In der Welt des "Absoluten Böse". Das Ziegenhorn" (1971)

"Schöpfen aus dem Nichts" als unkonventionelle Erzählmethode in Film und Literatur


Term Paper, 2011

18 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis:

1. Einführung

2. Zum Film

3. Handlung und Dramaturgie

4. Die Geburt des Absoluten Böse
4.1. Die Geburt der Liebe in der Welt des Absoluten Böse
4.2. Das Selbstopfer als der Weg zur Bereinigung von dem Bösen
4.3. Exkurs: Kurzer Vergleich mit dem Remake des Films (1994)

5. Symbolik und Folklore

6. Zusammenfassung

7. Quellenangaben

8. Anhang

1. Einführung

Das Erzählen von Geschichten hat eine sehr wichtige Bedeutung für die kulturelle und geistige Entwicklung des Menschen. Durch Erzählen werden über Generationen hinweg verschiedene kulturelle Werte und Traditionen vermittelt, sowie eine Menge an Erfahrung und wertvolles Wissen. Des Weiteren kann das Erzählen auch der reinen Unterhaltung dienen, sowie dem interaktiven Austausch von Informationen und Inhalten und der zwischenmenschlichen Kommunikation allgemein.

Als älteste Geschichte bzw. „älteste Schrift der Menschheit“1 gilt das „Gilgamesch- Epos“ aus dem 24 Jhd. v. Chr.2, in dem zum ersten Mal die Grenzen des menschlichen Daseins sowie die Suche nach dem ewigen Leben thematisiert wurden. Weitere nachweisbare Quellen, die die Ursprünge des Geschichte- Erzählens dokumentieren, finden sich in der antiken Mythologie der Griechen und Römer sowie in zahlreichen Volksmärchen, Legenden und Sagen aus der ganzen Welt. Dabei zählen der Mythos und das Märchen zu den wichtigsten Vorbildern des Geschichte-Erzählens und liefern bis heute interessante Motive und Inspirationsquellen.

Durch die technische Entwicklung der Medien haben sich in den letzten Jahren viele neue Formen des Erzählens gebildet, wie etwa das Erzählen in bewegten Bildern, verschiedene Imagekampagnen im Internett, Print und TV, Geschichten in zahlreichen Sozial Networks, Chatrooms und Massengers, Geschichten im Radio, auf der Schallplatte und auf diversen digitalen Datenträgern. Das Erzählen und Wahrnehmen von Geschichten gehört zweifellos zum alltäglichen Leben des Menschen und ist unverzichtbar. Der Mensch braucht Geschichten und die Geschichten brauchen den Menschen.

In diese Arbeit wird eine verfilmte Geschichte untersucht, die von tiefer Trauer und Schmerz erzählt, von brutaler Gewalt und Rache, von dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse sowie von der heilenden Kraft der Liebe. Die schwierige Problematik des Films wird hauptsächlich auf der visuellen Ebene erzählt: Dialoge werden durch Körpersprache ersetzt, die Hintergrundmusik durch die natürliche Geräuschkulisse des Waldes, die Menschen durch Tiere und Pflanzen. Das Leben der Hauptprotagonisten findet außerhalb der menschlichen Gesellschaft statt. Sie leben isoliert und allein. Der Berg ist ihr Zuhause, ihre Familie und ihr bester Freund zugleich und dient somit als Ersatz von wichtigen Inhalten und Bausteinen des Lebens, dessen „Fehlen“ wiederum eine tragende Rolle bei der dramaturgischen Entwicklung der Geschichte hat. Die narrative Struktur des Films baut so zu sagen auf fehlende Elemente auf und bietet dem Zuschauer, sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der gestalterischen Ebene, eine außergewöhnliche Geschichte. Wie diese unkonventionelle Erzählmethode funktioniert, wird im Verlauf der Filmuntersuchung genauer beschrieben. Dabei geht es um einen Kultfilm aus der bulgarischen Filmgeschichte und zwar „Das Ziegenhorn“3 von Metodi Andonov4 und Nikolai Haitov5.

2. Zum Film

Der Film „Das Ziegenhorn“6 von Metodi Andonov (Regie) und Nikolai Haitov (Drehbuch) wird weltweit als ein Meisterwerk des Kinos anerkannt. Viele Kritiker bezeichnen ihn als der beste bulgarische Film aller Zeiten.7 Bereits im Jahr 1972 wird das Filmmaterial von 62 Ländern gekauft und neben 7 weiteren Produktionen für den „Oskar“ nominiert.8 Auf dem Kinofestival in Varna (Bulgarien, 1972) wird der Film mit dem ersten Preis ausgezeichnet, sowie mit dem Preis des Publikums. Darauf folgen der „silberne Hugo“ in Chicago (USA, 1973), der dritte Preis in Kolombo (Schiri Lanka, 1973) und nicht zuletzt 2 Preise für beste weibliche Hauptrolle und beste Darstellerin (Katja Paskaleva).9 Doch „Das Ziegenhorn“ wird nicht von allen bewundert. 1972 tuen die südlichen Nachbarn Bulgariens alles Mögliche dafür, dass der bereits zugelassene Film bei den Internationalen Filmfestspiele von Cannes nicht ausgestrahlt wird. Wegen seiner stark antitürkisch orientierten Thematik gewinnt der Film neben der Türkei auch weitere Gegner wie Algerien, Marokko und Tunesien.10 Heute wird „Das Ziegenhorn“ als ein kinematografisches Kunstwerk betrachtet, das genauso wie damals tief unter die Haut geht. Starke Emotionen, unvergängliche Bildoriginalität und bemerkenswerte Dramaturgie zeichnen dieses Meisterwerk aus.

3. Handlung und Dramaturgie

Die Handlung des Films bringt uns in das Jahr 1962 zurück, mitten drin in die mehr als 500 Jahren andauernde Herrschaft der Osmanen.11 Die tragische Geschichte von Karaivan spielt in einem kleinen Dorf in den Rhodopen. Als er eines Tages seine Herde Ziegen hoch in die Berge führt, nutzen vier Osmanen seine Abwesenheit aus und vergewaltigen seine geliebte Frau. Die kleine Tochter Maria darf sich die brutale Tat mitansehen, weinend in der Ecke, gepackt in einem Wäschekorb, während ihre Mutter schreiend in den Händen der fremden Männern stirbt. Es gibt keine Worte, die den schrecklichen Schmerz Karaivans zu jenem Augenblick beschreiben können, als er von dem Unglück erfährt. Sein steigendes Bedürfnis nach Vergeltung verwandelt sich zu seinem Lebensziel, Maria - zu seiner Waffe. Geführt von der Logik: „Diese Welt ist nicht für Frauen gemacht“, schneidet Karaivan die Haare seiner sechsjährigen Tochter ab, um sie als Junge zu erziehen. Hoch in den Bergen und fern von der Menschheit wird Maria das Töten beigebracht. Es gibt eine Szene in dem Film, in der die inzwischen sechzehnjährige Maria zärtlich und liebevoll mit einem kleinen Zicklein spielt. Doch Spielen ist Maria nicht gestattet, Gefühle zeigen - ebenso. Als Strafe für die gezeigte Schwäche soll Maria das kleine Tier töten und ihm das Fell abziehen.

[...]


1 Stefan M. Maul: Das Gilgamesch-Epos. Verlag C.H. Beck oHG. München 2005. S. 9.

2 Claus Wilcke: Vom göttlichen Wesen des Königtums und seinem Ursprung im Himmel. In: Franz- Reiner Erkens: Die Sakralität von Herrschaft - Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume: Fünfzehn interdisziplinäre Beiträge zu einem weltweiten und epochenübergreifenden Phänomen. Akademie Verlag GmbH. Berlin 2002. S. 67.

3 Originaltitel: „Козият рог“, englische Übersetzung: „The Goat Horn“, Entstehungsjahr: 1971.

4 Metodi Andonov (1932 - 1974) ist ein bekannter bulgarischer Regisseur und Dramaturg. 1955 schließt er sein Studium an der Nationalakademie für Film und Theater „Krustio Sarafov“ in Sofia ab. Nach seiner Tätigkeit als Regisseur und Direktor am Burgas Theater unterrichtet er Regie an der Nationalakademie für Film und Theater „Krustio Sarafov“. Zu seinen besten Filme gehören: „Das Ziegenhorn“ (1971), „Es gibt nichts Besseres als das schlechte Wetter“ (1971), „Die große Langeweile“ (1973), „Das weiße Zimmer“ (1968) u.a.
Vgl.: http://movie.pop.bg/biography23486.html, 07.08.2011.

5 Nikolai Haitov (1919 - 2002), Schriftsteller, Dramaturg, Patriot und Publizist, bekannt mit seinem Sammelband „Wilde Erzählungen“ (in 24 Sprachen übersetzt), wie auch mit den Schriften über das verschwundene Grab von Vasil Levski. Drehbuch: „Das Ziegenhorn“, „Kapitän Petko Voivoda“, „Männerzeiten“, „Das Ende des Liedes“, „Baum ohne Wurzeln“ u.a. Vgl.: http://nhaitov.hit.bg/, 07.08.2011.

6 Die ursprüngliche Geschichte „Das Ziegenhorn“ erscheint zum ersten Mal im Jahr 1967, in dem Sammelband „Wilde Erzählungen“ von Nikolai Haitov. Wenige Jahre später schreibt der Autor auch das Drehbuch zum gleichnamigen Film, der mit einem kleinen Produktionsbudget und nicht ohne Reibereien zwischen Autor und Regisseur realisiert wird.

7 Bulgarische Nationalfilmothek: Filme: Das Ziegenhorn (1971). Vgl.: http://bnf.bg/bg/odeon/movies/1255/, 07.08.2011.

8 Daniela Krusteva: Hinter der Kulissen: Geschichte des Bulgarischen Kinos. (04.05.2006). Vgl.: http://www.blitz.bg/article/2047, 07.08.2011.

9 Bulgarische Nationalfilmothek: Filme: Das Ziegenhorn (1971). Vgl.: http://bnf.bg/bg/odeon/movies/1255/, 07.08.2011.

10 Daniela Krusteva: Hinter der Kulissen: Geschichte des Bulgarischen Kinos. (04.05.2006). Vgl.: http://www.blitz.bg/article/2047, 07.08.2011.

11 Am Ende des 14. Jahrhunderts musste sich Bulgarien dem Osmanischen Reich unterwerfen. Nach der Schlacht an der Maritza am 26. September 1371 wurde eine vom Bulgarischen Heer unterstützte antiosmanische Koalition unter dem serbischen König Vukašin Mrnjavčević von den Osmanen geschlagen. Der bulgarische Zar Iwan Schischman war gezwungen, die osmanische Souveränität über sein Reich anzuerkennen. Da Bulgarien in den nächsten Jahrzehnten nicht vor osmanischen Angriffen verschont blieb, kündigte Iwan Schischman den Vasallenstatus 1373. Dies führte dazu, dass Bulgarien zu einem Hauptaufmarschgebiet der osmanischen Eroberer auf der Balkanhalbinsel wurde. 1378 fiel Ichtiman, 1383 - Serdica (heute Sofia), 1393 wurde die Hauptstadt Tarnowo erobert, was auch das Ende des Zweiten Bulgarischen Reiches bedeutete. Zar Iwan Schischman überlebte zwar in der Festung Nikopol, wurde aber 1395 auf Befehl Sultan Bayezids I. hingerichtet. Nach der Schlacht von Nikopolis 1396 fiel schließlich auch das letzte bulgarische Teilreich um Vidin. Mit dem Niedergang des Hauses Schischman begann die mehr als 500 Jahre andauernde Herrschaft der Osmanen. Wegen der Länge und der Brutalität im letzten Jahrhundert dieser Herrschaft sprach man in Bulgarien bis in die 1990er Jahre hinein von einem mehr als 500 Jahre andauernden Joch. Dieses wird von einer neuen Generation von Historikern differenzierter gesehen. Nicht-Muslime dienten nicht in der Armee des Sultans, mit Ausnahme derjenigen, die in der Elitetruppe als Janitscharen ausgebildet wurden, wobei bis zum 17. Jahrhundert die Knabenlese (bulgarisch: Кръвен данък kraven danak, „Blutsteuerl“) als Mittel zur Zwangsrekrutierung angewendet wurde. Vgl.: Georgi Bakalov “et.al“: Geschichte Bulgariens. Bulgarischer Verlag Otvoreno Obstestvo. Sofia 1996. S. 105ff.

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Details

Title
In der Welt des "Absoluten Böse". Das Ziegenhorn" (1971)
Subtitle
"Schöpfen aus dem Nichts" als unkonventionelle Erzählmethode in Film und Literatur
College
University of the Arts Berlin  (Gestaltung: Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation)
Course
An den Grenzen der Erzählung: Zur Darstellung von Krieg, Gewalt und Trauma in den Medien
Grade
1,0
Author
Year
2011
Pages
18
Catalog Number
V178321
ISBN (eBook)
9783656004042
File size
513 KB
Language
German
Keywords
welt, absoluten, böse, ziegenhorn, schöpfen, nichts, erzählmethode, film, literatur
Quote paper
Raliza Petrova (Author), 2011, In der Welt des "Absoluten Böse". Das Ziegenhorn" (1971), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178321

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Title: In der Welt des "Absoluten Böse". Das Ziegenhorn" (1971)



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