Instrumente neuronaler Kommunikation am POS und ihre Wirkung


Tesis (Bachelor), 2011

89 Páginas, Calificación: 1,8


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung und Relevanz des Themas
1.2. Zielsetzung der Arbeit und methodische Vorgehensweise

2. Grundlagen
2.1. Neuroökonomische Grundlagen
2.1.1. Begriffsabgrenzung
2.1.2. Vom Behaviorismus zum Neobehaviorismus
2.1.3. Methoden des Neuromarketings
2.2. Neurobiologische Grundlagen
2.2.1. Neuronen
2.2.2. Wichtige Gehimareale und ihre Funktionen
2.2.3. Limbisches System

3. Psychologischer Bezugsrahmen
3.1. Definition und Bedeutung von Emotionen
3.2. Limbic Map®
3.2.1. Vorstellung des Modells
3.2.2. Würdigung
3.3. Motivstrukturanalyse
3.3.1. Vorstellung des Modells
3.3.2. Würdigung

4. Neuronale Kommunikation am POS
4.1. Codes - Zugänge ins Kundenhim
4.1.1. Sprache
4.1.2. Geschichten
4.1.3. Symbole
4.1.4. Sensorik
4.2. Multisensorik am Einkaufsort
4.2.1. Farben und Formen
4.2.2. Raumgefühl
4.2.3. Warenpräsentation
4.2.4. Digital Signage
4.2.5. Duft
4.2.6. Musik

5. Potentiale und Grenzen des Neuromarketings

6. Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis:

Anhang

Verzeichnis der nummerierten Abbildungen im Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Einflussfaktoren derNeuroökonomie

Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung der Funktionsweise der Black Box

Abbildung 3: The Big Pie

Abbildung 4: Primäre (hellgrau) und gemischte Emotionen (dunkelgrau)

Abbildung 5: Die Motivdynamik im Gehirn

Abbildung 6: Die Limbic Map®

Abbildung 7: Das Logo eines Optikergeschäftes

Abbildung 8: Bilder der Marken Milka und der Telekom

Abbildung 9: Die Bedeutung von Farben

Abbildung 10: Beispiele von geprüften Warenbildem

Abbildung 11: Durchschnittliche Aktivierungsgrade gemessen mit dem MEG

Abbildung 12: Höchste Lauffrequenz im Bereich der digitalen Medien

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Mischtypen der "Big 3"

Tabelle 2: Klassifizierung von Duftstoffen

Tabelle 3: Auswirkungen von Tongeschlecht und Tempo auf die Stimmung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Problemstellung und Relevanz des Themas

Angesichts der hohen Marktsättigung und der begrenzten Informationsaufnahme- und Wahmeh- mungskapazität des menschlichen Gehirns, wird es fur Anbieter auf dem Markt zunehmend schwerer, die Aufmerksamkeit des Konsumenten zu erreichen.[1] Die Zahlen sind erschreckend: Alleine in Deutschland werden über 50.000 Marken aktiv beworben, weltweit kommen jährlich 26.0 neue Produkte auf den Markt und ein gewöhnlicher Supermarkt führt im Durchschnitt 10.0 Artikel.[2] Voraussetzung für den Erwerb und die Sicherung einer herausragenden Wettbe­werbsposition ist demnach, die Wahmehmungskompetenz seines Unternehmens zu schärfen.[3]

Die traditionellen, zur Erforschung des Entscheidungs- und Kaufverhaltens des Konsumenten eingesetzten Instrumente wie Fragebögen, Einzelinterviews oder Beobachtungen, sind nur bedingt in der Lage, unbewusste Komponenten und emotionale Aspekte sowie die Wirkung von Reizen auf innere Prozesse des Konsumenten zu erklären.[4] Dies liegt u.a. daran, dass Konsumenten die wahren Motive ihres Kaufverhaltens und Produktpräferenzen oftmals selbst nicht verbalisieren und erklären können. Unter dem Einfluss von Meinungsführern und der unbewussten Wirkung vieler Signale werden die Ergebnisse des herkömmlichen Marktforschungsinstrumentariums daher meist verzerrt und verfälscht. Trotz dieser Erkenntnis und dem Fakt, dass ca. 80 Prozent aller Produkt- und Kampagnenneueinführungen keinen Erfolg haben, wird heute dennoch der Großteil aller Untersuchungen im Bereich der Konsumenten- und Verhaltensforschung durch verbale Messmethoden durchgeführt.[5] Um ein besseres Verständnis für die Produktwirkung auf den Kon­sumenten zu erlangen, bedient sich das Marketing deshalb zur Klärung von KaufVerhalten und Markenwirkung verstärkt wissenschaftlicher Nachbardisziplinen wie den Neuro- und Kognitions­wissenschaften, welche von biologischen und medizinischen, aber auch psychologischen Einflüs­sen geprägt sind. Besonders die Erkenntnisse der Hirnforschung erwecken zunehmend das Interes­se der Wissenschaft und Praxis im Hinblick aufMarkenführung, Werbung und Verkauf und die damit einhergehende Bedeutung neuronaler Kommunikation. Dieser „Neuro-Hype“ zeigt, dass die herkömmlichen Verfahren und Instrumente des Marketings für die Praxis unzureichend sind[6] und die Bedeutung von Emotionen im Einkaufsprozess von Standardökonomen bisher unterschätzt wurden[7]. So trifft der heutige Konsument ca. 95 Prozent aller Entscheidungen unbewusst, weil er den Großteil der ihm gebotenen Informationen nicht wahmimmt. In der Marketing-Forschung hingegen ist man sich schon längere Zeit darüber bewusst, dass Emotionen und Gefühle einen sehr hohen und oft unterschätzten Einfluss auf das Konsumentenverhalten haben. Produkte werden nicht ausschließlich wegen ihres Produktnutzens gekauft, sondern aufgrund ihres zusätzlichen emotionalen Erlebniswertes.[8] Mit dem stark gestiegenen Interesse an diesem Thema (vgl. Anhang I) wachsen gleichzeitig auch die Erwartungen an den Wissens- und Forschungsstand auf diesem Gebiet.[9] Inzwischen geben einschlägige Literatur und Forschungsbemühungen detailliertes Wissen über biologische Vorgänge bei der Wahrnehmung, Erinnerung und Bewertung preis, die für die Marketingpraxis von hohem Nutzen sind. Bisherige Studien zeigen z.B., dass maßgebliche Zu­sammenhänge zwischen Vorgängen im Gehirn und Prozessen im Organismus bestehen.[10] Mit Hilfe neuroökonomischer Messverfahren ist es nun sogar möglich, Gehimaktivitäten im Moment der Entscheidung zu beobachten und bildlich wiederzugeben.[11]

Das POS-Marketing bedient sich dieser Erkenntnisse und schafft durch Instrumente mit einer höheren Wahmehmungsqualität neue Alternativen für die Kundenkommunikation.

1.2. Zielsetzung der Arbeit und methodische Vorgehensweise

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand neuester Erkenntnisse der Hirnforschung einen Einblick in die junge Disziplin des Neuromarketings zu geben. Damit einhergehend soll Aufschluss darüber ge­geben werden, welchen Mehrwert diese Erkenntnisse tatsächlich für die Markenführung und - kommunikation sowie die Marketing-Praxis haben. Im Fokus dieser Überlegungen steht speziell die Wirkungsweise neuronaler Kommunikation am POS und somit die Frage, inwieweit der Ein­satz ausgewählter Instrumente des Neuromarketings die Kaufentscheidungen der Konsumenten am Einkaufsort positiv beeinflussen kann. Die Vorgehensweise gestaltet sich daher wie folgt:

Zuerst werden im Rahmen des aktuellen Forschungsstandes des Neuromarketings sowohl neuro- ökonomische als auch neurobiologische Grundlagen erläutert und essentielle Begriffe definitorisch voneinander abgegrenzt. Sie bilden die Basis fur die sich anschließenden Kapitel und die Beant­wortung der Fragestellung. Im Verlaufe des folgenden Kapitels wird anhand von zwei grundle­genden neurowissenschaftlich fundierten Modellen gezeigt, welche Werte und Motive den Men­schen antreiben und welcher Zusammenhang zwischen Emotion, Kognition und Verhalten besteht. In diesem Zusammenhang wird geklärt, inwieweit sich Emotionen auf die Wahrnehmung und Entscheidungsfindung am POS auswirken. Das sich nächste Kapitel bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit. Zunächst wird verdeutlicht, über welche Codes Zugang zum Gehirn des Konsumenten erlangt werden kann. Darauf aufbauend werdenjene Instrumente vorgestellt, die mit Hilfe der Codes am POS das KaufVerhalten der Konsumenten maßgeblich beeinflussen können und somit einen erheblichen Mehrwert für die Marketing-Praxis erbringen. Die Wirkung sowie die Bedeu­tung dieser neuronalen Kommunikationsinstrumente werden unter Anwendung der vorgestellten Modelle und Grundlagen erläutert und durch verschiedene Beispiele untermauert. Basierend auf diesen Informationen sollen dann die Potenziale, aber auch die Grenzen des Neuromarketings aufgezeigt werden, sodass abrundend eine Schlussbetrachtung durchgeführt werden kann, welche bezugnehmend auf die zugrundeliegende Fragestellung die gewonnenen Erkenntnisse nochmals zusammenfasst und einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung und den Stellenwert des Neu­romarketings gibt.

2. Grundlagen

„Nicht jeder Mensch ist Dein Kunde, aber jeder Deiner Kunden ist ein Mensch!“

NeuromerchandisingGroup

Das folgende Kapitel zeigt, welchen Stellenwert das Neuromarketing im Spannungsfeld wissen­schaftlicher Disziplinen im 21. Jahrhundert einnimmt und welche verhaltenswissenschaftlichen Modelle dieserjungen Fachrichtung zugrunde liegen. Darüber hinaus gibt es einen Einblick in diagnostische Verfahren zur Messung neurowissenschaftlicher Sachverhalte und in neurobiologi­sche Zusammenhänge des menschlichen Organismus, insbesondere in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns.

2.1. Neuroökonomische Grundlagen

2.1.1. Begriffsabgrenzung

Um das Konsumentenverhalten erklären zu können, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig, welche fachspezifische Erkenntnisse miteinander vereint. Ein Erkenntniszuwachs bedingt die Auflösung der Grenzen zwischen den Neuro- und Kognitionswissenschaften als eigenständige Fachgebiete sowie der benachbarten Disziplin der Ökonomie. Die Neurowissenschaft ist ein Wis­senschaftsbereich, der Disziplinen wie Medizin, Biologie und Gehimforschung umfasst. Im Mit­telpunkt der Kognitionswissenschaften hingegen steht die Erforschung kognitiver Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Lernen und Denken, welche maßgeblich von psychologischen Einflüssen geprägt sind. Die Ökonomie beschäftigt sich u.a. mit marketingspezifischen Fragestellungen. Aus dieser Kombination entsteht eine neue Forschungsrichtung: die Neuroökonomie. Das Neuromarketing wird in diesem Zusammenhang als ein Teilgebiet der Neuroökonomie verstanden (vgl. Abb. I).[12]

Abbildung 1 : Einflussfaktoren der Neuroökonomie

Quelle: Eigene Erstellung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Neuroökonomie versucht, ökonomisch relevante Sachverhalte mit neurowissenschaftlichen Methoden zu verknüpfen, indem sie die Wechselwirkungen zwischen den dargestellten Wissen­schaftsgebieten untersucht.[13]

Die Schnittstelle der Anwendung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse auf das traditionelle Mar­keting ergibt das Neuromarketing.[14]

Der Bereich des Neuromarketings wird im engeren Sinn als der Einsatz von Verfahren der Hirn­forschung zu Marktforschungszwecken verstanden.

Im erweiterten Sinne hingegen beschreibt Neuromarketing den Versuch, „neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden zur weiteren Durchdringung (absatz-) wirtschaftlicher Fragestellun­gen zu nutzen“[15], indem ein umfassenderes Verständnis über menschliches Verhalten gewonnen wird, als es bisher im Rahmen klassischer Kaufverhaltensforschung möglich war. Studien, in denen Methoden und Erkenntnisse der Gehimforschung mit ökonomischen Fragestellungen ver­knüpft wurden, erwiesen neues Wissen zum Verständnis der Wirkung von Stimuli (Marken, Wer­bung, etc.) auf das menschliche Kauf- und Entscheidungsverhalten (vgl. Anhang II).[16] So konnte die Integration der Erkenntnisse der aktuellen Hirnforschung in die Marketingpraxis und- theorie bereits große Fortschritte in der neurowissenschaftlichen Bewusstseins- und Emotionsforschung, sowie der Persönlichkeits-, Geschlechts- und Alternsforschung herbeiführen, von denen sowohl die Markenforschung als auch die Werbewirkungsforschung profitieren.[17] Im weiteren Verlauf der Arbeit wird insbesondere das primäre Ziel des Neuromarketings, Marke­tingmaßnahmen durch das Erforschen von Gehirnaktivitäten effektiver zu gestalten, aufgegriffen.[18]

2.1.2. Vom Behaviorismus zum Neobehaviorismus

Zur genaueren Untersuchung des Konsumentenverhaltens ist es nötig, die Forschungsrichtungen des (Neo-) Behaviorismus zu unterscheiden.[19]

Der BegriffBehaviorismus entstammt dem amerikanischen Sprachraum und beschreibt die Theo­rie der Verhaltenswissenschaft und -analyse. Dem wissenschaftstheoretischen Standpunkt des Behaviorismus wird zugrunde gelegt, dass das Verhalten von Menschen und Tieren durch die Wechselwirkung von Reiz und Reaktion entsteht und mit den Methoden der Naturwissenschaft objektiv untersucht werden kann. In diesem Ansatz wird das Bewusstsein des lernenden Menschen als sog. Black Box betrachtet.[20] Dieser „schwarze Kasten“ kommt einem Modell zur Verarbeitung von inneren und äußeren Reizen eines Systems gleich und steht metaphorisch für sämtliche psy­chischen und kognitiven Prozesse, die sich zur Zeit des frühen Behaviorismus nicht mit objektiv naturwissenschaftlichen Methoden messen oder beschreiben ließen. Somit galten Motivation, Denken, Kreativität und Erinnerungen des Menschen als der Wissenschaft unzugänglich. Die in der Box stattfindenden Prozesse werden lediglich anhand von Stochastikprozessen bewertet. Als Untersuchungsmethode dient das Stimulus Response Modell (S-R-Modell), welches durch die Messung von In- und Ouputgrößen Aussagen darüber zulässt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein äußerlich zugeführter Reiz auf einen Organismus eine gewisse Reaktion hervorruft. Dieser Reiz kann z.B. eine Werbekampagane sein, welche darauf abzielt, den Konsumenten zum Kauf des beworbenen Produktes zu bewegen. Der Kauf würde in dem Fall die Reaktion des Rezipienten darstellen (vgl. Anhang III). Innere Denk- und Verarbeitungsprozesse werden von Befürwortern des Behaviorismus ignoriert, wodurchjeglicher psychologischer Bezug ausbleibt.[21] Indem dieses Modell auf ein biologisches System übertragen wird, kann die Black Box mit dem Gehirn gleichgesetzt werden, welches ein bestimmtes Verhalten infolge der Reizverarbeitung auslöst (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung der Funktionsweise der Black Box

Quelle: Eigene Erstellung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der Vernachlässigung der Erklärung der Prozesse zwischen Stimulus und Response ist das zentrale Problem dieses Modells zu sehen. Es kann somit keine Erklärung darüber abgegeben werden, warum ein Kunde ein Produkt kauft, welches von einem anderen möglicherweise über­haupt nicht wahrgenommen wird.[22]

Der neobehavioristische Ansatz hingegen unternimmt den Versuch, das Konsumentenverhalten durch die Betrachtung psychischer Prozesse und nicht beobachtbar interner Vorgänge zu erklären und überwindet so die ausschließliche Beobachtung von Reiz und Reaktion.[23] Mittels des Stimu- lus-Organismus-Response-Modells (S-O-R-Modell) kann die Einwirkung verschiedener Determi­nanten auf den Organismus erforscht werden, indem neben beobachtbaren Variablen ebenso inter­venierende Variablen betrachtet werden.[24] Als Reaktion darauf, dass bestimmte Forschungsprob­leme mittels des klassischen Behaviorismus nicht zu lösen sind, legt der Neobehaviorismus die Annahme zugrunde, dass eine Reaktion erst dann eintritt, wenn der Stimulus im Organismus ver­arbeitet wurde. Folglich kommt es zu einer inhaltlichen Strukturierung der Black Box. Das hypo­thetische Konstrukt zwischen Stimulus und Response bildet nun die Einstellung des Konsumenten, welche durch aktivierende und kognitive Prozesse entsteht.[25] Aktivierende Prozesse umfassen z.B. Emotion und Motivation und äußern sich durch innere Erregung und Spannung. Kognitive Prozes­se hingegen spiegeln Wahrnehmung und Lernen im Sinne einer gedanklichen Informationsverar­beitung wieder.[26] Ein Reiz ruft jedoch nicht bei jedem Individuum gleich starke aktivierende und kognitive Prozesse hervor, da die damit verbundene Reaktion, wie etwa das Treffen einer Kauf­entscheidung, emotional und unbewusst gesteuert wird und darüberhinaus von organismusintemen Faktoren wie Bedürfnissen, Überzeugungen, Werten und Wahrnehmungsbereitschaften abhängt (vgl. Anhang IV). Aufgrund der mangelnden Validität von Befragungen und Experimenten kön- nenjedoch auch im neobehavioristischen Ansatz die für das Kaufverhalten verantwortlichen Pro­zesse nur unzureichend erklärt werden, was die Einbeziehung interdisziplinärer Methoden in die Kaufverhaltensforschung notwendig macht.[27]

2.1.3. Methoden des Neuromarketings

Die Methoden des Neuromarketings sind vielfältig.[28] Im Folgenden soll daher lediglich ein kurzer Einblick in häufig verwandte und für die vorliegende Arbeit relevante Verfahren gegeben werden. Weitere neurowissenschaftliche Verfahren sind ergänzend in Anhang V zu finden.

Die zurzeit einflussreichsten Verfahren der Himforschung sind die funktionelle Magnetresonanz­tomographie (fMRT) sowie die Magnetoencephalographie (MEG).[29]

Das fMRT, umgangssprachlich der Himscanner genannt, fällt unter die Kategorie der bildgeben­den Verfahren, welche v.a. fur das Neuromarketing interessant sind. Diese Verfahren nutzen be­stimmte physikalische Eigenschaften des neuralen Gewebes mit dem Ziel, „dessen Struktur und die in ihm ablaufenden Prozesse zu erfassen und bildlich wiederzugeben“. Es werden sowohl die anatomische Struktur des Gewebes (Gehirns), als auch Aktivierungen abgebildet, auf deren Grundlage Kaufentscheidungen erklärt und die Wirkung von Marketingsmaßnahmen sichtbar gemacht werden können.[30] Das fMRT ermöglicht die Darstellung aktivierter Gehimstrukturen beim Denken und Fühlen und macht Stoffwechselvorgänge sichtbar, indem es die Veränderung zwischen sauerstoffarmem und -reichem Blut beim Aktivwerden des Gehirns misst. Die neuronale Aktivität an sich kann dabei jedoch nicht angezeigt werden. Der Scanner macht vielmehr die phy­siologischen Veränderungen sichtbar, welche mit neuronalen Aktivitäten im Zusammenhang ste­hen. Die von ihm ausgegebenen Bilder der Messung sind statistische Kennzahlen, welche die Wahrscheinlichkeit darstellen, mit der eine Gehimaktivität auf den dargebotenen Reiz zurückzu­führen ist.[31] Die Herausforderung besteht vor allem darin, den angezeigten Gehimbereichen abge­grenzte Zuständigkeiten zuzuordnen und Systemzusammenhänge zu erkennen, weil insbesondere in den höheren Gehirnzentren gleiche Bereiche die unterschiedlichsten Aufgaben zur selben Zeit übernehmen. Die Untersuchung mittels Hirnscanner ist daher sehr aufwändig und erfordert einen erheblichen zeitlichen sowie finanziellen Aufwand.[32]

Elektrophysiologische Verfahren hingegen messen lediglich die elektrische Aktivität der Neuro­nen.[33] Da die Ursache magnetischer Signale des Gehirns seine elektrischen Ströme sind, kann man insbesondere mit dem MEG die momentane Gehirnaktivität ohne zeitliche Verzögerung aufzeich­nen. Neben dieser Fähigkeit ist dieses Verfahrens auch in seiner räumlichen Auflösung gleicharti­gen Verfahren überlegen. Vor allem subkortikale Strukturen können sehr gut erfasst werden.[34] Allerdings kann die Aktivität tieferer Gehimbereiche, wie die des limbischen Systems, welches speziell bei Konsum- und Kaufentscheidungen eine große Rolle spielt, nicht erfasst werden.[35] Der Nachteil beider Verfahren liegt einerseits darin, dass zwar die zum Zeitpunkt der Aufgaben­bewältigung aktiven Himareale abgebildet werden, dies aber dennoch kein Beweis dafür ist, dass die Areale dafür tatsächlich notwendig sind. Es handelt sich lediglich um korrelative Zusammen­hänge.[36] Andererseits besteht die Schwierigkeit, die Ergebnisse der Messung richtig zu interpretie­ren und dabei die Unterschiede jedes Individuums nicht außer Acht zu lassen.

Es lässt sich festhalten, dass die vorgestellten Verfahren die traditionelle Marktforschung durch wichtige Erkenntnisse und Hinweise ergänzen, ohne dabei in die Privatsphäre des Konsumenten einzudringen.[37] Sie sind zudem z.B. signifikant für die Emotionsforschung, welche einen zentralen Stellenwert im Bereich des Neuromarketings einnimmt.[38] Dajedes Verfahren eine spezifische Stärke innehält, sollten sie in der Praxis komplementär angewandt und genutzt werden.[39]

2.2. Neurobiologische Grundlagen

2.2.1. Neuronen

Um die lebensnotwendige Energiezufuhr und andere lebenserhaltende Funktionen sicherzustellen, muss der Mensch über seinen eigenen Zustand und die ihm zugeführten Informationen aus seiner Umwelt verfügen können. Diese Funktion erfüllen Sinnesrezeptoren, sog. Neuronen, indem sie physikalische und chemische Ereignisse in Signale umwandeln, welche innere Vorgänge und schlussendlich auch das Verhalten eines jeden Lebewesens beeinflussen.[40] Neuronen sind die Basis neuronaler Erregungsverarbeitung und werden als Bindeglied zwischen verschiedenen Himteilen und innerhalb dieser verstanden. Sie sind Zellen des menschlichen Ner­vensystems und bilden die „psychische Grundlage unseres geistigen Wachstums“[41]. Sie besitzen längliche Zellfortsätze, welche Axone genannt werden sowie Fortsätze, sog. Dendriten, welche die Informationen von Nervenzellen empfangen können. Jene Fortsätze, welche im umgekehrten Sinne Informationen an die Nervenzellen weiterleiten, bezeichnet man als Neuriten. Als Verschal­tungsstellen zwischen den Nervenzellen und Überträger von Erregungsimpulsen fungieren die Synapsen (vgl. Anhang VI).[42] Die neuronale Kommunikation findet mittels chemischer Neuro­transmitter statt, welche sowohl Erregungen als auch Hemmungen der Zellen auslösen können. Aufgrund ihrer komplexen Verknüpfungen sind sie dazu in der Lage, dynamische Prozesse im menschlichen Bewusstsein hervorzurufen, wie etwa Sinneseindrücke oder Erinnerungen.[43] Im Neuromarketing haben vor allem die Spiegelneuronen eine herausragende Bedeutung, weil sie im Gehirn unbewusst Gefühle und Stimmungen sowie Reaktionen und Handlungen anderer Men­schen widerspiegeln und darüber hinaus erahnen können. Jeder Mensch besitzt dieses Resonanz­system von Geburt an und nimmt bereits in den ersten Lebenstagen Aktionen der Spiegelung vor. Spiegelneuronen sind deshalb so einzigartig, weil sie bereits Signale aussenden, wenn eine Hand­lung nur beobachtet wird. Das liegt u.a. daran, dass das menschliche Gehirn bestimmte Muster abgespeichert hat, welche ihm die Bedeutung eine bestimmte Handlung symbolisieren.[44] Bewe­gungsmuster oder Körperzeichen des Gegenübers können somit vorbewusst wahrgenommen und vorausschauend zu Ende geführt werden. So ist es möglich, dass Menschen durch ein volles Kauf­haus gehen, ohne dabei mit anderen zusammenzustoßen. Ebenso kann die Spiegelung von Emo­tionen aber auch verweigert werden, wenn andere starke Emotionen dieses System blockieren.[45] Einige Neurowissenschaftler vermuten, dass die Gliazellen als Teil des Nervensystems viel be­deutsamer für die Informationsverarbeitung im Gehirn sind, als Neuronen. Ungeachtet dessen steht fest, dass zum aktuellen Forschungsstand (Spiegel-) Neuronen einen maßgeblichen Anteil bei der Analyse neuronaler Vorgänge im Organismus und der Weiterentwicklung der Hirnforschung haben.

2.2.2. Wichtige Gehirnareale und ihre Funktionen

Besonders für die Anwendung bildgebender Verfahren und zur effektiveren Ausgestaltung eines neurowissenschaftlich fundierten Marketingkonzeptes ist es wichtig, die anatomische Beschaffen­heit des Gehirns zu verstehen und den Aufbau sowie die Funktion der wichtigsten Gehimbereiche zu kennen. Denn sie sind bei emotionalen, kognitiven und motorischen Prozessen von großer Bedeutung. Zelluläre Mechanismen im Gehirn ermöglichen es überhaupt erst, dass Menschen Emotionen empfinden, denken und handeln können.[46]

Anatomisch betrachtet lässt sich das menschliche Gehirn in Vorder-, Mittel- und Hinterhim glie­dern. Diese Hauptkategorien lassen sich wiederum in Unterkategorien und deren Hauptstrukturen untergliedern (vgl. Anhang VII).

Zudem wird zwischen der linken Gehirnhälfte, welche Regeln und Informationen speichert und der rechten Gehirnhälfte, welche diese Regeln in einen logischen Zusammenhang bringt, unter­schieden. Im Folgenden werden lediglich die für die Marketing-Praxis relevantesten Areale und ihre wichtigsten Funktionen näher erläutert, insbesondere die Funktionen der einzelnen Himberei- che des Neokortex (vgl. Anhang VIII) als größten Teil der Großhimoberfläche.

Der Neokortex verfugt über die Fähigkeit, riesige Datenmengen über fünf Sinneskanäle aufzu­nehmen, zu verarbeiten und anschließend zu speichern.[47] Abgesehen von sensorischen und motori­schen Arealen existieren in ihm kognitiv-assoziative Areale für die komplexe Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung, exekutive Areale, die mit der Verhaltensplanung vertraut sind und limbische Areale, welche für Emotion, Motivation und Verhaltensbewertung zuständig sind.[48] Der präfrontale Kortex ist einer der bedeutendsten Teilbereiche des Neokortex, denn er modifiziert die subjektive Bedeutung von Umweltreizen durch kognitive Kontrollprozesse und verbindet so emo­tionales Wollen mit der Umsetzung dieser Handlung. Er ist daher besonders bei Kaufentscheidun­gen aktiv.[49] Im Vergleich zu darunter liegenden Himstrukturen kann er schnell neue Erfahrungen aufnehmen. Zwei große Einheiten, eine emotionale und eine funktional-kognitive, übernehmen seine wichtigsten Funktionen, wobei die emotionale Einheit heute dem limbischen System zu­geordnet wird. Sie übernimmt Funktionen wie Aufmerksamkeitsfokussierung, Verhaltens- und Reaktionsvorhersage anderer Menschen sowie die Speicherung von Belohnungserlebnissen und die Bildung von Erwartungshaltungen. Die funktionale Einheit hingegen umfasst das gesamte Aufgabenmanagement und ist zuständig dafür, genügend Aufmerksamkeit zur Aufnahme und Verarbeitung neuer Stimuli zu erbringen. Sie wird daher auch als Arbeitsgedächtnis bezeichnet. Neben dem präfrontalen Kortex besitzt der Neokortex noch 52 weitere wichtige Funktionsareale, wie etwa den visuellen oder den auditiven Kortex, welche jeweils für die bildliche bzw. akkusti­sche Wahrnehmung verantwortlich sind. Motorische Handlungsplanungen und konkrete Entschei­dungen steuert das prämotorische und supplement-motorische Feld. Jeder Bereich übernimmt seine eigenen, spezifischen Aufgaben. Der inferotemporale Kortex setzt anschließend die komple­xen Sinneseindrücke zu einem ganzheitlichen Bild zusammen, während der posterior-parietale Kortex den kompletten Raum-Zeitbezug des Körpers koordiniert.[50]

Der Assoziationskortex ist am stärksten mit dem limbischen System verknüpft. Im Wesentlichen entstehen die mentalen Funktionen hier durch die Wechselwirkung mit sensorischen und motori­schen Systemen. Es finden Aufgaben wie Lernen, Erinnern oder Planen statt, welche als Verbin­dungsstelle zwischen Informationsverarbeitung und Handlung notwendig sind.[51] Das Zusammenspiel der einzelnen Areale ist hochkomplex und bildet eine wichtige Grundlage für das Verstehen neuronaler Zusammenhänge und kognitiver Prozesse, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit speziell eingegangen wird. Anhang IX zeigt daher im Überblick die wichtigsten Teile des Neokortex und ihre Funktionen.

2.2.3. Limbisches System

Das limbische System ist die Macht- und Entscheidungszentrale unseres Organismus und definiert all jene Gehimstrukturen, die wesentlich mit der Verarbeitung von Emotionen und emotional­affektiven Zuständen beschäftigt sind, jedoch auch andere wichtige Funktionen übernehmen.[52] Es steht daher in enger Verbindung mit Vorstellungen, der Gedächtnisleistung sowie dem Steuern und Bewerten von Handlungen. Die verschiedenen Zustände können sowohl bewusst als auch unbewusst ablaufen.[53]

Das limbische System ist neben der Kontrolle des affektiven Verhaltens auch an Lernprozessen beteiligt und zudem zuständig für die Speicherung von Gedächtnisinhalten und die Verarbeitung von Sinnesimpulsen. In diesem Assoziationssystem entstehen somit u.a. auch unsere Konsum- und Kaufwünsche.[54] Als die wichtigsten Komponenten des limbischen Systems sind die Kerngebiete des Mittel- und Zwischenhirns sowie Gebiete des Endhims hervorzuheben, welche im Folgenden näher definiert und in ihren Funktionen voneinander abgegrenzt werden (vgl. Anhang X).

Der Hypothalamus ist der Boden des Zwischenhirns und ein wichtiges Steuerorgan für das vegeta­tive Nervensystem sowie das Hormonsystem. Weil er mit fast allen Teilen des Gehirns verbunden ist, wird ihm die Bezeichnung als Kontrollzentrum gerecht. Daneben ist er auch das Zentrum für Vitalbedürfnisse wie Hunger, Schlaf, Durst und Sex. Indem er die Ausschüttung von Nervenbot- schaften und Hormonen veranlasst, kann er die Bewertungen anderer Himareale, wie bspw.

[...]


[1] Vgl. Traindl (2007), S. 49.

[2] Vgl. Scheier/Held (2007), S. 92.

[3] Vgl. Kirichuk (2008), S. 7.

[4] Vgl. Scheier/Held (2008), S. 15.

[5] Vgl. Scheier/Held (2008), S. 14 f.

[6] Vgl. Häusel (2007a), S. 9.

[7] Vgl. Mau (2009), S. VII.

[8] Vgl. Kirichuk (2008), S. 8 f.

[9] Vgl. Kenning (2007), S. 19.

[10] Vgl. Fehse (2009), S. 9 f.

[11] Vgl. Kenning (2007), S. 20.

[12] Vgl. Ceranic (2007), S. 2 f.

[13] Vgl. Raab/Gemsheimer/Schindler (2009), S. 3.

[14] Vgl. Raab/Gemsheimer/Schindler (2009), S. 6.

[15] Kenning (2007), S. 18.

[16] Vgl. Häusel (2007a), S. 10.

[17] Vgl. Kenning (2007), S.21.

[18] Vgl. Ceranic (2007), S. 4.

[19] Vgl. Möll (2007), S. 5.

[20] Vgl. Felix (2008), S. 22.

[21] Vgl. Foscht/Swoboda (2007), S. 23 ff.

[22] Vgl. Felix (2008), S. 23.

[23] Vgl. Möll (2007), S. 5.

[24] Vgl. Ceranic (2007), S. 25.

[25] Vgl. Felix (2008), S. 23.

[26] Vgl. Foscht/Swoboda (2007), S. 24.

[27] Vgl. Felix (2008), S. 25.

[28] Vgl. Weber (2011), S. 43.

[29] Vgl. Häusel (2007c), S. 210 f.

[30] Kenning (2007), S. 20.

[31] Vgl. Häusel (2007c), S. 212 f.

[32] Vgl. Häusel (2007c), S. 216.

[33] Vgl. Ceranic (2007), S. 16.

[34] Vgl. Weber (2011), S. 47.

[35] Vgl. Häusel (2007c), S. 218 ff.

[36] Vgl. Weber (2011), S.43.

[37] Vgl. Häusel (2007c), S. 217 f.

[38] Vgl. Möll (2007), S. 79.

[39] Vgl. Ceranic (2007), S.21.

[40] Vgl. Roth (2003), S. 53 f.

[41] Fehse (2009), S. 49.

[42] Vgl. Internetrecherche vom 23.04.2011 : Löchli: Neuronen und Synapsen (siehe Literaturverzeichnis).

[43] Vgl. Fehse (2009), S. 49.

[44] Vgl. Fringes (2011), S. 71.

[45] Vgl. Intemetrecherche vom 23.04.2011 : Kaufmann: Spiegelneuronen (siehe Literaturverzeichnis).

[46] Vgl. Raab/Gemsheimer/Schindler (2009), S. 93.

[47] Vgl. Bittner/Schwarz (2010), S. 27.

[48] Vgl. Raab/Gemsheimer/Schindler (2009), S. 104 ff.

[49] Vgl. Scheibe (2011), S. 67.

[50] Vgl. Häusel (2007d), S. 223 f.

[51] Vgl. Raab/Gemsheimer/Schindler (2009), S. 110 f.

[52] Vgl. Häusel (2010), S. 15.

[53] Vgl. Roth (2003), S. 256.

[54] Vgl. Raab/Gemsheimer/Schindler (2009), S. 170.

Final del extracto de 89 páginas

Detalles

Título
Instrumente neuronaler Kommunikation am POS und ihre Wirkung
Universidad
Leipzig University of Applied Sciences
Curso
Marketing
Calificación
1,8
Autor
Año
2011
Páginas
89
No. de catálogo
V177616
ISBN (Ebook)
9783640994021
ISBN (Libro)
9783640995271
Tamaño de fichero
6997 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
instrumente, kommunikation, wirkung, neuro, Point of sale, neuromarketing, marketing, POS
Citar trabajo
Lisa Albus (Autor), 2011, Instrumente neuronaler Kommunikation am POS und ihre Wirkung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177616

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