In Deutschland gibt es wie in den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten einige sehr stark regulierte Berufe. Dazu gehören unter anderem die des Notars und des Rechtsanwalts. Für beide Berufe existiert eine Fülle von Standesregeln, die zum Beispiel den Umfang der für die Berufsangehörigen zulässigen Werbung bestimmen. Bei Missachtung der Standesregeln gibt es Strafmaßnahmen zur Wahrung des Ansehens des Berufsstands, vgl. die Bundesnotarordnung bzw. die Bundesrechtsanwaltsordnung. Für beide Berufsangehörigen gibt es außerdem Gebührenordnungen: die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und die Kostenordnung für die Notare. Diese regeln genau, was einem Anwalt bzw. Notar für welche Tätigkeit zu zahlen ist.
Durch die in den Gebührenordnungen festgeschriebenen Gebührensätze werden die Preise für die Erbringung der beruflichen Tätigkeiten auf eine bestimmte Mindesthöhe festgelegt. Dadurch wird der Preiswettbewerb innerhalb des jeweiligen Berufs zumindest teilweise ausgeschaltet. Nach Art. 3 I g) EGV soll der Wettbewerb innerhalb des Europäischen Binnenmarkts jedoch vor Verfälschungen geschützt werden.
Es ist darum fraglich, ob die durch die Rechtsanwaltsgebührenordnungen erfolgende Wettbewerbsbeschränkung mit dem Europäischen Recht vereinbar ist. Das wird im Hinblick auf die deutschen Rechtsanwälte in dieser Arbeit geprüft.
Zunächst werden zum besseren Verständnis die Organisation der deutschen Rechtsanwaltschaft und der rechtliche Hintergrund der Anwaltsgebühren nach dem deutschen nationalen Recht sowie die zur Tätigkeit von Anwälten bereits ergangene EuGH-Rechtsprechung dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung: Situation in Deutschland
- B. Rechtlicher Hintergrund
- I. Deutsche Vorgaben
- 1. Die Aufgaben eines deutschen Rechtsanwalts
- 2. Die Pflichtmitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer
- 3. Die Bundesrechtsanwaltskammer als Dachorganisation
- 4. Der Sinn und Zweck des deutschen Kammerwesens (mittelbare Staatsverwaltung)
- 5. Die BRAGO als Rechtsgrundlage für die Rechtsanwaltsgebühren
- 6. Zusammenfassung der deutschen Rechtslage
- II. Europäische Vorgaben
- 1. Art. 43ff oder 49ff EGV für die Anwaltstätigkeit einschlägig?
- a) EuGH-Urteil Säger
- b) EuGH-Urteil Gebhard
- c) EuGH-Urteil Kommission/ Italien
- 2. Art. 81ff EGV
- a) EuGH-Urteil Wouters
- b) EuGH-Urteil Arduino
- 3. Zusammenfassung und Bewertung der EuGH-Rechtsprechung
- C. Prüfung, ob die deutschen Rechtsanwaltsgebühren mit dem EGV vereinbar sind
- O. Anwendbarkeit des EGV
- a) Wirtschaftliche Tätigkeit
- b) Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten
- 1. Verstoß der deutschen Rechtsanwaltsgebührenordnung gegen Art. 81ff EGV
- 2. Hilfsweise Prüfung einer Rechtfertigung
- 3. Ergebnis
- D. Ausblick und eigene Stellungnahme
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Vereinbarkeit deutscher Rechtsanwaltsgebühren mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht. Das Hauptziel ist die Prüfung, ob die durch die BRAGO festgelegten Gebührenordnungen den europäischen Wettbewerbsregeln entsprechen. Die Arbeit analysiert die deutsche Rechtslage, die einschlägige Rechtsprechung des EuGH und prüft mögliche Verstöße gegen den EGV.
- Organisation und Aufgaben der deutschen Rechtsanwaltschaft
- Die BRAGO als Rechtsgrundlage für Anwaltsgebühren
- Relevante Artikel des EGV und die EuGH-Rechtsprechung
- Wettbewerbsrechtliche Aspekte im Kontext der Anwaltsgebühren
- Prüfung der Vereinbarkeit von BRAGO und EGV
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Situation in Deutschland: Die Einleitung beschreibt die stark regulierten Berufe in Deutschland, darunter Rechtsanwälte und Notare, mit Fokus auf Gebührenordnungen wie die BRAGO und deren potenzielle Diskrepanz zum europäischen Wettbewerbsrecht (Art. 3 I g) EGV). Die Arbeit kündigt die Untersuchung der Vereinbarkeit der deutschen Rechtsanwaltsgebühren mit dem Europäischen Recht an und skizziert den methodischen Aufbau.
B. Rechtlicher Hintergrund: Dieses Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über den rechtlichen Rahmen der deutschen Rechtsanwaltsgebühren und die relevante EuGH-Rechtsprechung. Teil I beleuchtet die deutsche Rechtslage, beginnend mit den Aufgaben eines deutschen Rechtsanwalts (§1 BRAO), der Pflichtmitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer und der Rolle der Bundesrechtsanwaltskammer. Es erläutert die BRAGO als Grundlage für die Gebühren und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb. Teil II analysiert die europäischen Vorgaben, insbesondere Artikel 43ff/49ff und 81ff EGV, und untersucht relevante EuGH-Urteile (Säger, Gebhard, Kommission/Italien, Wouters, Arduino) in Bezug auf die Anwaltsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr. Die Zusammenfassung und Bewertung der EuGH-Rechtsprechung bildet den Abschluss.
C. Prüfung, ob die deutschen Rechtsanwaltsgebühren mit dem EGV vereinbar sind: In diesem Kapitel wird die Vereinbarkeit der deutschen Rechtsanwaltsgebühren mit dem EGV geprüft. Zuerst wird die Anwendbarkeit des EGV auf die Tätigkeit der Rechtsanwälte untersucht, indem die wirtschaftliche Tätigkeit der Anwälte und die potentielle Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten analysiert wird. Anschließend wird geprüft, ob die BRAGO gegen Art. 81ff EGV verstößt, und hilfsweise eine mögliche Rechtfertigung dieser Wettbewerbsbeschränkung untersucht. Das Kapitel endet mit dem Ergebnis dieser Prüfung.
Schlüsselwörter
Rechtsanwaltsgebühren, BRAGO, Europäisches Gemeinschaftsrecht, EGV, EuGH-Rechtsprechung, Wettbewerbsrecht, Anwaltsfreiheit, freie Dienstleistungen, Berufsausübung, Wettbewerbsbeschränkung, Art. 81 EGV, Art. 43ff/49ff EGV, deutsche Rechtsanwaltschaft, Bundesrechtsanwaltskammer.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Vereinbarkeit deutscher Rechtsanwaltsgebühren mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Vereinbarkeit der deutschen Rechtsanwaltsgebühren, insbesondere der durch die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) festgelegten Gebühren, mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht (EGV). Das Hauptziel ist die Prüfung, ob die BRAGO den europäischen Wettbewerbsregeln entspricht.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Organisation und Aufgaben der deutschen Rechtsanwaltschaft, die BRAGO als Rechtsgrundlage für Anwaltsgebühren, relevante Artikel des EGV und die dazugehörige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wettbewerbsrechtliche Aspekte im Kontext der Anwaltsgebühren und schließlich die Prüfung der Vereinbarkeit von BRAGO und EGV.
Welche Rechtsquellen werden analysiert?
Die Arbeit analysiert die deutsche Rechtslage (BRAO, BRAGO, Rolle der Rechtsanwaltskammern), relevante Artikel des EGV (insbesondere Art. 43ff/49ff und Art. 81ff EGV) und die einschlägige Rechtsprechung des EuGH (Urteile Säger, Gebhard, Kommission/Italien, Wouters, Arduino). Der Fokus liegt auf der Anwaltsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, die die Situation in Deutschland beschreibt, einen Teil zum rechtlichen Hintergrund (deutscher und europäischer), einen Abschnitt zur Prüfung der Vereinbarkeit der BRAGO mit dem EGV und einen Ausblick mit eigener Stellungnahme. Die Kapitel enthalten detaillierte Analysen der relevanten Rechtsquellen und EuGH-Urteile.
Welche Methodik wird angewendet?
Die Arbeit wendet eine methodische Vorgehensweise an, die die Analyse der deutschen Rechtslage mit der Prüfung der einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften und der EuGH-Rechtsprechung kombiniert. Es werden mögliche Verstöße gegen den EGV geprüft und im Rahmen einer hilfsweisen Prüfung mögliche Rechtfertigungen dieser Wettbewerbsbeschränkungen untersucht.
Welches Ergebnis wird erzielt?
Das Ergebnis der Prüfung der Vereinbarkeit der BRAGO mit dem EGV wird im Kapitel C dargestellt. Die Arbeit kommt zu einer abschließenden Bewertung, ob die deutschen Rechtsanwaltsgebühren mit dem europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar sind.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Rechtsanwaltsgebühren, BRAGO, Europäisches Gemeinschaftsrecht, EGV, EuGH-Rechtsprechung, Wettbewerbsrecht, Anwaltsfreiheit, freie Dienstleistungen, Berufsausübung, Wettbewerbsbeschränkung, Art. 81 EGV, Art. 43ff/49ff EGV, deutsche Rechtsanwaltschaft, Bundesrechtsanwaltskammer.
- Quote paper
- Anna Keller (Author), 2002, Sind die deutschen Rechtsanwaltsgebühren mit dem EGV vereinbar?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178277