Mit Bourdieus Arbeiten aus reichlich 40jähriger Forschungstätigkeit liegen für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung einige bedeutsame und mit intensiver Rezeption gewürdigte Konzepte vor. Sein Erkenntnisinteresse ist geleitet von dem Wunsch, die soziale Welt in ihrer Komplexität und die Mechanismen ihrer Reproduktion zu begreifen.
Dem menschlichen Körper bzw. Leib wird eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Der Körper eines Akteurs trägt jenseits geistiger Rückkopplung einen Habitus in sich, der die soziale Praxis und damit auch die leibliche Erscheinung allumfassend strukturiert. Jegliche soziale Praxis geht aus dem Akteur selbst, dessen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsdisposition hervor. Letztere ist im Habitus aufgrund vergangener Erfahrungen als selbstverständliche kulturelle Werte gespeichert.
Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Feststellung, dass die soziale Welt von Ungleichheiten geprägt ist. Analog dazu existiert eine Vielfalt körperlicher und leiblicher Ausprägungen. Der menschliche Leib als Teil sozialer Praxis ist jenseits von Bewusstsein und Reflexion in seinem Habitus – speziell seiner körperlichen Hexis – kulturell überformt. Das betrifft sowohl seinen äußerlich wahrnehmbaren, gegenständlichen Körper als auch seine affektive, subjektive Erfahrung – den inneren Zustand des Leibes.
In dieser unbewussten Verinnerlichung kultureller Werte in Form eines unhinterfragten Glaubens an die bestehende Ordnung der Praxis sieht Bourdieu den Schlüssel zur Erklärung der Mechanismen kultureller Produktion und Reproduktion sozialer Ungleichheiten.
Auf der Grundlage der theoretischen Gedankengänge zur kulturellen Produktion und Reproduktion – besonders auf die körperliche und leibliche Ausprägung bezogen – ist die Frage zu beantworten, wie trotz der auf historischen Erfahrungen basierenden habituellen Dispositionen sozialer Wandel erklärbar ist. Damit ist die Zielstellung dieser Arbeit umrissen.
Der Aufbau der vorliegenden Ausführungen zum oben beschriebenen Thema gestaltet sich wie folgt: Eingangs (1) wird Bourdieus soziologische Grundhaltung skizziert, um im Hauptteil (2) den theoretischen Gedankengängen zu den strukturellen und kulturellen Zusammenhängen sozialer Praxis und der soziokulturellen Erscheinung des Körpers zu widmen. Im abschließenden Teil (3) wird sich mit der oben formulierten Frage auseinandergesetzt, ob das Konzept des Habitus’ auch sozialen Wandel in seiner Erklärungskraft mit einbeziehen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1 Bourdieus soziologische Grundhaltung
- 1.1 Entwicklung seines soziologischen Grundverständnisses
- 1.2 Forschungsgegenstand und theoretische Erkenntnis
- 1.3 Überwindung von Subjektivismus und Objektivismus
- 2 Der menschliche Körper als Speicher von Kultur
- 2.1 Sozialer Raum der Klassenstruktur und Lebensstile
- 2.2 Habitus als Erzeugungsmodus
- 2.2.1 Habitus
- 2.2.2 Glaube und Leib
- 3 Habitus und sozialer Wandel
- Schluss
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der soziologischen Grundhaltung von Pierre Bourdieu und der Rolle des menschlichen Körpers im Licht seiner Habitus-Theorie. Ziel ist es, die Mechanismen kultureller Produktion und Reproduktion sozialer Ungleichheiten zu beleuchten, insbesondere im Hinblick auf die körperliche und leibliche Ausprägung. Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit das Konzept des Habitus auch sozialen Wandel erklären kann.
- Bourdieus soziologische Grundhaltung und seine Kritik an Subjektivismus und Objektivismus
- Der menschliche Körper als Ausdruck kultureller Unterschiede und Präferenzen
- Das Konzept des Habitus als Erzeugungsmodus sozialer Praxis
- Die Rolle von Kapital und Feld in der Reproduktion sozialer Ungleichheiten
- Die Verbindung von Habitus und sozialem Wandel
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die Zielsetzung der Arbeit dar. Im ersten Kapitel wird Bourdieus soziologische Grundhaltung skizziert, wobei seine Entwicklung des soziologischen Grundverständnisses, sein Forschungsgegenstand und seine theoretische Erkenntnis sowie seine Kritik an Subjektivismus und Objektivismus im Fokus stehen.
Das zweite Kapitel widmet sich dem menschlichen Körper als Speicher von Kultur. Hier wird zunächst der soziale Raum der Klassenstruktur und Lebensstile analysiert, wobei die Bedeutung von Kapital und Feld für die Produktion und Reproduktion sozialer Ungleichheiten herausgestellt wird. Anschließend wird der Habitus als Erzeugungsmodus sozialer Praxis vorgestellt und in seinen verschiedenen Dimensionen beleuchtet.
Im dritten Kapitel wird die Frage erörtert, ob das Konzept des Habitus auch sozialen Wandel erklären kann. Dabei wird die Stabilität des Habitus im Kontext von sozialen Spannungen und Veränderungen der objektiven Strukturen betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Kultursoziologie Pierre Bourdieus, den Habitus, den menschlichen Körper, soziale Ungleichheiten, Kapital, Feld, Lebensstil, soziale Praxis, kulturelle Reproduktion und sozialer Wandel.
- Arbeit zitieren
- Ulrike Triebel (Autor:in), 2007, Pierre Bourdieus Kultursoziologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178336