change Management eine besonders große Rolle spielen und relativ einheitlich beschrieben werden.

2.1.4 Evolutionäre und revolutionäre Veränderungsprozesse

Jede Organisation ist Veränderungsprozessen unterworfen.Wenn diese schon nicht vom sich stetig ändernden Markt, der Mitbewerbersituation, Gesetzesänderungen, neuen Vorschriften, der Globalisierung, oder gar der Sicht der Menschen auf die betreffende Leistung, bzw. das Produkt angeschoben werden, ändert sich eine Organisation langsam aber stetig durch die Entwicklung, das Altern oder den Austausch seiner Mitarbeiter. Wie ein lebender Organismus, der sich ständig erneuert, ist ein Unternehmen nie da selbe, wie es vor einem Jahr war. Somit fällt grundsätzlich eine Veränderung anbei, die unbemerkt und meist ungesteuert vonstattengeht.

Change Management, dagegen, wird meist dann als erforderlich betrachtet, wenn Widersprüche oder Krisen in einer Organisation auftreten bzw. wahrgenommen werden. Dies kann eine „verschlafene“ Neuerung der Umwelt sein, oder ein plötzliches Bemerken, dass der schleichende Veränderungsprozess die Organisation in einen Ist-Zustand gebracht hat, welcher so stark vom Soll abweicht, dass es letztendlich auffällt. Meist aber handelt es sich bei den großen Veränderungen aber um einen Impuls von außen. Krisen werden allgemein als jeweils spezifische Phasen eines Veränderungsprozesses, genauer: eines Prozesses der Fehlentwicklung betrachtet, der häufig als in drei Phasen gegliedert vorgestellt wird, nämlich eine latente Krisenphase, eine akute Krisenphaseund eine nachkritische Phase[37]. Krisen können, wie gesagt, unternehmensinterne oder unternehmensexterne Ursachen haben, die als Auslöser fungieren. Jedoch scheint internen Ursachen weit größere Bedeutung zuzukommen[38], zumal diese die Reaktion auf den veränderten externen Bedingungen darstellen können. Unternehmensexterne Auslöser bergen aber oft auch die größeren Veränderungsnotwendigkeiten, denen allgemein schneller begegnet werden muss.[39]

Nach Krüger können sich, darauf beruhend, krisenhafte Veränderungsprozesse revolutionär, d.h. in wenigen großen Schüben, oder evolutionär, d.h. in vielen kleinen Schritten, vollziehen.[40] Welche Vorgehensweise im Rahmen des „Change Management“ angebracht ist, hängt davon ab, um welche Art von Veränderungsprozess es sich jeweils handelt und in welcher Phase der krisenhaften Entwicklung sich die Organisation befindet. Als extreme Instrumente des „Change Management“ im Zusammenhang mit revolutionären bzw. evolutionären Veränderungsprozessen können das „Business Reengineering“ bzw. die Organisationsentwicklung gelten[41]: beim revolutionären Vorgehen im Sinn des „Business Reengineering“ werden das Unternehmen und die wesentlichen Unternehmensprozesse fundamental überdacht und radikal verändert, ohne dass dabei auf die im Unternehmen bestehenden Strukturen und Prozesse Rücksicht genommen wird. Ziel ist eine nachhaltige Effizienzsteigerung in Bezug auf ökonomische Faktoren, z.B. Umsatzsteigerung um einen bestimmten Prozentsatz. Dagegen zielt die Organisationsentwicklung, mittels derer (moderat) evolutionäre Veränderungsprozesse gestaltet werden sollen, auf graduelle Anpassungen oder Verbesserungen unter Partizipation der Organisationsmitglieder ab[42]. Letzterem kommt besondere Bedeutung zu, weil davon ausgegangen wird, dass sich die Strukturen in einer Organisation erst dann (stabil) verändern können, wenn sich die Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder verändert haben.[43] Auf diese Bedeutung wird im Verlaufe dieses Buches noch gesondert eingegangen.

2.1.5 Das Modell sozialer Veränderungen nach Kurz Lewin und darauf aufbauende Phasenmodelle von Veränderungsprozessen

Die meisten Projekte zum Change Management zielen auf die Gestaltung evolutionärer Veränderungsprozesse ab, und zu diesem Zweck bedienen sich die verschiedenen Ansätze im Change Management verschiedener Phasenmodelle, die mehrheitlich auf das Modell sozialer Veränderungen nach Kurt Lewin (1947) und seine Ausarbeitung durch Edgar Schein (1964) zurückgehen.

Dieses Modell umfasst drei Phasen von Veränderungsprozessen: In der ersten Phase geht es darum, die Einstellungen und dominanten Verhaltensmuster der Organisationsmitglieder festzustellen und „aufzutauen“ (unfreezing), d.h. die Organisationsmitglieder dazu zu bringen, sie zu hinterfragen und eine Bereitschaft zur Veränderung zu schaffen. Dabei muss möglicherweise psychologische Unterstützung geleistet werden, die den Organisationsmitgliedern helfen soll, die Scham über ihr bisheriges, aus der neuen Sicht defizitäres Verhalten zu überwinden.[44] In der zweiten Phase (moving) werden neue Verhaltensweisen erprobt und teilweise übernommen, die zu einem neuen stabilen Zustand führen sollen. „Das Verhaltensspektrum der Organisationsmitglieder reicht in dieser Phase von einer passiven Anpassung an die neuen strukturellen Bedingungen bis hin zu einer aktiven Teilnahme an ihrer Gestaltung.“[45] Diese aktive Teilnahme kann von der Identifikation und dem Aufzeigen von Problemen über die Suche nach Handlungsalternativen oder Lösungsmöglichkeiten für bestimmte Probleme bis hin zur Informationssuche in Bezug auf die Umsetzung bestimmter Handlungsalternativen reichen.[46] Die dritte Phase ist die Phase der Stabilisierung des neuen Zustandes (refreezing), die durch Bestätigung, psychologische Unterstützung und Verhaltensbestätigung gekennzeichnet ist.[47]

2.1.6 Veränderungsstrategien und Interventionstechniken des Change Management auf der personalen und auf der strukturellen Ebene

Für die Gestaltung der einzelnen Phasen des Veränderungsprozesses ist es notwendig, eine Stelle innerhalb der Hierarchie im Betrieb auszuwählen, von der aus der Veränderungsprozess eingeleitet wird. In der Literatur werden diesbezüglich vier Strategien unterschieden, nämlich die Spitze-abwärts- oder top-down-Strategie, die Basis-aufwärts-oder bottom-up-Strategie, die bipolare Strategie und die Keil-Strategie[48], wobei der top-down-Ansatz in den meisten Fällen als der effizienteste angesehen wird, weil Interventionen, die von der Ebene des Top-Managements ausgehen, am ehesten durchsetzbar sind[49] und im Normalfall ein erheblicher Wissensvorsprung der oberen gegenüber den nachgeordneten Ebenen besteht. Je nachdem, welche Veränderungsstrategie gewählt wird, variiert, wer betriebsintern als „Change Agent“ fungiert.

Weil jede Organisation ein komplexes System von Menschen und Objekten darstellt, das anhand einer bestimmten Struktur bestimmte Aufgaben zu erfüllen versucht[50], werden in Projekten des „Change Managements“ idealer Weise ein personaler Ansatz, der auf Veränderungen von Einstellungen und Verhaltensweisen von Schlüsselpersonen im Betrieb oder von Mitarbeitern im Allgemeinen abzielt und ein struktureller Ansatz, der auf die Veränderung der Organisationsstrukturen im Betrieb abzielt, kombiniert.[51]

Im Rahmen des personalen Ansatzes werden als Interventionstechniken verhaltenswissenschaftlich und / oder gruppentherapeutisch geprägte Verfahren angewendet. In so genannten „Sensitivity Trainings“ werden die Schlüsselpersonen oder Mitarbeiter dazu gebracht, die Beschränkungen ihrer bisherigen Einstellungen, Verhaltensweisen zu erkennen, sie zu hinterfragen und alternative Verhaltensweisen einzuüben[52] ; durch Dritt-Parteien-Interventionen oder die Arbeit in Encounter-Gruppen sollen die Konflikt- und Kommunikationsfähigkeiten gestärkt werden.[53]

Der strukturelle Ansatz bedient sich der Techniken auf der Ebene der Organisation, darunter des Kontingenz-Ansatzes, bei dem das Verhältnis zwischen Organisation und Umwelt sowie die Interaktion zwischen Subsystemen in der Organisation analysiert werden[54]. Es geht also um Konfrontationssitzungen, die vorrangig dazu dienen sollen, unter Mitarbeit möglichst vieler Organisationsmitglieder Probleme und Konflikte zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu entwickeln[55], oder das so genannte „Management by Objectives“, anhand dessen eine Integration der Ziele der Organisation mit individuellen Zielen erreicht werden soll.[56] Diese Interventionstechniken zielen zwar auf Veränderungen der Strukturen ab, nach denen die Organisation funktioniert, sie setzten hierzu aber bei Mitarbeitern (auf verschiedenen Ebenen der Organisationshierarchie) an und müssen daher als verhaltenstheoretisch geprägte Interventionsansätze gelten.

Die systemische Intervention stellt eine Interventionstechnik dar, die stark den Konzepten und Begriffen der Systemtheorie verbunden ist. Sie geht von der Fähigkeit von Systemen, sich selbst zu organisieren und zu strukturieren aus und zielt daher „nicht auf Veränderung, sondern auf Verstehen der komplexen Beziehungen und auf eine unvoreingenommene Diskussion der (vermeintlichen) Vor- und Nachteile der bestehenden Strukturen“.[57] Es scheint aber, dass dieser Ansatz gegenüber den verhaltenstheoretisch geprägten Ansätzen im Change Management ein Schattendasein fristet (worauf später noch zurückzukommen sein wird).

Neben den Instrumenten im Rahmen der Strategie zur Gestaltung des Veränderungsprozesses in einer Organisation werden im Change Management auch Instrumente zur Prüfung der Wirksamkeit der Strategie implementiert. Z.B. soll der Erfolg verschiedener Interventionstechniken im Rahmen eines „Change Management“-Projekts durch den Einsatz u.a. von Reportingsystemen und Mitarbeiterbefragungen gewährleistet werden[58]. Dies leitet direkt über zu der Frage danach, wie gut sich Change Management bisher in der Praxis bewährt hat.

2.1.7 Change Management aus der Sicht des Mitarbeiters

Während des Change Prozesses leben die Mitarbeiter bis zum Übergang in die neue Struktur in einem oft sehr unbefriedigenden Zustand. Oft treten in diesem Zusammenhang Unsicherheiten über die Zukunft auf. Es ergeben sich Fragestellungen wie:

- Wie geht es weiter?
- Was wird aus mir?
- Gibt es meinen Job nachher noch?
- Was soll ich nun machen?
- Muss ich mehr arbeiten?

Solche Fragen bewegen und beschäftigen u.a. die Mitarbeiter der Organisation. In diesem Zusammenhang sind erfahrungsgemäß die folgenden zwei Verhaltensweisen zu beobachten:

- Passivität / Winterschlaf:

Der Mitarbeiter identifiziert sich nicht mehr mit dem Unternehmen, macht nur noch Dienst nach Vorschrift (Fall der inneren Kündigung mit sog. l. m. a. A.-Einstellung). Die Folge: es wird nur noch bedingt den Anweisungen des Vorgesetzten gefolgt, Qualitätsprobleme, nachlassende Zuverlässigkeit u.v.m.

- Aktivität / Operative Hektik:

Ein hyperaktiver Aktionismus zeichnet das Tagesgeschäft aus. Es werden Projekte generiert. Der Mitarbeiter möchte überall mitmischen, nichts verpassen um auf jeden Fall in einem guten Licht zu erscheinen. Auch hier zählt nicht die Qualität der Arbeit, sondern die Show nach oben („Zirkus-Veranstaltung“).

Die beiden aufgezeigten Verhaltensmuster sind eher kontraproduktiv und gefährden das operative Geschäft. Die Verhaltensweisen sind also zu beobachten; es ist entsprechend zu intervenieren bzw. für offene Information und Akzeptanz zu sorgen.

3 Organisationsentwicklung und Change Management heute

Wie die bisherigen Betrachtungen herausgearbeitet haben, prägen Veränderungen das heutige Unternehmensbild und die heutige Unternehmenslandschaft. Durch die Globalisierung der Märkte, zunehmende Vernetzung und steigende Transparenz verlaufen diese Entwicklungen immer schneller und schneller, verlangen somit also ständige Anpassung an wechselnde Einflüsse und sowohl die Integration eines entsprechenden „Anpassungs-Managements“ als auch die ständige Weiterentwicklung desselben. Handelte ein Unternehmen früher reaktiv,war mehr oder weniger überrascht von einem Situationswechsel, so agiert es heute prospektiv und plant die mittlerweile erwarteten Änderungen in sein Konzept ein. Die fortlaufende Optimierung von Kommunikations- und Produktionstechnologien erfordert im Sinne der Wettbewerbspositionierung ein hohes Maß an Flexibilität bei gleichzeitig nachhaltiger Sicherung und Entwicklung von Potentialen. Unternehmen unterliegen neben den permanent anstehenden Veränderungen des betrieblichen Ablaufes einem weiteren Wandel, der von Umwelt, Markt, Technik, Konjunktur undGenerationswechsel bedingt wird und sich je nach Verlauf innerhalb von fünf bis zehn Jahren für das gesamte Unternehmen ankündigt.[59]

Das Management von Veränderungsprozessen ist inzwischen zur unternehmerischen Kernkompetenz geworden, wobei nicht übersehen werden kann, dass in den Bereichen der Einführung und Sicherung mit 40% bis 70% eine relativ hohe Quote von Misserfolgen existiert. Ungefähr 75% der durchgeführten Unternehmensumstrukturierungen, sei es als Fusion, Downsizing oder Outsourcing, weisen nicht das gewünschte Ergebnis der Verbesserungen auf, wie Fay & Lührmann feststellen.[60] Gründe für dieses wenig effiziente Ergebnis sind fehlende Beteiligung des Topmanagements, mangelhafte Informations- und Kommunikationsstrukturen wie auch ungenügende Einbeziehung der Mitarbeiter in einer offensichtlich wenig innovationsorientierten Gesamtorganisation.[61] Außerdem muss das entsprechende Change-Management Werkzeug (Methode) der Aufgabe gewachsen sein, der Projektaufwand der Größenordnung des zu bewältigenden Deltas zwischen Soll und Ist entsprechen und dem Menschen den Stellenwert zugestehen, den er verdient. Nicht zuletzt sind u.a. Unfähigkeit des Change-Managers und die aus seiner Sicht verständliche Weigerung, ein persönliches Versagen zuzugeben, denkbar.

Eine weitere Betrachtung dieser Aspekte sowie ein Blick auf die Zukunft der Organisationsentwicklung bzw. des Change Management erfolgt im letzten Kapitel dieses Werkes.

3.1 Organisationsentwicklung heute

Neben den Veränderungen in Organisationen, deren Umfeld und dem Menschenbild unterliegt auch die Organisationsentwicklung und die Sichtweise, bzw. die Definition des gesteuerten Wandels, einer stetigen Veränderung. Organisationsentwicklung unterscheidet sich demnach heute klar von Reorganisation und Business Process Reengineering durch spezifische Planung und Zielorientierung bei langfristiger Orientierung. Dieses steht punktuellen oder kurzzeitigen Gestaltungsmaßnahmen im Prinzip entgegen, da Organisationsentwicklung als langfristig einsetzbares Instrument einen organisationsumfassenden Wandel bezweckt. Nüssel[62] zitiert hierzu passend French und Bell: „Organization development is a long-term effort, led and supported by top management, to improve an organization’s visioning, empowerment, learning, and problem-solving process, through an ongoing, collaborative management of organization culture - with special emphasis on the culture of intact work teams and other team configurations - utilizing the consultant-facilitator role and the theory and technology of applied behavioural science, including action research.”[63]

In das Veränderungsgeschehen sind in der Regel alle Betroffenen involviert und zwar von Beginn bis Ende des Wandels. Lernprozesse und die Entwicklung von Problemlösungen gehören zu den Kernpunkten, wodurch auch der Begriff der lernenden Organisation entstand. Das Schweizer Unternehmen ID Andragogia GmbH[64] konkretisiert hier die Mitarbeiterkomponente, indem sie als Ziel der Organisationsentwicklung bzw. Unternehmensentwicklung die parallel verlaufende Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation/ des Unternehmens im Sinne von Effektivität und die Qualität des Arbeitslebens im Hinblick auf Humanität hervorhebt. Demnach lernen die Mitarbeiter inerster Linie durch Erfahrung, gemäß einem Training on the Job, da sie ein Verständnis für ihre veränderte Tätigkeit entwickeln, indem sie diese ausüben. Wichtig ist dabei der Kenntniserwerb über die organisationsinternen Zusammenhänge und die zugehörige Reflektion. Aus der Abstraktion wird so eine direkte Auseinandersetzung mit definierten Problemen.

[...]


[1] Schreyögg 1999

[2] ebenda

[3] Doppler / Lauterburg1995

[4] Vgl.: Masaaki 1994

[5] Vgl.: http://www.unternehmen-im-netz.com/nds/osnabrueck/wilsum/unternehmen.htm

[6] Vgl.: von der Oelsnitz 1999

[7] Mumford, 2000: 313

[8] Braun-Thürmann 2005, Knoblauch 1996

[9] Argyris 1990, Hammer 1990

[10] Ashby 1968, Bendixen 1980

[11] Wimmer 2003: 3

[12] Lippitt 1974

[13] Sievers 1978: 217

[14] Hierbei ist die Veränderung der Verhaltensweisen, rein prinzipiell gesehen, erstrangig für die Organisationsentwicklung, wobei die Veränderung der Motivationen bzw. der Einstellung der Teilnehmer die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung bedingen und somit unmittelbar den mittel- und langfristigen Erfolg einer Organsationsentwicklungsmaßnahme bzw. einer Change Management-Maßnahme ausmachen.

[15] Baron & Kreps 1999

[16] Stoker et al. 2001

[17] Wimmer 2003: 15

[18] Wimmer 2003: 1

[19] Thom 1997: 201-202

[20] Vgl. RWTH Aachen: Kommunikation und Organisation 2005: 14-19

[21] ebenda

[22] Vgl. Taylor 1911

[23] Vgl. www.wirtschaftslexikon24.de

[24] In enger Anlehnung an RWTH Aachen: Agenda, Kommunikation und Organisation 2005: 14-19

[25] Al-Ani & Gattermeyer 2001: 13

[26] Reiss 1997: 6, Thom 1997: 201

[27] Litke 2004: 20

[28] Vahs 2003: 252

[29] Thom 1997: 201-202

[30] Doppler und Lauterbach 1994: 26

[31] Al-Ani und Gattemeyer 2003: 15

[32] Scholz 1995: 5

[33] Vgl. Reiss 1997: 9

[34] Reiss 1997: 37

[35] Kraus et al. 2004:15

[36] Reiss (1997: 9) beschreibt das Verhältnis zwischen „Change Management“ und einigen der genannten Managementformen wie folgt: „Change Management: Alle Prozesse der globalen Veränderung, sei es durch Revolution oder geplante Evolution, fallen in das Aufgabengebiet des Change Managements. Zu den harten, revolutionären Ansätzen die Modelle der Corporate Transformation und Business Transformation, die innerhalb des „Reengineering“ propagiert werden. Sie stellen alle Bereiche des gewachsenen Kontexts zur Disposition. Weiche, stärker evolutionär angelegte Ansätze stammen aus der Organisationsentwicklung“.

Geissler (1996: 81) fasst alle Veränderungsprozesse als Lernprozesse zusammen, und die Frage, wie Organisationen lernen, ist für ihn Gegenstand des Ansatzes der „lernenden Organisation“. So gesehen wäre Change Management eine Unterkategorie dieses Ansatzes.

Ich selbst widerspreche diesen beiden Auffassungen zum Teil und verstehe Change Management, ähnlich wie auch Kraus, als die Gesamtheit des gesteuerten Wandels. Die einzelnen Change Management-Methoden unterscheiden sich in der Herangehensweise und der Umsetzung, was den unterschiedlichen Ausgangslagen bzw. dem Antrieb, oder, wenn man so will, der Notwendigkeit des Wandels Rechnung trägt. Darüber hinaus unterscheiden sich die verschiedenen Change Management-Ansätze in der Schwere des Eingriffs, also dem Delta zwischen Soll und Ist – und damit unmittelbar in der Wahl der „Instrumente“, sowie der Zielsetzung. Beispielsweise ist der Unterschied eines „Turn-Around“ zu einer „KVP“-Entwicklung in Art, Methodik, Zielsetzung und Umsetzungsmaßnahmen, sowie „Impact“, also Auswirkungen auf die sich verändernde Organisation deutlich auszumachen. Beide sind aber „managed“ und beide sind „change“.

[37] Staehle 1999: 3; Müller (1986:53-58) unterscheidet in Entsprechung zu den jeweils bedrohten Unter- nehmenszielen strategische Krisen, Erfolgskrisen und Liquiditätskrisen.

[38] Lüthy 1988: 47 sowie Probst & Raisch 2005: 90

[39] Beispielsweise: Turn Around, Merger, feindliche Übernahme

[40] Vgl. Krüger 1994: 216

[41] Thom 1996: 7-9

[42] Siehe dazu: ABB 12

[43] Schreyögg & Noss 1995

[44] Zand & Sorensen 1975: 535

[45] Vahs 2003: 322

[46] Zand & Sorensen 1975: 535

[47] Vgl. Zand & Sorensen 1975: 535-536; Beispielhaft für die im Change Management verwendeten Modelle von Veränderungsprozessen seien das vier Phasen umfassende Modell von Becker / Langosch (1995: 53-54) und das sieben Phasen umfassende Modell von Streich (1997) genannt. Beide sind lediglich Ausformulierungen des 3-Phasen-Modells von Lewin.

[48] Thom 1996: 14-18

[49] Staehle 1999: 935

[50] Staehle 1999: 94

[51] Thom 1992: 1481-1482

[52] Vgl. hierzu z.B. das Modell von Schein & Bennis 1965

[53] Vgl. z.B. das sechsstufige Modell für die Arbeit in Encounter-Gruppen von Rogers 1974: 127

[54] Vgl. Lawrence & Lorsch 1967

[55] Beckhard 1967

[56] Beck & Hillmar 1976

[57] Staehle 1999: 970

[58] Vgl. Doppler & Lauterburg 1995: 95-99 sowie Al-Ani & Gattermeyer 2000: 21-33

[59] Vgl. Nutt , in: Elke 2004: 1083-1103

[60] Vgl. Fay & Lührmann , in: Elke 2004

[61] Vgl. Baer / Frese 2003, in: Elke 2004: 45-68

[62] Vgl. Nüssel 1999/2000: 15

[63] French & Bell, in: Nüssel 1995: 28

[64] Vgl. http://ida.ch/index.htm

Excerpt out of 95 pages

Details

Title
Von der Organisationsentwicklung zum Change Management. Ausblick in die Zukunft
College
University of Applied Sciences Bremen
Author
Year
2009
Pages
95
Catalog Number
V177162
ISBN (eBook)
9783640986620
ISBN (Book)
9783640986781
File size
1247 KB
Language
German
Notes
Überarbeitet 2011
Keywords
Organisationsentwicklung, Change Management, Changemanagement, Unternehmensführung, Unternehmensentwicklung
Quote paper
Andreas Walde (Author), 2009, Von der Organisationsentwicklung zum Change Management. Ausblick in die Zukunft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177162

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