Die zentrale Rolle der Malerei in Calderóns "El pintor de su deshonra"


Seminararbeit, 2004

13 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung: El pintor de su deshonra als ‘drama de celos’ und ‘drama de honor’

2. Die Malerei als roter Faden im gesamten Stück
2.1. Eine schicksalhafte Heirat
2.2. Die schwärmerische Liebe in El pintor de su deshonra
2.3. Juans Versuch, Serafina auf die Leinwand zu bringen
2.4. Auf der Suche nach der geraubten Frau
2.5. Des Künstlers Herakles-Bild
2.6. Ein Gemälde für den Fürsten von Ursino

3. Schlusswort

4. Bibliographie

1. Einleitung: El pintor de su deshonra als ‘drama de celos’ und ‘drama de honor’

Lope de Vega (1562 - 1635), der als Begründer des spanischen Nationaltheaters und als größter Dramatiker des siglo de oro gilt, schrieb über das drama de honor: „Los casos de la honra son mejores, porque mueven con fuerza a toda gente” (cf. Castro, 1959: S. 3). Nach seiner Dramentheorie war es das Ziel der Ehrdramen, dem Zuschauer im Sinne der Kasuistik einen außergewöhnlichen Fall von Ehrverletzung zu präsentieren, der in ihm admiración wecken sollte.

Bei Pedro Calderón de la Barca (1600 - 1681) werden die Protagonisten der dramas de honor ebenfalls von einem rigorosen Ehrenkodex getrieben. Oftmals führt in diesen Stücken der bloße Verdacht des Ehemannes, dass seine Frau ihm mit einem Liebhaber untreu sein könnte, ihn zum festen Glauben an eine wahrhaftige Ehrverletzung. Weil in den dramas de honor so häufig der Ehebruch der Frau thematisiert wird, werden sie oft auch als dramas de celos, „Eifersuchtsdramen”, bezeichnet. Jedoch spielt die Eifersucht in den Stücken nicht eine so entscheidende Rolle, sondern eher der mit einem solchen Ehebruch verbundene Verlust der Ehre des Ehemannes und damit die Einbuße seines öffentlichen Ansehens. „[Im] Pintor de su deshonra (1650) tötet der Ehemann [um seine vermeintlich verletzte Ehre wiederherzustellen] - im übrigen sehr modern mit der Pistole - aufgrund eines bloßen Verdachts seine unschuldige Ehefrau und ihren angeblichen Geliebten. Die ungeheure Tat erhält hier ihre gesellschaftliche Sanktionierung, indem der Autor die Väter der beiden Opfer das Geschehen ausdrücklich billigen lässt” (Neuschäfer, 1997: S. 179).

Der Affektkontrolle und der Bewahrung der Ehre messen die adligen Protagonisten in den dramas de honor sehr große Bedeutung bei. Der Protagonist von El pintor de su deshonra, Don Juan Roca, lässt sich in seinen Handlungen daher nicht vom Argwohn beherrschen, sondern bleibt bis zuletzt der festen Überzeugung, dass seine schöne Frau Doña Serafina ihrem Entführer und ehemaligen Liebhaber Don Álvaro wird widerstehen können. Und auch sie lässt nur in einem einzigen Moment - unter dem Eindruck eines Albtraums, in dem sie ihren eigenen Tod vorausgesehen hat - zu, dass dieser sie tröstend in den Arm nimmt. Dass Juan Roca genau diese Szene mit eigenen Augen mit ansehen muss und schließlich als Reaktion darauf beide im Affekt erschießt, dafür wird der Zuschauer sicher mehr Verständnis aufbringen können als für einen kaltblütig geplanten Mord, wie etwa in El médico de su honra. Juan Roca selbst übt im Stück explizit Kritik am Ehrenkodex (cf. (1)) und empfindet am Ende tiefe Reue über seine Mordtat (cf. (2)):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dreh- und Angelpunkt ist im Grunde jedoch die von Juan Roca zuerst zum Vergnügen und dann zum Broterwerb betriebene Kunst der Malerei. Ihre zentrale Rolle in El pintor de su deshonra wird nun den Hauptgegenstand meiner weiteren Betrachtungen bilden.

2. Die Malerei als roter Faden im gesamten Stück

„Wie sehr bei der Konstruktion solcher Fälle [...] die Absicht mit im Spiel ist, beim Zuschauer admiración hervorzurufen, geht meist schon aus den Titeln [der Dramen] hervor, die - wie etwa El médico de su honra oder El pintor de su deshonra - den Fall zugleich als Rätsel ankündigen. Der Betrachter soll sich offensichtlich fragen, was Medizin oder Malerei mit der Ehre zu tun haben könnten” (Wentzlaff-Eggebert, 1982: S.24).

2.1. Eine schicksalhafte Heirat

Juan Roca erweckt in der ersten Szene von El pintor de su deshonra den Eindruck eines wirklich glücklichen Mannes. Nachdem er so viele Jahre seines Lebens dem Literatur- studium gewidmet und sich während seiner Freizeit in der Malerei versucht hatte (cf. (3) + (4)), wollte er nun doch seinen gesellschaftlichen Pflichten nachkommen und endlich heiraten. Nach eigener Aussage hat er dies auf Drängen seiner Freunde und Verwandten hin getan (cf. (5)):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie sich aus (5) ablesen lässt, bedeutete die Eheschließung mit seiner Cousine Serafina für Don Juan Roca vor der Hochzeit nur die Erfüllung einer Pflicht und war damit zunächst keine Heirat aus Liebe. Als er aus Neapel ein Gemälde von Serafina erhielt, war er jedoch von ihrer Schönheit sehr beeindruckt und hatte sich nach der ersten Begegnung mit ihr dann wirklich in sie verliebt. „He is so pleased with himself that he fails to realize the mistake he is making by marrying someone so much younger than himself” (Watson, 1963: S. 25).

In erster Linie ist die Malerei der Grund für Juans verspätete Entscheidung, den Bund der Ehe einzugehen: sie war für ihn so viele Jahre lang ein willkommener Zeitvertreib, dass er darüber seine Jugend einbüßte; und schließlich weckte ein Gemälde in ihm liebevolles Interesse für seine zukünftige Frau.

2.2. Die schwärmerische Liebe in El pintor de su deshonra

Wolfgang Matzat meint, dass die Liebe in den dramas de honor einerseits als Liebe in der Ehe dem Erhalt und dem Fortbestand der sozialen Ordnung dient, andererseits jedoch als ehebrecherische Liebe gegen die gesellschaftlichen Normen verstößt, weshalb sie verheimlicht werden muss, und dass sie insgesamt als ziemlich triviale Angelegenheit angesehen wird, da sie die menschlichen Schwächen offenbart (cf. Matzat, 2001: S. 132; 131; 134). In El pintor de su deshonra schwärmt der Maler Juan Roca vor allem für die Schönheit seiner Frau, hat jedoch keine Kenntnis von ihren wahren Gefühlen. Serafina selbst offenbart sich ihm aber auch nicht, denn ihr einziges Streben ist es, ihren Ehemann glücklich zu machen. Daher erfährt dieser nicht, dass sie nur dem Willen ihres Vaters folgte, indem sie einen schon in die Jahre gekommenen, gebildeten Mann mit dem Ruf eines talentierter Künstlers geheiratet hat, im Glauben, ihre einstige Jugendliebe Don Álvaro sei auf See ums Leben gekommen und für immer verloren.

Juans junge Ehefrau trägt mit ihrer mangelnden Offenheit auch viel zur letztendlichen Tragödie bei.1 Als Álvaro plötzlich wieder auftaucht, widersteht Serafina seinen Annäherungsversuchen zwar erfolgreich, kann aber nichts gegen ihre Entführung tun, da sie in dem Moment ohnmächtig ist. Sie fühlt sich zwar entehrt, doch im Großen und Ganzen unternimmt sie zu wenige Anstrengungen, um aus der Jagdhütte und damit aus den Fängen ihres ehemaligen Liebhabers zu entfliehen. Zudem liebt Serafina Álvaro in ihrem Unterbewusstsein immer noch, ja sie sieht daher in einem Traum sogar ihren eigenen Tod voraus. Ihre emotionale Verwirrung treibt sie schließlich in Álvaros Arme und so stirbt sie durch die Hand ihres Ehemannes.

Die für den Fürsten von Ursino schwärmende Porcia ist ebenfalls an Serafinas tragischem Schicksal beteiligt, weil sie sich mit diesem in der Jagdhütte verabredet, um endlich einmal mit ihm allein zu sein. Durch einen Zufall trifft der Fürst hier auf Serafina, in die er sich wiederum, ebenfalls aufgrund ihrer Schönheit, heimlich verliebt hatte, als er sie zum ersten Mal sah. Getrieben von dem Drang, wenigstens ein Bild von ihr in seinem Besitz zu haben (hat er doch eine besondere Schwäche für Kunstwerke), gibt der Fürst von Ursino Don Juan Roca den Auftrag, ein solches anzufertigen, Um seine Schwärmerei zu vertuschen, lässt er diesen nach dessen Mordtat, die im übrigen auch Don Pedro und Don Luís für rechtmäßig befinden, schließlich ziehen und nimmt Porcia zur Frau:

(6) Honrados proceden todos;

y para que en mí no falte también otra ilustre acción, la mano a Porcia he de darle de esposo.

(Príncipe, TERCERA JORNADA, V. 1035 - 1039)

[...]


1 Auch Serafinas Vater Don Pedro und Álvaros Vater Don Luís wissen nicht, dass sich die beiden in einander verliebt und einander versprochen hatten.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die zentrale Rolle der Malerei in Calderóns "El pintor de su deshonra"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Romanistik)
Note
2.0
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V178142
ISBN (eBook)
9783640999354
ISBN (Buch)
9783640999231
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Calderón de la Barca, Literaturwissenschaft, Theater, Malerei
Arbeit zitieren
Patrick Roesler (Autor:in), 2004, Die zentrale Rolle der Malerei in Calderóns "El pintor de su deshonra", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178142

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