In der vorliegenden Arbeit soll [...] die Figur des Intriganten in ausgewählten deutschen bürgerlichen Trauerspielen des 18. Jahrhunderts untersucht werden. Diese Arbeit kann es sich nicht zum Ziel setzen, eine vollständige Darstellung des Intriganten im bürgerlichen Trauerspiel zu leisten. Exemplarisch werden deshalb Marwood aus Lessings „Miss Sara Sampson“ (1755), Orsina und Marinelli aus Lessings „Emilia Galotti“ (1772) sowie Wurm und Lady Milford aus Schillers „Kabale und Liebe“ (1782) untersucht, da diese Stücke als Prototypen der Gattung gelten . Daneben sollen das unbekanntere Werk „Der Freygeist“ (1758) von Johann Wilhelm von Brawe [...] sowie das von der Gattungstheorie abweichende Stück „Die Soldaten“ (1776) von J. R. M. Lenz [...] einbezogen werden. Die in dieser Arbeit aufgestellten Thesen beanspruchen damit keine Allgemeingültigkeit für die Figur des Intriganten, sondern sollen nur eine Tendenz anhand der ausgewählten Stücke aufzeigen.[...]
Bevor die einzelnen Werke analysiert werden, müssen zunächst die Begriffe ‚Intrige’ und ‚Intrigant’ allgemein geklärt werden. [...]
Daran schließt ein kurzer Überblick über die Funktion des Intriganten im barocken Trauerspiel des 17. Jahrhunderts an, die für seine Entwicklung im 18. Jahrhundert entscheidend ist. [...]
Um die Vorgehensweise und die besondere Bedeutung des Intriganten für das bürgerliche Trauerspiel verständlich zu machen, soll anschließend eine kurze soziologische Darstellung seiner Opfer, der Familie mit ihrem Wertesystem zur Zeit der Aufklärung, erfolgen. Hierbei ist zu betonen, dass die zu untersuchenden Stücke und ihre Figuren nicht als Abbildung der historischen Realität, sondern als literarische Auseinandersetzung männlicher Autoren mit der fortschreitenden Emanzipation des Bürgertums und dem neuen Familienideal des 18. Jahrhunderts verstanden werden. [...]
Übergeordnetes Ziel dieser Arbeit soll es nun sein, anhand der ausgewählten Texte eine Typologie des Intriganten im bürgerlichen Trauerspiel zu erstellen. Diese Analyse, die den Hauptteil der Arbeit ausmacht, wird in zwei große Komplexe aufgeteilt. Weibliche und männliche Intriganten sollen getrennt untersucht werden, da Frauenrolle und Frauenbild im 18. Jahrhundert nicht mit dem der Männer vergleichbar ist. Analysiert werden soll geschlechtsspezifisch, wie der Intrigant in Wesen und Funktion dargestellt wird. [...] Entscheidend ist hierbei, wie und mit welchen Motiven der Intrigant seine Intrige plant, durchführt [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Intrige
- Intrigant und Intrigenstruktur
- Die Intrige im barocken Trauerspiel des 17. Jahrhunderts
- Die Intrige im bürgerlichen Trauerspiel des 18. Jahrhunderts
- Der Intrigant im bürgerlichen Trauerspiel
- Intrigante Frauen
- Marwood — die Intrigantin par excellence
- Orsina — die vernünftige Buhlerin
- Lady Milford — die bekehrte Verführerin
- Entwicklung der Intrigantinnenfigur
- Männliche Intriganten
- Henley — der dämonisierte Intrigant in Perfektion
- Marinelli — der hybride Kammerherr
- Wurm — der Bürgerliche mit höfischer Raffinesse
- Desportes — der Intrigant unter Intriganten
- Entwicklung der Intrigantenfigur
- Intrigante Frauen
- Zusammenfassung und Ausblick
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Figur des Intriganten in ausgewählten deutschen bürgerlichen Trauerspielen des 18. Jahrhunderts. Ziel ist es, eine Typologie des Intriganten im bürgerlichen Trauerspiel zu erstellen, indem die Figuren in ihrer Funktion und ihrem Wesen analysiert werden. Dabei wird der Intrigant sowohl aus seinem Verhalten und seiner Selbstwahrnehmung als auch aus der Wahrnehmung der anderen Protagonisten erschlossen.
- Die Funktion des Intriganten im barocken Trauerspiel
- Die Entwicklung des Intriganten im bürgerlichen Trauerspiel
- Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Darstellung des Intriganten
- Die dramaturgische Funktion der Intrige und ihres Urhebers
- Die Veränderung der Intrigantenfigur vom barocken Trauerspiel zum Sturm und Drang
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Figur des Intriganten in der Literaturgeschichte vor und erläutert die Zielsetzung der Arbeit. Das zweite Kapitel behandelt den Begriff der Intrige und seine Entwicklung im barocken und bürgerlichen Trauerspiel. Es wird gezeigt, wie der Intrigant im barocken Trauerspiel als Ratgeber des Herrschers agiert und diesen zu bösen Taten anstiftet. Im bürgerlichen Trauerspiel dagegen wird der Intrigant zum selbständigen Akteur, der die bürgerliche Welt und ihre Werteordnung in seinem Sinne zu manipulieren versucht.
Das dritte Kapitel analysiert die Figuren der Intriganten in ausgewählten bürgerlichen Trauerspielen. Es wird untersucht, wie die weiblichen Intriganten, wie Marwood, Orsina und Lady Milford, als Mätressen des Adels im Konflikt mit den bürgerlichen Wertvorstellungen stehen und mit ihren Intrigen versuchen, ihre eigene Macht und Freiheit zu erlangen. Die männlichen Intriganten, wie Henley, Marinelli und Wurm, dagegen werden als Bindeglied zwischen dem Adel und dem Bürgertum dargestellt. Sie nutzen ihre Kenntnis beider Welten, um ihre eigenen Ziele zu erreichen und die bürgerliche Ordnung zu stören.
Das vierte Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und zeigt die Entwicklung des Intriganten von einem Werkzeug despotischer Macht zu einem autonomen Gegenspieler. Es wird deutlich, dass die Intrigantenfigur im bürgerlichen Trauerspiel die negative Seite der Forderung nach menschlicher Autonomie zur Zeit der Aufklärung widerspiegelt. Die Arbeit endet mit einem Ausblick auf die Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels und die Ablösung durch das soziale Drama.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Intriganten, das bürgerliche Trauerspiel, das barocke Trauerspiel, die Aufklärung, die Familie, die Moral, die Macht, die Ständegesellschaft, die Geschlechterrollen und die Entwicklung der Literatur. Die Arbeit analysiert die Figur des Intriganten in ausgewählten deutschen bürgerlichen Trauerspielen des 18. Jahrhunderts und zeigt, wie sich diese Figur im Laufe der Zeit verändert hat. Dabei werden die Beziehungen zwischen dem Intriganten, der Familie und der Gesellschaft untersucht, sowie die Rolle des Intriganten im Konflikt zwischen dem Adel und dem Bürgertum.
- Arbeit zitieren
- Nina Hirschle (Autor:in), 2008, Die Figur des Intriganten im bürgerlichen Trauerspiel des 18. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177951