Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsdefinitionen
2.1. Stereotyp
2.2. Vorurteil
2.3. Klischee
2.4. Image
3. Das mentale Konstrukt
4. Drei Ansätze zur Bildung von Stereotypen
4.1. Der soziokulturelle Ansatz
4.2. Der kognitive Ansatz
4.3. Der psychodynamische/ persönlichkeitspsychologische Ansatz
5. Stereotype im Fremdsprachenunterricht
6. Diskussion
Quellenangaben
Anhang
1. Einleitung
Stereotype sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Egal ob in der Politik, im privaten Leben oder sogar im Fremdsprachenunterricht, überall entwickeln die Menschen Stereotype und Vorurteile. Wie genau diese entstehen und wie sie sich auf die interkulturelle Kommunikation auswirken ist das Thema dieser Arbeit.
Dabei ist zuerst einmal wichtig, die Unterschiede beziehungsweise Gemeinsamkeiten zwischen den Begriffen „Stereotyp“, „Vorurteil“, „Klischee“ und „Image“ zu definieren. Denn oft werden diese Begriffe wie Synonyme verwendet oder ein Begriff durch den anderen erklärt.
Wichtig ist auch die Funktion des Gedächtnisses und der sozialen Gemeinschaft in der Erklärung zur Bildung von Stereotypen und Vorurteilen. Nicht alle Menschen entwickeln unter ähnlichen Voraussetzungen die gleichen Vorurteile.
Als Letztes soll erörtert werden, wie und warum Stereotype im Fremdsprachenunterricht behandelt werden sollten. Dabei geht es weniger um lehrpsychologische Anweisungen, sondern eher um die soziale Komponente im Hinblick auf die Weiterverarbeitung der Informationen im Erwachsenenalter (bei Kindern) und im sozialen Umfeld (bei Erwachsenen).
2. Begriffsdefinitionen
Im Folgenden werden nun die wichtigsten Begriffe dieser Arbeit erläutert, um deren Verwendung zu rechtfertigen. Außerdem soll deutlich gemacht werden, dass die Unterschiede in den Bedeutungen der Begriffe „Stereotyp“, „Vorurteil“ und „Klischee“ nicht sehr groß, aber trotzdem wissenswert sind. Denn selbst Standardnachschlagewerke, wie der „Duden“ beispielsweise, greifen darauf zurück, „Stereotyp“ mit „Vorurteil“ zu definieren.
Unsere Beobachtungen in dem Projekt des Seminars „Interkulturalität und Landeskunde“ haben beispielsweise ergeben, dass viele der ausländischen Studierenden, auch wenn sie aus franko- oder anglophonen Ländern kamen, eher mit dem Begriff „Stereotyp“ vertraut waren, als mit dem Begriff „Vorurteil“. Manchmal musste allerdings eine andere Möglichkeit gefunden werden, um die Begriffsdefinition auch für nicht franko- oder anglophone Studierende zu erläutern. Dieses Problem ließ sich dann meist mit dem Begriff des „Images“ lösen, was allerdings nicht die von uns angestrebte Erklärung war. Praktische Beispiele im Sinne von „Alle Deutschen trinken Bier“ oder „Franzosen essen immer Baguette“ waren meist von größerem Nutzen.
In der weiteren Arbeit werden vorwiegend die Begriffe „Vorurteil“ und „Stereotyp“ verwendet. Auch hier kann nicht gewährleistet sein, dass die Verwendung hundertprozentig korrekt ist, aber es wurde die größtmögliche Sorgfalt darauf gelegt, eine Begriffsverwirrung zu vermeiden. In den Quellenangaben findet sich die jeweilige Referenz zu den Zitaten.
2.1. Stereotyp
Der Begriff „Stereotyp“ leitet sich aus den griechischen Wörtern „steréos“ (= starr, fest) und „týpos“ (=Schlag; Eindruck; Muster, Modell) ab. Er bezeichnet ein wiederkehrendes Verhaltensmuster oder, in dem uns interessierenden sozialpsychologischen Sinn, ein
„vereinfachendes, verallgemeinerndes, stereotypes Urteil, ein ungerechtfertigtes Vorurteil über sich, oder andere oder eine Sache; festes, klischeehaftes Bild;“
„Duden- Deutsches Universalwörterbuch“ unter „Stereotyp“, Leipzig, 2003
Allgemein wird in der Literatur zu diesem Thema der Stereotyp als verkürztes und reduziertes Bild der Menschen bezeichnet, das entsteht, weil wir nicht genügend Zeit haben, uns mit Details aus anderen Teilen der Welt auseinanderzusetzen.
Stereotype können über prinzipiell jedes Thema, alle Lebensbereiche gebildet werden. Vor allem in der Werbung werden Stereotype bevorzugt eingesetzt. Als Stereotyp würde man beispielsweise das Bild des „typischen Deutschen“ im Ausland bezeichnen: Lederhose und Bierkrug.
2.2. Vorurteil
Laut dem „Duden“ ist ein Vorurteil eine:
„Ohne Prüfung der objektiven Tatsachen voreilig gefasste oder übernommene, meist von feindseligen Gefühlen gegen jemanden oder etwas geprägte Meinung;“
„Duden- Deutsches Universalwörterbuch“ unter „Vorurteil“, Leipzig, 2003
Laut dem Brockhaus ist ein Vorurteil eine:
„kritiklos übernommene Meinung, die einer sachl. Begründung nicht standhalten kann.“
„Der Brockhaus“ unter „Vorurteil“ , ungekürzte Lizenzausgabe
der RM Buch und Medien Vertrieb GmbH, Leipzig, 2005
Um den Begriff noch besser zu definieren, soll hier noch „negativ wertend“ als Zusatz erwähnt sein.
Vorurteile sind weit verbreitet und können sich in vielen Formen manifestieren. Ein weit verbreitetes Vorurteil in vielen Großstädten in Deutschland und Amerika beispielsweise ist: „Die Ausländer nehmen unseren heimischen Arbeitern die Arbeitsplätze weg“. Auf diese Aussage wird später noch eingegangen. Vorurteile transportieren vor allem negative Gefühlsurteile. Sie beziehen sich auf affektiv-emotionale Einstellungen. Vorurteile sind sozusagen immun gegen die Realität, da sie immer und überall gebildet und nur schwer wieder abgebaut werden können. Sie können verantwortlich sein für Aggression, Frustration und Hass, sowohl in der Gruppe, die die Vorurteile verwendet, als auch in der Fremdgruppe. Vor allem in größeren Gruppierungen kann dies eine Eigendynamik entwickeln, die zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen könnte.
2.3. Klischee
Das Wort stammt von dem französischen „cliché“ (= Abklatsch) ab. Es hat verschiedene Bedeutungen in den verschiedenen Bereichen der menschlichen Kommunikation:
„(bildungssprachlich, abwertend) a) unschöpferische Nachbildung, Abklatsch; b) eingefahrene, überkommene Vorstellung; c) abgegriffene Redensart, Redewendung;“
„Duden- Deutsches Universalwörterbuch“ unter „Klischee“, Leipzig, 2003
„[...] abgegriffener Ausdruck.“
„Der Brockhaus“ unter „Klischee“ , ungekürzte Lizenzausgabe
der RM Buch und Medien Vertrieb GmbH, Leipzig, 2005
Klischees können also sowohl überspitze Darstellungen von Stereotypen sein, als auch eine einfache Nachahmung einer bestimmten Beobachtung, die so populär wird, dass sie vielerorts als „typisch“ angesehen wird. So ist beispielsweise das Klischee einer BWL-Studentin an deutschen Universitäten: Schönheitswahn, immer „gestylt“, immer auf der Suche nach dem „perfekten“ Mann (d.h. Geld, perfektes Aussehen). Diese Aussage muss nicht einmal für einen Großteil der BWL-Studentinnen stimmen, gilt aber durchaus bei manchen Studierenden als Fakt.
2.4. Image
Das Wort stammt von dem lateinischen Wort „Imago“ (= Bild) ab. Das Wort selbst wird auch aus dem französischen und englischen Sprachgebrauch als „Bild“ übersetzt. Laut dem Duden ist die soziale Verknüpfung mit dem Wort „Image“ (das Wort wird auch im deutschen Gebrauch englisch ausgesprochen [’ιmιtſ] ):
„Vorstellung, Bild, das ein Einzelner oder eine Gruppe von einer anderen Einzelperson, Gruppe oder Sache hat; (idealisiertes) Bild von jemandem, etwas in der öffentlichen Meinung;“
„Duden- Deutsches Universalwörterbuch“ unter „Image“, Leipzig, 2003
„[...] durch Werbung und -> Public Relations erzeugtes gefühlsbetontes Vorstellungsbild über bestimmte Meinungsgegenstände [...].
„Der Brockhaus“ unter „Image“ , ungekürzte Lizenzausgabe
der RM Buch und Medien Vertrieb GmbH, Leipzig, 2005
Die Beschreibung des Wortes „Imago“ scheint mir auch treffend für die Bedeutung von „Image“:
„Im Unterbewusstsein vorhandenes (Ideal)Bild einer anderen Person der sozialen Umwelt;“
„Duden- Deutsches Universalwörterbuch“ unter „Imago“, Leipzig, 2003
„[...] unbewusstes Leitbild.“
„Der Brockhaus“ unter „Imago“ , ungekürzte Lizenzausgabe
der RM Buch und Medien Vertrieb GmbH, Leipzig, 2005
Die „Image“ Bezeichnung wird also im Kontext beruflicher Qualifikation oder sozialen Ansehens verwendet. Auch in den Medien wird der Begriff sehr häufig verwendet. So müssen beispielsweise Politiker sehr auf ihr „Image“ achten, vor allem im Zuge einer Wahlkampagne, da die Wahl steht und fällt mit dem Bild, das die Medien der Bevölkerung liefern. Images knüpfen, ähnlich wie Stereotype an reale Situationen an und erschweren mit ihrer realitätsnahen Darstellung den Zugang zur „richtigen“ Realität.
3. Das mentale Konstrukt
Stereotype können viele Ursachen haben. Einige davon sind Gerüchte, Übertreibungen, unreflektiertes Weitergeben von Informationen, Witze und grobe Vereinfachungen. Die Auswertung dieser, meist subjektiven, Wahrnehmungen im Empfänger der Informationen ist ausschlaggebend für die Bildung von Stereotypen oder Vorurteilen.
Vor allem die soziale Umgebung trägt dazu bei, ein imaginäres Bild von der Welt zu erstellen. Jeder Mensch entwickelt unterbewusst ein solches Konstrukt seiner individuellen mentalen Realität. Dort erfolgt die Wertung und Vergleich einer Wahrnehmung mit schon vorhandenem Wissen.
Das bedeutet, dass Menschen, deren „vorhandenes Wissen“ schon auf Vorurteilen aufbaut, auch eher dazu bereit sind, noch mehr Vorurteile aufzubauen. Somit verstricken sie sich in ein Geflecht aus stereotypem Denken, d.h. immer gleich bleibende Verhaltens- und Denkmuster, aus denen sie nicht so einfach wieder herauskommen.
Das Modell zur konstruktiven Wirklichkeit (s. Abbildung 1, S.15):
Die Wahrnehmung wird durch elektrische oder chemische Vorgänge weitergeleitet und in Schaltvorgängen im Gehirn zweifach verarbeitet. Es erfolgt die affektive Wertung und der Vergleich der Wahrnehmung mit schon vorhandenen Wissensbeständen. Diese beiden Vorgänge bilden Konstrukte der Wirklichkeit im Gehirn des Wahrnehmenden. Diese definieren sozusagen jede weitere Wahrnehmung der Wirklichkeit neu. Als Orientierungsrahmen spielt hierbei auch der Nationalcharakter eine Rolle, der Völkern in gewisse Grenzen verweist und ihnen Eigenschaften zuschreibt. Verschiedene Perspektiven, die den Wahrnehmenden direkt betreffen und sich auf seine Interessen beziehen, verzerren ebenfalls das Bild der Realität. All diese Teile des Wirklichkeitskonstrukts tragen zum Kulturvergleich bei, und mit ihm dem Verstehen, der Lebensorientierung und dem Verhalten des Wahrnehmenden. Die Konstrukte können also auch positive Einflüsse haben. Je mehr Konstrukte gebildet werden, um so vielfältiger wird das Ergebnis des Abgleichs der Wahrnehmung mit den Wissensbeständen. Und je vielfältiger das Ergebnis ist, desto eher ist der Wahrnehmende bereit, sich der neuen Kultur, der neuen Erfahrung zu stellen und echtes Interesse für das Neue zu entwickeln.
Rivalisierendes Denken beispielsweise fördert die Verzerrung der realen Wirklichkeit im negativen Sinn. Dies kann zu einer ewigen Wiederholung von Ereignissen führen, die im schlimmsten Fall gewaltsame Auseinandersetzungen nach sich zieht. Als Beispiel kommt dafür beispielsweise Palästina in Frage.
In den folgenden Ansätzen wird auf die Bedeutung der sozialen und religiösen Gruppen und der Kreation eines „Feindbildes“ näher eingegangen.
4. Drei Ansätze zur Bildung von Stereotypen
Zur Bildung von Stereotypen und Vorurteilen gibt es in der Literatur verschiedene Ansätze. Drei davon sollen hier wiedergegeben und erläutert werden. Die Ansätze sind zwar untereinander durchaus vergleichbar, weisen jedoch auch immer eine Komponente auf, durch die sie voneinander trennbar sind. Sie sind wichtig für den Umgang mit Stereotypen, vor allem, wenn man deren Entstehung verhindern oder einschränken möchte.
Es muss erwähnt werden, dass keinerlei Wertung erfolgen soll, auch wenn mit Beispielen für oder wider den Ansatz argumentiert wird. Die Ansätze sollen nur vorgestellt werden, um einen Überblick über die wissenschaftliche Arbeit, die zu diesem Thema geleistet wurde, zu repräsentieren. Natürlich sind die vorgestellten Ansätze nicht die Summe aller Arbeiten, die dieses Thema behandeln, sie geben nur grob einen Überblick über die drei Richtungen, in welche Wissenschaft die Entsehung von Stereotypen und Vorurteilen eingrenzt,
Die Stereotypenbildung wird in den meisten Fällen mit der Vorurteilsbildung entweder gleichgesetzt, oder geht dieser voran.
4.1. Der soziokulturelle Ansatz
Durch das familiäre und gesellschaftliche Umfeld werden Stereotypen weitergegeben und aufgenommen. So wird auch das Alltagsverhalten schon im Kindesalter geprägt. Ausgehend von sozialen Spannungen, die zur Gruppenbildung führen, dienen Stereotypen dazu, Konflikte zwischen der eigenen und der Fremdgruppe zu erhalten und zu erhöhen. Im Umfeld einer Gruppe ist es kaum möglich die Aufnahme gewisser Stereotypen zu vermeiden und diese anderen ethnischen Gruppen zuzuweisen.
Dieser Ansatz lässt sich in vielen Gegenden Beobachten. Vor allem in sozial schwächeren Gruppen werden vermehrt Stereotypen und Vorurteile gebildet und weitergegeben. Wird beispielsweise ein Individuum einer sozial schwächeren Schicht in Deutschland arbeitslos, sind „die Ausländer“ schuld, weil sie der „richtigen Gruppe“, also den „hart arbeitenden Deutschen“, die Arbeitsplätze wegnehmen. So kann man es zumindest bei vielen Stammtisch-Gesprächen in einer deutschen „Dorfkneipe“ vernehmen. Gleichzeitig gibt es aber, möglicherweise sogar in genau derselben Gruppe, die Vorstellung vom „faulen Ausländer“, der sich vom Staat „durchfüttern“ lässt.
Dieses Beispiel soll darstellen, dass Stereotype und Vorurteile nicht unbedingt logische Verknüpfungen vorweisen müssen.
4.2. Der kognitive Ansatz
Stereotype werden verwendet, um die eigene Gruppe (in – group) aufzuwerten, indem man die andere Gruppe (out – group) abwertet. Stereotype werden von den Individuen aufgenommen, um sich zur „in-group“ zugehörig zu fühlen.
So setzte sich beispielsweise nach den militärischen Aktionen der USA-Regierung in den letzten Jahren der Stereotyp vom „dummen“ Amerikaner in den Köpfen der deutschen Mehrheit fest. Mit dieser Annahme konnte vieles einfacher erklärt werden und gleichzeitig ist mit der Aussage „Amis sind doch eh dumm“ verknüpft, dass man sich selbst für intelligenter als die „Amis“ erklärt. Viele Deutsche nehmen diese Vorstellung gerne an, schließlich waren lange Zeit nach dem zweiten Weltkrieg immer noch die Deutschen die „Bösen“. Gibt es die Gelegenheit, einen neuen „Buhmann“ zu deklarieren, wird diese dann auch wahrgenommen. Also sind in diesem Beispiel die Deutschen die „in-group“ und die Amerikaner die „out-group“.
Ähnlich geschieht es auch, wenn mehrere rivalisierende Gruppen auf einem „engen“ Raum zusammenleben (Beispiel: Palästina), den sie beide für sich beanspruchen. Auf beiden Seiten entstehen Gerüchte und „Wahrheiten“ über die andere Gruppe, so dass die eigene Gruppe aufgewertet und „im Recht“ bleibt. Meist enthalten diese Gerüchte Informationen über die Grausamkeit, die seltsamen Gewohnheiten oder den Umgang mit anderen Menschen in der anderen Gruppe.
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