Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Morphosyntaktische Sprachwandelprozesse
1. Pronomen
2. Anredeformen
3. Artikel
4. Verb
5. Andere Wortarten
III. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Während des Siglo de Oro (16./ 17. Jh.) fanden im Bereich der Morphosyntax des Spanischen einige Veränderungen statt, die sich oftmals bereits im Altspanischen angekündigt hatten. Bei Varianten wie beispielsweise diphthongierten und kontrahierten Verbformen oder dem Artikel el / ell setzte sich nur noch eine der Formen durch. Die Stellung verschiedener Satzteile wurde festgelegt. Der zunehmende italienische Einfluss machte sich bei der synthetischen Superlativbildung mit - ísimo/ –ísima bemerkbar. Es entwickelten sich die modernen Abgrenzungen zwischen ser und estar sowie zwischen tener und haber. Die Verbformen mit Endung –ra wechselten das Tempus und änderten somit auch ihre Funktion.
Mit dieser Arbeit möchte ich auf die morphosyntaktischen Sprachwandelprozesse genauer eingehen und anhand von Cervantes’ Don Quijote die theoretischen Über-legungen mit praktischen Beispielen untermauern. Als Textgrundlage diente mir die Ausgabe von Adolfo Bonilla und Rodolfo Schevill aus dem Jahre 1928. Um den Textumfang zu beschränken, habe ich mich ausschließlich mit dem zweiten Kapitel, Don Quijotes erster Ausfahrt, beschäftigt. In den Zitaten habe ich die Schreibweise dieser Ausgabe beibehalten.
II. Morphosyntaktische Sprachwandelprozesse
1. Pronomen
Von den bisher vorhandenen graphischen Varianten él und ell des Personalpronomens setzte sich im Siglo de Oro nur die erste Form durch.[1]
Im 16. Jh. vollzog sich bei der Verbindung des Dativpronomens mit dem Akkusativ lo/ los/ la/ las aufgrund phonetischer Veränderungen auch eine Veränderung in der Schreibung. So wurde z.B. aus ge lo da die Form se lo da.[2]
Zur Bezeichnung mehrere Individuen wurden nos, vos sowie nosotros, vosotros benutzt. Letztendlich setzten sich aber die zusammengesetzten Formen (nos-otros, vos-otros) durch, da sie nicht wie die anderen Formen in beispielsweise höfischem Kontext auch ein einzelnes Individuum bezeichnen konnten.[3] Zudem wurden nos und vos als Pluralis majestatis gebraucht.[4] Vos in Objektfunktion wurde zu os, doch kann man am Beispiel des Don Quijote sehen, dass diese Entwicklung zu Anfang des 17. Jh. noch nicht abgeschlossen war: „pero no vos lo digo porque os acuytedes ni mostredes mal talante“ (62, 3f.)[5]
Auch im Bereich der Demonstrativpronomen traten Varianten auf. Neben Formen wie aqueste oder aquesse existierten zudem este bzw. esse.[6] Der Gebrauch von aqueste / aquesse / … wurde aber immer weiter eingeschränkt.[7] Im Don Quijote treten aquesta, aquestas, aqueste und aquestos insgesamt nur achtmal auf.[8]
Zum Relativpronomen quien, das etymologisch auf den lateinischen Singular QUĔM (Akkusativ von QUI) zurückzuführen ist, wurde die Pluralform quienes entwickelt.[9] Vorher wurden keine formalen Varianten für Singular und Plural unterschieden.4
Am lateinischen Vorbild orientiert stellten viele Autoren das Verb ans Ende des Satzes. Unbetonte Pronomen mussten am Satzanfang oder nach einer Pause hinter dem Verb stehen, in den übrigen Fällen wurden sie dem Verb vorangestellt. Als Beispiele dafür lassen sich aus dem Don Quijote „Mirole el ventero, y no le parecio tan bueno como don Quixote dezia“ (63, 17f.) oder „Preguntaronle“ (64, 32) anführen. Während der Imperativ, der Infinitiv und das Gerundium das nachgestellte Pronomen forderten, wurde im 16. und 17. Jh. die umgekehrte Reihenfolge zugelassen, wenn der Phrase ein anderes Wort vorausging.[10] Letztendlich setzte sich folgende Satzstellung durch: „Das klitische Objektpronomen steht vor dem finiten Verb […] und nach dem Infinitiv, Gerundium oder Imperativ.“[11] Hierfür finden sich im Don Quijote zahlreiche Beispiele:
vor dem finiten Verb „a el le parecia castillo“ (60, 27f.)
„con gentil talante y voz reposada les dixo“ (61, 20f.)
nach dem Infinitiv „En lo de las armas blancas, pensaua limpiarlas“ (58, 7f.)
„don Quixote vino a correrse y a dezirles“ (61, 31f.)
nach dem Gerundium „apretandole a ello“ (57, 6)
„andauan con los ojos buscandole el rostro“ (61, 27f.)
nach dem Imperativ „Plegaos, señora, de membraros deste vuestro sujeto coraçon, que tantas cuytas por vuestro amor padece.” (59, 17ff.)
Während des Mittelalters entwickelten sich die unbetonten Pronomen der dritten Person wie folgt:
im Dativ: le (< ILLĪ) für Singular Maskulinum, Femininum, Neutrum
les (< ILLĪS) für Plural Maskulinum, Femininum, Neutrum
im Akkusativ: lo (< ILLŬM und ILLŬD) für Singular Maskulinum und Neutrum
la (< ILLAM) für Singular Femininum
los (< ILLŌS) für Plural Maskulinum und Neutrum
las (< ILLĀS) für Plural Femininum
Dieses System sag eine Kasusunterscheidung, jedoch keine Genusunterscheidung vor. Deshalb gibt es einige Beispiele, wo die Kasusunterscheidung zugunsten der Genusunterscheidung vernachlässigt wurde. Am häufigsten trat der Gebrauch von le für das maskuline Akkusativobjekt auf, vor allem mit Bezug auf Personen (leísmo de persona) weniger als leísmo de cosa. Dieser leísmo hatte im Plural keinen so großen Erfolg, war aber sonst weit verbreitet.[12] Auch Cervantes verwen-dete den leísmo de persona: „sin que nadie le viesse“ (57, 12), „le assaltó vn pensa-miento terrible, y tal, que por poco le hiziera dexar la començada empresa“ (57, 21ff.).
Weniger häufig als der leísmo trat der loísmo auf, der Gebrauch von lo und los in direkter Objektfunktion. Ähnlich verhielt es sich mit dem laísmo, dem Gebrauch von la und las für das feminine indirekte Objekt.[13] Bollée schränkt sogar ein, dass sich laísmo und loísmo „nur in Texten aus Altkastilien und León“ finden.7
[...]
[1] Bollée (2003), S, 114.
[2] Lapesa (91981), S. 397.
[3] Lapesa (91981), S. 397.
[4] Bollée (2003), S, 114.
[5] Bonilla (1928), S. 62, Z. 3-4. Im Folgenden werden die Zitate aus dem Don Quijote nur noch mit der Seiten- und Zeilenangabe in Klammen versehen.
[6] Lapesa (91981), S. 397.
[7] Echenique (2000), S. 175.
[8] Ruiz-Fornells (1976), S. 263.
[9] Lapesa (91981), S. 397.
[10] Lapesa (91981), S. 406f.
[11] Bollée (2003), S. 114f.
[12] Lapesa (91981), S. 405f. und Bollée (2003), S. 115.
[13] Bollée (2003), S. 114f.